Kennung: 742

München, 20. Mai 1901 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Zickel, Martin

Inhalt

FRANK WEDEKIND.


MÜNCHEN, den 20. Mai 1901.
Franz Josefstr. 42/II.


Lieber Herr Zickel!

Der Contrakt den mir Ferenzy zugeschicktHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben; erschlossenes Korrespondenzstück; José Ferenczy an Wedekind, 16.5.1901. Der von José Ferenczy aufgesetzte Vertrag, aus dem Wedekind im vorliegenden Brief zitiert, ist ebenfalls nicht überliefert. Er sollte ein geplantes Engagement Wedekinds in einem von Martin Zickel initiierten Überbrettl-Projekt [vgl. Wedekind an Martin Zickel, 27.4.1901] am Central-Theater (Direktion: José Ferenczy) in Berlin (Alte Jacob-Straße 30) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1901, S. 248] regeln. Wedekind schloss trotz seiner Bedenken im Sommer 1901 in Berlin einen (nicht überlieferten) Vertrag mit der Direktion für ein Engagement in der nächsten Saison ab, den er dann nicht erfüllte. hat ist für mich unmöglich. Das ist aber nicht alles; er ist direct schmutzig. Das ist nicht eine persönliche Ansicht, die ich ausspreche; das sagt Jeder, der den Vertrag gesehen hat. Dr. Halbe und Keyserling brachen in schallendes Gelächter aus bei der Lectüre des
§ 3.
Herr Fr. W. erhält für seine obengenannte Thätigkeit eine Gage von 720 Mark (siebenhundertundzwanzig Mark) pro Monat | eingetheilt in 30 dreißig Honorare à 24 Mark (vierundzwanzig Mark)

Wie kommt Ferenzy zu diesem schmutzigen Mißtrauen gegenüber einem Menschen, der sich ihm nicht aufgedrängt hat und der ihn gar nicht nötig hat. Aber die anderen drei Paragraphen des Contractes stehen vollkommen auf gleicher Höhe. In Pa § 1. wahrt sich Ferenzy 1. das Recht, den Vertrag monatlich zu kündigen und zweitens das Recht, mich auf völlig unbestimmte Zeit an den Contract zu fesseln. Meine Rechte sind Null. In § 2 verpflichtet er mich „auch fremde Dichtungen“Schreibversehen, statt: Dichtungen. vor zutragen“ und „die einzelnen Mitglieder auf der Bühne vorzustellen und einzuführen.“ | Dadurch könnte er mich einfach zwingen, sobald die Geschäfte schlecht gehen sollten, Wolzogen zu copierenErnst von Wolzogen trat in seinem Kabarett, dem Bunten Theater (Überbrettl), als Conférencier auf. und überdies den CoupletDas Couplet, die für das Kabarett charakteristische, witzig-zweideutige Liedform, hatte sich am Bunten Theater (Überbrettl) in Berlin als publikumswirksam bewährt.-Sänger zu spielen. Im 4. und letzten § wird eine Conventionalstrafe von 1000 Mark ausbedungenDiese Summe stand im unterzeichneten Vertrag (siehe oben), wie eine Pressenotiz belegt: „Der Schriftsteller Frank Wedekind war für das literarische Variété des Herrn Ferenczi am hiesigen Central-Theater für einen Monat gewonnen worden, wobei vereinbart war, daß Wedekind im Falle eines Nichteintreffens eine Konventionalstrafe von 1000 Mark verwirkt habe.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 31, Nr. 43, 24.1.1902, Abend-Ausgabe, S. (3)], die Ferenzy durch die oben erwähnten BestimmungSchreibversehen, statt: Bestimmungen. jeden Tag, ganz wann es ihm gefällt, mir/von/ mir eincassieren kann, und dem gegenüber steht als der einzige unantastbar sichere Vortheil, den mir der Contrakt gewährt, eine einmalige Abendgage von sage und schreibe 24 Mark. Daß dieß dieser Contrakt ein Meisterwerk ist werden Sie, Herr Zickel, mir selber zugeben müssen. Ich würde mich sonst auch nicht so lange dabei aufgehalten haben. | Es gehörte eben nur noch derjenige dazu der ihn unterzeichnet. Mir war es zum Glück unmöglich, unter meinen sämmtlichen Bekannten einen Menschen zu finden, der mir dazu geraten hätte.

Ich halte es nun, wie Sie mir schreibenHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Martin Zickel an Wedekind, 19.5.1901. Martin Zickel äußerte sich über den von José Ferenczy aufgesetzten Vertrag und über eine (verschollene) Postkarte Wedekinds an den Direktor (siehe unten), wie aus dem vorliegendem Brief hervorgeht., lieber Herr Zickel, für das einzig richtige mit den Abmachungen zu warten bis ich in Berlin bin. Ich werde in acht oder zehn Tagenam 31.5.1901 oder 2.6.1901. Wedekind war Mitte Juni 1901 „einige Tage“ [Wedekind an Carl Heine, 7.8.1901] in Berlin. dort sein.

Bis dahin verbleibe ich mit herzlichem Gruß aufrichtig gemeint; nicht wie auf der Carte an Ferenzynicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an José Ferenczy, 17.5.1901. Martin Zickel, im Zusammenhang mit dem geplanten Überbrettl-Projekt in Kontakt mit José Ferenczy (siehe oben), dürfte der Wortlaut dieser Postkarte bekannt gewesen sein..
Ihr
Frank Wedekind.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 19 x 25 cm. Mit gedrucktem Briefkopf. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    20. Mai 1901 (Montag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
68-71
Briefnummer:
189
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky

Von-Melle-Park 3
20146 Hamburg

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Autographen der Hamburger Theatersammlung
Signatur des Dokuments:
AHT : 37 : 15 : Blatt 1-2
Standort:
Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky (Hamburg)

Danksagung

Wir danken der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Martin Zickel, 20.5.1901. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

26.03.2024 12:23