Briefwechsel

von Walther Oschwald und Frank Wedekind

Walther Oschwald schrieb am 29. Oktober 1884 in München folgende Visitenkarte
an Frank Wedekind

WALTHER OSCHWALD

stud. jur.Student der Rechtswissenschaften. Walther Oschwald (Theresienstraße 38, 2. Stock links) aus Lenzburg studierte im Wintersemester 1884/85 an der Ludwig-Maximilians-Universität Jura [vgl. Amtliches Verzeichnis des Personals der Lehrer, Beamten und Studierenden an der königlich bayerischen Ludwig-Maximilians-Universität zu München. Winter-Semester 1884/85, S. 63] – wie sein Schulfreund Franklin Wedekind, der dort im Wintersemester 1884/85 ein Jurastudium aufnahm und wohl am 29.10.1884 in München eintraf [vgl. Wedekind an Bertha Jahn, 6.11.1884].


Lenzburg

Walther Oschwald schrieb am 15. Oktober 1899 in Dresden folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Walther Oschwald vom 16.10.1899 aus der Festung Königstein:]


[…] ich danke Dir herzlichst für die Bücher und den Tabakvorrat.

Frank Wedekind schrieb am 16. Oktober 1899 in Festung Königstein folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walter!

ich danke Dir herzlichst für die Bücher und den Tabakvorratder Begleitbrief dazu ist nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 15.10.1899. Wedekind saß seit dem 21.9.1899 eine Haftstrafe wegen Majestätsbeleidigung auf der Festung Königstein bei Dresden ab und hatte seinen Schwager offenbar um die Zusendung von Büchern und Tabak gebeten.. Es war doch aber sicher nicht so gemeint. Item(schweiz.) wie dem auch sei. ich rauche auf unser beiderseitiges Wohlergehen. Die Virginiaslange, dünne Zigarren aus Virginia-Tabak mit Mundstück. sind sehr gut. Französische Cigaretten giebt es allerdings in Dresden nicht; das fiel mir erst später ein. Dresden steht dabe/ri/n einzig da unter allen deutschen Städten, was sich schließlich aus seiner eigenen TabakmanufacturDresden hatte zur Jahrhundertwende rund ein Dutzend Zigarettenfabriken. erklärt.

Mama schreibt mirvgl. Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 13.10.1899. Donald Wedekind hatte demnach seine Schwester Erika Wedekind, die Frau Walther Oschwalds, gebeten, seinen zuvor für 500 Franken verkauften Anteil am Haus Steinbrüchli in Lenzburg für 1000 Franken zurückzukaufen. einige Hiobsposten über Donald und da sie schließlich an deine Frau gerichtet sind, bin ich so frei, dir gegenüber | darauf zurückzukommen, obschon ich es sonst für natürlich hielte wenn du sagtSchreibversehen, satt: sagst.: Das sind Dinge die mich nichts angehen, ich habe meine eigenen Verwandten. Aber im Interesse deiner Frau sowie wie der Sache selbst würde ich es unmaßgeblichst für richtig halten, wenn du s/d/ich der Angelegenheit annimmst. Die Frauen müssen und können nicht verstehen, um was es sich handelt und wenn deine Frau ihm Geld schickSchreibversehen, statt: schickt. so rutSchreibversehen, statt: ruht. kein Segen darauf.

Vielleicht hältst du es im Interesse deiner Frau für der Mühe werth die Angelegenheit mit mir zu besprechen. Meine Ansichten um sie hier schon kurz zu skizziren sind folgende: Donald | muß vor der Hand in Zürich bleiben denn er ist in einem Zustande der VerlotterungArtur Kutscher schreibt: „so lag er 1899 sechs Wochen im Zürcher Krankenhaus an einer ‚bösen Darmgeschichte‘ und Blutvergiftung durch Morphium; seine Lebensgeister waren gänzlich ermattet, er sah vernachlässigt und heruntergekommen aus.“ [Kutscher 2, 223] der ihn überall anders unmöglich macht. Man kann sehr viel für ihn thun und zwar nicht indem man ihm Geld schickt sondern indem man das Geld spart. Dies ist der Hauptgrund warum ich dir schreibe. Wenn er mit Selbstmorddrohungen e. ct. kommt so liegt die Sache so daß man sie den Frauen aus der Hand nehmen muß. Du kannst entgegnen daß das für dich überaus peinlich wäre; das fällt aber weg wenn wir im Eins/v/erständnis handeln, besonders auch mit Armin. Denke nicht daß ich dir damit irgend etwas aufhalsen will sondern ich möchte nur Mieze die Verantwortung damit abnehmen. Ich kann augenblicklich nichts thun, weil ich festgelegt binWedekind wurde erst am 3.2.1900 aus der Haft entlassen.. Obschon ich aber letzten Herbst in MünchenDonald Wedekind ersetzte seinen Bruder nach dessen Flucht am 30.10.1898 nach Zürich als Theatersekretär am Münchner Schauspielhaus (Direktion: Georg Stollberg). Es kam allerdings bald zum Zerwürfnis, da Donald Wedekind sich gegenüber Stollbergs Frau ungebührlich betragen hat [vgl. Wedekind an Max Halbe, 20.11.1898; Wedekind an Georg Stollberg, 21.11.1898 und 22.11.1898]. nichts als | Mißerfolge mit Donald erzielt habe bin ich doch durchaus nicht entmutigt im Gegentheil. Wenn ich frei bin und die Gelegenheit sich mir wieder bietet, werde ich den gleichen Versuch einfach wiederholen und was das erste Mal nicht gelingt, gelingteSchreibversehen, statt: gelingt. vielleicht das zweite Mal. Es steht sehr schlimm mit ihm aber man kann ihm unendlich viel helfen und nützen ohne einen Pfennig auszugeben. Den Weg wie das zu geschehen hätte kann ich hier nicht ausführen. Ich möchte aber bei Leibe mit diesen Zeilen keinen Druck auf dich ausüben. Nur habe ich die Überzeugung, daß vor allem auch Miezes Interessen durch ein praktisches Vorgehen gewahrt werden.

Grüße Deine l. Frau und Mama herzlich von mir und sei bestens gegrüßt und bedankt von deinem
Frank.


Festung Königstein

16.10.99.

Walther Oschwald schrieb am 17. Oktober 1899 in Dresden folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Walther Oschwald vom 18.10.1899 aus der Festung Königstein:]


[…] dein freundlicher Brief kam zu spät […]

Frank Wedekind schrieb am 18. Oktober 1899 in Festung Königstein folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther,

dein freundlicher Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Frank Wedekind, 17.10.1899. kam leider zu spät als daß ich dich für morgen, Donnerstagden 19.10.1899., schon hätte anmelden könnenBesuche bei den Häftlingen auf der Festung Königstein mussten mindestens zwei Tage vorher angemeldet werden [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 6.1.1900].. Ich erwarte dich also Freitagden 20.10.1899.. Mir steht der ganze Tag zur Verfügung; es würde mich freuen, wenn es bei dir ebenso wäre. Die Anmeldung besorge ich natürlich. Du hast dann nur bei der WacheWedekind saß seit dem 21.9.1899 eine Haftstrafe wegen Majestätsbeleidigung auf der Festung Königstein im Elbsandsteingebirge ab. am untersten Thor deinen Namen zu nennen. Dann geleitet | man dich sofort zu mir.

Herzliche Grüße an alle.
Dein
Frank.


Ich hoffe diese Zeilen kommen noch früh genug. Ich wollte dir telegraphieren. Das kann ich aber nicht bevor ich die Erlaubnis habe dich zu empfangen, an deren prompter Ertheilung natürlich k/g/ar kein Zweifel ist.


18.10.99.



[Beilage:]


2 Bündel Oesterreichische Virginialange, dünne Zigarren aus Virginia-Tabak mit Mundstück; in Österreich wurden Virginiazigarren seit 1844 im Monopol der Kaiserlich Königlichen Tabak-Regie hergestellt. (à 20 oder 25 Stück)

5 Pakete französische CigarettenDa Wedekind sich in seinem letzten Brief bereits für die Zusendung von Tabakwaren bedankt und dabei die nicht erhältlichen französischen Cigaretten konstatiert hatte [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 16.10.1899], darf davon ausgegangen werden, dass das beigefügte Blatt einem früheren, nicht überlieferten Korrespondenzstück Wedekinds entstammt und dem vorliegenden Brief irrtümlich zugeordnet wurde. Ähnliche Tabakbestellungen auf separaten Zetteln gab er auch bei seinem Freund Hans Richard Weinhöppel auf [vgl. Wedekind an Hans Richard Weinhöppel, 2.11.1899]. (Caporal élégantes bleues ou roseseine französische Zigarettenmarke aus schwerem, dunklem Tabak (= Caporal). Die blaue Papiersorte entsprach normaler, die rote gehobener Qualität.)

2 Pakete feingeschnittener Pfeifentabak, mittelstark, nicht parfümiert.


Frank Wedekind
Festungsgefangener
Festung Königstein.

Walther Oschwald schrieb am 30. Oktober 1899 in Dresden folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Walther Oschwald vom 31.10.1899 aus der Festung Königstein:]


Der Spiegel, den f/D/u so freundlich warst mir zu besorgen […] Und nun die Trilby, das Buch […]

Frank Wedekind schrieb am 31. Oktober 1899 in Festung Königstein folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther!

zwei oder drei Tage nach deinem freundlichen BesuchWalther Oschwalds Besuch auf der Festung Königstein war für Freitag, den 20.10.1899 geplant [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 18.10.1899]. schrieb ich an Donaldnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Donald Wedekind, 23.10.1899.. Heute erhalte ich die Nachricht von Mamanicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 30.10.1899. daß Frankfurternicht identifiziert; vermutlich ein Vermittler in den Bemühungen um einen Rückkauf der von Donald Wedekind veräußerten Anteile am Haus Steinbrüchli in Lenzburg [vgl. Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 13.10.1899]. Der Brief von Frankfurter an Walther Oschwald ist nicht überliefert. dir in entgegenkommender Weise geantwortet. Ich gebe mich keinen Illusionen hin. Damit ist im großen ganzen noch nichts Positives gewonnen. Aber die Sache ist doch so weit daß Donald sie nun selbst weiter führen könnte. Immerhin werden wir beide gut thun noch auf dem Quivive zu seinRedewendung: auf der Hut sein, aufpassen..

Mit großem Bedauern höre ich von dem UnfallÜber Erika Wedekinds Auftritt in Daniel-François-Esprit Aubers komischer Oper „Carlo Broschi oder: Des Teufels Antheil“ in Breslau berichtete die Presse: „Frau Erika Wedekind aus Dresden, die sich seit einiger Zeit zum ständigen Gaste unserer Bühne entwickelt hat, war wieder einmal herübergekommen, um den Carlo Broschi zu trillern. Nur hatte sie sich ein wenig zu viel zugemuthet. Abends Vorstellung in Dresden, Nachts Courierzug, Früh Broschi-Probe in Breslau – kein Wunder, daß sie, in den koketten Höschen des Neapolitaners vor dem ausverkauften Hause erscheinend, stockheiser war. Nach dem ersten Acte große Verlegenheitspause. Hinter den Coulissen ein Getümmel von Aerzten und Rathgebern, vergebliche Eilpostentsendung an die heimische Vertreterin der Rolle, Frl. Röhl. Endlich ließ sich Frau Wedekind bestimmen, weiter zu singen oder vielmehr weiter zu lispeln. Sie schien sich übrigens wenig ans dem Malheur – des Publicums zu machen. Weit aufgeregter waren ihre Partner. Und die Aufführung stockte an allen Ecken und Enden.“ [Breslauer Bühnenbrief. In: Der Humorist, Jg. 19, Nr. 31, 1.11.1899, Beilage, S. (1)]. der Mieze in Breslau betroffen. | Ich wünsche herzlichst, daß die Störung vorüber und sie sich wieder vollkommen wohl befindet.

Der SpiegelWedekind hatte seine Mutter um die Zusendung eines Handspiegels nach seiner Beschreibung gebeten [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 27.10.1899]. Emilie Wedekind hat den Auftrag offenbar an Walther Oschwald weitergegeben., den f/D/u so freundlich warst mir zu besorgenDas Begleitschreiben zur Übersendung des Spiegels ist nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 30.10.1899., entspricht vollständig seiner Bestimmung. Die LorleiDie auf Clemens Brentano („Das Mährchen vom Rhein“, 1812) zurückgehende und durch Heinrich Heines Gedicht („Die Lore-Ley“, 1824) popularisierte Sagengestalt der Loreley bringt durch ihren Gesang nicht nur Schiffe auf dem Rhein zum Kentern, sondern kämmt dabei, auf einem Felsen sitzend, ihr goldenes Haar und bot sich daher als Ziermotiv für einen Handspiegel an., die hinten drauf ist hatte ich zwar vergessen aber der Zufall will daß die EmpfängerinDer Handspiegel war als Geburtstagsgeschenk für Beate Heine zu ihrem 40. Geburtstag am 31.10.1899 vorgesehen [vgl. Wedekind an Beate Heine, 2.11.1899 und Beate Heine an Wedekind, 5.11.1899]. Wedekind nahm an, der Geburtstag sei am 5.11.1899 [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 27.10.1899]. Beate Heine war ausgebildete Konzertsängerin und früher als Liedersängerin aufgetreten. auch singt, wie das wird ihr ja der Spiegel nicht verraten.

Und nun die TrilbyDer nach seiner Heldin Trilby O´Farrell benannte Roman von George du Maurier war 1896 bei Robert Lutz in Stuttgart in der Übersetzung von Margarete Jacobi auf Deutsch erschienen und erlebte in kürzester Zeit zahlreiche Neuauflagen, zuletzt 1897 die 11. Auflage. Der Verkaufspreis der Ausgabe betrug gebunden 5,50 Mark, broschiert 4,50 Mark., das Buch kostet ein Vermögen, das nehme ich nicht als Geschenk; ich rauche immer noch von deinen CigarrenWalther Oschwald hat Wedekind in der Haft auf der Festung Königstein mit Tabak versorgt [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 16.10.1899 und den Bestellzettel in: Wedekind an Walther Oschwald, 18.10.1899]., von deinem Tabak. Auf jeden Fall sprechen wir noch darüber. Das Pfund TheeAußer um den Spiegel hatte Wedekind in seinem letzten Brief an seine Mutter auch um Tee gebeten [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 27.10.1899]. Das Begleitschreiben dazu ist nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 30.10.1899. habe ich noch erhalten, ebenso die Zeitungen und bitte Dich, Mama meinen herzlichen | Dank zu sagen für ihre Mühe.

Heute erhalte ich zum ersten Mal ein Gedicht von mir in Composition zugeschicktDas Begleitschreiben zu der Partitur ist nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Hermann Bischoff an Wedekind, 25.10.1899.; nicht etwa für FrauenstimmeHermann Bischoffs Vertonung von Wedekinds Gedicht „Das Goldstück“ war „für eine mittlere Stimme und Clavier“ (siehe unten) gesetzt. Erika Wedekind (Mieze) war Koloratursopranistin., Mieze hat nichts davon zu fürchten. Es ist von einem Münchner Componisten Hermann Bischoff, „Das Goldstück“. Leider kann ich nichts damit anfangen, da ich kein Klavier habe und es oben drein in hochmoderner CompositionHermann Bischoff hat seine Vertonung von Wedekinds zuerst am 23.1.1897 im „Simplicissimus“ veröffentlichten und dann in die Sammlung „Die Jahreszeiten“ (1897) aufgenommenen Gedicht „Das Goldstück“ [KSA 1/I, S. 378f.] „für ‚mittlere Stimme und Clavier‘ [...] 1899 als op. 7 im Verlag Ferd. Heckel, Mannheim“ [KSA 1/III, S. 511] publiziert. Wedekind selbst komponierte in der ersten Jahreshälfte 1901 zu seinem Gedicht eine eigene Melodie [vgl. KSA 1/III, S. 87-89, 507-511]. gehalten ist. Auf jeden Fall sieht es gut aus.

Ich suche nach Kräften die Weltabgeschiedenheit zu nutzenWährend seiner Festungshaft vom 21.9.1899 bis 3.2.1900 auf der Festung Königstein im Elbsandsteingebirge überarbeitete Wedekind das Manuskript zum „Marquis von Keith“ [vgl. KSA 4, S. 413, 416f.]. , die mir hier oben geschaffen ist. Ich thue mein möglichst um meinen männlichen Figuren Charakter und den weiblichen Plastik zu geben.

Was Donald betrifft halte ich an dem Regime fest, wie wir es besprachenDonald Wedekind sollte, vermutlich wegen seiner Morphinabhängigkeit, demnach vor allem kein Geld erhalten, sondern anderweitig unterstützt werden [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 16.10.1899].. Wir | dürfen ihm gegenüber seine Lage nur vom streng praktischen d. h. moralischen Standpunct aus behandeln. Ich habe Mama vom Moralisieren nur deshalb abgeratenvgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 27.10.1899., weil ihr die praktische Autorität fehlt, sowie es auch zwischen Mieze und Donald war.

Noch Eins: Ich halte es für na/bei/nah ausgeschlossen, daß sich Unverdaulichkeiten von seiner Seite zeigen sollten. Sollte etwas vorkommen, was du dann auch thun magst, darüber hast nur Du entscheiden, so bitte ich dich nur, mich in Kenntnis zu setzen. Aber ich halte es wie gesagt kaum für möglich.

Mit den herzlichsten Grüßen an Mama, deine liebe Frau und dich
Dein
Frank Wedekind.


Festung Königstein

31.X 99.

Walther Oschwald schrieb am 4. November 1899 in Dresden folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Walther Oschwald vom 4.12.1899 aus der Festung Königstein:]


[…] ich habe deine lieben Zeilen solange unbeantwortet gelassen […]


[2. Hinweis in Frank Wedekinds Brief an Emilie Wedekind vom 4.12.1899 aus der Festung Königstein:]


Walther schrieb mir von Eurer Taufe und anderen Herrlichkeiten.

Frank Wedekind schrieb am 4. Dezember 1899 in Festung Königstein folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther,

ich habe deine lieben Zeilennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 4.11.1899. solange unbeantwortet gelassen nur aus dem Grund weil ich eben nichts darauf zu antworten habe. Und da ich momentan nicht helfend eingreifen kann halte ich es für am besten auch sonst passiv zu bleiben, besonders Donald gegenüber. Ich habe weiter keine Nachricht | von ihm als ein kurzes Dankschreiben nach seinem Geburtstagnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Donald Wedekind an Frank Wedekind, 5.11.1899. Zugleich Hinweis auf ein weiteres nicht überliefertes Korrespondenzstück (den Geburtstagsgruß): Frank Wedekind an Donald Wedekind, 3.11.1899. Donald Wedekind war am 4.11.1899 28 Jahre alt geworden. mit völlig veränderter Schrift, über die ich mich sehr freute. Überrascht hat mich nicht was du mir schriebst. Wenn es aber eben nicht schlimm stünde dann bedürfte er auch keiner moralischen Hülfe. Ich möchte nur auf zwei Punkte noch einmal zurückkommen:

1. Daß ich nicht rein platonischfür: nicht nur geistig. bei der Sacheder moralischen Unterstützung des selbstmordgefährdeten Donald Wedekind. betheiligSchreibversehen, statt: betheiligt. bin. b/W/enn ich nach München zurückkomme | habe ich dort noch etwa 200 Mk für ihn zu bezahlen, die man ihm auf meinen Namen hin gutwillig creditirt hat, ein Anzug, ein Gebiß. e. ct. Was er in München von meinen Freunden erhalten hat beziffert sich mindestenSchreibversehen, statt: mindestens. auf 500 M. aber das rechne ich gar nicht. Ohne den Simplicissimus ProzeßWedekind war aufgrund des satirischen Gedichts „Im heiligen Land“ (in der Palästinanummer des „Simplicissimus“, Jg. 3, Nr. 31, 29.10.1898, S. 245) wegen Majestätsbeleidigung am 3.8.1899 in Leipzig zu einer siebenmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt worden, die dann in Festungshaft umgewandelt wurde. wäre das alles ja besser geworden.

2. Daß es nicht den Schatten eines Schattens zwischen uns | werfen wird, wenn du von heute auf morgen erklärst: ich will nichts mit der Sache zu thun haben, denn du hast an deinen eigenen Lasten genug zu tragen.

Was mich betrifft so geht es mir immer sehr lala; ich kann eigentlich gar nicht sagen wie es mir geht, da das ganz von dem Erfolg abhängt.

Grüße Mieze aufs herzlichste und sei bestenSchreibversehen, statt: bestens. gegrüßt von Deinem
Frank Wedekind.


Festung Königstein

4.12.99.

