Briefwechsel

von Hermann Plümacher und Frank Wedekind

Hermann Plümacher schrieb am 23. April 1881 in Schaffhausen folgenden Brief
an Frank Wedekind

Steindem Briefinhalt zufolge ein Schreibversehen, statt: Schaffhausen. – Olga Plümacher, geborene Hünerwadel, die ‚philosophische‘ Tante Frank Wedekinds und Jugendfreundin seiner Mutter, war mit ihren Kindern Hermann und Dagmar von Stein am Rhein etwa 20 Kilometer rheinaufwärts nach Schaffhausen umgezogen, wo sie sich am 29.4.1881 anmeldete [vgl. Luchsinger 1989, S. 442]. d 23 Apr. 1881.


Lieber Franklin!

Nun bist du noch unter den L lebenden oder nicht, daß man nichts von dir hörtHermann Plümacher wurde am 21.4.1881 17 Jahre alt und hatte vermutlich spätestens zu diesem Anlass einen Gruß von dem wenige Monate jüngeren Freund erwartet.. Hoffentlich, hast du nicht mit dem Leben abgerechnet, oder hast du so LiebesschmerzenWedekind hatte andere Sorgen, bei der öffentlichen Übergabe der Jahreszeugnisse am 14.4.1881 war er nicht in die III. Klasse des Gymnasiums versetzt worden und hatte die Kantonsschule Aarau verlassen., daß, du gar nicht mehr an mich denkst? Also vergiß es nicht, sonst will ich böse werden mit dir, u dann les ich dir die LevitenRedewendung: ernste Vorhaltungen wegen tadelnswürdigen Verhaltens machen. in den Sommerferien.

Gottlob, alles ist überstanden, das Examenvermutlich die Prüfung für die mittlere Reife., die ComfirmationSchreibversehen, statt: Confirmation; in der evangelischen Kirche das Glaubensbekenntnis der Jugendlichen, die als Kinder getauft wurden., der Umzug nach Schaffhausen (od: Boellenopolis(schweiz.) Stadt der Zwiebeln; scherzhaft für Schaffhausen: „Und sind die Früchte rings verbrannt, sieht’s aus wie in der Höllen: im glücklichen Schaffhauserland gerieten doch die B.“ [Schweizerisches Idiotikon, Bd. IV, Sp. 1175 (Lied zum eidgenössischen Schützenfest in Schaffhausen 1865)]) u die PrüfungEingangsprüfung für neuaufzunehmende Schüler. in die IIte Klasse des (hies) Schaffhausen/r/ Gymnasiumwie die Kantonsschule Aarau bestand auch die Kantonsschule Schaffhausen aus einem Progymnasium (2 Klassen), Gymnasium (4 Klassen) und einer Gewerbeschule (4 Klassen).. | Ich bin definitiv drinnen, u am 2.tenam 2.5.1881. geht die Schule an.

Viel n/N/eues weiß ich nicht, auch nichts Interessantes, gar nichts, weiß ich, nicht ein mal ein e Liebesabenteuer,. Warum? Darum! weil ich kein Schatz hab.

Ich bin gesund u wohl, abgerechnet, eines Schnupfens. Bitte, schreib mir wie es Wille, Armin, Mize Dodda u Miledie Ruf- oder Kosenamen der fünf Geschwister Frank Wedekinds: William, Armin, Erika, Donald und Emilie. geht, u was du selber treibst.

