Briefwechsel

von Emma Herwegh und Frank Wedekind

Emma Herwegh schrieb am 10. Mai 1893 in Paris folgende Widmung
an Frank Wedekind

Herrn Frank Wedekind, zum Andenken an gemeinsam angenehm durchlebte StundenEmma Herwegh, die Witwe des Dichters Georg Herwegh, die von 1843 bis 1848 sowie von 1878 bis zu ihrem Tod 1904 in Paris lebte, hat Wedekind Anfang 1893 dort kennengelernt [vgl. Frank Wedekind an Armin Wedekind, 25.2.1893] und stand seitdem mit ihm in „engstem Verkehr“ [Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 8.5.1893]..

Paris, 10 Mai 1893.
Emma Herwegh

Frank Wedekind schrieb am 13. Juni 1893 in Lenzburg folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Emma Herwegh

[Hinweis in Kutscher 1, S. 272:]


Im Juni 93 trat er seine zweite Heimreise an [...] und war natürlich auch im Lenzburger Steinbrüchli bei der Mutter, die der alten Herwegh für ihre Freundlichkeiten Dank sagen läßt. Die Herwegh antwortetHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Emma Herwegh an Wedekind, 15.6.1893. darauf: [...]

Emma Herwegh schrieb am 15. Juni 1893 in Paris
an Frank Wedekind

[Hinweis, Notiz zum Kontext, Referat und Zitat in Kutscher 1, S. 272-273:]


Im Juni 93 trat er seine zweite Heimreise an [...] und war natürlich auch im Lenzburger Steinbrüchli bei der Mutter, die der alten Herwegh für ihre Freundlichkeiten Dank sagen läßtHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Emma Herwegh, 13.6.1893.. Die Herwegh antwortet darauf: „Zu danken hat sie mir übrigens für garnichts, da mir die mit ihrem Filius(lat.) Sohn. verlebten Stunden jedenfalls ebenso angenehm gewesen, als sie es ihm sein konnten.“ Sie bittet Frank um einen Gefallen. Im Jahre 1849 hat sie bei Levyson in Grünberg eine BroschüreEmma Herweghs anonym veröffentlichte Broschüre „Zur Geschichte der deutschen demokratischen Legion aus Paris. Von einer Hochverräterin“ (1849) mit einem allerdings mit ihren Namensiglen „E.H.“ gezeichneten Vorwort, seinerzeit verlegt von Dr. phil. Wilhelm Levisohn (Druck und Verlag von W. Levisohn in Grünberg), schlesischer Verleger und 1848/49 Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung. erscheinen lassen „Zur Geschichte der deutschen Demokratischen Legion. Von einer Hochverräterin“. [...] In ihrer Geldnot denkt sie jetzt an einen Neudruck [...]. Sie nennt ihr Werk ein treues Abbild jener immerhin sehr interessanten, lebensvollen Zeit, das zwar keinen Anspruch auf Belletristik, aber auf absolute Wahrheit mache. „Ich bürge für jedes Wort, was darin steht.“ Keine Silbe ist überflüssig, und darum darf selbstverständlich nichts verändert oder gestrichen werden. Wedekind möge trachten, in der Schweiz dafür einen Verleger zu finden.

Emma Herwegh schrieb am 30. Juli 1893 in Paris folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Referat in Kutscher 1, S. 274:]


Als Frank länger fortbleibtvon Paris., warnt Frau Herwegh, er solle sich von dem dortigenin Zürich. Philisteriumdas spätere Berufsleben eines Studenten mit seinen Bindungen und Zwängen. nicht die Flügel stutzen lassen.