Walther Oschwald schrieb am 11. Dezember 1899 in Dresden folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Frank Wedekinds Brief an Emilie Wedekind vom 17.12.1899 von der Festung Königstein:]


Die Pantoffeln und Strümpfe habe ich glücklich erhalten und lasse Walther bestens dafür dankenHinweis auf das nicht überlieferte Begleitschreiben zu der erhaltenen Sendung..

Frank Wedekind schrieb am 21. Dezember 1899 in Festung Königstein folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther!

Ich hätte Dir gerne etwas Geistreiches geschenkt, aber das ist für mich hier obenWedekind saß seit dem 21.9.1899 eine Haftstrafe wegen Majestätsbeleidigung auf der Festung Königstein im Elbsandsteingebirge ab. schwer zu erreichen. Ich habe in den Weihnachtsanzeigen umsonst nach einem neuerschienenen Buch von bleibendem Werth | gesucht. Um Dir meinen guten Willen zu zeigen bitte ich dich, diese zwei Heidschnucken-Bettvorlagen entgegenzunehmen, die ich durch die gütige Vermittlung eines Agrariers Großgrundbesitzer; Identität nicht ermittelt.der mit mir sitzt erhalten habe. Ich wünsche dir von Herzen recht vergnügte Feiertage. |

An Mama und Mieze meine besten Wünsche und herzlichsten Grüße.
Dein Frank.


Festung Königstein
21. Dec. 99.

Walther Oschwald und Erika (Mieze) Wedekind schrieben am 23. Dezember 1899 in Dresden folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Walther Oschwald vom 27.12.1899 aus der Festung Königstein:]


Dir und Mieze meinen herzlichen Dank für den schönen Korb […] Ich danke dir für die Kritik […]

Frank Wedekind schrieb am 27. Dezember 1899 in Festung Königstein folgenden Brief
an Walther Oschwald

Mein lieber Walther,

Dir und Mieze meinen herzlichen Dank für den schönen Korbdas Begleitschreiben dazu ist nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 23.12.1899., der mir seit seiner Ankunft mein Abendbrot liefert. Ich muß sehr sparsam damit umgehen, kann ihn nicht zu Naschereien d/s/ondern Nur für das dringend nöthige verwenden, da ich in Folge des Mangels an Bewegung ohnehin am Herzen etwas leide. Dadurch versieht er mir natürlich um so bessere Dienste indem er meinen Ersparnissen zu gute kommt. Ich freue mich sehr | daß Ihr mit Eurer Zürcher ReiseDie Dresdner Hofopernsängerin Erika Wedekind war gemeinsam mit ihrem Mann Walther Oschwald für ein Gastspiel nach Zürich gereist und sang dort am Stadttheater vom 8. bis 11.12.1899 in Gioachino Rossinis „Barbier von Sevilla“ („Il barbiere di Siviglia“), in Giuseppe Verdis „Rigoletto“ und in „Das Glöckchen des Eremiten“ („Les dragons de Villars“) von Aimé Maillart. zufrieden seid. Im Berliner Tagblatt las ich eine Notiz„Aus Zürich wird uns telegraphirt: Die Sängerin Erika Wedekind vom Dresdner Hoftheater begann im hiesigen Stadttheater ein längeres Gastspiel, wobei der Künstlerin ein herzlicher Empfang bereitet wurde.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 28, Nr. 627, 9.12.1899, Abend-Ausgabe, S. (3)] über den begeisterten Empfang, der Mieze in Zürich zu theil wurde. Die Feiertage werden Euch viel Unruhe und Schererei gebracht haben. Um so stiller waren sie für mich. Ein so eminentes Phlegmaherausragende Trägheit. ich bin beginnt mir die Einsamkeit doch nachgerade weniger zu gefallen. Aber ich habe ja auch jetzt nur noch einen Monat vor mir. Ich danke dir für die KritikDie Uraufführung von Wedekinds Einakter „Der Kammersänger“ fand am 10.12.1899 in Berlin unter der Regie von Martin Zickel im Rahmen der Eröffnungsmatinée des Sezessionsbühne am Neuen Theater in Berlin statt (zusammen mit Wilhelm von Scholz’ „Der Besiegte“) erhielt überwiegend positive Kritiken [vgl. KSA 4, S. 392, 395f.]. Welche Rezension Walther Oschwald an Wedekind schickte, ließ sich nicht ermitteln. aber fall bitte nicht darauf herein und kauf dir das StückWedekinds Einakter „Der Kammersänger“ ist am 4.3.1899 als Neuerscheinung im Verlag Albert Langen in München angezeigt [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr. 52, 4.3.1899, S. 1742]. Der Autor hat die Buchausgabe sehr wohl gedruckt gesehen, denn er hat sie bald nach Erscheinen verschickt [vgl. Wedekind an Beate Heine, 12.3.1899].. Es ist zum Lesen nicht der Mühe werth. Gelegentlich werde ich dir ein Exemplar schicken können | aber bis heute habe ich es selbst noch nicht gedruckt gesehen obschon es schon seit einem halben Jahr erschienen ist.

So schmerzlich es mir ist, lieber Walther, gerade in diesen Zeilen des Dankes, so erlaub mir doch bitte noch einmal an deine Gefälligkeit zu appelierenSchreibversehen, statt: appellieren.. Du bist so freundlich sie mir anzubieten, aber ich liebe es ja wenig, andere zu belästigen wie selbst belästigt zu werden. Ich hoffe indessen vor meiner Abreise wird es das letzte Mal sein. Mein einziges Paar Stiefel ist nämlich zerrissen. Mir hier welche zu kaufen ist unmöglich. Dagegen wäre mir bis zur Entlassung vollkommen durch ein Paar Gummi Überschuhe | gedient. Darf ich dich bitten mir solche zu schicken. Ich trage als Stiefel die weiteste Nummer von 42. Dazu müßten sie passen. Natürlich lieber etwas zu weit als zu eng. Und dann ist hier oben plötzlich das Briefpapier ausgegangen. Das Couvert in dem ich dir schreibe hat mir die Bedienung geliehen. Es ist mit dem besten Willen nichts zu haben. Dürfte ich dich also noch um eine Schachtel Papier und Couverte ersuchen. Ich weiß, lieber Walther daß du mir gerne die Dienste leistest. Aber sei auch überzeugt daß ich deine Gefälligkeit als solche vollauf zu schätzen weiß und sie nicht vergeude.

Mit herzlichem Gruß
Dein Frank.

Walther Oschwald schrieb am 5. Januar 1900 in Dresden folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Walther Oschwald vom 6.1.1900 aus der Festung Königstein:]


[…] ich beeile mich deine Zeilen zu beantworten.

Frank Wedekind schrieb am 6. Januar 1900 in Festung Königstein folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther,

ich beeile mich deine Zeilennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 5.1.1900. zu beantworten. Vor allen Dingen meinen Dank für die GummischuheWedekind hatte aufgrund undichter Stiefel seinen Schwager um Gummiüberschuhe gebeten, außerdem um Briefpapier und Kuverts [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 27.12.1899]., die vollkommen ihren Zweck erfüllen (Papier habe ich schon hineingestopft) und für das Briefpapier.

Was Donald betrifft kann ich dein Verhalten nur billigen, aber reg dich doch nicht darüber auf! Er soll sich aufregen, je mehr desto besser. Derartige | TelegrammeDonald Wedekinds Telegramm an Walther Oschwald sowie dessen Antwort sind nicht überliefert. sind natürlich unmöglich. Ich bitte dich sowohl wie Mieze (an die er sich eventuell wieder wenden könnte) kein derartiges Telegramm zu beantworten. Ich werde Donald schreiben daß ich das gethan habe und daß ich die volle Verantwortung dafür übernehme, weil ein solcher Verkehr unwürdig und unanständig ist, und ihn selbst unmöglich macht. Wenn Du nun nicht den Verkehr mit ihm abgebrochen hättest dann hätte ich deinen Vorschlag betreffend sein ErbtheilWedekinds Tante Auguste Bansen, die jüngste Schwester seines Vaters, war am 15.12.1899 in Hannover kinderlos gestorben, so dass die Neffen und Nichten auf ein Erbe hofften [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 199f.]. Welchen Vorschlag Walther Oschwald in seinem Brief vom 5.1.1900 bezüglich Donald Wedekinds Anteil machte, ist nicht bekannt. mit allen Mitteln unterstützt. Jetzt nehme ich die Dinge | wie sie liegen und warte ab. Bei alledem kann ich Dir nicht verhehlen daß mir sein BriefAnscheinend hatte Walther Oschwald seine jüngste Korrespondenz mit Donald Wedekind an Frank Wedekind weitergeleitet, um seinen Kontaktabbruch zu rechtfertigen. Der genannte Brief Donald Wedekinds an Walther Oschwald ist nicht überliefert. den bei aller Naivetätn den Eindruck der Aufrichtigkeit macht.

Deinen Vorschlag betreffend die Vertretung in HannoverWalther Oschwald vertrat Wedekind als Jurist in der Erbschaftsangelegenheit seiner verstorbenen Tante gegenüber dem Nachlassverwalter, dem Rechtsanwalt Hans Heiliger (= Heiliger II) in Hannover (Georgstraße 7) [vgl. Adreßbuch der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Hannover 1900, Teil I, S. 752]. nehme ich mit großem Dank an. Aber es ist ja noch nicht so weit. Wenn das eintritt, dann laß es mich wissen damit ich Donald darüber schreibe und ihm den Kopf bei der Gelegenheit zurechtsetze.

Wenn du mich noch einmal besuchenWalther Oschwald hatte Wedekind auf der Festung Königstein sehr wahrscheinlich zuletzt am 20.10.1899 besucht. willst würde mir das eine große Freude sein; vielleicht bringst | du Mama oder Mieze oder alle Beide mit. Ich müßte es nur zwei Tage vorher wissen. Für das Anerbieten der Stiefel danke ich dir. Wenn es durchaus nicht mehr geht werde ich dir schreiben. Ich hoffen aber es langt noch für die vier WochenWedekinds verbleibende Haftzeit auf der Festung Königstein; er wurde am 3.2.1900 entlassen.. Ich muß mir doch in Dresden dies und jenes kaufen bevor ich nach Hamburg reiseWedekind plante, sich nach seiner Haftentlassung mit Carl Heine in Hamburg zu treffen [vgl. Wedekind an Otto Eisenschitz, 8.1.1900], der inzwischen dort wohnte (Eichenallee 11), verzeichnet als „Director des Carl Schultze-Theater“ [Hamburger Adreß-Buch 1900, Teil III, S. 256]. .

Grüße Mama und Mieze aufs beste und sei herzlich gegrüßt
von deinem
Frank


Festung Königstein
6. Januar 1900

Frank Wedekind schrieb am 20. Januar 1900 in Festung Königstein folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther,

ich erhielt gestern die ErbschaftspapiereWedekinds Tante Auguste Bansen, die jüngste Schwester seines Vaters, war am 15.12.1899 in Hannover kinderlos gestorben und „hinterließ ein reiches Erbe, das an ihre Nichten und Neffen fiel, pro Erbe und Erbin eine Summe von 5000 bis 6000 Mark“ [Vinçon 2021, Bd. 2, S. 199], wie Emilie (Mati) Wedekind am 20.1.1900 an ihren Bruder Armin Wedekind schrieb. Die Erbschaftspapiere und das Begleitschreiben sind nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Hans Heiliger an Wedekind, 18.1.1900., würde aber mit der notariellen Beglaubigung meiner Unterschriften gerne bis zu meiner FreilassungWedekind wurde am 3.2.1900 aus der Haft auf der Festung Königstein entlassen, wo er wegen Majestätsbeleidigung seit dem 21.9.1899 inhaftiert war. warten, da mir dieselbe hier Umständlichkeiten verursachen würde. Ich denke, daß es am 3 oder 6/5/ Februar noch früh genug dazu ist. Sollte das eine Verzögerung herbeiführen, so theil | mir das bitte mit. Ich habe dasselbe an den Rechtsanwalt in Hannover geschriebenMit der Nachlassverwaltung war die Anwaltskanzlei von Hans Heiliger in Hannover (Georgenstraße 7) [vgl. Adreßbuch der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Hannover 1900, Teil I, S. 752] beauftragt. Wedekinds Schreiben ist nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hans Heiliger, 19.1.1900..

Dein gütiges Anerbieten, mich bei der Sache zu vertreten nehme ich also mit Dank an. Wenn ich mich in Dresden ein oder zwei Tage aufhalte, so würde ich das so unauffällig wie möglich thun, wir könnten uns treffen wo es Dir beliebt; ich möchte auf keinen Fall Mieze irgendwelche Unannehmlichkeiten bereiten. EventuelSchreibversehen, statt: Eventuell. reise ich aber auch direct durch nach München, Hamburg oder Berlin. In Berlin constituirt sich augen|blicklich eine TheatertournéeWedekind, der 1898 an der ersten Tournee von Carl Heines Ibsen-Ensemble teilgenommen hatte, hoffte erneut auf eine Tournee mit Carl Heines Ensemble [vgl. Wedekind an Hans Richard Weinhöppel, 29.12.1899], der Plan realisierte sich jedoch nicht. Carl Heine, der mit Wedekinds Einakter „Der Kammersänger“ am 14. und 15.2.1900 im Leipziger Kristallpalast gastierte, war bereits mit seiner Truppe – die nunmehr als Dr. Heine-Ensemble firmierte – zu einer Europatournee aufgebrochen, die ihn wiederholt auch in die Niederlande führte. Wedekind gab im Rahmen dieser Tournee am 6.10.1900 in Rotterdam in der Titelrolle von „Der Kammersänger“ ein einmaliges Gastspiel. die hauptsächliche meine Stücke spielen will und die mich als Regisseur engagiert hat. Eventuel muß ich aber vorher noch in Geschäften nach München.

Nun noch einige Worte über Donald. Ich möchte mich nicht gerne dem Verdacht aussetzen, als hätte ich seinem Wesen und Treiben dir gegenüber irgendwie Vorschub geleistet. Ich habe ihm seit acht Monaten ein einziges Mal geschriebenHinweis auf einen nicht überlieferten Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Donald Wedekind, 23.10.1899. Außerdem gratulierte Wedekind seinem Bruder schriftlich zu dessen Geburtstag am 4.11.1899 [vgl. Frank Wedekind an Donald Wedekind, 3.11.1899], was als Korrespondenzstück ebenfalls nicht überliefert ist.; das war in der Affaire Frankfurtereine Affäre um den Rückkauf der von Donald Wedekind veräußerten Anteile am Haus Steinbrüchli in Lenzburg [vgl. Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 13.10.1899; Wedekind an Walther Oschwald, 31.10.1899]., wobei ich mich allerdings, wie ich einsehe sehr sanguinischhier im Sinne von leichtsinnig. ausgedrückt | habe. Wenn er jetzt das Geld bekommtaus dem Erbe der Tante Auguste Bansen. dann werde ich meinen ganzen Einfluß verwenden und aufs Spiel setzen, damit er es zu dazu verwendet in geordnete Verhältnisse und zu regelmäßigem Verdienst zu kommen. Deshalb möchte ich jetzt vorher auch mein Pulver nicht verschießen.

In der Hoffnung daß bei euch alles wohl auf ist und sich des Daseins freut bin ich mit den besten Grüßen an Mama und deine liebe Frau
Dein
Frank.


Festung Königstein
20. Januar 1900.

Frank Wedekind schrieb am 11. Februar 1900 in Leipzig folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther,

ich bleibe jedenfalls noch bis Mittwoch oder Donnerstagden 14. oder 15.2.1900. An diesen beiden Tagen spielte Carl Heines Ensemble im Kristallpalast in Leipzig den „Kammersänger“ [vgl. Leipziger Tageblatt, Jg. 94, Nr. 83, 15.2.1900, Morgen-Ausgabe, S. 1283]; Wedekind wollte eine der beiden Vorstellungen seines Einakters offenbar besuchen. hier in Leipzig, für den Fall daß du mir etwas mitzutheilen hast. Nachher fahre ich auf vierzehn Tage nach MünchenTatsächlich übersiedelte Wedekind dauerhaft nach München und gab seine Pläne, nach Hamburg oder Berlin zu gehen, auf.. Ich kam hier mit einer fürchterlichen Erkältung an, ging aber vom ersten Tag an von Hand zu Hand. Vorgesternam 9.2.1900. | kneipten wir vier Stunden in Klingers AtelierMax Klinger, Maler, Radierer, Bildhauer und Mitglied der Akademie der bildenden Künste in Dresden, wohnte in Leipzig in der Carl-Heine-Straße 2, Parterre; sein nach seinen Plänen erbautes Atelier befand sich in der Carl-Heine-Straße 6 [vgl. Leipziger Adreß-Buch für 1900, Teil I, S. 474]., Hans Merian, Klinger und ich. Gleich am ersten AbendWedekind kam am 8.2.1900 in Leipzig an. traf ich Dr. Heine und die Taliansky im Kristallpalast, die sich hier ein geschäftliches Rendezvous gegeben hatten. Die Taliansky die ein glänzendSchreibversehen, statt: glänzendes. EngagementLeonie Taliansky, früher Mitglied von Carl Heines Ensemble, die in der Uraufführung des „Erdgeist“ durch Carl Heines Ibsen-Theater im Kristallpalast in Leipzig die Rolle der Lulu und dann in der Uraufführung des Einakters „Der Kammersänger“ am 10.12.1899 am Neuen Theater in Berlin die Rolle der Miss Isabel Coeurne gespielt hat, wechselte vom Neuen Theater in Berlin (Schiffbauerdamm 5) zum Berliner Theater (Charlottenstraße 90-92) unter der Direktion von Paul Lindau [vgl. Neuer Theater-Almanach 1900, S. 261; Neuer Theater-Almanach 1901, S. 242]. bei Paul Lindau in Berlin anzutreten hat, macht trotzdem auch noch zwischendurch unsere TournéeWedekind ging davon aus, er werde an einer Tournee mit Carl Heines Ensemble teilnehmen, was sich nicht realisierte. mit. | Ich arbeiteWedekind arbeitete nach wie vor am „Marquis von Keith“, dessen „endgültige Fertigstellung sich bis in den Mai hinein“ [KSA 4, S. 413] zog. wasSchreibversehen, statt: was das. Zeug hält komme aber auch kaum aus dem Katzenjammerkörperlich matte Befindlichkeit nach Alkoholkonsum. heraus, so daß ich mich nach München sehne.

Ich bin eben im Begriff mir Heines Ensemble anzusehen das heute eingetroffen ist. Er behauptet er habe wieder zwei Anfängerinnennicht identifiziert. von blendender Schönheit, deren eine er meiner Aufmerksamkeit besonders empfiehlt, ein Muster von Freund und Theaterdirector. |

Grüße Mama und Mieze aufs beste. Ich danke noch vielmals für die freundliche AufnahmenSchreibversehen, statt: Aufnahme. Wedekind verbrachte die ersten Tage nach seiner Haftentlassung aus der Festung Königstein am 3.2.1900 bei seiner Schwester Erika und seinem Schwager Walter Oschwald in Dresden.. Auf baldiges Wiedersehn
Dein
Frank.


H Müller’s Hotel
Matthäi Kirchhof
Leipzig.
11. Febr. 1900.

Frank Wedekind schrieb am 4. März 1900 in München folgenden Brief
an Walther Oschwald

Mein Lieber,

ich sehne mich ungemein danach, mir eine Wohnung und eine Haushälterin nehmen und mich einigermaßen einrichten zu können. Ich wäre Dir daher sehr dankbar wenn Du mich über den Stand der ErbschaftsangelegenheitWedekind, der auf eine größere Geldsumme aus dem Erbe seiner am 15.12.1899 in Hannover verstorbenen Tante Auguste Bansen hoffte (siehe die vorangehende Korrespondenz Wedekinds mit seinem Schwager seit dem 6.1.1900), hatte Walther Oschwald mit der Abwicklung der Angelegenheit beauftragt. orientiren wolltest, d. h. bis wann ich auf einiges flüssiges Geld | rechnen kann, damit ich meine Dispositionen dementsprechend treffen kann. Mag mir die Zukunft bringen was sie will, ich muß vor allem notwendig ein Heim haben. Im übrigen geht es mir vorzüglich. Mein „Liebestrank“ soll in DarmstadtDie Aufführung von Wedekinds Schwank am Hoftheater in Darmstadt kam nicht zustande. vor dem Großherzog gespielt werden und im Aprilheft der „Insel“„Marquis von Keith“ erschien zuerst unter dem Titel „Münchner Scenen. Nach dem Leben aufgezeichnet von Frank Wedekind“ von April bis Juni in drei aufeinander folgenden Nummern der von Otto Julius Bierbaum, Alfred Walter Heymel und Rudolf Alexander Schröder herausgegebenen und von Thomas Theodor Heine graphisch gestalteten Monatsschrift „Die Insel“ [vgl. KSA 4, S. 425]. Die erste Folge mit dem 1. und 2. Akt [vgl. Die Insel, Jg. 1, 3. Quartal, Nr. 7, April 1900, S. 3-76] erschein, bevor das ganze Stück abgeschlossen war. erscheint mein nächstes Drama.