Letzhin hab ich die Knallbaumwollechemischer Schulversuch: Etwas Watte wird mit Nitriersäure (Gemisch aus 100 ml konzentrierter Salpetersäure und 125 ml konzentrierter Schwefelsäure) in einer Porzellanschale übergossen. Nach zehn Minuten wird der Wattebausch so lange mit Wasser abgespült, bis das Waschwasser neutral reagiert (Test mit pH-Papier). Anschließend trocknet man die Schießbaumwolle auf einem Filterpapier. Die Baumwolle ändert ihre Konsistenz während der Reaktion nicht. Nach der Reaktion verbrennt sie rückstandslos unter Verpuffung schon bei Berührung mit einer heißen Fläche. bereitet. Ich nahm Watte, tauchte sie in concentrirte Salpetersäure u wußSchreibversehen, statt: wusch. sie aldSchreibversehen, statt: als. dann aus, das Resultat war daß es mir den ApperatSchreibversehen, statt: Apparat. zersprengte u jetzSchreibversehen, statt: jetzt. laß ich meinetwegen die verpönten Nihilistenrussische Anarchisten und Anhänger sozialrevolutionärer Ideen, denen seitens der russischen Regierung die Befürwortung eines gewaltsamen Umsturzes in Rußland und das tödliche Bombenattentat an Zar Alexander II. (13.3.1881) unterstellt wurden, was nicht unwidersprochen blieb: „Die Nihilisten sind die ärgsten Feinde der bestehenden Verhältniße“, aber daß sie „ganze Stadttheile in die Luft zu sprengen im Stande gewesen“ wären, daß sie „allein die Czarenmörder und in allen Schichten der Bevölkerung verbreitet seien,“ gehöre „zu jenen Erfindungen, welche die russische Regierung stets bei der Hand hat, wenn es gilt, ihre egoistischen Zwecke der übrigen Welt aufzudringen.“ [Kremser Wochenblatt, Jg. 26, Nr. 15, 9.4.1881, S. 1] solch Teufelszeug bereiten.

Nun b/l/ebe wohl lieber Franklin, bleibe gesund u wohl, u grüße die Deinen von mir u Dagi u Mamma vielmal.
Dein Freund
Herm. PlümacherHermann Plümacher, aufgewachsen in der Schweiz und der von seinem Vater Eugen Hermann Plümacher mitgegründeten Kolonie Grütli in Beersheba Springs (Tennessee, USA), lebte seit 1877 mit der Mutter Olga Plümacher und der 3 Jahre jüngeren Schwester Dagmar wieder in der Schweiz, von wo die Familie Ende 1886 endgültig nach Beersheba Springs zurückkehrte [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 34]. Am 4.1.1878 wurde Hermann Plümacher zusammen mit Frank Wedekinds jüngerem Bruder William Lincoln, Heinrich Hünerwadel und Fritz Hünerwadel, Albert Walti, alle aus Lenzburg, in die I. Klasse der Bezirksschule Lenzburg aufgenommen. Im Juli 1878 zog Hermann Plümacher „mit seinen Eltern nach Stein AR“ (am Rhein) [Stadtarchiv Lenzburg, Schülerverzeichnis Knabenbezirksschule 1842-1899, Nr. 908; vgl. Nr. 903, 904, 922, 932]..

Frank Wedekind schrieb am 20. Oktober 1881 in Lenzburg folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Hermann Plümacher

[Hinweis in Hermann Plümachers Brief an Wedekind vom 15.12.1881 aus Schaffhausen:]


[...] daß ich dich so schreiben ließ [...] Ich habe die SendungenHinweis auf das hier erschlossene und mindestens ein weiteres nicht überliefertes Begleitschreiben zu einer Sendung [vgl. Wedekind an Hermann Plümacher, 20.11.1881]. erhalten [...] Mit dem Briefedas hier erschlossene Begleitschreiben. der bei dem Revolver war [...]

Frank Wedekind schrieb am 20. November 1881 in Lenzburg folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Hermann Plümacher

[Hinweis in Hermann Plümachers Brief an Wedekind vom 15.12.1881 aus Schaffhausen:]


[...] daß ich dich so schreiben ließ [...] Ich habe die SendungenHinweis auf das hier erschlossene und mindestens ein weiteres nicht überliefertes Begleitschreiben zu einer Sendung [vgl. Wedekind an Hermann Plümacher, 20.10.1881]. erhalten [...] Ich danke dir vielmal für den FaustGoethes Faust (eine Ausgabe von Faust I und Faust II in einem Band), das von Wedekind dem Freund zugesandte Buch. [...]

