Briefwechsel

von Walter Laué und Frank Wedekind

Walter Laué schrieb am 10. Juni 1880 in Aarau folgende Visitenkarte
an Frank Wedekind

Walter LauéWalter Laué, aus Köln stammend – sein Vater war Eisenbahnvorsteher vom Kölner ‚Centralbahnhof‘ –, besuchte vom 10.6.1880 bis zum 14.2.1881 die zweite Klasse der Kantonsschule Aarau, wo er sich mit Wedekind anfreundete und mit ihm den Dichterbund Senatus Poeticus gründete. Walter Laué war entfernt verwandt mit der Familie Laué in Möriken-Wildegg..

Frank Wedekind schrieb am 11. Februar 1881 - 28. Februar 1881 in Aarau folgendes Briefgedicht
an Walter Laué

[1. Entwurf (Fragment):]


2. O, wie zittert meine Hand
Denn es sind gar wichtge Dinge
Die ich Dir zu Ohren bringe
Dir noch völlig unbekannt.


17. In dem Ryniker. – Fidel
War’s, denn ein Und mein Gedichte von Rohre,
Von dem Li lieben Samuel,
Machte ungemein Furore. |


Unten in dem Ryniker
Und da brachte ich nun wieder
Ein paar nagelneue Lieder
O, das war gemütlich sehr.


18 Doch als U uns die Abendglocke
Rief um sieben aus der Pforte,
Da sprach ich die ersten Worte
Nun seit einem Jahr zu Zschokke.


19 Alsbald hat er mir verziehen.
Und so ist den endlich heute
Eine Versöhnungsact gediehen
Der mich ungemein erfreute.


20 Uphues, der ist, Gott sei Dank!
Noch bis nächsten Montag krank.
Aber sonst geht alles leider
Auf den
die gewohnten Bahnen weiter.


21 Dienstag ist vor hundert Jahren
Gotthold Lessing abgefahren.
Sanfte Ruhe wünsch ich seinen
Ewig heiligen Gebeinen.


22 S So, mein Walter, gegenwärtig
Bin mit meinem Brief ich fertig.
Und sehr würd es mich entzücken
Thätest bald du Anwort schicken.


23 Schreibe mir auf gleiche Weise
Einen Brief von d/D/einer Reise.
In Dein Leben auch in Brüssel
Steck ich gerne meinen Rüssel.


24 Grüße Jaques und deine Lieben!
Mög +/k/ein Unglück Dich betrüben!
Fang nicht wieder Feuer! und
Vivat unser Dichterbund.


25. Und wenn wir auch viele Meilen
Weges aus einander sind,
So gedenke doch zuweilen
Deines treuen Wedekind. |


[2. Nicht abgesandter Brief:]


Freitag, 11. Februar 1881.


Höre nun, mein lieber Walter!
Um Dir alles zu beschreiben,
Was wir hier in Aarau treiben,
Greif ich nach dem Federhalter.


O, wie zittert meine Hand!
Denn es sind gar wichtge Dinge,
Die ich Dir zu Ohren bringe,
Dir noch völlig unbekannt.


Als der Zug von hinnenAm 8.2.1881 hatte Wedekinds Schulfreund Walter Laué Aarau verlassen, war zunächst für etwa 14 Tage nach Brüssel gereist und Ende Februar in seine Heimatstadt Köln, die er erst im Juni 1880 verlassen hatte, zurückgekehrt. brauste,
Glaube nun/r/, wie es mir grauste,
In der großen StadtDie Kantonshauptstadt Aarau zählte um 1900 circa 7800 Einwohner, Lenzburg knapp 2600. allein
Ohne einen Freund zu sein.


Wie ich heimWedekind wohnte von 1879 bis 1881 in Aarau bei dem Altphilologen und ehemaligen Kantonsschullehrer Professor Friedrich Rauchenstein in der Straße Halden 261 im Aarauer Zentrum [vgl. Kutscher 1, S. 22; zu Rauchenstein vgl. Verzeichniss sämmtlicher Einwohner, Wohn- und Oekonomie-Gebäude der Gemeinde Aarau. Aarau 1881, S. 18]. nun wandle, sieh da!
Treff ich plötzlich Frl. Idanicht ermittelt; das Mädchen, das für Walter Laué geschwärmt haben dürfte, könnte mit dem im zweiten Teil des Briefes (vom 28.2.1881) genannten Frl. Belard identisch sein (siehe unten zu „Frl. Belard“).,
Und bemerkt’ in ihren Blicken
Eine Thräne sie zerdrücken. |


Auch Frau LüscherVermutlich handelte es sich um die Modistin Charlotte Lüscher, die auf der Halden Nr. 279 unweit von Wedekinds Adresse bei Professor Rauchenstein Halden Nr. 261 wohnte. Vielleicht aber war die Schneiderin Emma Lüscher, die auf dem Kirchhof Nr. 162 gemeldet war, gemeint. Dagegen dürfte eine Identifizierung mit der Lumpensammlerin Frau Lüscher in der Golattenmattgasse eher unwahrscheinlich sein. Gleiches dürfte für die vor 1884 offenbar verstorbene Schusterwitwe Lüscher in der Hinteren Vorstadt Nr. 647 gelten [vgl. Verzeichniss sämmtlicher Einwohner, Wohn- und Oekonomie-Gebäude der Gemeinde Aarau. Aarau 1881, S. 12, 18f., 32]., hör ich, wäre
Sehr betrübt, da Ihr nun geht.
Aber in der Zeitung steht,
Daß sie suche PensionäreDie Brüder Jakob und Walter Laué dürften wie Wedekind während der Schulzeit ein Pensionszimmer in Aarau bewohnt haben, das nach der Rückkehr der Familie nach Köln nun wieder zu vermieten war. In den Aargauer Nachrichten Jg. 27 (Februar 1881) sind keine diesbezüglich eindeutigen Vermietungsanzeigen enthalten..


Traurig ob des Kummers Last
Eil ich in die Metzgergasseeine Straße im Zentrum von Aarau.,
Wo die allerbeste Race
Besenin der Sprache der Schüler- und Studentenverbindungen Bezeichnung für Mädchen. d/D/u gefunden hast.


Jetzt war es schon dunkel, und
Aus des Ladens Hintergrund
Kam sieWalter Laués Freundin Bertha Hoch, die Wedekind am Geschäft des Samenhändlers Gustav Hoch-Ernst in der Metzgergasse 61 angetroffen haben wird [vgl. Verzeichniss sämmtlicher Einwohner, Wohn- und Oekonomie-Gebäude der Gemeinde Aarau. Aarau 1881, S. 5]. auf mich zu und wollte,
daß ich ihr erzählen sollte,


Was Du alles noch gesprochen
Und so weiter, aber da –
Meine Schlauheik/t/ kennst Du ja! –
Hatt den Braten ich gerochen.


Und ich meldete ihr großen
Dank für die verhextevermutlich Schreibversehen, statt: verhexten. Rosen,
Und Du werdest gar nicht verfehlen,
Bald mit ihr Dich zu vermählen. |


Möchte sie doch gar nicht klagen
Nur ein Weilchen sich gedulden,
Denn Du habest gleiche Schulden
Ja in Cöln noch abzutragen.


Und als ich nun wurde stummer,
Rief sie aus mit großem Kummer:
„O, wie liebt ich Dich so warm!
Und wie bin ich nun so arm.


Aus geblasen ist mein Licht.
Fort sind unsere Promenaden!“
Dann verhült’Schreibversehen, statt: verhüllt’. sie ihr Gesicht
Und begab sich in den Laden.


Ach, sie dauerte mich sehr.
Und indem ich eilte weiter,
Wurden meine Blicke heiter,
denn ich sah den RynikērMakron über dem „e“ als Hinweis zur Betonung des Vokals. – Vermutlich Friedrich Ryniker, Besitzer der Pintenwirthschaft Ryniker, in der Metzgergasse 102 [vgl. Verzeichniss sämmtlicher Einwohner, Wohn- und Oekonomie-Gebäude der Gemeinde Aarau. Aarau 1881, S. 8]. Es könnte sich auch um den ehemaligen Kantonsschüler Friedrich Ryniker aus Aarau gehandelt haben, der bis August 1880 die zweite von vier Klassen der Gewerbeschule besucht hatte [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule. Aarau 1881, S. 13]..


Hinter einem großen Topfe
Und bei einem Häring saß ich,
Doch den Kummer bald vergaß ich,
der getobt in meinem Kopfe. ––– |


Mittwoch war ein VortragIn den Aargauer Nachrichten [Jg. 27, Nr. 33, 9.2.1881, (S. 4)] war für Mittwoch den 9. Februar, 19.30 in der Aula des städtischen Schulhauses der öffentliche Vortrag „Die Gebirge“ des Professors Heim aus Zürich angezeigt, zu dem Eintrittskarten á 1 Franken erworben werden konnten. Die Naturforschende Gesellschaft teilte in einer weiteren Anzeige auf derselben Seite mit, dass nach dem Vortrag ein „Rendezvous“ mit dem Referenten in der Bierbrauerei Holzach stattfinde. hier,
Und da haben, denke Dir!
In/Um/ der/ie/ S/s/tillen Mitternacht
Sieben Ständchen wir gebracht.