Ich hoffe sehr, daß es Euch ebenfalls gut geht. Herzlichste | Grüße an Mama, Mieze, Dich und die Prinzessin.
Dein
Frank.


München 4. März 1900

Hotel Bamberger Hof.
Neuhauser Strasse.

Frank Wedekind schrieb am 8. März 1900 in München folgende Postkarte
an Walther Oschwald

Königreich Bayern.

Postkarte.


An

Herrn Walther Oschwald
kgl. Finanzassessor
in Dresden-Strehlen
9. Julius Otto Strasse 9. |


L. W. ich bitte dich noch einmal, mich über die AngelegenheitWedekind, der auf eine größere Geldsumme aus dem Erbe seiner am 15.12.1899 in Hannover verstorbenen Tante Auguste Bansen hoffte (siehe die vorangehende Korrespondenz Wedekinds mit seinem Schwager seit dem 6.1.1900), hatte Walther Oschwald mit der Abwicklung der Angelegenheit beauftragt. orientiren zu wollen, da ich augenblicklich vor der Alternative stehe, ob ich noch für die nächsten Wochen vor meiner AbreiseWedekind reiste erst im Juli über Hannover nach Leipzig. eine Pension beziehen soll oder mich sofort in einer WohnungWedekind bezog eine Wohnung in der Franz Josephstraße 42, 2. Stock, wo er seit dem 22.3.1900 gemeldet war [vgl. EWK/PMB Wedekind]., die ich mir bereits ausgesucht einmiethen und einrichten kann, da ich doch meiner Correspondenz, meiner Effectenbewegliche Habe. und meiner Ruhe wegen endlich ein ständiges Heim haben muß. Für den Moment bin ich auf Hotel, Café, Restaurant angewiesen, was meine Arbeit nicht fördert. Es kann mir nicht einfallen, dich irgendwie drängen zu wollen, das wäre Unsinn, du kannst ja an dem Lauf der Verhandlungen, die man in Ruhe abwarten muß, nichts ändern, aber ich wüßte gerne womit ich rechnen kann und wäre dir für einige Worte auf einer Postkarte schon sehr verbunden. – Im übrigen wünsche ich, daß Ihr Euch Alle wohlbefindet. Ich habe mich ebenfalls nicht zu beklagen; mein Kammersänger wird noch im Lauf dieser Saison am Kaiserl. Alexander-Theater in PetersburgÜber eine Aufführung von Wedekinds „Kammersänger“ in Sankt Petersburg ist nichts bekannt. gespielt. Wenn ich nur mit meinem jetzigen StückWedekind arbeitete an der Fertigstellung seines „Marquis von Keith“, die sich bis Mitte Mai hinzog [vgl. KSA 4, S. 413]. endlich fertig wäre. Aber woher die Ruhe nehmen!

Herzlichst dein Frank.


Bamberger Hof, München.

Walther Oschwald schrieb am 14. März 1900 in Dresden folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind ,

[Hinweis in Wedekinds Brief an Walther Oschwald vom 15.3.1900 aus München:]


Du fragst, warum ich bis jetzt noch nicht mit Dr. Heine reise?

Frank Wedekind schrieb am 15. März 1900 in München folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Schwager,

als meinem offiziellen Vertreter in der ErbschaftsangelegenheitWedekind, der auf eine größere Geldsumme aus dem Erbe seiner am 15.12.1899 in Hannover verstorbenen Tante Auguste Bansen hoffte (siehe die vorangehende Korrespondenz Wedekinds mit seinem Schwager seit dem 6.1.1900), hatte Walther Oschwald mit der Abwicklung der Angelegenheit beauftragt. muß ich dich heute doch mit einigen sehr ernsten Erwägungen bekannt machen, die du in meinem Falle ebenfalls hegen würdest und auch vollkommen begreiflich finden mußt. Wenn man von einer Erbschaft, die zur Auszahlung gelangen soll annimmt, daß sie binnen eines vollen Vierteljahres zur Auszahlung gelangen wird, so ist das gewiß nicht optimistisch oder sanguinischhier für leichtsinnig. gedacht. Das Zerstreutwohnen der ErbenErbberechtigt waren alle Nichten und Neffen der verstorbenen Tante. | kann dabei gar nicht in Frage kommen, denn in einem Vierteljahr reist man heute bequem um die ganze Welt. In einem Vierteljahr werden Kriege erklärt und durch Friedensschlüsse beendigt. Es ist ja auch gar nicht ausgeschlossen daß die Erbschaftsvertheilung erst nach dem Friedensschluß zwischen England und TransvaalDer zweite englisch-burische Krieg zwischen England und der südafrikanischen Republik Transvaal und dem Oranje-Freistaat begann am 12.10.1899 und endete mit einem Friedensschluss am 31.5.1902. Das zum Zeitpunkt des vorliegenden Briefes nicht absehbare Ende dieses Krieges, der sich seit Jahresbeginn 1900 zu einem Guerillakrieg entwickelt hatte, diente Wedekind als ironische Folie für einen unbestimmten Zeitpunkt in ferner Zukunft. stattfinden kann. Dann müste ich aber wenigstens davon unterrichtet sein. Ich möchte nur wissen, warum es nötig war, die Vollmachtenvermutlich für die Vertretung in der Erbschaftsangelegenheit durch Walther Oschwald, der sich außer für Frank Wedekind auch um die Auszahlung des Erbes für seine Frau Erika (Mieze) Wedekind und seine Schwägerin Emilie (Mati) Wedekind kümmerte, wie Emilie in einem Brief an ihren Bruder Armin Wedekind am 20.1.1900 schrieb. bis zum fünfzehnten Februar auszustellen, wenn bis heute, binnen eines vollen Monats nicht das geringste mit diesen Vollmachten gethan worden ist. Ich bin seit meinem HierseinWedekind war sehr wahrscheinlich seit dem 16.2.1900 zurück in München. mit meiner Abrechnung mit Albert LangenWedekind handelte mit seinem Verleger Albert Langen nach seiner Inhaftierung im Zuge des „Simplicissimus“-Prozesses (siehe unten) einen neuen Vertrag aus und stritt sich um die Verrechnung und Höhe von Vorschüssen, Honoraren und Tantiemen. beschäftigt und damit, meine bei ihm verlegten Werke einem Berliner Verlagder S. Fischer Verlag in Berlin [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 16.3.1900]. zu übertragen. Das | ist ein Kapf Kampf bei dem jeder Fußbreit mühsam und consequent erobert sein will, indem mich/r/ jede momentane Unsicherheit zu dauerndem Schaden werden kann. So legt er mir heute einen SchuldscheinDer Schuldschein und das Angebot der Abschlagszahlung (beides nicht überliefert) wurden sehr wahrscheinlich persönlich durch Korfiz Holm, der die Geschäfte des Albert Langen Verlags in München während der Exilzeit des Verlegers Albert Langen weiterführte, bei einem Besuch Wedekinds im Verlag in der Kaulbachstraße übermittelt. Korfiz Holm schrieb am 16.3.1900 an Albert Langen: „Wedekind habe ich Ihren letzten Vorschlag mitgeteilt, ohne bis jetzt eine Antwort zu haben. Ach, wenn ich nur mit dem Sauhund nichts mehr zu tun hätte! Ich glaube, das Geld von dem kriegen wir nie. Und ein Kontrakt nützt garnichts. Er hält ihn ja doch nicht ein. Und sowas zu verklagen, ist auch so eine Sache. Es macht einen schlechten Eindruck und man hat nichts davon.“ [Abret/Keel 1989, S. 188] über 1600 Mark vor, nach dessen Unterzeichnung er mir eine Abschlagszahlung von 200 Mark auf eingegangene aber noch nicht fällige Einnahmen aus meinen Büchern machen will. Diese 1600 Mark kann er aber, wenn ich den Schein jetzt nicht unterzeichne, nie im Leben gegen mich einklagen da sie mit dem SimplicissimusproceßDas Leipziger Reichsgericht verurteilte Wedekind am 3.8.1899 zu einer siebenmonatigen Gefängnishaft wegen Majestätsbeleidigung in den Gedichten „Im heiligen Land“ und „Meerfahrt“ in der von Albert Langen verlegten Zeitschrift „Simplicissimus“ ‒ diese Strafe wurde infolge eines Begnadigungsgesuchs vom 23.8.1899 in Festungshaft umgewandelt, die Wedekind am 21.9.1899 antrat und bis zum 3.2.1900 auf der Festung Königstein verbüßte [vgl. KSA 1/I, S. 1710]. zusammenhängen. Du kennst derartige Conflicte nicht, es ist eben ein Unterschied, ob man eine durch Leben gegebene Stellung ausfüllt oder eine freie literarische oder künstlerische Position behaupten und vertheidigen muß. Wenn ich hätte voraus sehen können, daß die Erbschaftserledigung länger als ein Vierteljahr in Anspruch nimmt, dann hätte ich diese ganze Münchner ExcursionWedekind hatte schon während seiner Haftzeit auf der Festung Königstein geplant, nach München zurückzugehen [vgl. Wedekind an Hans Richard Weinhöppel, 29.12.1899; Wedekind an Otto Eisenschitz, 8.1.1900], ging aber zunächst nur von einem kurzzeitigen Aufenthalt aus, um dann nach Hamburg oder Berlin zu gehen [vgl. Weekind an Walther Oschwald, 20.1.1900]. verschoben. Ich habe in | diesem verflossenen Monat genau gerechnet 900 Mark gebraucht, 500 Mark die ich von der Festung mitbrachte und 400 Mark die ich von der „Insel“ eingenommenWedekinds Honorar für die erste Folge des Fortsetzungsabdrucks seines „Marquis von Keith“ (1. und 2. Akt), die unter dem Titel „Münchner Scenen. Nach dem Leben aufgezeichnet“ in der von Otto Julius Bierbaum, Alfred Walter Heymel und Rudolf Alexander Schröder herausgegebenen Monatsschrift „Die Insel“ erschein [vgl. Die Insel, Jg. 1, 3. Quartal, Nr. 7, April 1900, S. 3-76].. Jetzt geht es aber nicht mehr weiter. Ich kann im Hotel nicht mehr arbeiten. Du fragstHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 14.3.1900., warum ich bis jetzt noch nicht mit Dr. Heine reiseWedekind hoffte zunächst, Carl Heines neues Ensemble auf einer Tournee als Regisseur oder Schauspieler begleiten zu können [vgl. Wedekind an Hans Richard Weinhöppel, 29.12.1899; Wedekind an Walther Oschwald, 20.1.1900].? Unter uns gesagt aus dem einfachen Grunde weil ich mit einem MundwerkWedekind trug eine Zahnprothese, die kaum zu übersehen war: „der an sich feingeschnittene Mund schien durch das künstliche Gebiß entstellt, das er mit seinen zweiunddreißig Jahren damals schon trug, und das ihm keineswegs durch einen Meister seines Faches angemessen war. Da es sich immerfort vom Gaumen loslöste, zog Wedekind, es wieder an den rechten Platz zu bringen, seinen Mund minütlich in die Breite und die Oberlippe stramm, baute jedoch, daß man den Zweck dieser Grimasse nicht so merke, sie geschickt zu einem lästerlichen Grinsen aus. Auch seine Zungenspitze wurde häufig bei der Bändigung des Gebisses mit bemüht; dies zu maskieren, leckte er sich dann frivol die Lippen wie ein blutdürstiger Tiger der Erotik und schuf sich so aus dieser Not zwar keine Tugend, aber eine Dämonie und eine Glorie von Lasterhaftigkeit.“ [Holm 1932, S. 60f.], das mir bei jedem erregten Wort herausfällt mich nicht auf die Bühne wagen kann. Ich habe lediglich der Erbschaft wegen die Angelegenheit Ausgabe solange verschoben. Ich bitte dich also, da auch meine Gesundheit sehr unter diesem Straßenleben leidet 1. wenn du etwas neues weißt, es mir umgehend mitzutheilen und d/2/. die Angelegenheit nach Kräften zu beschleunigen. Als ich hier nach München kam, ließ mir Langen eine Rechnung von 3000 Mark presentirenauch dies vermutlich bei einem persönlichen Besuch Wedekinds im Albert Langen Verlag durch Korfiz Holm. Die Rechnung ist nicht überliefert. Am 9.2.1900 schrieb Korfiz Holm an Albert Langen: „W.s. Vorschuß beträgt alles in allem c. M. 3000.-, wovon laut Kontrakt M. 1100.- Unterhalt in der Haftzeit gutgeschrieben werden.“ [Abret/Keel 1989, S. 175].. Davon habe ich ihm 1400 Mark bis jetzt weggestrichen und werde ihm auch die übrigen 1600 noch wegstreichen, wenn ich meine Haltung bewahren kann. Andernfalls kann ich von heute auf morgen gezwungen sein, den GalgencontractAlbert Langen ließ Wedekind wiederholt revidierte Verträge zur Unterzeichnung vorlegen. Zu einem neuen Vertragsabschluss kam es erst im April 1900 [vgl. Kutscher 2, S. 77f.]. zu unterzeichnen und dadurch auf für ein halbes Jahr auf den Ertrag meiner Bücher | zu verzichten.

Auf jeden Fall muß sich doch in Erfahrung bringen lassen bis wann die Angelegenheit erledigt sein kann. Diese Auskunft wäre mir um so werthvoller je rascher ich sie erhalte, sonst kostet mich schließlich die Erwartung der Erbschaft mehr als mir die Erbschaft überhaupt einbringenDie Nichten und Neffen der verstorbenen Tante konnten „pro Erbe und Erbin eine Summe von 5000 bis 6000 Mark“ [Vinçon 2021, Bd. 2, S. 199] erwarten. Wedekind ging von 10.000 Mark aus [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 16.3.1900]. kann.

Mit den herzlichsten Grüßen an Euch Alle
Dein
Frank.


München 15. März 1900

Hotel Bamberger Hof

Frank Wedekind schrieb am 16. März 1900 in München folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther,

eben schreibt mir HeiligerHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben des Rechtsanwalts in Hannover, der mit der Nachlassverwaltung der verstorbenen Tante betraut war (die schon in früheren Briefen thematisierte langwierige Erbschaftsangelegenheit); erschlossenes Korrespondenzstück: Hans Heiliger an Wedekind, 15.3.1900., daß vor zwei Monaten nicht an Vertheilung der Erbschaft zu denken sei. Soweit wäre ja alles gut. Wer läßt sich das aber träumen, wenn der Mann unsere Unterschriften verlangtvermutlich in den Unterlagen, die Wedekind am 19.1.1900 erhalten hatte [Hans Heiliger an Wedekind, 18.1.1900; vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 20.1.1900]. Bei den verlangten Unterschriften handelte es sich um Garantieerklärungen gegenüber den Ansprüchen möglicher weiterer Erben [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 14.5.1900]., damit die Vertheilung nicht 9 Monate hinausgeschobenals Wartefrist vermutlich abgeleitet aus § 1923 des Bürgerlichen Gesetzbuches, der regelt, wer erbberechtigt ist: „Erbe kann nur werden, wer zur Zeit des Erbfalls lebt. Wer zur Zeit des Erbfalls noch nicht lebte, aber bereits erzeugt war, gilt als vor dem Erbfalle geboren.“ [Das Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Systematisch dargestellt und durch Formulare erläutert von Jacob Boehm. Hannover 1896, S. 302] zu werden brauche sondern gleich erfolgen könne. Ohne dies Wort hätte ich natürlich noch nicht so rasch darauf gerechnet. Darf ich dir nun folgenden Vorschlag machen. Meine Geschäfte gehen gut; ich verdiene soviel Geld daß nicht eine sondern zwei Familien davon leben könnten. Für die Monate April und Mai habe ich jetzt schon 600 M. ausstehenvermutlich weiteres Honorar für den Fortsetzungsabdruck der „Münchner Scenen“ („Marquis von Keith“) in der Monatsschrift „Die Insel“ – Wedekind hatte bereits 400 Mark Honorar für die erste Folge erhalten [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 15.3.1900]., die absolut sicher sind. Nun | habe ich schon auf der FestungWedekind verbüßte vom 21.9.1899 bis 3.2.1900 eine Haftstrafe wegen Majestätsbeleidigung auf der Festung Königstein. ernstlich daran gedacht, meine Schulden bei Mieze, die ich auf 3-4000 M. veranschlage allmählig zu amortisireneine Schuld tilgen.. Ich würde gerne beim Empfang der Erbschaft mit einer kleinen Summe damit den Anfang machen; ich schlage 500 M. vor. Dann würde ich doch aber ersuchen, mir aus der Sackgasse zu helfen, in die ich in diesem Hotel geraten bin damit ich die 200 M.Albert Langen hatte Wedekind eine Abschlagszahlung von 200 Mark angeboten, wenn Wedekind ihm im Gegenzug einen Schuldschein über 1600 Mark unterzeichnet [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 15.3.1900]. nicht zu nehmen brauche, die mir Langen momentan bietet. D. h. natürlich wenn du es kannst. Sonst aber glaube ich damit einen Vorschlag zu machen, der uns beiden convenierenzusagen, gefallen. kann. Ich gewinne 1600 M. damit, und Mieze wird mit Vergnügen ersehen, daß das Geld, mit dem sie mich unterstützte in keiner Weise hinausgeworfen war. Ich habe schon ein bescheidenes Zimmer in SchwabingWedekind war seit dem 22.3.1900 in der Franz-Josephstraße 42, 2. Stock, gemeldet [vgl. EWK/PMB Wedekind]. in Aussicht genommen, das ich für die zwei oder | drei MonateEntgegen diesen Plänen wohnte Wedekind in der Schwabinger Wohnung bis 1906. beziehen werde. Ich werde mehr und ruhiger arbeiten können und weniger Geld brauchen. Denn bei diesem Hotel- Café- und Straßenleben verbrauche ich ein Heidengeld ohne auch nur die geringste Bequemlichkeit dafür zu haben. Dazu kommt elektrisches LichtWedekinds Münchner Hotel, der Bamberger Hof (Neuhauserstraße 25-28), hob in seinen Zeitungsannoncen ausdrücklich hervor: „Elektrisches Licht und Central-Heizung im ganzen Hause“ [Münchener Ratschkathl, Jg. 8, Nr. 46, 6.6.1896, S. (4)]. Die 200 neu eingerichteten Zimmer waren ab 1,50 Mark erhältlich., das mir die Augen blendet, Tingeltangel-MusikDer Bamberger Hof veranstaltete regelmäßig „Theater-Variété“ in einem Veranstaltungssaal, „1000 Personen fassend“ [Internationale illustrierte Athleten-Zeitung, Jg. 2, Nr. 38, 24.9.1893, S. 8]., Luftheizung; ich versuchte in den letzten Tagen Gedichte für die JugendIn der Münchner Zeitschrift „Jugend“ erschien erstmals 1901 ein Gedicht von Wedekind – das bereits in der Sammlung „Die Jahreszeiten“ (1897) publizierte „Ilse“ [Jugend, Jg. 6, Heft 49, 1901, S. 817]. zu machen, die mir sofort baar Geld gebracht hätten, bin aber so nervös, daß mir nichts gelingt; ich bin absolut nicht Herr meiner Stimmung, was vielleicht auch in meinem Brief von heute Morgenvgl. Wedekind an Walther Oschwald, 15.3.1900. zum Ausdruck kam, und was mir dann sehr leid thäte; aber das sind die Folgen der Ungewißheit ob man morgen oder übermorgen 10,000 M.Diese Summe erwartete Wedekind offenbar aus dem Erbe seiner Tante Auguste Bansen. in der Hand hat oder nicht.

Bei alledem fürchte ich allerdings, daß dich Donald mit in ähnlicher Weise bestürmt. Aber die Billigkeit meines Vorschlages wird niemand in Frage ziehen. Im schlimmsten | Fall würden mir auch 100 M. die Übersiedlung ermöglichen. Es handelt sich bei mir nicht um Geldverlegenheit, denn ich kann jeden Moment Geld von Langen haben; es handelt sich aber um die Rettung meiner Einkünfte in Höhe von 1600 M. Eben habe ich den Kammersänger an Fischer in Berlin, den Verleger Gerhart HauptmannsHauptmanns Werke erschienen seit 1890 bei S. Fischer in Berlin. geschicktHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur genannten Buchsendung; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Samuel Fischer, 16.3.1900. ; dadurch komme ich als Autor in die beste Gesellschaft. Wenn ich dagegen den Contract unterzeichne, den mir Langen vorlegt, ist mir diese Operation unmöglich gemacht und bin ich wieder auf lange Zeit an den Schurken gefesselt.