Hermann Plümacher schrieb am 15. Dezember 1881 in Schaffhausen folgenden Brief
an Frank Wedekind

Schaffh – 15 Dez 1881


Lieber Freund Franklin!

Du hast wahrlich Grund bös mit mir zu sein, daß ich dich so schreiben ließ ohne dir eine Antwort zu schicken, doch ist es wahrlich nicht in böser Absicht geschehen u du wirst mir also wohl verzeihen können. Auf dieses hoffe ich nehmlich, u erwarte daß du mir also bald wieder schreiben werdest. Denn wenn ich schon kein Freund vom Schreiben bin, so lese ich doch deine Briefe, sehr gern u ich freue mich d jedesmal wenn ich einige Zeilen von Dir erhalte. Ich habe die Sendungen erhaltenHinweis auf zwei nicht überlieferte Begleitschreiben zu Sendungen (siehe unten). u werde darauf später zurückkommen. Mit dem Briefe der bei dem Revolver warnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hermann Plümacher, 20.10.1881. hast du mir einen schönen Schrecken eingejagt, zum Glücke ohne Grund | Als ich das Mordinstrument wieder sah, wurde ich zuerst bleich dann roth, das weis ich bestimmt, welch andere Farben ich noch annahm, weis/s/ ich nicht, nur soviel ist sicher daß mir ein Stein vom Herzen fiel als ich es wieder in Händen hatte. Das ist auch ein Grund gewesen warum ich nicht geschrieben habe. Natürlich will ich keinen Schadenersatz, er ist nähmlich schon wieder verkauft, in dem zerbrochenen Zustand für Frs. 4 also habe kein Kummer für mich, nur hatte mich die Rechnung zuerst ein wenig in Verlaegheit gestrürztSchreibversehen, statt: „Verlegenheit gestürzt“.. Ich werde auch deiner Mamma schreiben und sie um Entschuldigung bitten gewiß meint sie ich seinSchreibversehen, statt: „sei“. ein Rabenkerl (und) und wird denken ich habe ihm das Instrument aufgeschwatzt. Doch weiß ich gewiß daß du mich verteidigt hast.

Ich danke dir vielmal für den FaustHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zum zugesandten Buch, eine Ausgabe von Goethes Faust; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hermann Plümacher, 20.11.1881., er ist sehr schön, geschrieben, ich habe beide TheileGoethes 1808 veröffentlichte Tragödie „Faust“ (auch: „Faust. Der Tragödie erster Theil“ oder: „Faust I“) sowie das postum (1832) erschienene Drama „Faust. Der Tragödie zweiter Theil“ (auch: „Faust II“). |


Wennüber der Zeile ein Textverlust von 6-7 Zeilen; das obere Drittel des Blatts ist herausgerissen. der Goethe, in seinem Faust, Sc schweinereienSchweinereien. – Gemeint sein dürften insbesondere die durch Anstandsstriche gekürzten Wörter und Passagen, wie die Verse des Hexenchors in „Faust I“ (Walpurgisnacht): „So geht es über Stein und Stock, / es f–t [furzt] die Hexe, es st–t [stinkt] der Bock.“ [Goethes Werke (WA), Bd. 14, S. 200 = V. 3960f.] oder (Mephistopheles, Walpurgisnacht): „Einst hatt’ ich einen wüsten Traum; / Da sah ich einen gespaltnen Baum, / der hatt’ ein – – – [ungeheures Loch]; / so – [groß] es war, gefiel mir’s doch.“ [ebd. S. 208 = V. 4136-39] dem die Alte antwortet: „Ich biete meinen besten Gruß / Dem Ritter mit dem Pferdefuß! / Halt’ Er einen – – [rechten Pfropf] bereit, / wenn Er – – – [das große Loch] nicht scheut.“ [ebd. = V. 4140-43] oder auch die Satanszene aus dem Urfaust, die erstmals 1836/37 in den „Paralipomena zu Faust“ veröffentlicht wurde [vgl. Goethe’s Poetische und prosaische Werke. Bd. 1.2. Stuttgart u. Tübingen 1836, S. 179f.]. sagt, so hat er eine Entschuldigung. DenSchreibversehen, statt: Denn. vom Teufel erwartet man nichts besseres, aber wenSchreibversehen, statt: wenn. Schiller seinen Helden solche Wortevermutlich Passagen in Schillers Drama „Die Räuber“ (1781), wie etwa die derbe Sprache der Räuber (in II,3): „Schweizer. So wollt’ ich doch, daß du im Kloak erstiktest, Drekseele du! Bei nakten Nonnen hast du ein grosses Maul, aber wenn du zwey Fäuste siehst, – Memme, zeige dich izt, oder man soll dich in eine Sauhaut nähen, und durch Hunde verhezen lassen.“ [Schillers Sämmtliche Schriften, T. 2, S. 98] oder auch der Dialog zwischen Amalia von Edelreich und Franz Moor (III,1). eingibt, so (zeig) ist daß nicht mein Geschmack. Entweder war Schiller noch JungSchreibversehen, statt: jung., u es sind seine alten Stücke, dann kann man es verzeihen, oder er ist ein Schw.....