Doch nun hör, was wir getrieben.
Gestern Abend, fünf bis um sieben
Saß die ganze zweite ClasseDas waren neben Wedekind weitere 15 Klassenkameraden der zweiten Gymnasialklasse der Kantonsschule Aarau, zu der auch Walter Laué bis zu seiner Abreise gehört hatte. Der Gymnasialzweig der Kantonsschule war vierstufig angelegt. Ostern fanden die Versetzungen in die nächsthöhere Klasse statt.
w/W/iederum bei einem Fasse


In dem Ryniker fidel.
Und mein m/n/eustes Werk von Rohrenicht ermittelt.,
Von dem lieben SamuelDie Person ist nicht ermittelt. Möglicherweise bestand ein Zusammenhang zum Klassenkameraden Friedrich Rohr aus Buchs, der mit Johann Rohr aus Buchs, dem Inhaber der Aarauer Speisewirtschaft am Holzmarktplatz Nr. 662, wie auch mit dem Besitzer des Gasthofs zum Wildenmann in der Vorderen Vorstadt Nr. 667 verwandt gewesen sein dürfte.,
Machte ungemein Furore.


Doch als uns die Abendglocke
Rief um sieben aus der Pforte,
Da sprach ich die ersten Worte
Nun seit einem JahrIm Februar 1880 hatte Wedekind das Gedicht „An L. B.“ als Travestie auf den Liebesbrief eines Klassenkameraden, der diesem aus der Tasche gefallen war, verfasst, den Mitschülern vorgelesen und an das Mädchen, das er nicht kannte, als erstes von drei Gedichten geschickt [vgl. Frank Wedekind an Friedrich Wilhelm Wedekind, 5.2.1880]. Der ernsthafte Zwist mit dem Schulkameraden Ernst Heinrich Zschokke, er war Urenkel des berühmten Pädagogen und Volksaufklärers Johann Heinrich Daniel Zschokke, stand womöglich in einem Bezug zu dieser Angelegenheit. – Walter Laué war dagegen nicht, wie in der Sekundärliteratur gemutmaßt wird [vgl. KSA 1/II, S. 1955] als Verfasser des Liebesbriefes oder anderweitig in die Angelegenheit involviert, da er erst im Juni 1880, und damit Monate später in die Kantonsschule Aarau aufgenommen wurde. Das belegt ein Schreiben vom 10. Juni 1880, mit dem Rektor Kaspar Maier der „Erziehungsdirection“ anzeigte, „daß nach bestandner Prüfung Laué Walter (in Wildegg) in die 2 Kl. Gymnas. provisorisch“ und „Laué Jakob (in Wildegg) in die 2. Kl. Progym. definitiv aufgenommen worden sind“ und dass die Brüder „bis jetzt das Gymnasium in Köln besucht“ hatten [vgl. Staatsarchiv Aargau. Bestand: Erziehungsdirektion und Erziehungsrat. Signatur: DE02/0166/03]. zu Zschor/k/ke.


Alsbald hat er mir verziehen.
Und so ist denn endlich heute
Ein Versöhnungsact gediehen
Der mich ungemein erfreute. ––– |


UphuesDer aus Westfalen stammende katholische Pädagoge und Philosoph Karl Goswin Uphues war seit 1879 bis zu seinem Weggang (1881) Wedekinds Deutschlehrer an der Kantonsschule Aarau., der ist, Gott sei Dank!
Noch bis nächsten Montag krank.
Aber sonst geht alles leider d
Die gewohnten Bahnen weiter.


Dienstag ist vor hundert Jahren
Gotthold Lessing abgefahrenAm 15.2.1881 jährte sich zum 100. Mal der Todestag von Gotthold Ephraim Lessing..
Sanfte Ruhe wünsch ich seinen
Ewig heiligen Gebeinen. –––


S+/o/, mein Walter, gegenwärtig
Bin mit meinem Brief ich fertig.
Und sehr würd es mich entzücken
Thätest bald Du Antwort schicken.


Schreibe mir auf gleiche Weise
Einen Brief von Deiner Reise.
In Dein Leben auch in Brüssel
Steck ich gerne meinen Rüssel. |


Grüße Jaques und Deine LiebenGemeint waren insbesondere die Eltern, die Wedekind persönlich gekannt haben dürfte. Die Kölner Familie Laué stand in verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Nachfahren der einstigen Fabrikanten-Familie Laué in Möriken-Wildegg. Fanny Laué, Tochter des Emil Laué, für die Wedekind in Jugendjahren schwärmte, war eine Cousine seines Freundes Walter Laué..
Mög kein Unglück Dich betrüben!
Fang nicht wieder Feuer. Und
Vivat(lat.) Er lebe hoch. unser DichterbundWalter Laué und Wedekind dürften den „senatus poeticus“ (siehe dort) genannten Dichterbund gegründet haben..


Und wenn wir auch viele Meilen
Weges auseinander sind,
So gedenke doch zuweilen
Deines treuen


Wedekind.

–––Es folgt ein bis zum Seitenende sich nach unten verjüngender spiralförmiger Schnörkel. |


P. S.


Diese v/V/erse schrieb ich 3 Tage nach Deiner Abreise von Hier, aber w kam nicht dazu sie abzusenden. An Meine damaligen pecuniären Verhältniß/ss/e werden diese Nachlässigkeit einigermaßen entschuldigen. Bald empfieng ich nun Deinen l. BriefWalter Laué an Wedekind, 18.2.1881. der mich ungemein erfreute, aber da Du darin schreibst: „AdieuxLesefehler Wedekinds, statt: Adresse. bis Ende Februar, etwa 26.“ S/s/o dachte ich nicht anders, als d/D/u werdest an besagtem Tage wieder in Geschäften nach Aarau kommen, und in der Aus-sicht auf baldige mündliche Mittheilung hielt ich es für unnöthig Dir noch vorher zu schreiben. Am 26. Febr. war ich auch 3 Mal auf dem Bahnhof, aber wer nicht kam, warst DuOffenbar hatte Wedekind nicht verstanden, daß der Freund ihm nicht nur seine bis zum 26.2.1881 gültige Brüsseler Anschrift (W.[alter] L.[aué] La Nouveau marché aux grains / Bruxelles) mitgeteilt hatte, sondern auch die ab 26.2.1881 gültige Kölner Adresse (W.[alter] L.[aué] Centralbahnhof Cöln a/Rhein). Nach der Rückkehr nach Köln bezog die Familie Laué wieder Wohnung in der Trankgasse 11 am Kölner Centralbahnhof [vgl. Greven’s Adreßbuch für Köln, Deutz und Mühlheim sowie die Umgebung Köln’s. Jg. 26, 1880, S. 109 sowie Jg. 28, 1882, S. 110].. In der Vermuthung daß das Datum für nächstes Jahr gi/bl/t erhielt ich gestern heute Deine l. Kartenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Walter Laué an Wedekind, 27.2.1881. und in d meiner Herzensangst, Du mögest etwa an Deinem Freunde verzweifeln schreibe ich diese Zeilen. Nun bitte ich noch einmal unterthänigst um Verzeihung. Was B. H. anbetrifft, so kann ich Dir nicht mehr sagen als daß Du bereits einen Lückenbüßer bei ihr gefunden hast, dessen werthen Namen ich aber leider nicht kenne. n/Ni/cht so zufrieden wie B H ist Dein Freund Franklin, der Dich Tag für Tagg Deinen Verlust tiefer empfindet und schon lange aus Verzweiflung in die Aare gesprungen wäre, wenn der/as/ Wasser nicht eine so wiedrige Temperatur besäße.