Ich bitte dich, mir bald zu antworten, wie es auch sei. Ich kann mir ja denken, daß dir die Sache eventuell einfach unmöglich ist.

Mit herzlichen Grüßen
Dein Frank.


Hotel Bamberger Hof

16. März 1900.

Walther Oschwald schrieb am 17. März 1900 in Dresden folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[1. Hinweis von Walther Oschwald auf Wedekinds Brief an Walther Oschwald vom 15.3.1900 aus München:]


beantwortet: 17.III.00.



[2. Hinweis in Wedekinds Brief an Walther Oschwald, 21.3.1900 aus München:]


Deine Worte und Bemerkungen sind alle vollkommen richtig […]

Walther Oschwald schrieb am 18. März 1900 in Dresden folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[1. Hinweis von Walther Oschwald auf Wedekinds Brief an Walther Oschwald vom 16.3.1900 aus München:]


beantwortet: 18.III.00.



[2. Hinweis in Wedekinds Brief an Walther Oschwald, 21.3.1900 aus München:]


Deine Worte und Bemerkungen sind alle vollkommen richtig […]

Walther Oschwald schrieb am 19. März 1900 in Dresden folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[1. Hinweis in:]


Post-Einlieferungsschein.

Daß am heutigen Tage

Gegenstand bei Postanweisungen auch Nr. Brief,

Werthangabe Zweihundert Mark

Gewicht 20½ Gr

Empfänger Herr Frank Wedekind

Bestimmungsort München

zur Beförderung mit der Post eingeliefert worden, wird bescheinigt.

Dresden 7, den 19. März 189 /9/00

Post-Annahme.

[…]



[2. Hinweis in Wedekinds Brief an Walther Oschwald, 21.3.1900 aus München:]


Deine Worte und Bemerkungen sind alle vollkommen richtig […]

Frank Wedekind schrieb am 21. März 1900 in München folgende Postkarte
an Walther Oschwald

Deutsche Reichspost

Postkarte


An

Herrn Finanzassessor Walther Oschwald
in Dresden Strehlen.
Wohnung (Straße und Hausnummer) Julius Otto Strasse 9. |


Lieber Walther du hast mir einen sehr großen Gefallendie Überweisung von 200 Mark [vgl. Walther Oschwald an Wedekind, 19.3.1900]. gethan, indem mir geschäftlich sofort die größten Vortheile daraus erwachsen. Meinen herzlichen Dank. Deine Worte und Bemerkungenin den nicht überlieferten Korrespondenzstücken Walther Oschwalds an Wedekind vom 17.3.1900, 18.3.1900 und 19.3.1900. sind alle vollkommen richtig, nur wird es dir doch vielleicht schwer werden dich in solche Calamitätmissliche Lage; Wedekind benötigte dringend Geld für seinen Umzug und die Einrichtung der neuen Wohnung. zu denken. Ich habe alle Aussicht, dir – ganz abgesehen von dem in Aussicht stehenden AntheilWedekind erwartete eine größere Summe aus dem Erbe seiner verstorbenen Tante Auguste Bansen (siehe zu der langwierigen Erbangelegenheit die vorangehende Korrespondenz Wedekinds mit seinem Schwager seit dem 6.1.1900). – die Sah Sache vorher noch zu begleichen. Ärgere dich nicht zu sehr darüber daß du mir so einen großen Gefallen thun konntest. Verzeih die Schrift und die Carte; ich bin mitten im UmzugWedekind zog aus dem Hotel Bamberger Hof in eine Wohnung in der Franz Josephstrasse 42, 2. Stock, wo er seit dem 22.3.1900 gemeldet war [vgl. EWK/PMB Wedekind]..

Herzliche Grüße
Dein Frank


Franz Josephstrasse 42 II. München Schwabing.

Frank Wedekind schrieb am 18. April 1900 in München folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther

soeben erhalte ich mit zwölftägiger Verspätung wegen mangelhafter Adressierung eine Mittheilung von Heiligernicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Hans Heiliger an Wedekind, 6.4.1900., dahingehend, Deine AngabeDie Korrespondenz zwischen Walther Oschwald, der für die Abwicklung der Erbschaftsangelegenheit Wedekinds autorisiert war, und der Anwaltskanzlei Heiliger in Hannover ist nicht überliefert. ich sei getauft wordenWedekind ist „ungetauft geblieben“ [Kreter 1995, S. 82]. habe sich als unrichtig erwiesen. Würdest Du nun mir bitte mittheilen was Du über diese Sache weißt | respective Mama ersuchen sie möchte mir schreiben wie es sich damit verhält, vor allem wann, wo und auf welchen Namen ich getauft sein soll.

Mit den herzlichsten Grüßen an Mama, Mieze und Dich
und den besten Wünschen
dein
Frank.


München
Franz-Josef-Straße. 42.II.

18. April 1900.

Walther Oschwald schrieb am 19. April 1900 in Dresden folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Walther Oschwald vom 20.4.1900 aus München:]


[…] ich danke Dir sehr für Deine Nachricht […]

Frank Wedekind schrieb am 20. April 1900 in München folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther,

ich danke Dir sehr für Deine Nachrichtnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 19.4.1900. und daß Du dich unserer Sachedie Erbschaftsangelegenheit (siehe die vorangehende Korrespondenz Wedekinds mit seinem Schwager seit dem 6.1.1900). so freundlich annimmst. Von einer Taufe kann allerdings auch meiner Ansicht nach nicht die Rede sein. Auf die Nachricht davon dachte ich im ersten Moment nur daran, Mama habe uns vielleicht heimlich taufen lassen. Ich habe nun in meinem ganzen Leben noch nie einen Geburtsschein besessen. | Dagegen weiß ich von Mama ganz genau, daß wir in den GeburtsregisternIm Geburts- und Taufbuch der Ägidienkirche in Hannover ist Wedekind ohne Vornamen registriert und der Eintrag vom 1.8.1865 mit der Bemerkung versehen: „Das Kind wird ungetauft die Eltern auf der Rückreise nach Californien begleiten.“ [In: Kreter 1995, S. 63] in Hannover aufgeführt sind. Sie hat sich davon überzeugt als sie vor etwa zehn Jahren einmal für Donald ein Papier in Hannover erwirkte.

Zwei Papiere, die ich von Lenzburg her besitze, die aber keinen Legitimationswerth als wie ein Geburtsschein haben, hatte ich Heiliger eingeschicktHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hans Heiliger, 5.4.1900., bekam sie aber von ihm wieder zurückgesandtHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Hans Heiliger an Wedekind, 6.4.1900..

Es wird nun nichts besseres zu thun sein als abzuwarten.

Mit herzlichem Gruß
Frank.


München. 20.IV.1900
Franz Josefstraße 42.II.

Frank Wedekind schrieb am 14. Mai 1900 in München folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther,

würdest Du die Liebenswürdigkeit haben, mir mitzutheilen ob Du irgend etwas Neues über die Feststellung meiner IdentitätEinen Identitätsnachweis Wedekinds benötigte der Nachlassverwalter von Wedekinds verstorbener Tante Auguste Bansen, der Rechtsanwalt Hans Heiliger in Hannover, um das Erbteil auszahlen zu können. weißt. Ich möchte mich dieser Angelegenheit wegen an Heiliger wenden, wäre aber gerne vorher darüber unterrichtet ob das nicht unnötig ist. Wenn Du nichts neues erfahren hast dann scheint mir die Zeit von vier WochenDas letzte Schreiben Heiligers hatte Wedekind vermutlich vor gut einem Monat erhalten [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 18.4.1900]., die er dazu braucht braucht über die Maßen lang. Was mich aber vor allem zu einer Anfrage veranlassen würde ist folgende | Erwägung:

Ich habe unter richterlicher Bestätigung meiner Unterschrift „Frank Wedekind“ mich verpflichtet, den Rechtsanwalt nach Auszahlung der Erbschaft gegen etwaige Ansprüche von TestamentserbenUm die Auszahlung des Erbes zu beschleunigen, gab Wedekind eine Garantieerklärung ab, gegebenenfalls später aufgrund eines Testaments der verstorbenen Tante auftauchenden Erbberechtigte zu entschädigen [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 28.5.1900]. schadlos zu halten. Da ich nun aber bis jetzt noch nicht die geringste Sicherheit habe, daß ich zu den legalen Erben gehöre, kann ich das Papier unmöglich länger in fremden Händen lassen, denn meine Unterschrift Frank Wedekind wird hier wie sonst im Leben unter allen Umständen ihre volle Gültigkeit behalten. Ich halte es daher für dringend | geboten, die betreffende Bescheinigung bis auf weiteres zurückzufordern. Wenn du nichts neues über die Angelegenheit wissen solltest, werde ich mich nächster Tage in diesem Sinne an Heiliger wenden.

Ich habe dir glaube ich noch nicht meinen Dank für die Absicht ausgesprochen, in der Erbschaftsangelegenheit nach Hannover zu reisenWalther Oschwald hat offenbar in einem nicht überlieferten Schreiben [vgl. Walther Oschwald an Wedekind, 19.4.1900] angekündigt, persönlich in Hannover vorstellig werden zu wollen..

Wenn ich das nötige Geld hätte thäte ich es selbst, dagegen will ich gern meinen Theil an Deinen Kosten tragen. Mama hat vor zehn 7 Jahren in Hannover während eines ganz kurzen Aufenthaltes die unsere standesamtlichen Anmeldungen ausfindig | zu machen gewußt. Deshalb war mir deine Annahme, wir seien getauftDies dürfte Walther Oschwald dem Rechtsanwalt Hans Heiliger in Hannover in einem nicht überlieferten Brief geschrieben haben, was Wedekind wiederum aus einem ebenfalls nicht überlieferten Schreiben Heiligers vom 6.4.1900 erfuhr, wie er seinem Schwager mitgeteilt hat [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 18.4.1900] Wie der Eintrag im Geburts- und Taufbuch der Ägidienkirche in Hannover belegt [vgl. Kreter 1995, S. 63], war Wedekind nicht getauft worden. auch nur so erklärlich, daß eine Taufe thatsächlich stattgefunden und uns Mama bis jetzt ein Geheimnis daraus gemacht habe, denn sie muß natürlich besser darüber bescheid wissen als wir. Auf Grund dieser Erwägung habe ich dann auch meinerseits Heiliger noch durch einen Brief irregeleitetnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hans Heiliger, 19.4.1900..

Also sei bitte so gut und schreibe mir nur ein Z/p/aar Zeilen, dann bin ich mit bestem Dank und den herzlichsten Grüßen dein
Frank


Franz Josephstrasse 42.II. 14. Mai 1900.

Walther Oschwald schrieb am 16. Mai 1900 in Dresden folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[1. Hinweis in Wedekinds Brief an Walther Oschwald vom 18.5.1900 aus München:]


Was unsere standesamtliche Anmeldung in Hannover betrifft […] Alles was dir Mama über die Hebammengeschichte erzählt […]


[2. Hinweis in Frank Wedekinds Brief an Emilie Wedekind vom 24.12.1900 aus München:]


[…] Walther der mir ein Ammenmärchen von einer Hebamme auftischte.

Frank Wedekind schrieb am 18. Mai 1900 in München folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther,

ich habe nach Aarau geschriebennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an die Stadtverwaltung Aarau, 17.5.1900. und hoffe das PapierWedekind benötigte Papiere, die ihn vor dem Nachlassverwalter seiner am 15.12.1899 in Hannover verstorbenen Tante Auguste Bansen, dem Rechtsanwalt Hans Heiliger, als Erben legitimieren konnten. nächster Tage zu erhalten. Was unsere standesamtliche AnmeldungDie Einführung des staatlichen standesamtlichen Meldewesens erfolgte in Hannover erst ab dem 1.10.1874. in Hannover betrifft, so hat Papa dieselbe selbst, in eigner Person und vollkommen ordnungsgemäß vollzogen. Heiliger würde sie auch schon seit 6 Wochen aufgefunden haben wenn deine Nachricht von unserer Taufevgl. Wedekind an Walther Oschwald, 18.4.1900. nicht dazwischen gekommen wäre. Daß die Anmeldungen unsre Namen nicht enthalten wissen wir Alle seitdem wir auf der Welt sind. Erstens hat uns Papa das so und so oft gesagt, | zweitens ist es nicht anders möglich, da ich m/z/. B. meinen Namen erst mit dem sechsten Jahrwahrscheinlich mit der Einschulung im Auhagen’sche Institut in der Hildesheimerstraße 58 in Hannover [vgl. Niemann/Weber 1995, S. 49 u. 164], spätestens mit dem Umzug von Hannover nach Lenzburg im September 1872. erhalten habe, ebenso Armin und Willy und drittens ist ordnungsgemäß bei der standesamtlichen Anmeldung keine Angabe des Taufnamens erforderlich und darf nicht gefordert werden in einem Christlichen Staat, da der Taufe dadurch ihre Bedeutung entzogen würde.

Alles was dir Mama über die Hebammengeschichtedie Anmeldung der Kinder durch die Hebamme statt den Vater. Später geht Wedekind von der Richtigkeit dieser Geschichte aus, als er in Hannover eine Geburtsbescheinigung für seine Eheschließung anforderte [vgl. Wedekind an das Pfarramt der Aegidienkirche, 1.3.1906]. erzähltEmilie Wedekind war seit der Geburt ihrer Enkeltochter Eva Oschwald im August 1899 zu Besuch bei ihrer Tochter Erika und ihrem Schwager Walther Oschwald in Dresden und konnte daher von diesem hinsichtlich des zu klärenden Identitätsnachweises für Frank Wedekind befragt werden. Oschwald berichtete davon offenbar in seinem letzten Brief an Wedekind, der nicht überliefert ist; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 17.5.1900. , ist abgesehen davon, daß es unmöglich ist, der baare Unsinn. Wenn aber diese Geschichten nach Hannover colportirt werden können sie unsere ordnungsgemäßen standesamtlichen Anmeldungen nur discreditiren, sowie uns deine unrichtige Angabe über unsere Taufe discreditiren mußte. Glaube bitte nicht daß ich dir irgend einen Vorwurf machen | möchte, dagegen wird es angezeigt sein, Mamas Aussagen vorderhand nicht mehr zu berücksichtigen. Sie weiß alle diese Dinge ebenso gut und genau wie ich. Sie hat aber offenbar irgend welches Interesse die Sachlage zu verwirren. Wie kann sonst gerade von Deiner Seite die vollständig aus der Luft gegriffene Angabe über unsere Taufe kommen, dazu mit Details wie GartenkircheIm Unterschied zu Frank Wedekind war seine Schwester Erika getauft worden. Die Taufe erfolgte am 23.10.1869 in der Gartenkirche in Hannover mit den Taufzeuginnen Friedrike Kettler, Auguste Bansen und Anna Wallmann, wie das Geburts- und Taufbuch der Kirche verzeichnet [vgl. Kreter 1995, S. 78]. Dieser Umstand war Wedekind offenbar unbekannt. versehen, die mich sogar für einen Moment stutzig machen mußten und die Abwicklung um mindestens 4 Wochen verzögerten.

Ich bin eben im Begriff auf zwei Tage nach Oberammergaumöglicherweise zur Eröffnung der Passionsfestspiele am 20.5.1900, die an diesem Sonntag von 15 bis 17 Uhr ihre erste Vorstellung hatten [vgl. Dillinger’s Reise- und Fremdenzeitung, Jg. 15, Nr. 15, 20.5.1900, S. 8]. zu fahren. Wenn es mir nach meiner Rückkehr möglich ist komme ich auf einen Tag nach Dresden, um die Angelegenheit zu besprechen. Auf alle Fälle bitte ich dich, Mamas Aussagen im höchsten | Grade zu mißtrauen, denn solche Behauptungen wie die, daß unsere standesamtlichen Anmeldungen nicht von Papa ausgegangen sonderSchreibversehen, statt: sondern. gegen seinen Willen durch die Hebamme vollzogen worden sein können uns, abgesehen davon daß sie unwahr und unsinnig sind, den größten Schaden zufügen.

Ich habe gar nichts dagegen und bitte dich sogar darum, daß du Mieze diese Zeilen zeigst. Was dir dann unverständlich ist, wird sie dir vielleicht erklären können.

Indessen mit herzlichem Gruß
Dein
Frank.


München 18. Mai 1900

Franz Josephstraße 42.II.

Frank Wedekind schrieb am 21. Mai 1900 in München folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther!

mit gleicher Post übersende ich dirdie parallel übersandten Unterlagen und die sie vermutlich begleitenden Zeilen sind nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Walther Oschwald, 21.5.1900. den ScheinDer Meldeschein und das Begleitschreiben aus Aarau sind nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Stadtverwaltung Aarau an Wedekind, 19.5.1900. Wedekind hatte in Aarau einen Meldeschein als Identitätsnachweis angefordert [vgl. Wedekind an die Stadtverwaltung Aarau, 17.5.1900; vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 18.5.1900], damit er sich gegenüber dem Rechtsanwalt Hans Heiliger in Hannover legitimieren konnte, der den Nachlass von Wedekinds verstorbener Tante Auguste Bansen verwaltete. Wedekind erhoffte sich eine größere Summe aus dem Erbe. Ein vergleichbares Dokument hatte ihm am 22.4.1884 der Gemeinderat von Lenzburg ausgestellt und darin Wedekinds amerikanische Staatsbürgerschaft bescheinigt [vgl. Aa, B, Nr. 170]. den ich von Aarau erhalten und die beiden Papiere, die ich vor sechs Wochen an Heiliger schicktevgl. Wedekind an Hans Heiliger, 5.4.1900. und umgehend als unnötig zurückeh/r/hieltvgl. Hans Heiliger an Wedekind, 6.4.1900. da Du ihm mitgetheilt habest, wir seien getauft. Ich hatte ihm damals Willys, Donalds und meine Geburtsdaten mitgetheilt und ihn gebeten, mir auf die Papiere hin einen Geburtsschein in Hannover zu erwirken.

Es wäre mir wirklich sehr an|genehm wenn die Auszahlung bald stattfinden könnte. Ich lebe in einer völlig leeren WohnungWedekind war aus dem Hotel Bamberger Hof in München zwei Monate zuvor in eine Wohnung in der Franz Josephstraße 42, 2. Stock, umgezogen, wo er seit dem 21.3.1900 gemeldet war [vgl. EWK/PMB Wedekind].. Mein StückWedekind arbeitete noch am „Marquis von Keith“, als schon mehrere Akte des Dramas im April und Mai 1900 in der Zeitschrift „Die Insel“ (unter dem Titel „Münchner Scenen. Nach dem Leben aufgezeichnet“) erschienen waren; der letzte Teil seines Stücks erschien im Juni-Heft der „Insel“ [vgl. KSA 4, S. 413]. habe ich fertig und würde jetzt gerne dramatischen Unterricht nehmenDen Plan, Schauspielunterricht zu nehmen, um vermehrt Rollen in seinen eigenen Stücken zu spielen, fasste Wedekind während seiner Inhaftierung wegen Majestätsbeleidigung auf der Festung Königstein [vgl. Wedekind an Carl Heine, 26.8.1899]. Als Lehrer wählte er den Münchner Hofschauspieler Fritz Basil, mit dem er offenbar bereits Verabredungen getroffen hatte [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 7.5.1900]. Wann er mit dem Unterricht bei Basil begann, ist unklar, belegt sind mehrere Stunden seit April 1904 [vgl. Wedekind an Fritz Basil, 30.5.1904].. Heiliger ist ein Advokat wie alle andern der natürlich die Angelegenheit möglichst in die Länge zu ziehen sucht. Er wird es nicht übel nehmen wenn man ihn etwas anspornt. Nachdem wir uns gründlich dadurch blamiert haben, daß die eigene Mutter nicht zu wissen scheint ob ihre Kinder getauft sindEintragungen ohne Namen in den Kirchenbüchern und nichtvollzogene Taufen erschwerten den Neffen und Nichten gegenüber dem Nachlassverwalter Hans Heiliger den Nachweis, erbberechtigt zu sein. Dies zog die Auszahlung des Erbes in die Länge. Im Gegensatz zu Frank Wedekind war seine Schwester Erika, die Ehefrau Walther Oschwalds, allerdings getauft worden. Die Taufe erfolgte am 23.10.1869 in der Gartenkirche in Hannover mit den Taufzeuginnen Friedrike Kettler, Auguste Bansen und Anna Wallmann, wie das Geburts- und Taufbuch der Kirche verzeichnet [vgl. Kreter 1995, S. 78]. Dies war Wedekind offenbar unbekannt. oder nicht wird das freilich etwas weniger leicht sein. Er braucht jetzt nur noch von der HebammengeschichteDas Gerücht, eine Hebamme und nicht der Vater habe die Kinder angemeldet [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 18.5.1900], gefährdete nach Ansicht Wedekinds die Legitimierung der Erben. zu erfahren um weiter keine Rücksichten mehr nehmen zu müssen. Ich würde daran zweifeln, ob Mama noch bei Verstand ist, wenn ich derartigen Intriguen ihrerseits nicht schon die fürchterlichsten Ereignisse | meines Lebens zu danken hätte. Nach Dresden kann ich jetzt nicht reisenIn seinem letzten Brief hatte Wedekind eine Reise nach Dresden angekündigt, um die Erbschaftsangelegenheit persönlich zu besprechen [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 18.5.1900].. Das ist eben der wirthschaftliche Nachtheil eines Menschen der von der Hand in den Mund lebt. Das wird sich alles ändern auch ohne die Erbschaft, ich brauche es mir nicht zur Schande anzurechnen dasSchreibversehen, statt: dass. meine Bücher erst zehn Jahre nach ihrem ErscheinenWedekind bezieht sich hier vermutlich auf eine Anfrage zu biographischem Material für einen Artikel [vgl. Ferdinand Hardekopf an Wedekind, 17.12.1899], die sich explizit auf ältere Werke wie „Frühlings Erwachen“ (1891), „Erdgeist“ (1895) und „Die Fürstin Russalka“ (1897) bezog und sie „als allerfeinste litterarische Delikatessen“ lobte. ihrem Werth entsprechend gewürdigt werden, aber etwas Bewegungsfreiheit in diesem Augenblick wäre mir so unaussprechlich und so unberechenbar förderlich, daß mir die Scherze, die sich Mama in der Angelegenheit erlaubt in einem geradezu heillosen Lichte erscheinen. Ich würde sie auch trotz allem kaum für möglich halten, wenn sie nicht beim Tode ihrer SchwiegermutterFriederike Dorothee Wedekind starb am 5.4.1870., und zwar gerade gegenüber der „lieben guten Tante Auguste“ wie sie sie jetzt nennt gleichfalls die Rolle des | bösen Dämon gespielt und Papa für den ganzen Rest seines Lebens mit seiner Schwester entzweit hätte.