Ich glaube ja gern, daß es solche Zustände damals waren, aber warum beschreiben? Die LiebesanglegenheitSchreibversehen, statt: Liebesangelegenheit. ist flau.

Grüße mir Willi u deine GeschwisterHermann Plümacher unterschied zwischen William Lincoln Wedekind, dem 2 Jahre jüngeren Bruder Frank Wedekinds, und den kleineren Geschwistern Erika (Mieze), Donald und Emilie (Mati). Der ältere Bruder Armin Wedekind wohnte nicht mehr zu Hause, er studierte im zweiten Semester Medizin in Zürich [vgl. Matrikeledition der Universität Zürich 1833-1924, Nr. 6136 (https://www.matrikel.uzh.ch/active/static/23376.htm, abgerufen am 11.5.2023)]. An Weihnachten 1881 dürfte er nach Hause gekommen sein., u vergiß nicht dem reuigen Sünder, der
in Schaffh. weilt zu schreiben.
Tausend Grüße schickt Dir
E. H. Plümacher


[Am rechten Rand um 90 Grad gedreht:]

Dein Buchwohl das ausgeliehene Exemplar von Goethes „Faust“. schicke ich dir bald

Frank Wedekind schrieb am 25. Dezember 1881 in Lenzburg folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Hermann Plümacher

[Hinweis in Hermann Plümachers Brief an Wedekind vom 27.1.1882 aus Schaffhausen:]


Um auf deinen Brief zurück zu kommen [...]

Hermann Plümacher schrieb am 27. Januar 1882 in Schaffhausen folgenden Brief
an Frank Wedekind

Schaffhausen 27. Jan 1882


Lieber guter Franklin!

Sei mir ja nicht böse, daß ich kein Lebenszeichen von mir gebe, aber du weißt ja wie es oft geht.

Da zuSchreibversehen, statt: Dazu. haben wir ziemlich viel AufgabenHermann Plümacher besuchte die II. Klasse des Gymnasiums der Kantonsschule Schaffhausen [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 23.4.1881]..

Um auf deinen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hermann Plümacher, 25.12.1881. zurückzukommen, möchte ich dich ersuchen, mir den ersten Theil näher zu erklären, da ich nicht alles verstehen kann. Was du da von Neugier sprichst, ist mir unerklärlich. Bitte dich also es m mir das Räthsel aufzulösen. Bitte sprich also frisch von der Leber weg & ich nehme gerne Belehrung an von Dir. | Was du über Schiller und Göthe schreibst finde ich wahr. DenSchreibversehen, statt: Denn. GöetheSchreibversehen, statt Göthe (Goethe). hat auch Schund geschrieben, auf jeden fallsSchreibversehen, statt: auf jeden Fall. hat sich Goethe mehr auf sein Können gestützt, als Schiller. Ich meine in Beziehung auf das äußere. Schiller hat seine Sachen mehr gefeilt als Göthe es je gethan.