Frank Wedekind schrieb am 13. August 1893 in Zürich folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Emma Herwegh

[Notiz zum Kontext und Referat in Kutscher 1, S. 273:]


Er müht sichWedekind bemühte sich in Zürich einen Verlag für den von der Freundin gewünschten Neudruck ihrer Broschüre „Zur Geschichte der deutschen demokratischen Legion aus Paris. Von einer Hochverräterin“ (1841) [vgl. Emma Herwegh an Wedekind, 15.6.1893] zu finden, was ihm nicht gelang. Sie wurde dann drei Jahre später in einem Band im Albert Langen Verlag nachgedruckt [vgl. Zur Geschichte der deutschen demokratischen Legion aus Paris. Von einer Hochverräterin. In: 1848. Briefe von und an Georg Herwegh. Hg. von Marcel Herwegh. Paris, Leipzig, München 1896, S. 127-214]. nun allerdings erfolglos; in Zürich will niemand die Broschüre übernehmen, und zum Erstaunen der alten Herwegh ist sogar der damals tagende sozialistische KongreßWedekind hat den Internationalen Sozialistischen Arbeiterkongress, der vom 6. bis 12.8.1893 in Zürich stattfand, gemeinsam mit Otto Erich Hartleben besucht [vgl. Arthur Kahane: Tagebuch des Dramaturgen. Berlin 1928, S. 143], wie dieser am 19.8.1893 in einem Brief an seinen Verleger Samuel Fischer aus Zürich andeutete: „Den meisten Verkehr hab ich mit Frank Wedekind“ [Heitmüller 1912, S. 188]. ohne jedes Interesse. Wedekind weist auf deutsche Verleger hin, besonders auf Dietz in StuttgartWedekind hat sich mit dem sozialdemokratischen Verleger Johann Heinrich Wilhelm Dietz, Inhaber des Verlags J. H. W. Dietz in Stuttgart (Furthbacherstraße 18) [vgl. Adreß- und Geschäfts-Handbuch der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Stuttgart für das Jahr 1894, Teil I, S. 59], wegen eines Neudrucks der Broschüre seiner Freundin in Verbindung gesetzt, der ihr dann geschrieben hat, wie Wedekind am 6.7.1893 (soeben zurück in Paris) notierte: „gehe nach dem Abendessen zu Frau Herwegh. Dietz in Stuttgart hat ihr auf meine Veranlassung hin ein Anerbieten von 150 frs für ihre Brochüre gemacht“ [Tb]. [...]

Emma Herwegh schrieb am 15. August 1893 in Paris
an Frank Wedekind

[Referat und Zitat in Kutscher 1, S. 273:]


Er müht sichWedekind bemühte sich in Zürich einen Verlag für den von der Freundin gewünschten Neudruck ihrer Broschüre „Zur Geschichte der deutschen demokratischen Legion aus Paris. Von einer Hochverräterin“ (1841) [vgl. Emma Herwegh an Wedekind, 15.6.1893] zu finden, was ihm nicht gelang. Sie wurde dann drei Jahre später in einem Band im Albert Langen Verlag nachgedruckt [vgl. Zur Geschichte der deutschen demokratischen Legion aus Paris. Von einer Hochverräterin. In: 1848. Briefe von und an Georg Herwegh. Hg. von Marcel Herwegh. Paris, Leipzig, München 1896, S. 127-214]. nun allerdings erfolglos; in Zürich will niemand die Broschüre übernehmen, und zum Erstaunen der alten Herwegh ist sogar der damals tagende sozialistische KongreßWedekind hat den Internationalen Sozialistischen Arbeiterkongress, der vom 6. bis 12.8.1893 in Zürich stattfand, gemeinsam mit Otto Erich Hartleben besucht [vgl. Arthur Kahane: Tagebuch des Dramaturgen. Berlin 1928, S. 143], wie dieser am 19.8.1893 in einem Brief an seinen Verleger Samuel Fischer aus Zürich andeutete: „Den meisten Verkehr hab ich mit Frank Wedekind“ [Heitmüller 1912, S. 188]. ohne jedes Interesse. Wedekind weist auf deutsche Verleger hin, besonders auf Dietz in StuttgartWedekind hat sich mit dem sozialdemokratischen Verleger Johann Heinrich Wilhelm Dietz, Inhaber des Verlags J. H. W. Dietz in Stuttgart (Furthbacherstraße 18) [vgl. Adreß- und Geschäfts-Handbuch der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Stuttgart für das Jahr 1894, Teil I, S. 59], wegen eines Neudrucks der Broschüre seiner Freundin in Verbindung gesetzt, der ihr dann geschrieben hat, wie Wedekind am 6.7.1893 (soeben zurück in Paris) notierte: „gehe nach dem Abendessen zu Frau Herwegh. Dietz in Stuttgart hat ihr auf meine Veranlassung hin ein Anerbieten von 150 frs für ihre Brochüre gemacht“ [Tb]., aber sie antwortetauf den nicht überlieferten letzten Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Emma Herwegh, 13.8.1893.: „Deutschland ist kein Boden für uns Herweghs, glauben Sieʼs mir... Da diese Herren sämtlich ja heutzutage nicht einmal wagen, als historisches Dokument nachzudrucken, was ein Levyson anno 49 unternommen, so sehe ich einer abschlägigen Antwort des Herrn Dietz mit ziemlicher Gewißheit entgegen“.