Es thut mir leid, daß ich dich mit solchen Unerquicklichkeiten nicht verschonen kann. Ich bitte dich, nicht etwa irgendwelche Animosität dir gegenüber dahinter zu wittern. Aus meinen Zeilen spricht nur der Ernst den für mich d mein künstlerisches und wirthschaftliches Emporkommen hat. Ich bitte dich auch, mir nicht etwa eine weitläufige Rechtfertigung Mama’s zu schreiben. Schreibst du mir, daß ich im Unrecht bin, dann glaube ich es Dir auch ohne Beweise.

Mit herzlichen Gruß dein
Frank.


21.V.1900
Franz Josefstraße 42.II.

Frank Wedekind schrieb am 21. Mai 1900 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Walther Oschwald , Walther Oschwald , Walther Oschwald , Minna von Greyerz , Minna von Greyerz , Minna von Greyerz , Minna von Greyerz , Minna von Greyerz , Minna von Greyerz , Minna von Greyerz , Minna von Greyerz , Minna von Greyerz , Minna von Greyerz , Walther Oschwald , Walther Oschwald , Walther Oschwald , Walther Oschwald , Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Walther Oschwald vom 21.5.1900 aus München:]


[…] mit gleicher Post übersende ich dir den Schein [...] und die beiden Papiere [...]

Walther Oschwald schrieb am 22. Mai 1900 in Dresden folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Walther Oschwald vom 23.5.1900 aus München:]


[…] ich danke dir für deine Aufklärung. Du nennst es frivol […]

Frank Wedekind schrieb am 23. Mai 1900 in München folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther,

ich danke dir für deine AufklärungHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben Walther Oschwalds; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 22.5.1900.. Du nennst es v/f/rivol, daß ich dir nicht vorher über die Angelegenheitendie Frage, ob Wedekind und seine Geschwister getauft seien [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 18.5.1900] und so ihre Identität in einer aktuellen Erbschaftsangelegenheit gegenüber dem Nachlassverwalter, dem Rechtsanwalt Hans Heiliger in Hannover, nachweisen können (siehe die vorangehende Korrespondenz Wedekinds mit seinem Schwager seit dem 6.1.1900). geschrieben; aber wie sollte ich dazu kommen, da ich mir denken muß daß du alles das am allerbesten von Mama selbstEmilie Wedekind hielt sich seit der Geburt ihrer Enkelin Eva Oschwald bei ihrer Tochter Erika und ihrem Schwiegersohn Walther Oschwald in Dresden auf. erfährst. Dann bitte ich dich zu bedenken, daß mir Heiliger nichts von einem Taufregister schriebnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Hans Heiliger an Wedekind, 6.4.1900. sondern mir die blanke Mittheilung machte, daß | er durch Dich wisse wir seien in der Gartenkirche getauftIm Unterschied zu Frank Wedekind war seine Schwester Erika getauft worden. Die Taufe erfolgte am 23.10.1869 in der Gartenkirche in Hannover mit den Taufzeuginnen Friedrike Kettler, Auguste Bansen und Anna Wallmann, wie das Geburts- und Taufbuch der Kirche verzeichnet [vgl. Kreter 1995, S. 78]. Dieser Umstand war Wedekind offenbar unbekannt. worden. Übrigens hätte auch dieses Mißverständnis keinerlei Verdacht in mir aufkommen lassen, wäre nicht noch die kindische Hebammengeschichtevgl. Wedekind an Walther Oschwald, 18.5.1900. dazu gekommen. Am besten ist es natürlich wenn Mama nichts davon erfahren hat. Dir gegenüber, aber nur dir gegenüber, muß ich zu meiner Entschuldigung anführen, daß gebrannte Kinder das Feuer scheuen. Sollte Mama von dem Inhalt unserer Corresponz/d/enz Kenntnis erhalten haben, | dann werde ich die Sache nach Kräften wieder gut zu machen suchen.

Sage Mieze bitte meine herzlichsten Gratulationen zu ihren großen Erfolgen in WiesbadenErika Wedekind war als Sopranistin bei den Wiesbadener Maifestspielen in Daniel-François-Esprit Aubers „Fra Diavolo“ aufgetreten: „Eine reiche Ernte begeisterten Beifalls heimste Frau Erika Wedekind ein, die uns als Zerline mit dem Perlenregen ihrer leichtflüssigen Coloratur freigebigst überschüttete. Mit geschmackvoller Decenz führte sie uns die pikante Auskleidescene vor Augen und war ganz das liebenswürdige, heiter lebendige Persönchen, das dem Componisten vorgeschwebt, wenn die Erscheinung auch nicht völlig dem Bilde entsprach, das wir uns von Zerline zu machen pflegen.“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 94, Nr. 261, 24.5.1900, 3. Beilage, S. 4299] Außerdem wurde sie „vom Kaiser durch die persönliche Ueberreichung eines Armbandes ausgezeichnet“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 121, Nr. 147, 28.5.1900, Erstes Abendblatt, S. 2]..

Mit herzlichem Gruß Dein
Frank.

Walther Oschwald schrieb am 24. Mai 1900 in Dresden folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis von Walther Oschwald auf Wedekinds Brief an Walther Oschwald vom 23.5.1900 aus München:]


beantw. 24.V.00.

Walther Oschwald schrieb am 28. Mai 1900 in Dresden
an Frank Wedekind

[Hinweis und Zitat in Wedekinds Brief an Walther Oschwald vom 29.5.1900 aus München:]


[…] du schreibst mir „dagegen habe ich die Wahrnehmung gemacht daß du von solchen Sachen wirklich erstaunlich wenig verstehst.“ […] Du schreibst mir: „Weder ich noch sie (Mama) können dafür wenn Heiliger meine Briefe nicht liest“ […]

Frank Wedekind schrieb am 28. Mai 1900 in München folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther,

ich habe Heiliger eben ein Ultimatum gestelltnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hans Heiliger, 28.5.1900. Zu der sich in die Länge ziehenden Erbschaftsangelegenheit siehe die vorangehende Korrespondenz Wedekinds mit seinem Schwager seit dem 6.1.1900.. Wenn er mir darauf keine bündige Antwort giebt, dann ziehe ich die GarantieWedekind verpflichtete sich, eventuelle Ansprüche von Testamentserben zu übernehmen, um so die Auszahlung des Erbes zu beschleunigen [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 14.5.1900]., die ich ich ihm ausgestellt habe zurück und lasse den Dingen ihren legalen Verlauf. Du wirst wol auch kaum mehr darüber im Zweifel sein, daß wir von dem Menschen in der unverschämtesten Weise an der Nase herumgeführt werden. Er verspricht, die | Erbschaft gleich auszuzahlen statt, l/w/ie legal, erst in 9 Monatenals Wartefrist vermutlich abgeleitet aus § 1923 des Bürgerlichen Gesetzbuches, der regelt, wer erbberechtigt ist: „Erbe kann nur werden, wer zur Zeit des Erbfalls lebt. Wer zur Zeit des Erbfalls noch nicht lebte, aber bereits erzeugt war, gilt als vor dem Erbfalle geboren.“ [Das Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Systematisch dargestellt und durch Formulare erläutert von Jacob Boehm. Hannover 1896, S. 302] und weiß die Erledigung dann bis jetzt auf 6 Monate hinauszuziehen. Vielleicht siehst Du jetzt auch ein, daß er dabei nach Kräften für seine eigene TascheDas Bürgerliche Gesetzbuch sieht in § 2221 vor: „Der Testamentsvollstrecker kann für die Führung seines Amtes eine angemessene Vergütung verlangen“ [Das Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Systematisch dargestellt und durch Formulare erläutert von Jacob Boehm. Hannover 1896, S. 365]. arbeitet. Es wird mich nicht wundern wenn er uns morgen mittheilt, daß in Hannover wieder ein neuer Erbschaftsrichter eingesetzt worden ist der noch ganz andere Garantien verlangt. Oder glaubst Du vielleicht noch an den von ihm vorgeschützten | Erbschaftsrichterwechsel?!

Ich habe dieses Menschen mörderische Frühjahr in einer nassen unmöblierten Wohnung zugebracht und stehe vor der Alternative, die Pläne, die ich gefaßt, mit großen Verlusten aufzugeben oder bestimmt zu wissen, womit ich rechnen kann. Ich werde von heute ab diese Gewißheit mit allen Mitteln zu erzwingen suchen. Wenn die ganze Erbschaft darüber zum Teufel geht, wird mir dabei ein Stein vom Herzen fallen. Du sagtest mir in DresdenNach Verbüßung seiner Haftstrafe wegen Majestätsbeleidigung auf der Festung Königstein verbrachte Wedekind vom 3. bis 8.2.1900 einige Tage bei seiner Schwester Erika und seinem Schwager Walther Oschwald in Dresden, bevor er nach Leipzig reiste. selber, für die Vollendung der/s/ Er/S/tückesWedekind setzte in München die während der Haftzeit begonnene Überarbeitung des „Marquis von Keith“ fort [vgl. KSA 4, S. 413 und 416-419], auch als schon Teile davon publiziert wurden. das ich in Arbeit habe werde mir die bevorstehende pekuniäre Freiheit | eine große Erleichterung sein. Dafür brauche ich sie jetzt nicht mehr. Ich möchte mich aber für die Ausführung meiner weiteren Pläne von dieser Aussicht nicht länger zum Narren halten lassen. W/S/eit vierzehn Tagen, seit ich mit dem Stück zu Ende bin, ist für mich jeder Tag ein verlorner Tag. Du fragst warum ich Dir das alles schreibe? Weil du durch einen energischen Federstrich in deiner Qualität als kgl. Finanzassessor und Vertreter der Interessen deiner Frau die Auskunft erlangen kannst, die mir so unendlich werthvoll ist. Wenn du Heiliger unter irgend einem Vorwand, | (Reise nach Hannover oder Reise in die Schweiz) anfragst, wann die Erledigung stattfinden wird, dann muß er Dir und wird er Dir auf das genauste und liebenswürdigste darauf antworten, während er meine Anfragen als die eines Mannes der nicht über Kah/p/italien zu verfügen hat, nur zu weiteren Schleichwegen ausbeutet.

Ich werde dir dankbar sein, wenn du diesen Schritt thust. Von mir oder sonst einem anderen Interessenten dürfte natürlich nicht dabei die Rede sein. Im übrigen kann ich Dir versichern, daß ich den Humor | in dieser Angelegenheit verloren habe und daß mir die unangenehmste Gewißheit willkommener sein wird als die Aussicht, mich noch länger an der Nase herum führen lassen zu müssen.

Mit herzlichem Gruß
Dein Frank.


München 28. Mai 1900.
Franz Josefstraße 42.II.

Frank Wedekind schrieb am 29. Mai 1900 in München folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther,

du schreibst mirnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 28.5.1900. „dagegen habe ich die Wahrnehmung gemacht daß du von solchen Sachenzu der sich in die Länge ziehenden Erbschaftsangelegenheit siehe die vorangehende Korrespondenz Wedekinds mit seinem Schwager Walther Oschwald seit dem 6.1.1900. wirklich erstaunlich wenig verstehst.“ – Darin magst du recht haben obschon ich mit dem besten Willen nicht finden kann daß dein Verständnis dieser Sachen zur Beschleunigung der Geschäfte wesentlich beigetragen habe. Hätte ich vor zwei Monaten in meiner Verständnislosigkeit nicht endlich Lärm geschlagenHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben Wedekinds an den Nachlassverwalter Hans Heiliger; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hans Heiliger, 5.4.1900., dann wäre Heiliger wahrscheinlich noch bis heute durch „Überbürdung | mit Arbeiten“ daran gehindert gewesen, sich mit unserer Angelegenheit zu befassen.

Ich schicke dir anliegend die beiden Mittheilungen Heiligersnicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Hans Heiliger an Wedekind, 6.4.1900 und 15.5.1900. Von der irrtümlichen Behauptung Walther Oschwalds, Wedekind sei getauft, hat Wedekind aus einem nicht überlieferten Schreiben Hans Heiligers vom 6.4.1900 erfahren, das am 18.4.1900 verspätet bei ihm eintraf und das er vermutlich sofort beantwortete [vgl. Wedekind an Hans Heiliger, 19.4.1900]. Vier Wochen später hat er darauf anscheinend noch keine Antwort erhalten [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 14.5.1900], die aber am 15.5.1900 geschrieben und kurz darauf eingetroffen sein dürfte sowie wahrscheinlich Wedekinds Kontaktaufnahme mit der Stadtverwaltung in Aarau (nicht überliefert) veranlasste [vgl. Wedekind an die Stadtverwaltung Aarau, 17.5.1900]. in der Taufangelegenheit. Aus diesen Mittheilungen ergiebt sich: Entweder hat Mama die Unwahrheit gesagt, oder Du hast die Unwahrheit gesagt oder Heiliger hat hat gelogen. Die ersten beiden Fälle sind ausgeschlossen und der dritte hat ist Ursache daß die Abwicklung um 6 Wochen verzögert wurde.

Du schreibst mir: „Weder ich noch sie (Mama) können dafür wenn Heiliger meine Briefe nicht liest“ – | Ja, zum Hencker noch mal! So viel verstehe ich denn doch von solchen Sah/c/hen, daß es Heiligers verdammte Pflicht und Schuldigkeit ist, deine Briefe zu lesen, da er sich von unserem Gelde für seine Thätigkeit bezahlt macht! Soviel verstehe ich doch von solchen Sachen daß es ein Nicht-Lesen von Briefen im Geschäftsverkehr nicht giebt! Daß Du die Pflicht und Schuldigkeit hast, sobald ein Brief von dir nicht gelesen wird, sofort ganz andere Saiten aufzuziehen. Ich mag ein völliger Ignorant in Geschäftsangelegenheiten sein, aber das ist mir doch noch nicht passiert, daß ein Brief von mir nicht gelesen worden ist! |

Ich werde keine Bitte mehr an Dich richten. Ich werde die Angelegenheit meiner Verständnislosigkeit entsprechend von heute ab zum Biegen oder Brechen bringen. Vielleicht verstehe ich mich in dieser Verständnislosigkeit auf den Typus „Heiliger“ aber doch etwas besser als Du, indem ich Heiliger für nicht um ein Haar schlechter und durchtriebener halte als jeden anderen Geschäftsmann sondern sein Verhalten durchaus normal und zweckentsprechend finde.

Was das „Histörchenvermutlich eine Publikation Donald Wedekinds in einer Schweizer Zeitung; nicht ermittelt.“ betrifft, so finde ich es wie Du gemein von Donald so etwas aus Rache in die Welt zu setzen. Aber laß Dir den Witz selber doch nicht zu sehr zu Herzen | gehen. Er ist so schrecklich billig und liegt so furchtbar nah. Hätte ihn Donald nicht gef/r/issen, dann hätten sich hundert Andere dafür gefunden. Hoffentlich gelangt er nicht in die Deutsche Presse. Aber wenn auch, was wird nicht alles in der Öffentlichkeit gedruckt! Es vergehen keine vierzehn Tage ohne daß nicht in irgend einer Zeitschrift schwarz auf weiß gedruckt oder angedeutet steht, ich sei Päderastzeitgenössisch nicht nur für Knabenschänder, sondern auch für Homosexueller [vgl. Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 300]. Ein Beispiel für Wedekinds Beobachtung findet sich in Oscar Panizzas Zeitschrift „Zürcher Diskuszionen“: „Der Schluß: du bist ein Päderast, ergo sind deine Verse schlecht! fält heute platt zu Boden. Wir brauchen heute nur Namen wie Oskar Wilde, Paul Verlaine, Frank Wedekind, Max Dauthendey, George Rodenbach, die alle teils rein homosexuale Tipen, teils sujets mixtes, darstellen, zu nennen“ [Zürcher Diskuszionen, Jg. 2, Nr. 16-17, 1899, S. 1]. oder noch was schlimmres. Wenn ich mich um derartige Insinuationen kümmern wollte, hätte ich viel zu thun. Ich habe von jeher dem Prinzip gehuldigt, alles Gemeine und Niederträchtige, was die Zeitungen über | mich schreiben, zu ignoriren und nur zu bemerken, was sie Gutes und Schönes über mich zu sagen haben. Dieses Prinzip möchte ich Dir auch anempfehlen.

Mit herzlichem Gruß
Dein
Frank.


München 29. Mai 1900.
Franz Josefstraße 42.II.

Walther Oschwald schrieb am 30. Mai 1900 in Dresden folgenden Brief
an Frank Wedekind

Einschreiben.

Dresden, 30. Mai 00.


Lieber Frank!

Deinem Wunsche gemäßEine Rücknahme der Vertretungsvollmacht Walther Oschwalds gegenüber dem Nachlassverwalter des Erbes seiner verstorbenen Tante Auguste Bansen in Hannover, dem Rechtsanwalt Hans Heiliger, hatte Wedekind nicht explizit gefordert [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 29.5.1900] (zu der Erbschaftsangelegenheit siehe die Korrespondenz Wedekinds mit seinem Schwager seit dem 6.1.1900). habe ich heute Herrn Heiliger gegenüberDer Brief Walther Oschwalds an Hans Heiliger ist als Entwurf überliefert und folgt auf demselben Doppelblatt unmittelbar auf den Entwurf des vorliegenden Briefs. Er lautet: „Herrn Rechtsanwalt / Hans Heiliger II / Hannover. / Sehr geehrter Herr! / Da Herr Franklin Wedekind in München die Vertretung seiner Interessen in der Erbschaftsangelegenheit Wedekind in Hannover nunmehr selbst besorgen will, sehe ich mich andurch veranlaßt, die von Franklin Wedekind auf mich ausgestellte Vollmacht ausdrücklich zu widerrufen. / Ich ersuche Sie daher ergebenst, die Ihnen s. Zt. übermittelte Vollmacht des Herrn Franklin Wedekind diesem oder mir zurückzusenden. / Mit vollkommener Hochachtung / W.O.“ Der Brief wurde gleichzeitig mit dem Brief an Wedekind aufgegeben, wie der überlieferte Posteinlieferungsschein belegt. Deine/die/ mir ertheilte Vollmacht gekündigt und widerrufe S/s/ie ammitSchreibversehen, statt: anmit; (schweiz.) hiermit. auch Dir gegenüber.

Als ich Dir meine Vertretung anbot, dachte ich Dir dadurch einen Gefallen zu erweisen. Ich habe auch alles nach | bestem Wissen und Gewissen gethan, was zu thun war.

Obschon Du diese Thätigkeit nicht kennst, verurtheilst Du S/s/ie, und legst indem Du Dir ohne genaue Kenntniß di/aller/ Thatsachen die Angelegenheit nach Ideen und falschen Vorstellungen zurechtlegst.