Also bin ich natürlich von dir wieder einmal bekehrt worden, was eigentlich natürlich ist. Du kannst das zuwege bringen. Ich schicke hiermit deinen Schillerein nicht näher bestimmter Band Schillerscher Schriften, den Wedekind vermutlich schon im Herbst 1881 mit Goethes Faust an den Freund geschickt hatte [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 15.12.1881]. dankend zurück. Den Faust nehme ich, gerne, wie du es mir angeboten hast als Geschenk an, u danke dir viel mal dafür. Bei der K/k/lassischen | WaldpurgisnachtSchreibversehen, statt: Walpurgisnacht; die klassische Walpurgisnacht stammt aus „Faust II“ [(II,3), V. 7005-8487]., geht es mir wie dem Schüler wo er sagt

Es wird mir bei allen dem so dumm,Zitat aus „Faust I“ (Schüler, Studierzimmer): „Mir wird von alle dem so dumm, / Als ging’ mir ein Mühlrad im Kopf herum.“ [Goethes Werke (WA), Bd. 14, S. 91 = V. 1946f.]
Als gieng mir ein Mühlrad im Kopfe herum,[“]

Diese Stelle läßt sich am besten in der Stimmung vortragen, in der wir von Stein heimkamenwohl von einem Besuch in Stein am Rhein; Olga Plümacher, Wedekinds ‚philosophische Tante‘, war erst im Herbst 1881 mit ihren Kindern Hermann und Dagmar von Stein am Rhein nach Schaffhausen umgezogen.. Die GeigeOlga Plümacher nannte das Instrument eine „Indianergeige“ [Olga Plümacher an Wedekind, 31.1.1882], ihr Sohn in einem anderen Brief eine „Gitarre“ [Hermann Plümacher an Wedekind, 9.2.1882]., habe ich erhalten und werde sie dir, auf deinen Wunsch hin schicken.

Sie ist nicht eine von denen,Schreibversehen, statt: von denen, die. 10,000 Mark kosten. Aber du kannst schon etwas damit machen.

Mit E.nicht ermittelt. ist es s jetzt sehr stumm. Wie ich höre soll der Schwarz | aufs hiesige Gymnasium kommen„Auf Ostern 1882“ war die „Stelle eines Professors der deutschen Sprache und Literatur am Gymnasium (Kantonsschule) in Schaffhausen“ [Der Bund, Jg. 32, Nr. 347, 17.12.1881, S. (8)] ausgeschrieben, mit 20 Unterrichtsstunden die Woche zu 3200 Franken bzw. bei zusätzlichen 2 Wochenstunden Philosophieunterricht zu 3400 Franken Besoldung. Als Bewerbungsschluss war in der Stellenanzeige der 15.1.1882 genannt., das wäre ja schrecklich, wenSchreibversehen, statt: wenn. wir den bekämen, denSchreibversehen, statt: denn. den sehe ich lieber von ferne an.

Ich habe hier sagen hören, mit „Willy“ stehe es nicht gutFrank Wedekinds 2 Jahre jüngerer Bruder William, der zusammen mit Freunden mit einem Flobert-Stutzer „auf das Abtrittfenster im 1. Stock des Gasthauses ‚Krone‘ geschossen“ [Vinçon 2021, Bd. 2, S. 18] hatte, wurde daraufhin von der Bezirksschule Lenzburg verwiesen und von der Gemeindeverwaltung zu drei Tagen Haft verurteilt. Vater Friedrich Wilhelm Wedekind wurde scharf verwarnt, da er seine Aufsichtspflicht hinsichtlich des Gewehrs schwer verletzt hatte [vgl. ebd.]., bitte erkläre es mir, aber sei nicht böse mit mir wegen der Frage.

Bitte verzeih das geschriebselSchreibversehen, statt: Geschreibsel. bald, mit der Geige kommt ein langer Brief.

Viele Grüße an alle deine lieben Geschwister, an Willy u DodaDie Spitznamen von William Lincoln und Donald Wedekind. besonders, ferner deiner lieben Mamma und dem Herrr/n/ Dr.Frank Wedekinds Vater, der promovierte Arzt Friedrich Wilhelm Wedekind.