Du erwartest einige Perlen von meiner Muse. Ich bin aber bei dem hohen Zoll, der auf sollchenSchreibversehen, statt: solchen. Werthsachen steht, nicht im Stande Dir welche zu schicken. Auch steht mein PegasusIn der griech. Mythologie geflügeltes Pferd, Sinnbild der Dichtkunst [vgl. auch KSA I/2, S. 1003]. seit geraumer Zeit im Stall, wo er nicht weniger, als Perlen producirt. Nur bei der allwöchentlichen KlassenkneipeMit Eintritt in die zweite Klasse des Gymnasiums oder der Gewerbeschule durften die Schüler abends zwischen 6 und 10 Uhr gelegentlich ausgewählte Wirtshäuser besuchen. trabt er ein wenig spaziren. Schibler, der sich an der LessingfeierEs dürfte sich um die Lessing-Feier am Dienstag, den 15.2.1881 (abends ½ 8 Uhr) handeln, zu der die Lehrerschaft der Kantonsschule per Anzeige in den Aargauer Nachrichten in die Aula der Schule eingeladen hatte. Die Gedächtnisrede zum 100. Todestag des Dichters hielt der Deutsch- und Geschichtslehrer der Schule, Prof. Dr. Johann Jakob Bäbler. Für das musikalische Begleitprogramm sorgten der gemischte und der Männerchor [vgl. Aargauer Nachrichten Jg. 27, Nr. 37, Montag, 14.2.1881]. mir reuevoll um den Hals warf, ist unserem Dichterbund mit Deiner allv/f/älligen Genehmigung beigetreten. Er arbeitet aufbe auf Bestellung. „Der sentimentale DurrerWedekind zitierte aus Laués Brief vom 18.2.1881 aus Brüssel. Abälard Durrer (seine Zwillingsschwester hieß Heloise – nach dem berühmten mittelalterlichen Liebespaar Abälard und Heloise) aus Kerns, der mit Wedekind und Walter Laué in die zweite Gymnasialklasse der Aargauer Kantonsschule ging, wurde als hochbegabt mit poetischen und philosophischen Neigungen beschrieben. Nach der Matura im Frühjahr 1883 begann er ein Jurastudium an der Universität Zürich. Psychische Probleme, die sich schon lange angedeutet hatten, führten 1891 zur Einweisung in die Psychiatrische Klinik St. Urban, wo Durrer – noch keine 30 Jahre alt – nach zwei Monaten verstarb [vgl. Josef Rohrer, Aus Nidwaldens Vergangenheit: historische Aufsätze (= Beiträge zur Geschichte Nidwaldens. Bd. 37). Stans 1978, S. 136]. hingegen spielt weder c/C/omödie (er wurde tödtlich beleidigt durch diese Deine Voraussetzung) noch hat er Lust dem senatus poeticus(lat.) Dichterbund. Als Mitglieder für den vermutlich von Walter Laué und Wedekind gegründeten Dichterbund werden neben Oskar Schibler auch Adolph Vögtlin und Hermann Huber angeführt. Ob Abälard Durrer doch noch angeworben werden konnte, muss fraglich bleiben, eine Korrespondenz mit ihm ist nicht überliefert. Wahrscheinlich aber ist, daß der in der Literatur in diesem Zusammenhang ebenfalls erwähnte Moritz Dürr, der mit Wedekind in Lenzburg die Schule besucht hatte und sich 1886 umbrachte, mit Abälard Durrer verwechselt wurde und nicht dem senatus poeticus angehörte [vgl. dagegen Kutscher 1, S. 33, KSA I/2, S. 1679]. beizutreten. Aber von Deiner wunderbaren schönen Lyrik erwart ich nunmero doch eine PprobenSchreibversehen, statt: Probe., um sie nach Wunsch Frl. Hoch oder Frl BelardIn den Aarauer Adressverzeichnissen war die Familie Belard (Belart, Bélart) um 1880 nicht vertreten. Aber für wenige Jahre etwa zwischen 1878 und 1883 betrieb ein(e) „Belat-Studer, Frd. von Charmoille (Jura bernois)“ eine Drogerie in der Rathausgasse Nr. 22. Das „Frl. Belard“ könnte eine Tochter gewesen sein, möglicherweise identisch mit dem im Briefgedicht genannten Frl. Ida [vgl. Verzeichniss sämmtlicher Einwohner, Wohn- und Oekonomie-Gebäude der Gemeinde Aarau. Aarau 1879, S. 2 und Aarau 1881, S. 2. – 1877 ist die Firma noch nicht, 1884 nicht mehr in den Aarauer Adressbüchern verzeichnet]. –– In der Sekundärliteratur ist das Mädchen mit einer 1860 geborenen Louise Belard aus Aarau bzw. Brugg identifiziert worden, die mit Wedekinds Gedichten „Ein Nachtabentheuer“ (Juli 1879), „An L.B.“ (entstanden vor dem 5.2.1880, abgedruckt unter dem Titel „Pennal“ – siehe oben Lemma „seit einem Jahr“) und „Louise“ (Herbst 1883) in Verbindung gebracht wird [vgl. KSA I/2, S. 1424, 1816, 1955; Vinçon 2021, Bd. 2, S. 26]. Fälschlich vermutet wurde in diesem Zusammenhang, dass Walter Laué, der zu dieser Zeit noch Schüler in Köln war, im Winter 1879/80 den Liebesbrief schrieb, den Wedekind mit dem Gedicht „An L. B.“ travestierte [vgl. Frank Wedekind an Friedrich Wilhelm Wedekind, 5.2.1880]. auszuliefern, oder dieselben in der Verlagsbuchhandlung H R Sauerländer & Con. drucken zu lassen. Den Profaxenschweizerisch für Professor. Gemeint waren die Professoren der Aarauer Kantonsschule, die Walter Laué unterrichtet hatten und die er in seinem Brief an Wedekind vom 18.2.1881 hatte grüßen lassen. geht es allen Dank ihren RynocerosSchreibversehen, statt: Rhynoceros (Nashorn).-Naturen sehr gut. Deine l. Grüße sind von allen Seiten mit Dank empfangen worden; aber trotz meinen Bestrebungen, Dich zu entschuldigen, hast d/D/u dennoch ein der Classe | durch Dein plötzliches Verschwinden ein schlechtes Andenken zurückgelassen. – Die Muthmaßung, daß ich unter ein Piano gerathen sei, verzeihe ich Dich/r/. Daß Du mich unter das Unkraut zählst ver mögen Dir die Götter verzeihen. Für den Wunsch aber, daß dasselbe noch lange wuchern möge, danke ich Dir von ganzem Herzen und werde mich einst befleißen ihn in reichem Maaße zu erfüllen. – Mein mysteriöses Schweigen ist jetzt gebrochen. Was aber meine Gedichte und Frl. Belard betrifft, der ich dieselben geben soll, so weißt Du ja wol, was man mit den Perlen nicht zu thun pflegt. – Nun grüße alle die Deinen, Hansnicht ermittelt., Jaques e. ct.; auch euern Hund und den Papagei Herrn GermundVielleicht Heinrich Germund, der als Bahnbeamter am Kölner Centralbahnhof arbeitete und in der Trankgasse 20 wohnte, oder ein naher Verwandter von ihm [vgl. Greven’s Adreßbuch für Köln, Deutz und Mühlheim sowie die Umgebung Köln’s. Jg. 28, 1882, S. 59]. und Deine Herrlichkeit selbst.
Franklin Wedekind.


28. Febr. 1881


Gruß von StockerJoseph Stoker aus Ober-Mumpf ging mit Walter Laué und Wedekind in die zweite Gymnasialklasse der Aarauer Kantonsschule..

ZieglerAlfred Ziegler aus Winterthur war ebenfalls Mitschüler von Walter Laué und Wedekind in der zweiten Gymnasialklasse der Aarauer Kantonsschule. Er studierte an der Universität Zürich und wurde 1889 Professor für Geschichte am städt. Gymnasium und an der Kantonsschule in Winterthur. läßt grüßen.

Walter Laué schrieb am 18. Februar 1881 in Brüssel folgenden Brief
an Frank Wedekind

Bruxelles d. 18.2.81.


Lieber Franklin!

Da siz’ ich nun hier in Bruxelles, weit von dem Philister AarauWedekinds Schulfreund Walter Laué hatte mit seiner Familie Aarau am 8.2.1881 verlassen und war nach Brüssel gereist. und denke an zwei Wesen, die mir lieb geworden zurück. An Franklin Wedekind & Bertha HochVermutlich die Tochter des Samenhändlers Gustav Hoch in der Metzgergasse 61 in Aarau.. Alles andere ist für mich versunken in Vergessenheit und nur an diese beiden knüpfen sich die liebsten Erinnerungen die ich aus der verhängnisvollen Schweiz mitgenommen. Wie oft habe ich nicht schon, seitdem ich hier bin an Dich gedacht lieber Franklin! Wie gerne hätte ich Dich hier in Bruxelles um mit Dir zu bummeln, zu scherzen und Heringe zu essen. Auch Poesie könnten wir zusammen machen & die Weltstadt Brüssel etwas von satyrischer Seite auffassen, Stoff genug giebts dazu. Doch wie vegetirst Du in Aarau? Hat dein Pegasus noch kein Bein gebrochenBild für gescheitertes Dichten, das das geflügelte Musen- und Dichterross ironisch-realistisch mit einer verletzungsbedingt vorübergehenden Reitpause verknüpft, abgeleitet von den Redensarten: den Pegasus besteigen (oder: den Pegasus reiten). über der Praxis? Hoffentlich hängt die PromotionIm Schweizerdeutschen Sprachgebrauch: Versetzung in die nächste Klasse. Wedekinds Promotion war gefährdet. Zu Ostern 1881 wurde er nicht in die 3. Klasse des Gymnasialzweigs der Kantonsschule Aarau versetzt, woraufhin er die Schule verließ und für ein halbes Jahr in Lenzburg Privatunterricht erhielt. nicht mehr als DamoclesschwertSinnbild für eine ständig drohende Gefahr. über Deinem schwächlichen Körpergestell. Wie gehts mit unserm DichterbundFür den wohl von Walter Laué und Wedekind gegründeten Dichterbund Senatus poeticus hatte Wedekind soeben Oskar Schibler anwerben können [vgl. Wedekind an Laué, 11.-28.2.1881]. Zum Dichterbund zählten auch Adolph Vögtlin und Hermann Huber. Der verschiedentlich genannte Moritz Dürr [vgl. Kutscher 1, S. 33; KSA 1/II, S. 1679], dessen Talente im Malen und Zeichnen lagen, und der die Aargauer Kantonsschule nicht besuchte, wird kein Mitglied der Vereinigung gewesen sein. Es dürfte sich um eine Verwechselung von Moritz Dürr mit Abälard Durrer handeln [vgl. zu Letzterem das folgende Lemma „Durer“].? Hast Du noch Propaganda dafür gemacht? | Der sentimentale DurerAbälard (auch: Abailard, Abelard) Durrer, dessen Zwillingsschwester den Namen Heloise trug, stammte aus Kerns und war Mitschüler Wedekinds und Walter Laués in der II. Gymnasialklasse der Aargauer Kantonsschule war. Nach der Matura (Ostern 1883) studierte der hochbegabte, poetisch philosophisch interessierte Durrer Jura, wurde aber 1891 in die Psychiatrische Klinik St. Urban eingewiesen, wo er nach zwei Monaten verstarb [vgl. Josef Rohrer: Aus Nidwaldens Vergangenheit. Historische Aufsätze. Stans 1978 (= Beiträge zur Geschichte Nidwaldens. Bd. 37), S. 136. wird wohl als erster Liebhaber in eine Comödiantentruppe treten und die Welt durch seinen Ruf erschüttern. Er kann dann unsre Tragödien in Scene setzen. – Gedichte hab ich hier nur wenige gemacht alles Lyrik. Sie sind aber nicht der Mühe Werth geschickt zu werdenWedekind besaß Gedichte von Walter Laué. Diese verwahrte er in seinem Steinbaukasten (einer aus Holz gefertigten Kiste) zusammen mit eigenen Gedichten und vier Notizheften mit eigenen Gedichtsammlungen (aus der Zeit 1877 bis 1881) [vgl. Aargauer Kantonsbibliothek, Wedekind-Archiv C, Schachtel 21, Nr. 8].. Ich hoffe aber in Deinem Briefe einige Deiner Perlen geschickt zu bekommen. – Wie geht es UphuesCarl Goswin Uphues unterrichtete bis zu seinem Weggang die zweite Gymnasialklasse in Deutsch. und dem edlen FranzFranz Fröhlich, seit 1879 stellvertretender Rektor der Kantonsschule Aarau, unterrichtete die zweite Gymnasialklasse in Latein.?