Es ist das die Art aller Quärulanten, die sich für überall angeblich Ver Feinde, Verfolgten/ung/, und Kränkung in ihrem Rechte Verkürzten/ung/ halten/sehen. Ich habe in meiner 11jährigen amtlichen | Thätigkeit wiederholt solche Menschen kennen gelernt; gewöhnlich rekrutirten S/s/ie sich aber aus den ungebildeten Kreisen.

Ich möchte nur noch kurz folgendes feststellen:

1.) Wenn ich sagtein einem nicht überlieferten Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 28.5.1900., Heiliger habe meinen BriefDas Schreiben Walther Oschwalds an Hans Heiliger ist nicht überliefert. nicht gelesen, so meinte ich natürlich: nicht richtig gelesen oder verstanden. EsEbenso ist es auch ohne weiteres klar, dass ich ihn sofort über das Mißverständnißdass Frank Wedekind getauft sei [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 18.4.1900 und die folgende Korrespondenz mit seinem Schwager]. das auch den Mittheilungen an Dichin früheren Briefen Walther Oschwalds an Wedekind, die, außer dem vorliegenden Entwurf, nicht überliefert sind. zu Grunde lag, aufklärte, dasversehentlich gestrichen. übrigens ganz bedeutungslos ist, aufklärte. |

2.) Die SchadloshaltungserklärungUm die Auszahlung des Erbes zu beschleunigen, hatte sich Wedekind verpflichtet, für Ansprüche eventuell auftauchender Erbberechtigter aufgrund eines möglichen Testaments zu haften [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 14.5.1900]., die du Heiliger ausgestellt hast, ist jetzt bedeutungslos geworden, da inzwischen gerichtlich durch Zeugen festgestellt wordenfehlende Korrektur, statt: werden. istkonnte, dass Tante Auguste ihr Testament vernichtet hat. Die Rückforderung der Erklärung wird also den anderen Erben die Sache nicht verderben.keinen Einfluß auf die Sache haben.

3.) Ich halte die Angelegenheit nun dem Abschluß nahefür soweit gediehen, daß die Erledigung Entscheidung nahe bevorsteht. Wenn Du Dir einbildest, Du habest sie gefördert, so entspricht das den Thatsachen nicht. |

4.) Ich habe keine Veranlassung oder Absicht, Herrn Heiliger gegen deine VerdächtigungenWedekind vermutete, Hans Heiliger zöge das Verfahren absichtlich in die Länge, um mehr Honorar abrechnen zu können [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 28.5.1900 und 29.5.1900]. in Schutz zu nehmen. Sein Verhalten ist vielleicht durch Verhältnisse bestimmt, die wir nicht kennenEr hat sich nach dem Gesetze und nach den Auflagen des Gerichts zu richten; irgend etwas unredliches habe ich bis jetzt nicht zu entdecken vermocht. Nicht ich, sondern das Gericht, hat ihn übrigens zum Liquidatorhier Bezeichnung für die mit der Abwicklung eines Erbfalls vom Nachlassgericht beauftragte Person. bestellt.

5.) Trotzdem ich nicht gerne von mir spreche, möchte ich doch | die Bemerkung mir erlauben, daß man mich nicht wegen meiner Dummheit in die verschiedenen Stellungen berufen hat, die ich bis jetzt bekleidete, und daß ich denn doch schon ganz andere Sachen zu besorgen hatte, als diese Erbschaftsangelegenheit.

W.O.


2 Schreiben von Heiliger zurückWedekind hatte seinem letzten Brief zwei Korrespondenzstücke Hans Heiligers beigelegt [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 29.5.1900]. Die Korrespondenz zwischen Frank Wedekind und Hans Heiliger ist nicht überliefert.!

Walther Oschwald schrieb am 2. Juni 1900 in Dresden folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Walther Oschwald vom 3.6.1900 aus München:]


[…] herzlichen Dank für Deine freundliche Benachrichtigung.

Frank Wedekind schrieb am 3. Juni 1900 in München folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther

herzlichen Dank für Deine freundliche Benachrichtigungnicht überliefert, erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 2.6.1900.. Inliegende Mittheilungnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Hans Heiliger an Wedekind, 1.6.1900. erhielt ich gestern von Heiliger. Ich hatte ihn ohne Andeutung eines Vorwurfes oder einer Mahnung in höflichster Weise angefragtHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hans Heiliger, 28.5.1900., welche Gründe respective Thatsachen die Behörde noch daran hinderten, die Erledigungdie Auszahlung von Wedekinds Erbteil aus dem Nachlass seiner verstorbenen Tante Auguste Bansen. Zu der sich in die Länge ziehenden Erbschaftsangelegenheit siehe die vorangehende Korrespondenz Wedekinds mit seinem Schwager Walther Oschwald seit dem 6.1.1900. vorzunehmen. Die Antwort wie du siehst ist pythischorakelhaft, dunkel.. Wenn ich heute die Gewißheit erhielte, daß aus der ganzen Sache nichts wird, dann würde ich meine WohnungWedekind war Ende März aus dem Hotel Bamberger Hof in eine Wohnung in der Franz Josephstraße 42, 2. Stock, gezogen [vgl. EWK/PMB Wedekind], die er aber mangels Geld nicht einrichten konnte. so rasch als möglich wieder zu vermiethen suchen. Dasselbe thäte ich wenn sich die Angelegenheit noch 2 oder 3 Monate hinausziehen könnte. In beiden Fällen | hätte ich allerdings die halbe Jahresmiethe eventuell für nichts und wieder nichts zu bezahlen. Wenn ich die Gewißheit hätte, daß die Geschichte in 4 Wochen erledigt wäre, dann würde ich ein möbliertes Zimmer miethen in dem ich wenigstens regelmäßig arbeiten und jemand empfangen könnte. Hätte ich die Gewißheit, daß sie in 14 Tagen erledigt wäre, dann ginge ich für diese vierzehn Tage aufs Land, nach Tutzing am Starnberger See oder sonst wohin. Aber die Aussicht, nach diesem entsetzlichen Frühjahr nun die schönsten Monate des Jahres ohne den aller primitivsten ConfortSchreibversehen, statt: Comfort. in Unthätigkeit und Ungewißheit hinbringen zu müssen ist die allertrostloseste. Ich komme mir in meiner Lage vor wie jemand | der von München nach Berlin reisen möchte und zwar in Geschäften und nun 6 Monate lang auf dem Bahnhof warten muß, da der Zug, den das Kursbuch ankündigt jede Minute kommen kann.

Du warst so freundlich in Hannover beim Gericht anzufragenDie Korrespondenz Walther Oschwalds mit dem für die Erbschaftsangelegenheit zuständigen Amtsgericht in Hannover ist nicht überliefert. . Du kannst das thatsächlich ja auch leichter als ich es thun könnte, da Deine Ansprüche völlig unangefochten feststehen und jedenfalls nicht an der Verzögerung schuld sein können. Ich danke dir bestens dafür.

Den „Quärulanten“ aus Deinem vorigen Briefvgl. Walther Oschwald an Wedekind, 30.5.1900. stecke ich ohne Murren ein und grüße dich herzlich.

Dein
Frank.


3. Juni 1900.

Frank Wedekind schrieb am 9. Juni 1900 in München folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther

seit ich Dir schriebvgl. Wedekind an Walther Oschwald, 3.6.1900. sind wieder acht Tage verflossen ohne daß die Erbschaftsangelegenheitsiehe dazu die vorangehende Korrespondenz Wedekinds mit seinem Schwager Walther Oschwald seit dem 6.1.1900. meines Wissens auch nur um den geringsten Schritt vorwärts gerückt wäre. Nach dem Ableben von Tante Auguste konnte die Erbschaft nicht erledigt werden, weil der Verdacht bestand, daß das Testament noch vorhanden wäre. | Nun ist aber wie du mir schreibstvgl. Walther Oschwald an Wedekind, 30.5.1900. durch Zeugenaussagen das Gegentheil festgestellt. Welches Recht hat denn dann die Behörde noch die Auszahlung auch nur um einen Tag zu verzögern?! – Darauf muß sie Antwort geben. Wenn sie die Antwort verweigert, dann will sie die Erbschaft nicht auszahlen und dann ist es Zeit, daß man andere Mittel ergreift. In diesem Fall würde ich mich an einen hiesigen RechtsanwaltWedekinds Wahl fiel auf den Münchner Rechtsanwalt Dr. Hugo Wolff, der seine Kanzlei in der Pfandhausstraße 3 hatte [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1900, Teil I, S. 645]. wenden. Schreib mir bitte, wenn auch nur | wenige Worte darüber, wenn möglich umgehend. Ich habe die ganze Woche von Tag zu Tag auf einige kurze Zeilen von Dir gewartet. Heiliger wollte doch noch einmal mit dem Erbschaftsrichter sprechen; Du selbst hattest dich in einer Anfrage an das Gericht gewendet. Weder er noch Du haben also wie es scheint eine Antwort erhalten. Ich weiß ja wie viel Du zu thun hast, aber auf einer Postkarte lassen sich andeutungsweise die wichtigsten Dinge mittheilen. |

Verzeih bitte die schlechte Schrift; auf meinem einzigen Tisch herrscht eine Unordnung wie sie eben nicht anders möglich ist nachdem sich seit einem Vierteljahr alle Papiere darauf gestaut haben.

Mit herzlichem Gruß Dein
Frank.


9. Juni 1900
Franz Josefstraße 42.II.

Walther Oschwald schrieb am 10. Juni 1900 in Dresden folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis von Walther Oschwald auf Wedekinds Brief an Walther Oschwald vom 9.6.1900 aus München:]


beantwortet: 10.VI.00.

Frank Wedekind schrieb am 10. Juni 1900 in München folgendes Telegramm
an Walther Oschwald

rp = oschwald dresdenstrehlen
juliusottostrasze 9=

[…]


Telegraphie des Deutschen Reiches.
Amt Dresden-Altstadt (Postplatz).

[…]


bitte um antwort ob nachrichten aus hanover und welche = frank

Frank Wedekind schrieb am 15. Juni 1900 in München folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther,

ich muß jetzt mal anfangen mit der Eventualität zu rechnen, daß Du am 1. Juli in die Schweiz gehst; zum mindesten möchte ich mich durch diese Thatsache nicht überraschen lassen und bitte Dich, mir mitzutheilen ob sich die ErbschaftZu der sich in die Länge ziehenden Erbschaftsangelegenheit siehe die vorangehende Korrespondenz Wedekinds mit seinem Schwager seit dem 6.1.1900. eventuell vorher noch erledigen lassen kann.

Am 30. Mai schriebst du mirvgl. Walther Oschwald an Wedekind, 30.5.1900., Du hältst die Angelegenheit für soweit gediehen daß die Entscheidung nahe bevorstände. Du giebst mir jetzt vielleicht zu, daß Du Dich | darin getäuscht hast. Das macht mich auch deinen übrigen beruhigenden Versicherungen gegenüber sehr skeptisch. Um die gleiche Zeit schriebst du mir, du habest dich mit einer Anfrage oder Eingabe an das Kgl. Landgericht Hannover gewandt. Soll ich nun wirklich daran glauben, daß dich die Behörde 14 Tage lang ohne Antwort läßt? Das heißt Einem doch das unmögliche zumuthen – vorausgesetzt daß die Dinge, wie Du annimmst, ihren ganz normalen Verlauf nehmen.

Du kannst dir gar nicht vorstellen, wo ich jetzt, in dem Augen|blick, da ich eben im Begriff bin, emporzukommen unter dieser fluchwürdigen Geschichte leide, wie viele der besten Chancen mir darüber verloren gehen, daß ich nirgends zu Hause bin, daß ich des allermenschlichsten, allereinfachsten Comforts entbehre. Und demgegenüber soll ich daran glauben, daß es einem Beamten nicht möglich ist, sich innerhalb vier Wochen über den Verlauf einer amtlichen Sache die geringste Klarheit zu verschaffen.

Schreib mir bitte, ob und wann Du in die Schweiz gehst und ob Du selber noch damit rechnest, daß sich die Sache | allenfalls vorher noch erledigen läßt.

Mit herzlichem Gruß Deiner baldigen Antwort entgegensehend

Dein
Frank


München 15. Juni 1900
Franz Josephstraße 42.II.

Walther Oschwald schrieb am 16. Juni 1900 in Dresden folgenden Brief
an Frank Wedekind

Antwort: 16.VI.00.

Weiss nichts neues. Mein UrlaubWedekind rechnete damit, dass Walther Oschwald ab Anfang Juli in die Schweiz reiste [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 15.6.1900]. bedeutungslos für Frank, da ich ja Vollmacht auf seinen Wunsch widerrufen habevgl. Walther Oschwald an Wedekind, 30.6.1900.. Die gemeinsamen InteressenZu der sich in die Länge ziehenden Erbschaftsangelegenheit, bei der Wedekind anfangs durch seinen Schwager vertreten wurde, siehe die vorangehende Korrespondenz mit Walther Oschwald seit dem 6.1.1900. werde ich Erbschaft wahrend mit Rath zur Seite stehen, rechtsvrb. Handlungen kann ich aber nicht vornehmen.

Frank Wedekind schrieb am 1. Juli 1900 in München folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther,

heute morgen überrascht mich Donald auf der Durchreise nach Dresden, respective Hannover. Er bittet mich, ihm einige Zeilenwahrscheinlich der vorliegende Brief. mitzugeben, die es ihm ermöglichen, sich Dir gegenüber zu auszusprechen respective zu rechtfertigen. Ich thue das sehr gerne, da ich seine Absicht, nach Hannover zu gehen um die Erledigung der AngelegenheitZu der sich in die Länge ziehenden Erbschaftsangelegenheit siehe die vorangehende Korrespondenz Wedekinds mit seinem Schwager Walther Oschwald seit dem 6.1.1900. in Fluß | zu bringen, sehr vernünftig finde. Ich trug mich selbst während der letzten Tage mit dem Gedanken und hätte ihn, wenn ich die Möglichkeit dazu gehabt hätte, längst ausgeführt.

Donald hat mir die Belege für seine Arbeiten während des letzten Jahres vorgelegt und seine Pläne für die Zukunft, speciell für Wien auseinandergesetzt. Der Einnahmen die er in Zürich erzielt hat braucht er sich in Anbetracht der prekären Verhältnisse unter denen er dort lebte | gewiß nicht zu schämen. Daß ihn die seit 6 Monaten als nahe bevorstehende und bis heute nicht erfolgte Auszahlung der Geldsumme aus dem Gleichgewicht gebracht kann ich, der ich darüber den Nutzertrag meiner besten Einnahmen während der letzten zwei Monaten vollständig verloren habe, ihm kaum verdenken.

Mein Rechtsanwalt schreibt mirnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Hugo Wolff an Wedekind, 24.6.1900. Die Korrespondenz zwischen Hans Heiliger und Hugo Wolff ist nicht überliefert. diesen Morgen, Heiliger habe vom Amtsgericht die ErbscheineDie vom Nachlassgericht ausgestellten Erbscheine weisen aus, wer Erbe ist und wie groß der Erbteil ist, so dass das Erbe ausgezahlt werden kann. ausgestellt erhalten. Mein Rechtsanwalt hat bei Heiliger umgehend wegen des Termines der TheilungDer Nachlassverwalter Hans Heiliger hatte nach Vorliegen der Erbscheine den Nachlass durch eine Teilungsanordnung unter den Erben aufzuteilen bzw. auszugleichen. In Vorbereitung dieses Termins wurden offenbar Wertpapiere aus dem Nachlass der verstorbenen Tante verkauft [vgl. Frank Wedekind an Donald Wedekind, 19.7.1900]. angefragt. Auf jeden Fall halte ich es | für vortheilhaft wenn jemand in Hannover ist, der die Dinge persönlich betreiben kann, denn mit welchem Eifer sich Heiliger derselben annimmt ersehe ich wieder daraus, daß ich ohne meinen Rechtsanwalt bis heute von dem Fortschritt in der Angelegenheit nichts erfahren hätte.

Ich bitte Dich Donald zu gute halten zu wollen, daß ihm jetzt thatsächlich der Kampf mit dem Leben schwerer wird als z. B. Dir der Du von Anbeginn deinen Weg in regelmäßigem Geleise gemacht hast. Dazu kommt die ererbte Ungeduld und Gereiztheit. Ich meinerseits lasse auch fünf gerade sein, wo ich sehe, daß Einsicht und Vernunft platz gegriffen, und praktische Vortheile in Aussicht stehen.

Mit den herzlichsten Grüßen an Mieze, Mama und Dich
Dein Frank.

Walther Oschwald schrieb am 23. Juli 1900 in Dresden
an Frank Wedekind

[Hinweis, Referat und Zitat in Wedekinds Brief an Walther Oschwald vom 1.8.1900 aus München:]


Deine Zeilen erreichten mich […] in Leipzig.

[…] in Leipzig […] erhielt ich deine liebenswürdige Gratulation mit der | Benachrichtigung über Donalds „Infamie“ und sein „freches verlogenes Betragen“.

Frank Wedekind schrieb am 1. August 1900 in München folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther,

du hast wenig Ursache mir zu meinem GeburtstagAm 24.7.1900 wurde Wedekind 36 Jahre alt. zu gratulieren. Deine Zeilennicht überlieferte Geburtstagsglückwünsche; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 23.7.1900. erreichten mich in der Privatklinik des Professors HisDer Leipziger Internist und Kardiologe Prof. Dr. Wilhelm His, Gellertstraße 2 [vgl. Adressbuch der Stadt Leipzig, 1900, 1. Teil, S. 384] (heute: Diakonissenstraße), Sohn des schweizerisch-deutschen Anatomen gleichen Namens, war Assistenzarzt an der medizinischen Klinik des Königlichen medizinischen Instituts (Dir.: Heinrich Curschmann). in Leipzig. Der unvergleichlicher Heiliger hatte, ohne in dieser Beziehung gefragt zu sein, sondern völlig aus eigenem Antrieb meinem hiesigen Vertreter geschriebenDas Schreiben Hans Heiligers an Wedekinds Anwalt Hugo Wolff in München ist nicht überliefert., daß es mir frei stände, mein ErbtheilSeit Monaten erwartete Wedekind die Auszahlung seines Erbteils aus dem Nachlass seiner verstorbenen Tante Auguste Bansen. Zu der Erbschaftsangelegenheit siehe die vorangehende Korrespondenz Wedekinds mit seinem Schwager Walther Oschwald seit dem 6.1.1900. ebenso wie DonaldDonald Wedekind war vermutlich Anfang Juli von München über Dresden nach Hannover gereist [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 1.7.1900]. bei der Dresdner Bank in Hannover beleihen zu lassen. Ich reiste sofort nach HannoverWedekind hielt sich vom 14. bis 16.7.1900 in Hannover auf und reiste von dort nach Leipzig., fand Heiliger abgereist, wurde von seinem Vater dem Justizrat, Rechtsanwalt und Notar Ernst Heiliger in Hannover (Bernstraße 4) [vgl. Adreßbuch der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Hannover 1900, Teil I, S. 752].mit Grobheiten empfangen und erhielt von der Dresdner Bank die Mittheilung, daß es ihr nicht einfallen könne, noch eine weitere Beleihung vorzunehmen. Ich wollte sofort nach München zurückkehren, wurde aber in Leipzig von einer Nervenkrise gepackt, worauf mich Professor His in seine Klinik aufnahm. Dort erhielt ich deine B/l/iebenswürdige Gratulation mit der | Benachrichtigung über Donalds „Infamie“Zitat aus Walther Oschwalds nicht überlieferten Zeilen (siehe oben). Zusammenhang nicht ermittelt. Donald Wedekind hatte seine Schwester Erika und seinen Schwager Walter Oschwald vermutlich Anfang Juli auf seinem Weg nach Hannover in Dresden besucht [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 1.7.1900]. Der Besuch führte offenbar nicht zu der angestrebten Entspannung im Verhältnis zu Walther Oschwald. und sein „freches verlogenes Betragen“Zitat aus Walther Oschwalds nicht überlieferten Zeilen (siehe oben).. Ich kann keinem Menschen erlauben, von mir anzunehmen, daß mir eine für meinen Bruder (sei mein Bruder auch was er wolle) beschimpfende Mittheilung angenehm oder auch nur gleichgiltig sein könnte. Ein Glückwunsch läßt sich leicht entbehren, und kein Glückwunsch wird mir immer angenehmer sein als einer der sich zu 40 % seines Inhalts aus Schmähungen auf meinen Bruder besteht. Übrigens kann ich Donald seines Geschickes wegen nicht einmal bemitleiden, indem es mir um kein Haar besser ergeht. Ich bin nach Deinen schriftlichen Äußerungenvgl. Walther Oschwald an Wedekind, 30.5.1900. über mich ein Quärulant, wie Du ihn bisher nur in den ungebildetsten Volksschichten gefunden, ich schreibe absurde Briefe, leide an Verfolgungswahn und verstehe erstaunlich wenig von Erbschaftsangelegenheiten. Wenn ich wenig oder nichts davon verstände, so wäre das wol noch nicht erstaunlich, da es nicht zu meinem Beruf gehört. Wenn ich erstaunlich wenig davon verstehe, so kann das also nichts anderes heißen, als daß ich ein ausgemachter Dummkopf bin. | Leider, leider zu meinem Großen Schaden sind nun in dieser Angelegenheit meine Befürchtungen bis jetzt sämmtlich in Erfüllung gegangen, während sich deine für mich beruhigenden Annahmen bis jetzt sämmtlich als unrichtig erwiesen haben. Ich rechne dazu vor allem auch Dein Urtheil über diesen Schuft von Heiliger, der sich nicht scheut, seit Beginn des Processes eine verlogene Nachricht nach der anderen an uns gelangen zu lassen. Ich habe dir kaum je geschrieben ohne mich vorher mit diesem oder jenem Juristen meiner Bekanntschaft besprochen zu haben, begreife daher nicht, wie du zu der Überzeugung meiner Verständnislosigkeit gelangt bist. Aus der Thatsache, daß ich leider Recht behalten, habe ich indessen die Überzeugung gewonnen, daß du zum mindesten nicht eine Idee mehr von solchen Dingen verstehst als ich.