Dann noch meinen Dank an FriedaDie älteste Schwester Frank Wedekinds, Erika (Mieze), hatte von den Eltern drei Vornamen (Frieda, Marianne, Erika) erhalten und wurde in ihrer Jugend Frieda genannt., u ich verbleibe dein älterSchreibversehen, statt: alter.

Freund H Pl

Frank Wedekind schrieb am 30. Januar 1882 in Lenzburg folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Hermann Plümacher

[Hinweis in Hermann Plümachers Brief an Wedekind vom 31.1.1882 aus Schaffhausen:]


So eben erhalte ich deinen lieben Brief [...]

Hermann Plümacher schrieb am 31. Januar 1882 in Schaffhausen folgenden Brief
an Frank Wedekind

Schaffhausen den 31 Jan.


Lieber guter Franklin!

So eben erhalte ich deinen lieben Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hermann Plümacher, 30.1.1882., der mich in Kenntniß setzt von der Parteilichkeit der Lenzburger Behörden. Daß für den UnsinnHintergrund der Aufregung war ein Jugendstreich von Frank Wedekinds 2 Jahre jüngerem Bruder Willi, der am 10.1.1882 zusammen mit Albert Calame „auf das Abtrittfenster im 1. Stock des Gasthauses ‚Krone‘ geschossen“ [Vinçon 2021, Bd. 2, S. 18] hatte und daraufhin von der Bezirksschule Lenzburg verwiesen worden war. Vater Friedrich Wilhelm Wedekind wurde scharf verwarnt, da er seine Aufsichtspflicht hinsichtlich des Gewehrs (eines Flobert-Stutzers) schwer verletzt hatte [vgl. ebd.]. ihnen 2 oder 3 Stunden nich ArestSchreibversehen, statt: Arrest. nichts schaden, das wirst du auch zugeben, aber solch eine unnm unmenschliche Strafe ist ist nichts, und noch dazu den 1ten 9 dennSchreibversehen, statt: den (bzw. dem). andern aber 72 StundenDie Lehrerkonferenz, die am 17.1.1882 in der Angelegenheit getagt hatte, beantragte bei der Schulpflege die „Ausweisung“ der beiden Schüler von der Schule sowie 9 Stunden Arrest im Rathaus („von 8 bis 5 ohne Beköstigung“) für Willi Wedekind. Der Empfehlung, „gegen diesen Schüler“ den Richter anzurufen, „weil die öffentl.[iche] Sicherheit auf schreckl.[iche] Weise gefährdet“ worden und er 16 Jahre alt sei, folgten die Behörden und verurteilten ihn zu drei Tagen (72 Stunden) Haft. Für Albert Calame wurde der Schulverweis durch einen 9-stündigen Arrest ersetzt [vgl. Stadtarchiv Lenzburg III LD.3 Protokolle der Lehrerkonferenz der Bezirksschule, 1870-1886 (nicht paginiert), 17.1.1882].. Aber warum hat dann den VaterSchreibversehen, statt: dein (oder: der) Vater – Friedrich Wilhelm Wedekind. nicht rekours ergriffenschweiz. Rechtssprache: Einspruch erhoben. gegen einen solchen Urtheilsspruch? | Das ist gegen den Fremden ugerechtSchreibversehen, statt: ungerecht. - Frank Wedekind, dessen Familie 1872 zugezogen war, zählte nicht zu den Einheimischen. und mit 2erlei Maaß gemessen. Da aber GalamSchreibversehen, statt: Calame. Albert Calame aus Basel war 1877 – nach dem Tod der Eltern – mit seinen beiden Geschwistern zur Verwandtschaft nach Lenzburg gekommen, besuchte im Schuljahr 1881/82 die II. Klasse der Bezirksschule in Lenzburg und war ein Schulfreund von Willi Wedekind. ein VerwanterSchreibversehen, statt: Verwandter. zu Ringier et Comp Nahe verwandtschaftliche Beziehungen bestanden zwischen den Familien Calame, Ringier, Oschwald, Hünerwadel und Bertschinger. Albert Calames verstorbene Mutter Albertine war eine geborene Hünerwadel. Ihre älteste Schwester, Sophie Hünerwadel, hatte den Handelsmann Salomon Alfred Oschwald aus Schaffhausen geheiratet und war über ihn mit der Lenzburger Schriftstellerin Fanny Oschwald-Ringier verschwägert, die wiederum neben den eigenen Kindern noch die 3 verwaisten Kinder ihres Bruders Rudolf Ringier großzog. Direkt verwandt waren die Lenzburger Ringiers nicht mit Albert Calame, der bei dem Kaufmann Otto Bertschinger und seiner Frau Emma, einer ebenfalls älteren Schwester seiner Mutter, lebte. Sein Vetter Heinrich Hünerwadel, Sohn der jüngsten Hünerwadel-Schwester Karoline und des Friedrich Adolf Hünerwadel, war zusammen mit Willi Wedekind und Hermann Plümacher am 4.5.1878 in die I. Klasse der Bezirksschule Lenzburg aufgenommen worden [vgl. Die Nachkommen des Hans Martin Hünerwadel in Lenzburg 1609 1937, Töchter No. 89, 91, 97, 101 (Stadtarchiv Lenzburg III X4, V Nr. 1 b); Auskunft des Lenzburger Stadtarchivars Christoph Moser].ist, so kanSchreibversehen, statt: kann. man sich über so was nicht wundern. Den VaterSchreibversehen, statt: Dein (oder: Der) Vater., sollte aber da eingreifen b denn das ist ja unter dem HundRedensart, für: sehr schlecht..