u LiettiPaul Liechti gab Naturlehre in der zweiten Klasse des Progymnasiums, in die Walter Laués Bruder Jakob ging., GuttentagProfessor Isidor Guttentag aus Breslau, 1871 bis 1892 Lehrer für französische und griechischen Sprache an der Kantonsschule Aarau, unterrichtete Jakob Laué in Griechisch. und LeupoldEduard Leupold, Hauptlehrer für Geschichte und Philologie, lehrte in der zweiten Gymnasialklasse der Kantonsschule Aarau Geschichte. 1883 wurde er Redakteur des „Aargauer Tageblatts“. u Meieu/r/Kaspar Maier war seit 1879 Rektor und gab im Gymnasialzweig der Kantonsschule Aarau italienischen Sprachunterricht., SuterHeinrich Suter unterrichtete von 1876 bis 1886 an der Kantonsschule Aarau Mathematik. Er war Lehrer von Jakob Laué., FischKarl Fisch war Professor für alte Sprachen an der Kantonsschule Aarau. und HerboldEin Lehrer mit Vor- oder Nachnamen Herbold konnte an der Kantonsschule Aarau nicht ermittelt werden. Auch im „Verzeichniss sämmtlicher Einwohner, Wohn- und Oekonomie-Gebäude der Gemeinde Aarau“ (Aarau 1881), fehlt ein Eintrag zu einem Familiennamen Herbold. Möglicherweise handelt es sich um einen Bier- oder Ulknamen für Oberstleutnant Alfred Roth, der den Militärunterricht gab. Es könnte sich dabei um eine althochdeutsche Rückübersetzung von Oberstleutnant in her (Heer) und bold (kühn, mutig, mächtig; auch im Sinne von: wollen, befehlen) handeln, angeregt durch die Beschäftigung mit dem Althochdeutschen und Mittelhochdeutschen im Deutschunterricht der dritten Gymnasialklasse, die im Wintersemester gemeinsam mit der zweiten Gymnasialklasse je eine Stunde Militärunterricht hatten. Im Sommersemester unterrichtete Roth sämtliche Schüler aller Schulzweige gemeinsam 2 Stunden Mittwoch Abends und einmal im Monat einen Samstagnachmittag.?

Ich kann Ihnen noch für das famose Abgangszeugniß dankbar sein.

Hier in Brussel ist es sehr interessant, besonders wenn man solange in Aarau war.

Doch nun lebe wohl edler KaterBiername (auch Kneipname oder Vulgo) Frank Wedekinds, den er in den wöchentlichen Klassenkneipen trug und mit dem er seit 1879 auch Gedichte und Briefe unterzeichnete. Der Name ist von der Figur des Hiddigeigei, dem philosophisch interessierten und dichtenden Kater in Joseph Victor von Scheffels Versepos „Der Trompeter von Säckingen“ (1854), inspiriert [vgl. KSA 1/III/2, S. 1425].
schreibe bald und gedenke noch oft Deines Dich liebenden
Walter Laué
II Gym.Schüler der zweiten Gymnasialklasse des vierklassigen Gymnasialzweigs an der Kantonsschule Aarau. |


Grüße StockerDer aus Oberstumpf stammende Joseph Stocker war Mitschüler von Walter Laué und Wedekind in der zweiten Gymnasialklasse der Kantonsschule Aarau. etc. von mir.
W. L.


Herzliche Grüße vom Frater Jacques Laué an Dich und Deinen Bruder.


Adresse bis Ende FebruarEs folgen die Brüsseler Briefanschrift Walter Laués für die Zeit bis zum 26.2.1881 sowie die ab 26.2.1881 gültige Briefanschrift Walter Laues in Köln. Wedekind hat fälschlich „Adieux bis Ende Februar“ gelesen. Daher verstand er diese Hinweise nicht und erwartete den Freund am 26.2.1881 in Aarau am Bahnhof. Vgl. das Postskript in Wedekinds Brief an Walter Laué vom 11.-28.2.1881. etwa 26ten
W. L.
Le Nouveau marché aux grains 7Platz und Adresse in der Brüsseler Innenstadt.
Belgique Bruxelles

Dann vom 26 ab
W. L.
CentralbahnhofVorgängerbau des 1894 fertiggestellten Kölner Hauptbahnhofs. Carl Laué, der Vater von Walter Laué, war Bahnhofsinspektor des Centralbahnhofs, nach der Rückkehr aus Aarau königlicher Stationsvorsteher I. Klasse. Die Wohnung „Trankgasse 11“, die die Familie wieder bezog, befand sich in unmittelbarer Nähe des Centralbahnhofs. [vgl. Greven’s Adreßbuch für Köln, Deutz und Mühlheim sowie die Umgebung Köln’s. Jg. 26, 1880, S. 109 sowie Jg. 28. 1882, S. 110. Im Jg. 27, 1881, ist Carl Laue nicht verzeichnet.
Cöln a/Rhein.

Walter Laué schrieb am 27. Februar 1881 in Köln folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Walter Laué vom 11.bis 28.2.1881 aus Aarau:]


[...] erhielt ich heute Deine l. Karte [...]

Frank Wedekind schrieb am 1. Juni 1881 in Lenzburg folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Walter Laué

[Hinweis und Referat in Walter Laués Brief an Wedekind vom 5.6.1881 aus Köln:]


Deinen idyllischen, romantischen Schäferbrief hab ich erhalten. [...] Du schreibst zwar du hättest mir schon einmal geschriebenvgl. Wedekinds Brief an Walter Laué vom 11.-28.2.1881., doch habe ich keinen andern als den letzten Brief erhalten. [...] jedenfalls hast Du Dich, wie es scheint, in eine poesievolle Rococoschäfergestalt verwandelt, wie dies aus Deinem Gedichte hervorgeht! [...] Du schriebst mir ich möchte Dein Gedicht scharf kritisiren.

Walter Laué schrieb am 5. Juni 1881 in Köln folgenden Brief
an Frank Wedekind

Köln den 5.6.81.

L

Lieber Franklin!