Warum ich dir das alles schreibe? – Weil ich vermuthe (ich habe mit Donald nicht darüber gesprochen) aber weil ich vermuthe, daß du in deiner Correspondenz mit ihmDie Korrespondenz zwischen Walther Oschwald und Donald Wedekind ist nicht überliefert. mit persönlichen InjurienBeleidigungen. womöglich noch weniger sparsam umgegangen bist als in deinen Briefen an mich. Und so hat er die berüchtigte Infamie vielleicht nur begangen, weil er nicht Gleiches mit Gleichem vergelten wollte – oder konnte. | Mir geht es sehr schlecht, trotzdem mir Donald natürlich von seinem GeldeDonald Wedekind lieh von dem Darlehen, das er in Hannover auf das erwartete Erbe erhalten hatte, seinem Bruder sofort 300 Mark, später wahrscheinlich noch einmal 500 Mark [vgl. Frank Wedekind an Donald Wedekind, 19.7.1900] soviel ich brauche zur Verfügung gestellt hat, trotzdem ich in der Öffentlichkeit einen Erfolg nach dem andern habe und trotzdem ich seit Verlassen der Festung mehr Geld verdient habe als du während des ganzen Jahres verdienst. Dabei ist aber aus meinen Beziehungen und meinem Leben ein Chaos geworden, ich erscheine im Licht eines Lügners und Betrügers, habe vom Ertrag meiner Arbeit keine freudige Minute gehabt, sehe mir täglich die besten Gelegenheiten zum Vorwärtskommen entgehen, kann mich wegen mangelnder ZähneWedekind trug ein schlecht sitzendes Gebiss, das ihn beim Sprechen behinderte [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 15.3.1900]. in keine anständige Gesellschaft wagen, habe den letzten Funken Muth verloren und sehe täglich dem schließlichen Zusammenbruch meiner Gesundheit entgegen. – Ich höre schon dein Urtheil: Daran bist du selber schuld! Ich möchte denjenigen sehen dem es in meiner Situation besser anders ergangen wäre. Aber du bist der Mustermensch; vor drei Jahren noch urtheiltest du über mich nicht anders als du jetzt über Donald urtheilstest. Ich beneide dich um deinen moralischen Muth, möchte ihn aber nicht um den Preis haben mit dem Du ihn bezahlst.

Sage Mieze meinen besten Dank für Ih ihre Gratulationnicht überliefert, erschlossenes Korrespondenzstück: Erika Wedekind an Frank Wedekind, 23.7.1900. .

Mit herzlichem Gruß
Dein
Frank


München, Franz Josefstr. 42.II

1.VIII.1900.

Frank Wedekind schrieb am 30. August 1900 in München folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther,

Deine liebe Frau theilt mir zu meinem Bedauern mitHinweis auf einen nicht überlieferten Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Erika Wedekind an Frank Wedekind, 29.8.1900. , Du habest Dich durch meine letzten Zeilenvgl. Wedekind an Walther Oschwald, 1.8.1900. sehr gekränkt und beleidigt gefühlt. Ich kann Dir mit +/d/em besten Gewissen sagen, daß mir eine derartige Absicht völlig fern lag, wenn ich auch zugebe, daß der Brief mit der größten Bitterkeit geschrieben war, aber nicht Bitterkeit gegenüber Dir – wie sollte ich denn dazu kommen! – sondern gegenüber meiner verzwickten LageWedekind benötigte dringend Geld und litt daher unter der verzögerten Auszahlung der erwarteten Erbschaft seiner verstorbenen Tante Auguste Bansen. Zu der Erbschaftsangelegenheit siehe die vorangehende Korrespondenz Wedekinds mit seinem Schwager Walther Oschwald seit dem 6.1.1900.. Du wirst mich vielleicht einigermaßen begreifen, wenn ich Dir sage daß mir unter anderen Verlusten, morgen am 31. Sept. August 600 Mark baar aus den Händen | gehen, die mir der erste literarische Verleger Deutschlands, S. Fischer in Berlin für eine ArbeitDer geplante, aber ungeschrieben gebliebene Text sollte den Titel „Das Varieté des Lebens“ tragen; zu seiner Erarbeitung wollte sich Wedekind einen Monat lang in Leipzig einquartieren [vgl. Frank Wedekind an Donald Wedekind, 19.7.1900]. Mit dem S. Fischer Verlag korrespondierte Wedekind bereits nach seiner Haftentlassung am 3.2.1900, da er wegen der Konflikte mit Albert Langen einen Verlagswechsel erwog [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 16.3.1900]. von sage und schreibe 48 Seiten Prosa geboten, eine Arbeit zu deren Herstellung mir während der letzten 4 Monate Alles fehlte, vom Löschblatt angerecht/n/et bis zur geringsten Möglichkeit, mich geistig zu sammeln und das alles in Folge der Unzuverlässigkeit, der Verlogenheit und völligen Sachunkenntnis dieses sauberen Herrn Heiliger.

Du warst so liebenswürdig, mir zum Geburtstag zu gratulierendas Schreiben ist nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 23.7.1900. . Ohne diese ekelhafte Erbschaftsgeschichte hättest Du die größte Ursache dazu gehabt, denn am 24 Juli war die Premiere meines KammersängersDas Ensemble-Gastspiel des Berliner Neuen Theaters, das Wedekinds „Kammersänger“ am 10.12.1899 im Rahmen der Eröffnungsmatinee der Sezessionsbühne uraufgeführt hatte [vgl. KSA 4, S. 392] und den Einakter nun in München spielte, fand am Münchner Schauspielhaus am 24.7.1900 um 20.30 Uhr statt; eine weitere Vorstellung folgte am 27.7.1900 [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 53, Nr. 338, 24.7.1900, Vorabendblatt, S. 5; Nr. 342, 26.7.1900, Vorabendblatt, S. 3]. in München. Statt ihr beiwohnen zu können lag ich in Folge der Erbschaftsgeschichte in Leipzig in der Klinikvgl. Wedekind an Walther Oschwald, 1.8.1900., nachdem mich Heiliger durch eine AuskunftHans Heiliger hatte Wedekinds Anwalt Hugo Wolff mitgeteilt, Wedekind könne die erwartete Erbschaft vor der Auszahlung bei einer Bank in Hannover beleihen [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 1.8.1900; Frank Wedekind an Erika Wedekind, 24.8.1900]., um die ich ihn mit keiner Sylbe gebeten hatte und die sich natürlich | als unrichtig erwies, nach Hannover gelockt hatte. In Hannover nahm in Abwesenheit seines Sohnes der alte Heiliger die Gelegenheit wahr, mir/ch/, der ich mich mit keiner Sylbe an ihn gewandt hatte, sofort wieder zu belügen indem er mir zu wiederholten Malen auch vor Zeugen sagte: Der 15 August ist der letzte Termin, und jedes mal hinzufügte „Das ist mathematisch!“ – Ich schrieb ihm vor acht Tagen folgenden eingeschriebenen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Ernst Heiliger, 22.8.1900.:

Herrn Justizrat Heiliger, Hannover.

Empfangen Sie meinen entsprechenden Dank dafür, daß Sie M/m/ich in unverschämter Weise belogen haben. München e. ct. Frank Wedekind

Statt mich darauf hin zu verklagen reagiert er mit keiner Sylbe darauf. Das charakterisirt das Pack mit dem wir es zu thun haben.

Ich habe im ganzen von Heiliger 7 ZuschriftenDie Briefe Hans Heiligers an Wedekind sind sämtlich verschollen, fünf davon ließen sich aus Wedekinds Briefen an Walther Oschwald erschließen. in der Angelegenheit erhalten, deren jede einzelne sich als unrichtig oder bewußt unwahr erwiesen hat. Ich lege hier einen | Zettel beinicht überliefert; vermutlich eine Notiz Heiligers, die Wedekind über seinen Anwalt Hugo Wolff erhalten hatte, in dem Heiliger wahrscheinlich Angaben über den Auszahlungszeitpunkt des Erbes machte., der die Versicherungen, die er vor seiner FerienreiseHans Heiliger war vom 13.7. bis 14.8.1900 verreist [vgl. Frank Wedekind an Donald Wedekind, 19.7.1900]. gab ganz im nämlichen Lichte erscheinen läßt. Ich bitte Dich aber, nicht darauf zurückzukommen, indem ich Dir das alles lediglich schreibe um meinen Brief zu erklären und etwaige Bitterkeiten darin zu entschuldigen. Dir gegenüber habe ich mich nur dagegen gewehrt, von Dir für verrückt oder dumm gehalten zu werden, nachdem du mir mit klaren Wortenvgl. Walther Oschwald an Wedekind, 30.5.1900. geschrieben, ich sei ein Quärulant ich leide an Verfolgungswahn und verstehe erstaunlich wenig von solchen Sachen. Ich that hätte aber auch das nicht gethan, wenn du nicht auf di/a/s Capitel Donald zurück gekommen wärst. Ich war weit entfernt mich durch deine Qualifik/c/ationen beleidigt oder verletzt zu fühlen, bitte dich nun aber, dich auch deinerseits nicht verletzt zu fühlen, wenn ich mich, ohne irgendwelche herabsetzenden Qualificationen auszusprechechenSchreibversehen, statt: auszusprechen., gegen deine Anschauungen wehre. Ich kann mich höchstens in einer ThatsacheWedekind bezieht sich hier auf seine Bemerkung, er habe „seit Verlassen der Festung mehr Geld verdient“ als Oschwald „während des ganzen Jahres“ [Wedekind an Walther Oschwald, 1.8.1900]. Die Gehälter der Staatsbediensteten sind in der von Wedekind genannten Quelle, dem „Kürschner“, verzeichnet. Für die „Finanz-Assessoren: v. Koppenfels, Oschwald“ an der „General-Direktion der K. Staats-Eisenbahnen, Dresden“ ist dort als Jahresgehalt „4800 bis 2400 M“ angegeben [Staats-, Hof- und Kommunal-Handbuch des Reichs und der Einzelstaaten (zugleich Statistisches Jahrbuch). Hg. von Joseph Kürschner. 15. Ausgabe. 1900. Leipzig 1900, S. 790]. geirrt haben | deren Quelle mir Kürschners Staats- und Communalhandbuch war und dann bitte ich dich dieses Irrthums wegen natürlich um Verzeihung.

Ich kann Dir auch noch folgendes sagen: Ich bedaure unendlich, lieber Walther, daß wir dieser Erbschaftssache wegen in Zwistigkeiten geraten sind. Du stellst Dich natürlich auf den Standpunkt, Du habest für lauter wohlgemeinte Mühe und Aufopferung nichts als Undank und Ärger gehabt. Das bed Darin hast du vollkommen recht und ich bedaure wie gesagt diese Thatsache von ganzem Herzen. Für mich war aber diese Erbschaftsangelegenheit ein directes Unglück, das mich fünf Monate meines Lebens gekostet hat, ein Unglück, das mich in dem Augenblick traf, als ich mich glücklich aus dem SimplicissimusproceßWedekind war aufgrund des satirischen Gedichts „Im heiligen Land“ (in der Palästina-Nummer des „Simplicissimus“ [Jg. 3, Nr. 31] vom 25.10.1898) wegen Majestätsbeleidigung am 3.8.1899 in Leipzig zu einer siebenmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt worden, die dann in Festungshaft umgewandelt wurde. heraus gewickelt hatte, ein Unglück das mich ärgere Qualen hat durchmachen lassen als der ganze Simplicissimusproceß.

Du sagtest mir vor 7 Monaten in | DresdenAm 3.2.1900 war Wedekind aus der Festung Königstein entlassen worden und besuchte für einige Tage seines Schwester Erika und seinen Schwager Walther Oschwald in Dresden, bevor er am 8.2.1900 nach Leipzig reiste., zur Fertigstellung meines Dramasdes „Marquis von Keith“ [vgl. KSA 4, S. 413]. könne mir die Erbschaft sehr zu statten kommen, Du hörtest ruhig mit an, wie ich von meinen BühnenplänenWedekind hoffte nach seiner Haftentlassung zunächst, Carl Heines neues Ensemble auf einer Tournee als Regisseur oder Schauspieler begleiten zu können [vgl. Wedekind an Hans Richard Weinhöppel, 29.12.1899; Wedekind an Walther Oschwald, 20.1.1900]. Außerdem plante er, Schauspielunterricht zu nehmen, um vermehrt Rollen in seinen eigenen Stücken spielen zu können [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 7.5.1900; Frank Wedekind an Erika Wedekind, 24.8.1900]. sprach, bei denen ich auf Erlei Ermöglichung durch die Erbschaft rechnete; Du fragtest mich sogar schon, was Du mit meinem Gelde thun solltest, ob du es in Dresden auf eine Bank legen oder mir nach München schicken solltest. Das brachte mich zu der Überzeugung daß auch Du auf eine raschere Erledigung der Sache gerechnet hattest, und diese Überzeugung trägt die Schuld an demjenigen SatzEs dürfte sich um Wedekinds Bemerkung gehandelt haben: „Aus der Thatsache, daß ich leider Recht behalten, habe ich indessen die Überzeugung gewonnen, daß du zum mindesten nicht eine Idee mehr von solchen Dingen verstehst als ich.“ [Wedekind an Walther Oschwald, 1.8.1900] in meinem Brief, der Dich vielleicht am meisten verletzt hat, den ich aber weiß Gott nicht zu diesem Zweck sondern mit aller Naivetät und Harmlosigkeit niederschrieb, zumal ich mich damit nur gegen eine positive Herabwürdigung meiner geistigen Fähigkeiten wehrte.

Ich hoffe lieber Walther, daß ich durch | diese Erklärungen meinem Schreiben alles Verletzende genommen habe, bis auf den Ton der Bitterkeit, den ich nicht wegleugnen kann und der begreiflich ist, der sich nicht gegen Dich richtet. Sieh mal, lieber Walther, du bist nicht Schriftsteller; Du hast aber einen Schreibtisch, davor einen bequemen Sessel, darunter einen Teff/pp/ich und darauf alles was zum Schreiben nötig ist. Ich habe dank der Erbschaftsgeschichte von alledem seit 7 Monaten nichts nichts nichts nichts nichts nichts und ich glaube darum doch ein ebenso tüchtiger und ebenso brauchbarer Mensch zu sein, wie du es bist. Dieser letzte Punkt ist nämlich derjenige auf dessen Anerkennung ich, wenn ein Verkehr zwischen uns möglich sein soll, unter allen Umständen beharren muß. Ich könnte sonst auch die GefälligkeitWedekind hatte seine Schwester gebeten, ihm 3000 Mark auf die von ihm erwartete Erbschaftssumme zu leihen [vgl. Frank Wedekind an Erika Wedekind, 24.8.1900; 28.8.1900]. um die ich Deine liebe Frau gebeten habe nicht aus deiner Hand annehmen. Ich glaube damit aber nur auf einem Princip zu bestehen, das gesellschaftlich in der ganzen Welt allgemein Gültigkeit | besitzt.

Ich bitte dich also meinen an Deine Frau gerichteten Zeilen v. 25vgl. Frank Wedekind an Erika Wedekind, 24.8.1900; den Brief hatte Wedekind, wie der Postausgangsstempel auf dem Kuvert belegt, bereits am 24.8.1900 an seine Schwester versandt.. als an Dich gerichtet zu betrachten. Ich schrieb den Brief gestern noch einmalvorgestern; vgl. Wedekind an Erika Wedekind, 28.8.1900. nur weil ich den ersten nicht selbst in den Kasten geworfen hatte.

Mieze schreibt mir sehr betrübende Nachrichtenin Erikas nicht überliefertem Brief (siehe oben).; auch die Mittheilung vonWillys HierseinFrank Wedekinds Bruder William Lincoln Wedekind lebte seit 1889 in Südafrika und war (möglicherweise wegen der zu erwartenden Erbschaft) mit seiner Frau und Tochter bei seinem Schwager und seiner Schwester in Dresden zu Besuch [vgl. Emilie (Mati) Wedekind an Armin Wedekind, 19.10.1900; AfM Zürich, PN 169.5.95]. mit seiner Familie war mir eine große Überraschung. Ich würde gerne wieder einmal jemand von Euch sehen. Vielleicht kommt Mati auf der Rückreise über München. Ich lasse Mieze herzliche für Ihren BriefErika Wedekinds nicht überlieferter Brief (siehe oben). danken.

Ich hoffe daß die Sache zwischen uns beigelegt ist und werde es nicht mißverstehen, wenn Du mit keiner Sylbe darauf zurückkommst.

Ich bin mit herzlichem Gruß
Dein getreuer Schwager
Frank.


30.VIII.1900

Franz Josephstraße 42.II.

Walther Oschwald schrieb am 1. September 1900 in Dresden folgenden Brief
an Frank Wedekind


[Briefentwurf:]


An Frank. am 1. Spt. 00.


Es ist nicht leicht,

Es würde mich zu weit führen, wenn ich Deinen Briefvgl. Wedekind an Walther Oschwald, 30.8.1900. vom 30. Aug. ausführlich beantworten wollte. Ich halte auch weitere Erörterungen durchaus für zwecklos, da wir uns doch kaum gegenseitig überzeugen könnten. Ich sehe zum mindesten nicht ein, Es ist mir nach Deinem jetzigen Briefe völlig unklar, warum es nöthig war, daß Du mir jenen Brief vom Anfang dieses Monats schriebst, wenn dubei der Korrektur des Satzes versehentlich nicht gestrichen. | damit nicht der/ie/ Absicht verbunden war, mich zu kränken. Ich bedaure sehr, daß ich glaubte, Dir zu Deinem Geburtstag gratulieren zu sollen und Meine Geburtstagsgratulationnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 23.7.1900. war ja wohl am gut gemeint, und ich bedaure jetzt nur daß ich darin in diesem Briefe Dir darin meine Meinung über die Angelegenheit DonaldZwischen Donald Wedekind und Walther Oschwald war es Anfang des Jahres wegen Donalds Betragen zu einem Zerwürfnis gekommen, das auch bei einem Besuch Donald Wedekinds in Dresden Ende Juni oder Anfang Juli offenbar nicht geglättet werden konnte. etwas mittheilte. Ich kann dich versichern, daß es nicht geschehen wäre, wenn ich hätte annehmen können, daß die Handlungsweise Donalds ge mir gegenüber von dir gebilligt werde von Dir nicht beanstandet wird.

Du wirst auch begreifen, daß es für mich höchst verwunderlich ist, daß Du mit einem Gesuche um ein | Darleihen Dich an Mieze wandestvgl. Frank Wedekind an Erika Wedekind, 24.8.1900 und 28.8.1900., während Du doch weißt, daß ich die Verwaltung unserer Finanzen besorge, daß ich auch in der Erbschaftssachezu der Erbschaftsangelegenheit siehe die Korrespondenz Wedekinds mit seinem Schwager seit dem 6.1.1900. von Mieze bevollmächtigt bin und daß ich i/D/u dich in den letzten Monaten ausschließlich an mich gewendet hast. So suchte auch Donald den unbequemen Mann seiner Schwester zu umgehen, nachdem er ihn vor den Kopf gestoßen hatte. Ich muß Dich bitten, mir zu erlauben, Das Recht, nicht/daß/ ich über all diese und andere Dinge Äußerungen und Vorkommnisse meine eigenen Gedanken und Ansichten zu haben, kann mir meines Erachtens nicht bestritten werden.