Emma Herwegh schrieb am 23. August 1893 in Paris
an Frank Wedekind

[Notiz zum Kontext und Zitat in Kutscher 1, S. 273f.:]


Wedekind wendet sich an Reclam in Leipzigvgl. Wedekind an Philipp Reclam jun. (Verlag), 17.8.1893. und empfiehlt ihm das Heft als geschichtliches Dokument für seine Universalbibliothekdie 1867 im Verlag Philipp Reclam jun. in Leipzig gegründete Reihe „Reclam’s Universal-Bibliothek“, die preiswerte broschierte Bände bot.. Frau Herwegh freut sich über seine Rührigkeit: Es ist wirklich sehr anerkennenswert, wenn ein junger Schriftsteller, eben auf dem Punkt, seine Schöpfung auf die Bühne zu bringen, noch soviel Interesse für die Leistungen dritter behält, wie Sie es mir erweisen.

Emma Herwegh schrieb am 30. Dezember 1893 in Paris folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Kutscher 1, S. 271:]


Zu Silvester 93 schickte sie Wedekind eine Abschrift von Herweghs GedichtGeorg Herweghs Gedicht „Die drei Sterne“ war als eines seiner Sonette unter dem Obertitel „Dissonanzen“ in einer Beigabe zur Zeitschrift „Europa“ (siehe unten) erschienen [vgl. Georg Herwegh: Die drei Sterne. In: Lyrisches Album. 1841. Beigabe der Zeitschrift Europa. Hg. von August Lewald. Karlsruhe 1841, S. 58], die Druckfassung, nach der seine Witwe die Abschrift für Wedekind hergestellt hatte; das Gedicht wurden neben weiteren Gedichten Georg Herweghs im „Simplicissimus“ nachgedruckt [vgl. Georg Herwegh: Die drei Sterne. In: Simplicissimus, Jg. 1, Nr. 4, 25.4.1896, S. 3].Die drei Sterne“ aus dem Album für Boudoirsdas „Album der Boudoirs“, von 1836 bis 1840 erschienen (zuletzt im Literatur-Comptoir in Stuttgart), eine Beigabe der Zeitschrift „Europa. Chronik der gebildeten Welt“, 1841 unter dem Titel „Lyrischen Album“ fortgesetzt und weiterhin von August Lewald herausgegeben (Druck und Verlag des Artistischen Instituts F. Gutsch & Rupp in Karlsruhe). von 1841.