Deinen idyllischen, romantischen Schäferbriefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Walter Laué, 1.6.1881. Wedekind, der die Versetzung in die III. Gymnasialklasse der Aarauer Kantonsschule nicht geschafft hatte, nutzte die ersten Zeit seiner darauffolgenden schulischen Karenz auf Schloß Lenzburg zur Nachahmung eines idyllischen Schäferlebens und schrieb Bucolica (Hirtengedichte), die er „Felix und Galathea“ nannte und ab Mai 1881 seinen Freunden Oskar Schibler, Carl Schmidt, Adolf Vögtlin und Walter Laué zur Kritik vorlegte [vgl. u. a. die ausführliche Schilderung in Wedekind an Schibler, 18.5.1881]. Die Bucolica übertrug Wedekind noch im Sommer 1881 in ein Heft gleichen Namens, das ihm bei seiner Flucht 1898 nach Zürich verlorenging [vgl. Weinhöpel an Wedekind, 15.3.1905]. Unter dem Titel „Felix und Galathea. Fragment“ erschien am 2.1.1908 der Erstdruck eines bearbeiteten Teildrucks der Bucolica. Vgl. KSA 1/II, S. 1538-1542. hab ich erhalten. Es hat mich sehr gefreut auch einmal etwas von Dir zu hören. Du schreibst zwar du hättest mir schon einmal geschriebenvgl. Wedekinds Brief an Walter Laué vom 11.-28.2.1881., doch habe ich keinen andern als den letzten Brief erhalten. Ich erkläre mir seinen Verlust dadurch, daß Du in der Zeit, wo das DamoklesschwertWalter Laué bezog sich mit der Redewendung auf die Wochen vor Ostern 1881, in denen Wedekind darum gebangt hatte, in die dritte Klasse des Gymnasiums versetzt zu werden, was ihm letztlich verwehrt worden war. über Deinem Haupte hing du ihn in irgend einer Rocktasche Deines Kleidervorrathes vergessen hast. Oder ist es nicht so? Ich glaube ich kenne doch noch meinen Franklin!? Ich möchte Dich gerne da oben auf Lenzburg als Wolf im SchafspelzeRedewendung in Anlehnung an Matthäus 7, 15. idyllisiren sehn! Hast Du auch eigentliche Schafe zum weiden oder nimmst Du als eure Esel (es kommt ja so genau nicht darauf an); jedenfalls hast d/D/u d/D/ich, wie es scheint, in eine poesievolle Rococoschäfergestalt verwandelt, wie dies aus d/D/einem Gedichte hervor geht! Lernen mußt Du Armer nun auch fürchterlich, denn Dein Privatlehrernicht ermittelt; Schibler gegenüber behauptete Wedekind, daß er bei 2 ½ Franken die Woche Privatstudien treibe [vgl. seine ausführliche Schilderung in Wedekind an Schibler, 18.5.1881]. wird Dich wohl straff anspannen! Aarau hat jedenfalls einen der bedeutenstenSchreibversehen, statt: bedeutendsten. Dichter der JetzzeitSchreibversehen, statt: Jetztzeit. schmählich verkannt, sonst hättest Du unbedingt promovirtSchweizerdeutsch für: versetzt. werden müssen. |

doch – der Prophet gilt nie was im eignen LandeAus der Bibel entlehntes Sprichwort nach Matthäus 13,57b: „Ein Prophet gilt nirgend weniger, denn in seinem Vaterland und in seinem Hause.“ [Büchmann 1879, S. 29]..

Von mir kann ich Dir nun glücklicherweise mittheilen, daß ich eine Classe höher gestiegen bin. Ich bin hier wieder ganz gut ein gelebtSchreibversehen, statt: eingelebt. und die Schweizer-VergangenheitDie Kölner Familie Laué hatte von Juni 1880 bis Anfang Februar 1881 im bei Lenzburg gelegenen Wildegg, dem Stammsitz der Unternehmerfamilie Laué et Cie gelebt. Während dieser Zeit waren Walter Laué und sein jüngerer Bruder Jakob Friedrich Laué in die Aarauer Kantonsschule gegangen. Vgl. die Korrespondenz mit der Schule im Staatsarchiv Aargau. Alte Kantonsschule. DE02-0166-03. kommt mir vor wie ein Traum. Alle meine alten Freunde habe ich wieder und für Fr. H.Bertha Hoch, die Tochter des Samenhändlers Gustav Hoch und Schülerliebe von Walter Laué. vielfachen Ersatz. Meine Muse ruchte eine Zeit lang, da ich sehr viel Schularbeiten hatte, doch jetzt bringt sie hoffentlich wieder neue Früchte. Einige Gedichte habe ich schon gemacht z. B. der Sturm, das Schloß am See, Frühlingsidee, zwei Seiten, der Traum, Barbarossa und einige Distichengriechisch, für: Zweizeiler. Verspaare oder zweizeilige Strophen.. Auch mit dem Plane zu einem kleinen Trauerspiel trage ich mich herum, doch bis jetzt sind nur erst 3 Scenen des ersten Aktes fertig. Es heißt Dario/u/s KodomannosZum gymnasialen Schulstoff, der auch Wedekind und Walter Laué geläufig war, gehörte der Aufstieg Alexander des Großen und damit die berühmten Schlachten bei Issos (333) und Gaugamela (331), in denen er das Perserreich unter dem persischen König Dareios III. Kodomannos bezwang. Ein Drama von Walter Laué ist nicht ermittelt.. Wer weiß wann’s fertig wird?

Wie oft möchte ich nicht noch mit Dir herumbummeln! Ich sehne mich wirklich nach Dir, obgleich Du es eigentlich nicht verdienst da Du mir 4 Monate kein Lebenszeichen von Dir gegeben hast? Doch „versunken und vergessen“ wir wollen uns jetzt keine Vorwürfe machen. Schreibe mir jetzt um so häufiger. Hoffentlich gibt Dir Dein Vater Taschengeld um die kolossalen Ausgaben | für Couvert, Papier, Dinte, Feder und Freimarke zu bestreitenVermutlich hatte Wedekind in dem erschlossenen Korrespondenzstück diese Entschuldigung für die Briefschuld vorgebracht, so wie er schon in seinem Brief vom 11.-28.2.1881, den Walter Laué nicht erhalten hatte, das fehlende Geld fürs Porto als Ausrede benutzt hatte.! Also lebe mir herzlich wohl und weide Deine LämmerAnspielung auf Johannes 21, 15-19., weide Deine Schafe.

Dein treuer
Walter Laué.
II a ×In mehreren Verbindungen, wie z. . der Schülerverbindung Industria Aarau, der Wedekind angehörte, steht das „x“ für das Amt des Präsidenten und wird hinter den Namen des Amtsträgers gestellt. In dieser Bedeutung dürfte das Zeichen auch Walter Laué verwendet haben..

Gestörte Idylle.

Leise tönen von der hohen Lenzburg,
l/L/eise, heimelnd Schäfermelodieen.
Sieh! ein Schäfer sitzet auf dem Steine
(Gästen hier zum Ruhesitz bereitet)
Auf dem Haupt den breiten Hut den filz’gen
Schief und keck aufs’ linke Ohr gedrücket;
Um die vollen starken, sehn’gen Glieder
s/S/chlingt ein blendend weißes, zartes Schafsfell
Wie ein Lorbeer um die hohe Eiche,
Sich herum. –––

In dem Grase weiden weiße Schäflein
Streng bewacht vom treuen Hunde Caro,
Der dem Wink des strengen Herrn gehorsam
Treu bewacht die Heerde, daß kein Wolf sich
Unheilvoll ihr nahe, kleine Schäflein
Zu zerreißen –––

Und die klare Luft balsamisch duftend
Wehete Frühlingslüfte aus dem Süden.
Ferne zeigen, glitzernd sich die Alpen
Ew’gen Schnee um ihre Häupter tragend
Unberührt vom Feuerkuß der Sonne.

–––

O! glücklich denkt ihr wem ein solches Leben
Fortunain der griechischen Mythologie die Glücks- und Schicksalsgöttin.’s segensvolle Hand
In ihrer schwankenvermutlich Schreibversehen, statt: schwankend. Laune hat gegeben!
O seht nur – ach die Illusion verschwand.|

Er stehet auf, er reckt die riesen Glieder
Ein Bierbaß-liedLied für eine tiefe Stimme. Als Bierbaß wird im Schweizerdeutschen der Adamsapfel genannt. mit schrillem Ton
Macht zittern, Stein und Wald und Flieder
Und Panin der griechischen Mythologie der von den Hirten verehrte Gott des Waldes und der Natur. Das Zwitterwesen, halb Mensch, halb Widder oder Ziegenbock, liebt Musik, Tanz und Fröhlichkeit und spielt die Syrinx genannte Hirten- oder Panflöte. und NympfenSchreibversehen, statt: Nymphen. In der griechischen Mythologie weibliche Naturgeister; hier dürften Wald- und Baumnymphen gemeint sein, die als Begleiterinnen des wollüstigen Pan bekannt sind. fliehn davon

–––

Entsetzen greift den Menschen der es höret
die schöne Illusion zerrinnt
Und er der diesen schönen Traum g/z/erstöret
ist Gott – der Franklin Wedekind.

Sic transit gloria mundi.lateinisch, für: So vergeht die Herrlichkeit der Welt! – Bei der Krönungszeremonie des Papstes gesprochener Anfang eines lateinischen Kirchenliedes, um an die Vergänglichkeit des Papstes zu erinnern [vgl. Büsching 1879, S. 314].

W. L.

N. B. Du schriebst mir ich möchte Dein Gedicht scharf kritisiren. Ja wenn was dran zu kritisiren wäre. Es ist ganz schön nur scheint mir der Schluß a/z/u abgebrochen, man erwartet noch einige Strophen!

Bitte recesnsire mein Idyll ebenfalls mit der poëtischen GoldwageSchreibversehen, statt: Goldwaage..

Schreibe bald einmal!

Salve amice!lateinisch, für: Sei gegrüßt, Freund!

Χαῖρε ξεῖνεgriechisch, für: Freue Dich, Gast!

D. Obige.

Walter Laué schrieb am 5. Januar 1886 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

München 5/I 1886.

Innigst geliebter Franklin!