Was In bezug auf Dein Darlehensgesuch gegen CessionierungAbtretung. entsprechenden Antheils d/D/eines Erbbetreffnißes kann ich Dir mittheilen, daß wir, da du das Geld Dir von einer Gewährung Deines Gesuches für Dich Vortheil und Annehmlichkeit erhoffst, u. da ü es sich nicht um e+++ eine wir den erforderlichen Betrag ge disponibel haben uns aus einer Entsprechung des Gesuches nennenswerthe Opfer nicht erwachsen, glauben, Dir Deinen Wunsch erfüllen zu sollen wollen immerhin ausdrücklich in dem Sinne, daß der Betrag von 3000 M. ein Darleihen ist, das in erster Linie aus Deinem Erbbetreffniß zu decken ist. | Du magst mir daher eine mustergültige Cession, und beglaubigte Cession einschicken und zugleich Herrn Heiliger von der stattgefundenen Schuldübertragung benachrichtigen. Sobald die Urkunde richtig in meinem Besitze ist, werde ich die Zahlung von 3000 M. an Dich veranlassen.

Auf Als Zinsen/fuß/ für das Darleihen verzichten wir, die Verzinsung der Schuld wollen wir nur 2 % festsetzen, dagegen werden wären de/sä/mmtliche Kosten der Schuldübertragung von Dir zu tragen. sein. |

Der Einfachheit wegen ersuche ich Dich, auch den Betrag von 200 M., den ich Dir auf Rechnung deiner Erbschaft am 18. März d. J. vorschoßzur Postanweisung des Geldes vgl. Walther Oschwald an Wedekind, 19.3.1900., in die Cessionsurkunde aufzunehmen.

Der Trubel der letzten Wochen hat den guten Kurerfolg Miezes leider vorzeitig aufgezehrt.

Mamma geht es Gott sei Dank besser, sie ist aber wohl noch für einige Zeit Reconvalescentin.



[Abgesandter Brief:]


II.

Du magst dafür eine mustergültige und beglaubigte Cessionsurkunde einschicken und zugleich Herrn Heiliger von der stattgefundenen Schuldübertragung benachrichtigen. Sobald die Urkunde richtig in meinem Besitze ist, werde ich die Zahlung der 3000 M. an Dich veranlassen. Als Zinsfuß für die Verzinsung der Schuld wollen wir nur 2 % festsetzen, dagegen wären sämmtliche Kosten der Schuldübertragung von Dir zu tragen.

Der Einfachheit wegen ersuche ich | Dich, auch den Betrag von 200 M., den ich Dir auf Rechnung Deiner Erbschaft am 18. März d. J. vorschoß, in die Cessionsurkunde aufzunehmen.

Der Trubel der letzten Wochen hat den guten Kurerfolg Miezes leider vorzeitig aufgezehrt. Mamma geht es Gott sei Dank besser, sie ist aber wohl noch für einige Zeit Reconvalescentin.

Freundlich grüßend!
Walther Oschwald.

Frank Wedekind schrieb am 2. September 1900 in München folgendes Telegramm
an Walther Oschwald

=rpDie von Wedekind bereits bezahlte Rückantwort durfte 10 Wörter umfassen. Walther Oschwald notierte seine Antwort am Ende des Telegramms [vgl. Walther Oschwald an Wedekind, 3.9.1900]. = oschwaldt
juliusottostrasse 9 dresden =


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Amt:
Dresden-A. (Postplatz).

[...]


erhalte eben wichtigen antragnicht ermittelt. bitte um guetige mittheilung von entscheidungWedekind hatte seine Schwester Erika um ein Darlehen von 3000 Mark gebeten und die erwartete Erbschaft als Sicherheit angeboten [vgl. Frank Wedekind an Erika Wedekind, 24.8.1900 und 28.8.1900]. Die Zusage erhielt er in einem bereits aufgegebenen Brief [vgl. Walther Oschwald an Wedekind, 1.9.1900] und im Antworttelegramm seines Schwagers [vgl. Walther Oschwald an Wedekind, 3.9.1900]. Beide Korrespondenzstücke erreichten Wedekind am 3.9.1900. gruss = frank

Frank Wedekind schrieb am 3. September 1900 in München folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther,

ich danke Dir für Deine freundliche ZusageWedekind hatte gegen Abtretung des erwarteten Erbes seiner verstorbenen Tante um ein Darlehen von seiner Schwester Erika über 3000 Mark gebeten [vgl. Frank Wedekind an Erika Wedekind, 24.8.1900 und 28.8.1900], das sein Schwager Walther Oschwald ihm zusagte [vgl. Walther Oschwald an Wedekind, 1.9.1900 und 3.9.1900]. Zu der langwierigen Erbschaftsangelegenheit siehe die vorangehende Korrespondenz Wedekinds mit seinem Schwager seit dem 6.1.1900.. Dr. Wolff wird heute noch die Papiere an Dich abgehen lassenDie Korrespondenz Hugo Wolffs mit Walther Oschwald ist ebensowenig überliefert wie die mit Hans Heiliger. und Heiliger von dem Abkommen benachrichtigen, der seinerseits Dich von der erhaltenen Benachrichtigung in Kenntnis zu setzen hat.

Laß mich Dir meine Versicherung noch einmal wiederholen: Ich fühle daß | ich Dir weh gethan habe und bitte Dich das vergessen zu wollen. In dem Moment als ich den Briefvgl. Wedekind an Walther Oschwald, 1.8.1900. Oschwald hatte sich in seinem verschollenen Brief zu Frank Wedekinds Geburtstag [vgl. Walther Oschwald an Wedekind, 23.7.1900] offenbar über Donald Wedekind beklagt, der kurz zuvor zu Besuch in Dresden war. schrieb konnte mir diese Thatsache auch wirklich nicht in dem Maße zum Bewußtsein kommen, weil Donald ein empfindlicher Punkt für mich ist. Ich weiß zu gut, warum er eben so und nicht anders ist. Ich glaube auch ungefähr zu wissen, wie Du jetzt über mich denkst. Es widerstrebte Dir einfach, das Wort an mich zu richtenDass er Walther Oschwald mit seinem Brief vom 1.8.1900 tief gekränkt hatte, erfuhr Wedekind von seiner Schwester Erika [vgl. Frank Wedekind an Erika Wedekind, 29.8.1900].. Ich meinerseits hoffe, daß Gras darüber wachsen wird. Erbschaftsangelegenheiten ha wiederholen sich ja nicht häufig n und schon GötheIn Goethes Drama „Die natürliche Tochter“ (1803) sagt der Gouverneur im 2. Auftritt des 5. Aufzugs: „Um Gut und Erbe wird sogleich ein Streit, / Um die Person, ob sie die rechte sei, / Gehässig aufgeregt, und wenn Verwandte / Um’s Mein und Dein gefühllos hadern, trifft / Den Fremden, der sich eingemischt, der Haß / Von beiden Theilen, und nicht selten gar, / Weil ihm der strengere Beweis nicht glückt, / Steht er zuletzt auch vor Gericht beschämt.“ [In: Johann Wolfgang Goethe: Werke. Hg. im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen. Bd. 10. Weimar 1889, S. 361 f.] stellt in der | „Natürlichen Tochter“ fest, daß unter allen Umständen immer Streit dabei ausbricht.

Ich muß bei die notwendig auf die 200 M. zurückkommen, die Du im Frühling die Freundlichkeit hattest mir zu schickenvgl. Walther Oschwald an Wedekind, 19.3.1900.. Ich weiß nicht mehr ob ich Dir einen Schein dafür ausgestellt habe. Ich bitte Dich, sie von den 3000 M. abzuziehen, mir also nur M. 2800 zu schicken. Bei dem Zweck, den ich mit der Anleihe bei Dir im Auge habe kommt es für mich auf 200 M mehr oder weniger nicht an. Viel wichtiger wäre für mich, die Summe möglichst bald zu erhalten, weil ich dadurch weit mehr als 200 M gewinnen kann.

Ich hoffe sehr, daß sich Mamas Zustand | derweil gebessert hat. Ich werde ihr nächster Tage schreiben sobald ich einige Ruhe habe.

Grüße Deine liebe Frau herzlich und sage auch ihr meinen Dank.

Mit den besten Grüßen Dein getreuer Schwager
Frank


München,
3. AugustSchreibversehen, statt: September. 1900

Walther Oschwald schrieb am 3. September 1900 in Dresden folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

3. Sept: Gemäß vorgestrigem Brief soll Deinem Ansuchen entsprochen werden.

Walther.

Frank Wedekind schrieb am 4. September 1900 in München folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther,

gestern Abendam 3.9.1900. fand ich deinen freundlichen Briefvgl. Walther Oschwald an Wedekind, 1.9.1900. vor, nachdem ich Dir schon am Nachmittag aus dem Kaff Café geschrieben hattevgl. Wedekind an Walther Oschwald, 3.9.1900.. Wie Du ersiehst habe ich an die 200 M.Walther Oschwald hatte Wedekind im März 200 Mark geliehen [vgl. Walther Oschwald an Wedekind, 19.3.1900]. selbstverständlich auch gedacht. Ich bitte Dich auf meinen Vorschlag einzugehen und sie sofort abzuziehenvon dem von Walther Oschwald zugesagten Darlehen über 3000 Mark, das Wedekind von ihm erbeten hatte, da sich die erwartete Erbschaft weiterhin verzögerte. Zu der langwierigen Erbschaftsangelegenheit siehe die vorangehende Korrespondenz Wedekinds mit seinem Schwager Walther Oschwald seit dem 6.1.1900., denn ich fürchte nichts mehr als eine neue Verzögerung. Es warten bei mir hundert bis zweihundert | Briefe, sämmtlich geschäftlichen Inhalts auf Beantwortung. Schon vor drei Wochen erhielt inSchreibversehen, statt: ich. von Wien aus den Antrag, Chefredacteur des dortigen KikerikiDie illustrierte Wiener Satirezeitschrift „Kikeriki. Humoristisches Volksblatt“ (Herausgeber und Chefredakteur: Josef Strecha) hatte eine stark antisemitische und nationalistische Ausrichtung. zu werden. Ich kann nicht daran denken die Stellung anzunehmen, obschon sie pecuniärfinanziell, Gelddinge betreffend. gut bedacht ist, weil sich die Richtung des Blattes mit meinen politischen Anschauungen und mit meiner sonstigen Production nicht deckt. Ich hoffe indessen immer noch, für Donald etwas dabei herauszuschlagen; wie aber die Dinge momentan liegen habe ich den Leuten auf ihre wiederholten Anfragen noch nicht mit einer Sylbe geantwortet. |

Was die Zinsen betrifft, so würden sie bei 2 % zu denen Du mir Deine Liebenswürdigkeit anbietest voraussichtlich nur 10 bis 15 Mk betragen, bei 7 %, die ich Dir geboten habe 35 bis 52 Mk. Das ist ein Unterschied, der indessen bei der Wichtigkeit die eine rasche Erledigung der Sache für mich hat, nicht wesentlich bei mir in die Wagschale fallen kann und da in den PapierenWedekind hatte nach der telegraphischen Darlehenszusage durch Walther Oschwald [vgl. Walther Oschwald an Wedekind, 3.9.1900], sofort die Vorbereitung und Versendung der notwendigen Unterlagen veranlasst [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 3.9.1900] und erst danach von den geänderten Bedingungen aus Walther Oschwalds letztem Brief erfahren [vgl. Walther Oschwald an Wedekind, 1.9.1900]. nun einmal 7 % angeführt sind, so bitte ich Dich, dieses Unterschiedes wegen die Angelegenheit sich nicht verzögern zu lassen.

Daß ich die Kosten für die Transaction trage ist selbstverständlich. Sollten außer dem Porto noch sonstige Kosten für Dich daraus in Dresden erwachsen, so bitte ich um gütige Mittheilung. | Heiliger ist von meinem Rechtsanwalt gestern bereits von der CessionAbtretung – als Sicherheit für das Darlehen, trat Frank Wedekind das zu erwartende Erbe an seine Schwester Erika Wedekind ab. benachrichtigSchreibversehen, statt: benachrichtigt. Die Korrespondenz zwischen den Rechtsanwälten Hugo Wolff und Hans Heiliger ist nicht überliefert. worden.

Es freut mich sehr a/z/u hören daß es Mama besser geht. Sie hat gerade jetzt, auf den Winter hin am meisten Ursache sich zu schonen und vorsichtig zu sein. Grüße sie aufs herzlichste von mir und suche mich meines langen Schweigens wegen bitte bei ihr zu entschuldigen durch die Umstände in denen ich momentan lebe.

Mit den besten Wünschen für Dich und Deine liebe Frau bin ich Dein
getreuer
Frank Wedekind.


München, den 4. September 1900.

Walther Oschwald schrieb am 5. September 1900 in Dresden
an Frank Wedekind

[Hinweis und Zitat in Wedekinds Brief an Walther Oschwald vom 8.9.1900 aus München:]


Du schreibst dann am Schluß Deines Briefes vom 5. Sept.

„Im übrigen bitte ich Dich, aus der Erfüllung Deiner Bitte irgendwelche Schlüsse auf unser gegenseitiges persönliches Verhältnis nicht ziehen zu wollen.“

Frank Wedekind schrieb am 8. September 1900 in München folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther,

beiliegend den ScheinWedekinds Schuldschein zu dem von Walther Oschwald gewährten Darlehen ist nicht überliefert. über die 3000 Mark, die ich Dir schulde.

Du schreibst dann am Schluß Deines Briefesnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 5.9.1900. vom 5. Sept.

„Im übrigen bitte ich Dich, aus der Erfüllung Deiner BitteWedekind hatte seine Schwester Erika um ein Darlehen von 3000 Mark gebeten und die erwartete Erbschaft als Sicherheit angeboten [vgl. Frank Wedekind an Erika Wedekind, 24.8.1900 und 28.8.1900]. Sein Schwager hatte dieser Bitte entsprochen. irgendwelche Schlüsse auf unser gegenseitiges persönliches VerhältnisWalther Oschwald fühlte sich durch Wedekinds Brief von Anfang August [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 1.8.1900] tief gekränkt [vgl. Erika Wedekind an Frank Wedekind, 29.8.1900]. nicht ziehen zu wollen.“

Ich kann diese Worte nur in dem einen Sinne verstehen, daß Du | befürchtest, es könnte in Folge dieser Geldangelegenheit irgend eine Spur von Mißstimmung zwischen uns Beiden übrig geblieben sein. Ich kann dir die aufrichtige Versicherung geben daß das nicht der Fall ist. Ich schrieb Dirvgl. Wedekind an Walther Oschwald, 30.8.1900. schon vor vierzehn Tagen, daß es mir nie im Traum eingefallen ist, die von Dir gebrauchten Ausdrücke Walther Oschwald hatte Wedekind als Querulanten bezeichnet [vgl. Walther Oschwald an Wedekind, 30.5.1900].übelzunehmen. Und nun fürchtest du auch heute noch, nachdem wir uns so gründlich ausgesprochen, sie könnten irgend einen störenden Einfluß auf unsere Beziehungen haben! Das ist mir unfaßbar. Wie kannst du bei deiner eigenen vornehmen Denkungsart mich | für so erbärmlich kleinlich, für so armselig beschränkt und engherzig halten! Ich bitte Dich herzlich, mir zu glauben, daß sich an dem ausgezeichneten Einvernehmen, das bis vor wenigen MonatenDas Verhältnis zwischen Walther Oschwald und Wedekind, die sich seit frühester Jugend aus Lenzburg kannten und gemeinsam zur Schule gingen, war durch eine sich seit Februar hinziehende Erbschaftsangelegenheit, in der Walther Oschwald Wedekind anfangs vertreten hatte, belastet worden und verschlechterte sich, je länger die Auszahlung des von Wedekind dringend benötigten Erbes auf sich warten ließ (siehe dazu die Korrespondenz mit seinem Schwager seit dem 6.1.1900). zwischen uns bestand, nichts geändert hat.

Noch eine erfreuliche Nachricht: Nächsten Winter wird am ResidenztheaterEine Aufführung von Wedekinds Einakter „Der Kammersänger“ am Dresdner Residenztheater (Direktion: Madeleine Karl) ist nicht belegt. in Dresden mein Kammersänger gegeben. Ich freue mich sehr, Dich bei der Gelegenheit wiederzusehen, und unseren alten innigen freundschaftlichen Gedankenaustausch wieder aufnehmen zu können.

Bis dahin verbleibe ich mit | den herzlichsten Grüßen an Deine liebe Frau und Dich
Dein getreuer Schwager
Frank.


München, den 8. Sept. 1900

Walther Oschwald schrieb am 9. September 1900 in Dresden folgenden Brief
an Frank Wedekind

9. Sept. 1900.


An Frank!

Ich bestätige Dir den Empfang der QuittungDer Schuldschein (nicht überliefert) Wedekinds über das von Walther Oschwald gewährte Darlehen lag seinem letzten Brief bei [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 8.9.1900]. über das Darleihen von 3000 M.

Inzwischen wirst Du auch die Abschlagszahlung von HeiligerFür das Darlehen hatte Wedekind seinen Anteil am erwarteten Erbe seiner verstorbenen Tante Auguste Bansen, das über den Rechtsanwalt Hans Heiliger in Hannover ausgezahlt wurde, an seine Schwester Erika abgetreten [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 3.9.1900]. erhalten haben. Ich nehme an, dass die Tilgung des Darleihens dann aus der Restzahlung erfolgen wird. Der Bitte in meinem Schreiben vom 5. Sept. d. J. hast Du nicht zu entsprechen zu können vermocht, derselben vielmehr durch einen nicht ohne Witz eine | ihrem Sinne widersprechende Deutung gegeben. Ich vermag nicht, auf diesen Witz einzugehen, muss vielmehr erklären, dass ich wiederholen, dass ich meinerseits den/ie/ Zwischen Angelegenheit persönliche Seite der Angelegenheit, , von der Geldangelegenheit durchaus nicht als erledigt betrachte und mich auch keine Lust habe, mich in auf weitere Auseinandersetzungen darüber nicht einzueinlassen kann.

Frank Wedekind schrieb am 10. September 1900 in München folgenden Brief
an Walther Oschwald

Lieber Walther,

ich hatte ursprünglich im Sinn beiliegende ZeilenDie Beilage fehlt. Vermutlich handelte es sich um den Brief an Erika Wedekind, den Frank Wedekind am selben Tag verfasste, an dem er zunächst telegraphisch und dann noch einmal per Brief von Walther Oschwald die Zusage für das von ihm erbetene Darlehen erhielt [vgl. Frank Wedekind an Erika Wedekind, 3.9.1900]. Diese positive Nachricht mag Wedekind bewogen haben, den Brief an seine Schwester, in dem er sich bitter über ihren Ehemann beklagte, zunächst nicht abzuschicken. an deine Frau zu schicken. Aber ich bringe es nicht übers Herz. Dir selbst möchte ich Ihren Inhalt nicht gerne vorenthalten.

Ich gratuliere dir dazu, daß Du einen für mich demütigenden Briefwahrscheinlich Wedekinds Brief von Ende August [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 30.8.1900], in dem er den Ton seines vorherigen Briefes [vgl. Wedekind an Walter Oschwald, 1.8.1900], der von seinem Schwager als kränkend empfunden worden war [vgl. Erika Wedekind an Frank Wedekind, 29.8.1900], zu rechtfertigen suchte. in Händen hast und gratuliere dir vor allem zu der Art und Weise wie du ihn dir verschafft hastWedekind erfuhr durch seine Schwester Erika von seiner Kränkung Walther Oschwalds [vgl. Erika Wedekind an Frank Wedekind, 29.8.1900], nachdem er sich mit seiner Bitte um ein Darlehen an sie gewandt hatte [vgl. Frank Wedekind an Erika Wedekind, 24.8.1900 und 28.8.1900], das ihm deswegen wohl versagt wurde. Den daraufhin als „Achtungsbeweis“ [Frank Wedekind an Erika Wedekind, 3.9.1900] verfassten Brief an Walther Oschwald [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 30.8.1900], empfand er offenbar als erpresst.. – Pfui Teufel!

Dein
Frank.

Frank Wedekind schrieb am 14. April 1911 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Walther Oschwald

[Hinweis in Wedekinds Tagebuch vom 14.4.1911 in München:]


Brief an Walter Oschwald dessen Vater gestorben ist.

Walther Oschwald schrieb am 19. Juni 1912 in Berlin folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Frank Wedekinds Brief an Tilly Wedekind vom 20.6.1912 aus Berlin:]


[...] gestern [...] wo ich einen Zettel von Walter Oschwald fand auf dem er mich benachrichtigt daß er heute hier eine Conferenz hat und am Abend nach Dresden zurückfährt.