Emma Herwegh schrieb am 1. Februar 1894 in Paris
an Frank Wedekind

[Hinweis, Notiz zum Kontext,Referat und Zitat in Kutscher 1, S. 278f.:]


Die alte Herwegh blieb ihm auch in LondonWedekind reiste am 23.1.1894 von Paris, wo er Emma Herwegh zuletzt fast täglich getroffen hat, ab nach London, wo er am 24.1.1894 eintraf [vgl. Tb] und ein halbes Jahr blieb. eine vertraute Freundin. Es bedeutete etwas für ihn und befestigte seine hohe Meinung von ihr, wenn sie im Februar 94 schrieb: „Warten Sie mit Ihren Briefen an mich nie so lange, bis Sie Erfreuliches zu melden haben, denn so sehr ich dabei auch für Sie wünsche und hoffe, könnte doch durch die Bedingung eine gar zu große Lücke in unserer Korrespondenz entstehen, die nachher schwer auszufüllen. Denken Sie lieber und ausschließlich daran, daß ich so recht eigentlich der Freund fürs schlechte Wetter bin, daß mich das Leben nicht verwöhnt, man sich stets als selbstverständlich zu mir geflüchtet, wenn man den übrigen Bekannten aus dem Weg ging und – nicht selten entbehrlich gefunden, wenn endlich Sonne kam.“ Sie sprach den Wunsch aus, London möge ihm so wenig behagen, daß sein Weg ihn bald wieder nach Paris zurückführen werde [...]

Frank Wedekind schrieb am 20. Januar 1895 in Berlin folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Emma Herwegh

[Hinweis in Wedekinds Brief an Hans Kaeslin vom 2.2.1895 aus Berlin:]


Meinen Brief wird Frau Herwegh erhalten haben.

Emma Herwegh schrieb am 7. April 1899 in Paris folgenden Brief
an Frank Wedekind

Freitag den 7ten April 99


Lieber Freund, Wie kommt’s daß ich Sie seit vollen zwei Wochenseit dem 23. oder 24.3.1899. Wedekind saß in Paris an der „Überarbeitung“ [KSA 4, S. 413] seines Dramas „Ein gefallener Teufel“ (später: „Marquis von Keith“), was ihn sehr in Anspruch nahm. Er hat Emma Herwegh dann aber besucht [vgl. Emma Herwegh an Wedekind, 24.4.1899]. garnicht mehr sehe? Sind Sie krank, geht es Ihnen schlecht oder so beschäftigt daß Sie keinen freien Augenblick für Ihre alte Freundin übrig haben? Enfin(frz.) Kurzum., geben Sie mir, bitte, ein Lebenszeichen. Diesen Morgen erhielt ich ein paar Zeilen von Marcel aus FlorenzEmma Herweghs Sohn war offenbar von Monte-Carlo aus (siehe unten) nach Florenz gereist. in denen er mich bittet Sie an Ihr freundliches Versprechen wegen der Kaim-Conzertenach dem Konzertveranstalter Franz Kaim benannte Konzerte, die seit 1891 in München stattfanden, inzwischen unter der Leitung des Dirigenten Felix Weingartner. Das letzte Kaim-Konzert der Saison hatte der Presse zufolge am 24.3.1899 im Kaim-Saal in München stattgefunden, das „zwölfte Kaim-Konzert, mit dem der heurige Cyklus abschließt, wird zugleich das letzte Kaim-Chorkonzert dieser Saison sein.“ [Kaim-Konzert. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 52, Nr. 140, 24.3.1899, Morgenblatt, S. 2] Das erste Konzert in der folgenden Saison wurde für den 23.10.1899 angekündigt [vgl. Kaim-Konzerte 1899/1900. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 52, Nr. 333, 22.7.1899, Vorabendblatt, S. 2]. Marcel Herwegh ist als Violinist später bei einem dieser Konzerte verzeichnet: „München. 3. Januar. II. Kaim-Konzert. Suite von J. S. Bach, Violin-Konzert von Beethoven, D-dur-Sinfonie von Brahms. Solist: Marcel Herwegh.“ [Zeitschrift der Internationalen Musikgesellschaft, Jg. 3 (1902), Heft 5, S. 202] erinnern zu wollen: mais qu’ilmais qu’il le fasse sans tarder, car c’est le moment où on y aurait du choix des solistes. Qu’il donne aussi mon Drame: 30 rue Boissière, et les programmes ci-joint (frz.) = er möge das doch bitte umgehend tun, denn zurzeit könnten wir die Solisten noch aussuchen, und er möge bitte auch mein Drama und die beigefügten Programme in der Rue Boissière 30 abgeben. le fasse sans tarder, car c’est le moment on y aurait du choix des solistes,/./ q/Q/u’il donne aussi mon Dramenicht ermittelt.: 30 rue BoissièreMarcel Herwegh ist unter dieser Pariser Adresse im Verzeichnis der Mitglieder der Internationalen Musikgesellschaft vom 1.3.1901 aufgelistet: „Herwegh, Marcell. 30 rue Boissiere.“ [Drittes Verzeichnis der Mitglieder der Internationalen Musikgesellschaft, S. 8; Beilage zu: Zeitschrift der Internationalen Musikgesellschaft, Jg. 2 (1900/01)], et les programmes ci-joint. So, u jetzt erwarte ich Ihren lieben Besuch u zwar möglichst bald obschon ich | Ihnen außer meinem herzlichen Willkommen Nichts zu bieten habe.