Habe die Güte und besucheWalter Laué wohnte während seiner dreisemestrigen Studienzeit in München (1884/85 bis 1885/86) in der Amalienstr. 57 (1. Stock). Von der Schellingstr. 27 (3. Stock), wo der einstige Schul- und jetzige Studienfreund Wedekind sein Zimmer hatte, waren es 170 Meter Fußweg [vgl. Amtliches Verzeichnis des Personals der Lehrer, Beamten und Studierenden an der königlich bayerischen Ludwig-Maximilians-Universität zu München. Winter-Semester 1885/86. München 1885, S. 60, 84]. heute Deinen schwer kranken BusenfreundWalter Laué gesundete erst nach 4 Wochen [vgl. Armin Wedekind an Frank Wedekind. 1.2.1886]., der sich nach Deinem Anblick sehnt, wie der Hirsch nach dem QuellAnspielung auf Psalm 42, 2-3..

Dein
Walter Laué.

Walter Laué schrieb am 20. April 1889 in Aarau folgende Visitenkarte
an Frank Wedekind

Wolfgang Walter Laué Walter Laué, mit vollständigem Namen Karl August Walter Wolfgang Laué, erscheint in Druckschriften der Jugend- und Ausbildungsjahre unter variierenden Vornamen, insbesondere Walt(her) und Walt(her) Wolfgang.
cand. iur. et. cam.Kandidat des Justiz- und Verwaltungsdienstes; ein inoffizieller Titel, den Studierende sich in der Examenszeit oder nach dem ersten Staatsexamen gaben.

Walter Laué schrieb am 15. Juli 1903 in Aarau folgende Visitenkarte
an Frank Wedekind

W. LAUÉ
BEIGEORDNETERWalter Laué war seit 1901 (bis 1920) Beigeordneter Bürgermeister der Stadt Köln. Im Sommer 1903 traf er seinen Jugend- und Studienfreund Wedekind, den er offenbar längere Zeit nicht gesehen hatte, in Aarau wieder [vgl. Walter Laué an Wedekind, 29.7.1903]. Bei dieser Gelegenheit könnte er dem Freund seine Visitenkarte überreicht haben. DER STADT CÖLN


HERWARTHSTRASSE 31

Walter Laué schrieb am 29. Juli 1903 in Köln folgenden Brief
an Frank Wedekind

Köln 29. Juli 1903

Herwarthstr. 31.

Lieber Frank!

Anbei sende ich Dir anknüpfend an unser GesprächWalter Laué, der in allen Ferien den Aargau besuchte, traf dort im Sommer 1903 Wedekind, der sich dort für mindestens 6 Wochen aufhielt und erst am 31.8.1903 nach München zurückkehrte. in Aarau den AufrufEin Exemplar des Aufrufs ist nicht ermittelt. zum Erwerb des Klinger’schen BeethovensFür die Fertigstellung der Skulptur benötigte Max Klinger 17 Jahre und wandte allein für die Materialbeschaffung 150.000 Mark auf. Noch im Jahr der Fertigstellung (1902) war das Kunstwerk in Leipzig, Wien, Düsseldorf und Berlin ausgestellt worden. für die Rheinlande, den ich seiner Zeit losgelassen, der aber leider keinen Erfolg haben konnte, da Klinger ihn schon sein Werk schon an Leipzig gegeben hatteWalter Laués Spendenaufruf vom Mai 1902 dürfte zur Eröffnung (1.5.1902) der Deutsch-Nationalen Kunstausstellung, die Teil der Industrie- und Gewerbeausstellung in Düsseldorf war, vorgelegen haben. Das Kunstwerk selbst traf erst im Juni 1902 ein, kurz bevor dessen Ankauf durch die Stadt Leipzig (19.6.1902) publik wurde. [Barbara John, Max Klinger – Beethoven. Leipzig 2004, bes. S. 60f. u. 74]..

Leider konnte ich nicht mehr nach Lenzburg zu Dir pilgernWalter Laué wohnte vermutlich in Wildegg, wo die hugenottische Familie Laué ihre Firma Laué et Cie, eine Baumwollfärberei, und ihren Stammsitz hatte. Der Ort liegt etwa 4 Kilometer von Schloß Lenzburg entfernt., da ich durch Ausflüge mit den Freunden gebunden wurde. |

Hast Du nicht einmal ein PoëmEin Gedicht auf Martha Fleiner hat Wedekind offenbar nicht verfasst [vgl. Wedekinds Antwort in seinem Briefgedicht: Wedekind an Walter Laué, 1.8.1903]. auf Martha Fleiner (jetzige Frau HunzikerMartha Fleiner, die in Aarau aufgewachsen war, hatte mit 21 Jahren 1887 den 25 Jahre älteren Maler Hermann Hunziker geheiratet [vgl. das Stammbaumblatt 1.2.2 Martha Hunziker-Fleiners auf https://www.wikitree.com/wiki/Fleiner-48, 9.7.2021]. Aarau) gemacht? Wir schwärmten 1880 für den reizenden Backfisch„volkstümliche Bezeichnung halbwüchsiger junger Mädchen“ [Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Aufl. Bd. 2. Leipzig, Wien 1903, S. 234].. Ich meine Du habest einmal auf meine romantische Schwärmerei zu ihr ein gefühlvolles Gedicht geschaffen. Solltest Du es noch besitzen, so sende es mir gütigst. Frau Hunziker würde es äußerst gern lesen, da sie nichts von unserm | Schwarm gemerkt hat damals. Ich denke jetzt nicht an das hehre Gedicht auf Bertha Hochnicht ermittelt! Kommst Du nicht einmal an den Rhein? Gedenke der Kölner, Herr!

Viele Grüße Dir und den Deinen!
In alter FreundschaftDie herzliche Freundschaft zwischen den Männern bestand mittlerweile schon seit 23 Jahren.
Walter Laué.

Frank Wedekind schrieb am 1. August 1903 in Lenzburg folgendes Briefgedicht
an Walter Laué

Lenzburg, VIII. 1903.


Heute nun, mein lieber Walther,
Um Dir alles zu beschreiben,
Was wir hier in Lenzburg treiben,
Greif ich nach dem Federhalter. |

Zwei und zwanzig Jahre schon
Sind, seitdem ich diese Zeilenvgl. Wedekinds Briefgedicht an Walter Laué vom 11.-28.2.1881. Die jeweils erste Strophe der beiden Briefgedichte unterscheiden sich voneinander nur durch den Auftakt (Höre – Heute) im ersten Vers und den Ort (Aarau – Lenzburg) im dritten Vers.
Hatte Grund Dir mitzutheilen,
Ueber uns hinweg geflohn,

Und ich hab in diesen Jahren
Neues nicht sehr viel erfahren,
Weil ich – ach, die Zeit verfloß –
Deinen Unterricht genoß.

Hier nun in der Einsamkeit
Fand ich auf vergilbten Blättern
Reimebildend Deine Lettern
Zu Gedichten aufgereihtIn Wedekinds Nachlass befinden sich im sogenannten „Steinbaukasten“ [Aargauer Kantonsbibliothek. Wedekind-Archiv C, Schachtel 21, Nr. 8] neben Dichtungen Wedekinds auch Gedichte des einstigen Schul- und Studienfreundes Walter Laué..

Was Augustus zum Exempel
Sagt’ zum Abschied von dem Krempel:
Fi – erklang sein Seufzer da –
Vita est comoedia(lat.) Das Leben ist eine Komödie. Redewendung in Anlehnung an letzte Worte, die Kaiser Augustus vor seinem Tod gesprochen haben soll [vgl. Sueton: Divus Augustus 99, 1]..

Verse über solche Themen
Durft ich aus der Kiste nehmen,
Darin sich von Deiner Hand
Manch Gedicht erhalten fand.

Was Du aber nun von meiner
Dichtung über Martha Fleiner
Zu erhaltenDie Anfrage hatte Walter Laué in seinem Brief an Wedekind vom 29.7.1903 gestellt. wolltest hoffen,
Davon hab ich nichts getroffen.

Freilich glaub ich auch mit nichten
Daß ich Martha anzudichten
Jemals wirklich mich erfrechte,
Weil beim weiblichen Geschlechte |

Ich mich nie mehr so vernarrte,
Wo ich noch herum mich schlug,
Wie in diese süße MartheÜber Martha Fleiner, für die auch Wedekind 1881 schwärmte [vgl. auch die Briefe Wedekind an Schibler, 3.9.1881 und Wedekind an Schibler, 9.9.1881, sind keine Gedichte ermittelt.,
Als sie kurze Kleider trug.

Froh las ich Dein Manifest,
Welches Du ergehen läßt,
Um das Denkmal von Beethoven
Für das Rheinland anzukofen(mitteldeutscher Dialekt): anzukaufen. Walter Laué hatte seinen Aufruf zum Ankauf von Max Klingers Beethoven-Skulptur (1902) dem letzten Brief an Wedekind beigelegt [vgl. Laué an Wedekind, 29.7.1903]. Das Exemplar des Manifests, das nicht ermittelt ist, liegt dem Brief nicht mehr bei..

Kunst zu schätzen und zu ehren,
Willst Du Deine Brüder lehren,
Dafür schulde ich Dir, Frank,
Und wir alle unsern Dank.

Aber sonst ist bei uns allen
Nichts besondres vorgefallen,
Außer daß zwei schöne Damen
Mit der Bahn von .... kamen.