Ihre
Emma Herwegh


P.S. Marcel hat wie Sie aus den Programmen ersehen zweimal in Monte-Carlo concertirtDie Pariser Presse brachte dazu eine Notiz aus Monte-Carlo: „De Monte Carlo: ‚M. Marcel Herwegh, le brillant violoniste, vient de remporter, au cours du dernier concert international, un vif succès pour sa virtuosité et sa remarquable interprétation de Beethoven et de Mendelssohn.‘“ [Le Figaro, Jg. 45, Nr. 67, 7.4.1899, 3. Série, S. 5] u einen großen Erfolg hat. Kapellmeister u Orchester (das vortrefflich sein soll) haben ihm eine wirkliche ovation gebracht. Näheres mündlich.

Emma Herwegh schrieb am 24. April 1899 in Paris folgenden Brief
an Frank Wedekind

Montag d. 23/4/. April 99


Aber, lieber Freund, wie kommt’s daß ich Sie trotz Ihres VersprechensWedekind dürfte Emma Herwegh nach ihrem letzten Brief, in dem sie auf einen Besuch drang [vgl. Emma Herwegh an Wedekind, 7.4.1899], besucht haben, vermutlich gleich am 8.4.1899, und ihr dabei bald einen erneuten Besuch versprochen haben. bald wieder zu kommen, seit mehr als zwei Wochenseit mindestens dem 10.4.1899, vermutlich seit dem 8.4.1899 (siehe oben). nicht mehr zu Gesicht bekommen? Sind Sie so glücklich, daß Sie darüber Alles vergessen? tant mieux(frz.) umso besser.! sollte es Ihnen jedoch wie ich fürchte, nicht glänzend gehen, so haben Sie kein Recht Ihrer alten Freundin den Anteil an Ihrem Pech vorzuenthalten.

Fräulein Read erwartet Ihren BesuchOb oder wann Wedekind die Schriftstellerin Louise Read, eine von seinen engsten Vertrauten in Paris, nach dem 24.4.1899 besucht hat, ist nicht ermittelt. nach 5 Uhr17 Uhr. Nachmittags an einem Tage, den Sie nach Belieben wählen können.

Mich, das wissen Sie, findet man fast stets daheim. Mit herzlichem Gruß
Ihre E. Herwegh

Emma Herwegh schrieb am 28. Mai 1899 in Paris folgenden Brief
an Frank Wedekind

Sonntag den 28ten Mai 99


Lieber Herr Wedekind;