Dir die eine zu beschreiben
Laß ich ungeschrieben bleiben.
Doch die andre ....
.... hat sie hergeführt.

Arnold Hirzel und Karl Henckell,
Heinrich Zschokkes kluger Enkel,
Armin, TheaThea Henckell, die Schwester von Karl und Gustav Henckell, heiratete 1896 Arnold Hirzel., Gustav, ich,
Alle dachten wir an Dich,

Als uns Gustav, ganz intim,
Plötzlich ein Soupésoupe (frz.): Suppe; souper (frz.) Abendessen. Wedekinds Wortneuschöpfung, das die Schreibweise des ‚soupe‘(ausgesprochen: sup) und die Aussprache des ‚souper‘ (supee) nachahmt, beschreibt ironisch-witzig eine heißgemachte Fertigsuppe, die der Konservenfabrikanten Gustav Henckell „plötzlich“ den Freunden servierte. gegeben.
Gustav Henckell weiß zu leben,
Und es lebt sich gut mit ihm. |

Aber sonst ist bei uns allen
Nichts besondres vorgefallen,
Außer zwei und zwanzig Jahren,
Die wir damals jünger waren.

Möchtest Du Frau Walther Laue
Ganz ergebenst mich empfehlen,
Weil ich weiß, daß Du zur Fraue
Keine bessre konntest wählen.

Meine Mutter läßt Dich grüßen,
Schwester Mati grüßt Dich auch,
Und um würdig abzuschließen
Diesen Brief nach altem Brauch,

Trink ich droben in der ...
Viele Schoppen auf Dein Wohl,
Daß der Himmel Dich verschone
Vor zu vielem Alkohol.

Nach dem Winter mags geschehen,
Daß wir uns beisammen sehen
Froh bei einem feinen Trank.
Drum vergiß nicht
Deinen Frank.

Walter Laué schrieb am 12. März 1905 in Köln folgenden Brief
an Frank Wedekind

Köln 12. III. 1905.
Herwarthstr. 31


Lieber Frank!

Mit aufrichtigster Freude begrüße ich Dein KommenDie Literarische Gesellschaft in Köln hatte Wedekind für den 17.3.1905 zum Vortrag im Kölner Gürzenich eingeladen (er las Szenen aus „So ist das Leben“, die Erzählung „Rabbi Esra“ sowie die Gedichte „Das Lied vom armen Kind“, „Sommer 1898“ und „Der blinde Knabe“) [vgl. KSA 1/II, S. 1155f.]. nach Köln! Bitte theile mir mit wannDem Tagebuch zufolge kam Wedekind am 16.3.1905 in Köln an und besuchte noch am gleichen Tag den Jugendfreund: „Abreise nach Köln. Abends bei Walther Laué zu Gast“. Du kommst. Meine Frau und ich freuen uns Dich in den Tagen Deines Hierseins mit Kölns Schönheiten bekannt machenAus terminlichen Gründen konnte Wedekind das Angebot nicht annehmen. Er reiste in der Nacht vom 17.3.1905 auf den 18.3.1905 zurück nach München, wo er abends in der Rolle des Karl Hetmann in „Hidalla“ auf der Bühne des Münchner Schauspielhauses stand. Es war die zwölfte Vorstellung des Stücks, das am 18.2.1905 am Münchner Schauspielhaus unter der Regie von Georg Stollberg erfolgreich uraufgeführt worden war [vgl. Tb 18.3.1905 und 18.2.1905]. zu können. Was Du sehn willst an Bauten und Kunstschätzen, was Du im Theater erblicken willst und was Dir am besten schmeckt soll Dir werden!

Willkommen am Rhein!

In alter Treue grüßt Dich
Dein
Walter Laué

Frank Wedekind schrieb am 12. April 1905 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Walter Laué

[Hinweis und Referat in Marie Laués Brief an Wedekind vom 15.4.1905 aus Köln:]


Ihr lieber Brief an Walter hat mich sehr glücklich gemacht, aber ich möchte gerade vor Ihnen nicht besser scheinen als ich bin. Ich verdiene Ihren schönen Ausspruch nicht.

Frank Wedekind schrieb am 13. Februar 1911 in Köln folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Walter Laué , Marie Laué

[Hinweis in Wedekinds Tagebuch vom 13.2.1911 in Köln:]


Wir geben unsere Karten bei Laués ab [...]

Walter Laué schrieb am 3. April 1911 in Köln folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Tagebuch vom 4.4.1911 in München:]


Walter Laué schickt mir seine Gedichte

Walter Laué schrieb am 3. Mai 1913 in Köln folgenden Brief
an Frank Wedekind

Cöln, den 3. Mai 1913.


Es gereicht mir zu besonderer Freude, Ihnen mitteilen zu können, daß der StiftungsratTestamentarisch hatte der 1908 verstorbene Schriftsteller und Jurist Johannes Fastenrath [vgl. Wedekinds Korrespondenz mit ihm] der Stadt Köln 300.000 Mark zur Gründung einer Stiftung hinterlassen, deren Zweck die Unterstützung und Förderung älterer und jüngerer hervorragend begabter Schriftsteller war. Einmal im Jahr, am Samstag vor dem ersten Sonntag im Mai, kam der Stiftungsrat in Köln zusammen, um die Preisträger des Jahres auszuloben. Die Schriftsteller Fedor von Zobeltitz (Berlin), Otto Ernst (Hamburg), Ludwig Fulda (Berlin) und Max Halbe (München) gehörten, Fastenraths Wunsch folgend, als Mitglieder auf Lebenszeit dem zwölfköpfigen Gremium an [vgl. Literarische Gesellschaft in Köln (Hg.): Zehntes Jahrbuch der Kölner Blumenspiele 1908. Köln 1909, S. 783-785]. der Johannes Fastenrath-Stiftung in((Loch: in)) seiner heutigen Sitzung((Loch: g)) Ihnen eine Ehrengabe
von M 1000,–
bewilligt[Loch: lig] hat.

Ich habe die Stadthauptkasse angewiesen, den Betrag an Sie auszuzahlen.

Der Stiftungsrat
der Johannes Fastenrath-Stiftung.

I. V.
LauéQua Amt waren der Oberbürgermeister der Stadt Köln, Dr. Max Wallraf, erster Vorsitzender des Stiftungsrats, und Walter Laué, der in seiner städtischen Verwaltungsfunktion als Beigeordneter Bürgermeister und Dezernent für Kulturangelegenheiten von 1910 bis 1918 die Geschäfte der Johannes Fastenrath-Stiftung führte, zweiter Vorsitzender.


Herrn
Frank Wedekind
München.

Frank Wedekind schrieb am 6. Mai 1913 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Walter Laué

[Hinweis in Laués Brief an Wedekind vom 8.5.1913 aus Köln:]


Für Deinen lieben und gütigen Brief innigsten Dank! [...] Deine schöne Photographie mit den mich so ehrenden Worten [...]. Nimm herzlichsten Dank dafür!

Walter Laué schrieb am 8. Mai 1913 in Köln folgenden Brief
an Frank Wedekind

Cöln 8.V.1913.


Lieber Frank!

Für Deinen lieben und gütigen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Laué, 6.5.1913. innigsten Dank! Unsere Freundschaft währt jetzt 33 Jahre! Eine ganz schöne Anzahl von Jahren reicher Abwechselung. Hoffentlich läßt unsere treffliche Natur uns noch manches frohe Jahr auf dieser Erde wandeln. Das Leben ist doch schließlich das beste am Individuum. |

Eine ganz besondere Freude machte mir der einstimmige Beschluß des StiftungsratsDas zwölfköpfige Gremium trat einmal im Jahr, am Tag vor der Eröffnung der Kölner Blumenspiele (siehe unten), zusammen, um dem Stiftungszweck gemäß von den jährlichen Einkünften (ca. 10.500 Mark) bedürftigen männlichen und weiblichen deutschen Schriftstellern „von hervorragender Begabung und künstlerischer Bedeutung“ größere Geldpreise zu verleihen, bei körperlicher oder geistiger Erkrankung (bis zu einem Jahr) finanzielle Unterstützung zu gewähren und mit einem kleinen Betrag von 1000 Mark strebsame, bedürftige Kölner Schriftsteller zu fördern [vgl. Literarische Gesellschaft in Köln (Hg.): Zehntes Jahrbuch der Kölner Blumenspiele 1908. Köln 1909, S. 783-785]. der Fastenrath-Stiftung. Der ideale Wert dieser Dir zugewandten Ehrung wird Dich, wie mich, mehr freuen als der reale Inhalt der EhrungDer Preis, den der Stiftungsrat in seiner Jahressitzung am 3.5.1913 für Wedekinds schriftstellerische Leistungen ausgelobt hatte, betrug 1000 Mark, die Wedekind nach Empfang sofort je zur Hälfte an Erich Mühsam und den Schutzverband deutscher Schriftsteller (SDS) weiterschenkte: „Fastenrathpreis erhalten und weiter spediert“ [Tb 6.5.1913].. Max Halbe und ich waren außerordentlich erfreut, als wir dies mitteilen konnten. Von Max HalbeDer Münchner Schriftsteller Max Halbe gehörte dem Stiftungsrat der Johannes Fastenrath-Stiftung an. wirst | Du auch meine Grüße erhalten haben, nebst dem Bericht über den feucht-fröhlich-nebeligen Schluß des Bankets, das in der Weinstube RedbergEs dürfte sich um die Wein- und Austernstuben der Kaviar- und Austernhandlung Georg Rettberg in der Komödienstraße 28 gehandelt haben, die zu Fuß in 10 Minuten vom Veranstaltungsort Gürzenich zu erreichen waren. Das edle Lokal bot „Vornehme Salons für kleinere u. größere Gesellschaften“ [Greven’s Adreßbuch für Köln 1913, Teil II, S. 428]. ausklang und die diesjährigen BlumenspieleDie Kölner Blumenspiele, die am ersten Sonntag im Mai gefeiert wurden, hatten 1913 am 4. Mai stattgefunden. Der von Johannes Fastenrath in Köln begründete Dichterwettstreit nach dem Vorbild der in Spanien im 19. Jahrhunderts wiederbelebten südfranzösischen mittelalterlichen Blumenspiele, finanziert durch die Zinsen aus einer Spende Fastenraths in Höhe von 10.000 Mark [vgl. Literarische Gesellschaft in Köln (Hg.): Erstes Jahrbuch der Kölner Blumenspiele 1899. Köln 1900, S. 3f.], wurde seit 1899 jährlich im Großen Saal des Kölner Gürzenich durchgeführt. „Die Kölner Blumenspiele, die 1899 durch J. Fastenrath […] ins Leben gerufen worden sind, werden am ersten Sonntag im Mai gefeiert, indem unter dem Vorsitz einer Festkönigin deutsche Dichtungen in Vers und Prosa mit Preisen […] gekrönt werden“ [Meyers Großes Konversations-Lexikon. Band 10. Leipzig 1907, S. 252]. abschloß. Deine schöne PhotographieEs dürfte sich um die Beilage zu dem erschlossenen Brief (s.o.) gehandelt haben. mit den mich so ehrenden Worten möchte ich aber Kind und Kegel daheim erhalten. Nimm herzlichsten Dank dafür! Du bist ganz prächtig getroffen; Dein Bild soll uns oft an Dich und frohe Stunden, die wir verlebt, erinnern. Und uns soll’s auffordern, Dich möglichst | oft zu bitten zum Rheine zu kommen. –

Für den edlen Stammtisch sende mir, wenn Du uns die Freude machen willst, gelegentlich ein Visiten- oder Kabinetbild mit Deiner Unterschrift und Datum ,April 1913‘. Ich werde es dann einfach rahmen lassen u. zu dauerndem Glanze des Tisches gebührend schön aufhängen. Uns gehts Allen gut. Meine Frau läßt Dich und Deine Frau bestens grüßen.

Noch ist’s kühl Hier, aber PfingstenDas Kirchenfest fiel auf den 11. und 12.5.1913. soll Frühling und Freude bringen. Grüße Deine Frau bestens von mir. Dir in alter Treue und Anhänglichkeit herzliche Grüße! Dein Walter Laué.

Frank Wedekind schrieb am 2. Juni 1913 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Walter Laué

[Hinweis und Referat in Laués Brief an Wedekind vom 12.6.1913 aus Köln:]


Für Deinen frdl. Brief besten Dank! Deine Verwendung der Fastenrath-Stiftungs-Ehren-Gabe verstehe ich nebst Motiven, vollkommen.

Walter Laué schrieb am 12. Juni 1913 in Köln folgenden Brief
an Frank Wedekind

Cöln 12.VI.1913.


Lieber Frank!

Im Nächsten Winter möchten wir gerne einen Vortrag von Dir in der Litt. Ges. und der damit verbundenen Vereinigung für dramatische Kunst, deren I. Vors.Walter Laué war nicht nur erster Vorsitzender der Vereinigung für dramatische Kunst, sondern auch erster Vorsitzender der Literarischen Gesellschaft in Köln. ich bin, haben.

Freitag den 6. März 1914Wedekind gab von Ende Februar bis Anfang März 1914 Gastspiele in Königsberg und Bremen. Statt seiner hielt am 6.3.1914 Paul Santkin auf Einladung der Literarischen Gesellschaft im großen Gürzenichsaal einen Vortrag „Über Frank Wedekind“ [vgl. Literarische Gesellschaft in Köln (Hg.): Sechzehntes Jahrbuch der Kölner Blumenspiele 1914. Köln 1914, S. 131]. möchte ich Dir vorschlagen. April ist ShakespearefeierAm 26. April 1913 veranstaltete die Literarische Gesellschaft in Köln (e. V.) anläßlich des 350. Geburtstags von William Shakespeare eine öffentliche Feier im großen Saal des Gürzenich [vgl. ebd., S. 131]., Februar ist dem Karneval | geweiht. JanuarDie Vereinigung für dramatische Kunst brachte Gerdt von Bassewitz’ Drama „Die Sunamitin“ schon am 9.12.1913 zur Uraufführung [vgl. ebd., S. 132]. Neben Frank Wedekind gehörte auch Bassewitz zu den 8 Schriftstellern, denen die Johannes-Fastenrath-Stiftung 1913 Preise verliehen hatte. ist die Sunamitin von Bassewitz.

Wir würden uns außerordentlich freuen, wenn Du zusagen könntest. Der Vortrag findet im großen Gürzenichsaale statt, wo Du ja schon gesprochenAm 17.3.1905 hatte Wedekind, ebenfalls nach einer Einladung der Literarischen Gesellschaft, deren Vorsitzender Johannes Fastenrath war, im großen Saal des Kölner Gürzenich vorgetragen (damals las er Szenen aus „So ist das Leben“, die Erzählung „Rabbi Esra“ sowie die Gedichte „Das Lied vom armen Kind“, „Sommer 1898“ und „Der blinde Knabe“) [vgl. KSA 1/II, S. 1156]. hast. Honorar 250 Mark. Also überleg Dirs und mache Deinen Kölner Freunden, die Freude und komm! |

Für Deinen frdl. Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Laué, 2.6.1913. besten Dank! Deine Verwendung der Fastenrath-Stiftungs-Ehren-GabeStiftungszweck war die Unterstützung bedürftiger deutscher Schriftsteller und die Förderung literarischer Begabung durch die jährliche Ausschüttung von 8500 Mark Preisgelder. Wedekind hatte das Preisgeld von 1000 Mark weiterverschenkt: „Fastenrathpreis erhalten und weiter spediert“ [Tb 6.5.1913]. Die eine Hälfte übergab er Erich Mühsam, dem Herausgeber der Zeitschrift „Kain“, die andere Hälfte dem Schutzverband deutscher Schriftsteller (SDS), da er sich augenblicklich „nicht in bedrängter Lage befinde“ [Wedekind an Mühsam, 7.5.1913, vgl. KSA 5/II, S. 490f.]. Wedekind, der im März 1911 in den SDS eingetreten war, gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Münchner Ortsgruppe des SDS, die am 7.3.1913 ihre erste Hauptversammlung im Cafe Luitpold abgehalten hatte: „Schriftsteller Schutzverband im Luitpold“ [Tb 7.3.1913]. Auch gehörte er ihrem Ehrenausschuss an [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 66, 1913, Nr. 243, 15.5.1913, Vorabend-Blatt, S. 2; vgl. auch KSA 5/III, S. 492]. verstehe ich nebst Motiven, vollkommen. Ich werde in der nächsten StiftungsratsSitzungDie nächste Sitzung der Johannes-Fastenrath-Stiftung, deren zweiter Vorsitzender Walter Laué war, fand am 2.5.1914 statt. Einmal im Jahr am Samstag vor dem Beginn der Blumenspiele, die die Kölner Literarische Gesellschaft am ersten Sonntag im Mai eröffnete, kam der Stiftungsrat zusammen, um über die Verteilung der Preisgelder zu entscheiden., Deinem Wunsche gemäß, den Herrn von Deinen Gründen Mitteilung machen. Hier gehts jetzt wieder gut. Meine Frau hatte uns vor 14 Tagen große Sorge gemacht. Sie war in Hoffnung | mußte sich aber wegen Complikationen im Sanatorium einer schweren lebensgefährlichen Operation unterziehen. Alles ist aber wohl + zum Glück verlaufen. Sie ist jetzt wieder wohlauf. Ende Juni o. Anfang Juli fahre ich nach AarauWedekind dürfte einen mehrtägigen Aufenthalt in Lenzburg nicht nur der Mutter [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind-Kammerer, 2.6.1913], sondern auch dem Freund [vgl. erschlossenes Korrespondenzstück Wedekind an Laué, 2.6.1913] in Aussicht gestellt haben. Nach einem Besuch Walter Laués in Lenzburg (6.7.1913) schrieb Tilly Wedekind von dort an ihren Ehemann: „Er [...] hofft Dich eventuell noch hier zu sehen.“ [Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.7.1913] Laut Tagebuch traf Wedekind am 11.7.1913 in Lenzburg ein und blieb fünf Tage..

Grüße Deine Frau Gemahlin bestens von mir und meiner Frau! Dir in alter Treue die herzlichsten Grüße!
Dein
Walter Laué.