Warum sehe ich Sie nicht?Wedekind plante, Paris am 30. oder 31.5.1899 zu verlassen [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 25.5.1899] und sich in Leipzig den Behörden zu stellen, um seine im Zuge der Majestätsbeleidigungsaffäre um den „Simplicissimus“ [vgl. KSA 1/II, S. 1710] zu erwartende „Strafe abzusitzen“ [Wedekind an Georg Stollberg, 28.5.1899]. Habe ich Sie ohne es zu ahnen in etwas verletzt? Das scheint mir unmöglich. Dazu kommt, daß Sie in letzter Zeit Ueberraschungen gehabt haben, die Ihnen nichts weniger als erfreulich gewesen sein können! – Das Alles seh u begreife ich aus der Ferne u habe deshalb das Bedürfniß Sie zu sprechen. Wenn Sie Ihren Bruder DonaldDonald Wedekind war kürzlich in Paris eingetroffen [vgl. Wedekind an Hans Richard Weinhöppel, 22.5.1899], aber möglicherweise bereits nach Zürich abgereist oder im Begriff, dies zu tun [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 25.5.1899]. sehen, sagen Sie ihm, bitte, in seinem Interesse, den Besuch bei H. Widorbei dem Komponisten („compositeur de musique“) Charles-Marie Widor in Paris (Passage de l’Abbaye 3-5) [vgl. Paris-Adresses 1898, S. 735], dem Hans Kaeslin (siehe unten) Deutschunterricht gab (was nun Donald Wedekind übernehmen sollte), wie er sich erinnerte: „Unter den Menschen, mit denen ich in Paris in Beziehung trat, muß ich den Komponisten Charles Marie Widor nennen [...]. Da er gelegentlich den Aufführungen seiner Werke in Deutschland beiwohnte, wünschte Widor ein wenig Deutsch zu lernen und wählte mich dazu, ihm die nötigen Stunden zu geben.“ [Kaeslin 1940, S. 72] nicht auf die lange Bank zu schieben, da es mehr als wahrscheinlich, daß er die verlassene Stelle dort wieder antreten kann. – Herr KäslinDr. phil. Hans Kaeslin, Lehrer, Übersetzer und Schriftsteller aus Aarau, erinnerte sich: „Als ich nach drei Jahren nochmals nach Paris kam, war Wedekind wieder da: er hatte wegen eines Spottgedichts auf Wilhelm II. [...] in die Schweiz flüchten müssen, um der Verhaftung zu entgehen. [...] Er sagte, es sei eine grosse Dummheit von ihm gewesen, sich dem auszusetzen in einem Zeitpunkte, da er sich durchzuringen im Begriffe stand. So beschloss er denn auch, sich den deutschen Behörden zu stellen. Ich verbrachte die Nacht bevor er abreiste, mit ihm [...] und [...] begleitete [...] ihn zur Bahn“ [Kaeslin 1940, S. 74]. Wedekind hatte ihn in Paris auch „bei Frau Emma Herwegh, der hochbetagten Gattin des revolutionären Dichters aus den vierziger Jahren des Jahrhunderts, eingeführt.“ [Kaeslin 1940, S. 75], den ich vor wenigen Tagen | gesprochen, sagte mir, daß die Vormittagstunde von 11 – 12 bei genanntem Herrn ihm nicht convenirekonvenieren = zusagen, gefallen, passen, annehmbar sein., weil sie ihm den ganzen Morgen abschneide – ein Umstand der Ihrem Bruder, der keine regelmäßige Beschäftigung hat aber sucht, nur willkommen sein muß. Ist Ihre Arbeit vollendetWedekind hat am 22.5.1899 in Paris die Überarbeitung seines Dramas „Ein gefallener Teufel“ (später: „Marquis von Keith“) abgeschlossen [vgl. KSA 4, S. 413]., so hoffe ich, bringen Sie mir dieselbe mit, im andern Fall kommen Sie ohne dieselbe. Mich dünkt an Stoff zur wirklichen Unterhaltung fehlt’s weder Ihnen noch mir wenn Sie mir die Freude machen zu kommen.

Mit herzlichem Gruß
Ihre
alte Freundin
E. Herwegh. |


Vielleicht kommen Sie diesen Abend etwas vor, falls diese Zeilen noch heute in Ihre Hände gelangen.