Was du da sagst von Durchprügeln billige ich, u es reut mich daß ich nicht dabei sein kann., denSchreibversehen, statt: denn. das würde mich freuen meine steifen Glieder ein wenig in Bewegung zu setzen, auf dennSchreibversehen, statt: den. Rücken eines der Herren Ringier Oschwald HunerwadelKonkret dürfte Hermann Plümacher hier an Werner Ringier, Walther Oschwald und Heinrich Hünerwadel (IV. Klass) gedacht haben, die mit Albert Calame (II. Klasse) und Willi Wedekind (IV. Klasse) die Bezirksschule Lenzburg besucht hatten bzw. noch besuchten. et cetera. |

Trotz deinem Verbote, hab ich es der Mamma gesagt, doch du weißt auf sie kannst du dich verlassen und wird sie dir einige Zeilenvgl. Olga Plümacher an Wedekind, 31.1.1882. in meinen Brief beilegen. Dann habe ich Grüße von P. Schenkvermutlich Schreibversehen, statt: B. Schenk; Bernhard Schenk, gelernter Gärtner, der als Autodidakt zu Mineralien, Pflanzen, Tieren der Umgebung forschte und in Stein am Rhein eine Naturalien- und Lehrmittelhandlung betrieb. an euch auszure/i/chten.

Doch noch einmal von der Geschichte: was fehlt dem Willi, daß er so „dumm[“] handelt?

Über das erklärenSchreibversehen, statt: das Erklären; die Interpretation von Stellen aus Goethes Faust und Schillers Werk, um die Hermann Plümacher gebeten hatte [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 27.1.1882]. bin ich dir dankbar, u freue mich daß es nur das bedeutet, doch hast du viel zu fein durch die „Blume“ geredt, denn ich Kaffer(jiddisch) Bauer, Dörfler; dummer Kerl. hab’ es nicht verstanden. Rede ein ander mal nur frisch von der Leber weg, ich hab einen starken Magen | und nehme dir nicht gleich etwas übel. Die Geigedie einige Tage zuvor angekündigte Geige [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 27.1.1882], das später auch als Indianergeige oder Gitarre bezeichnete Instrument. geht mit der =Post. Möge Sie dir viel Vergnügen bereihtenSchreibversehen, statt: bereiten.. Wie geht es dir in AarauNachdem er für ein halbes Jahr von der Schule abgemeldet war, besuchte Wedekind seit November 1881 wieder die II. Klasse des Gymnasiums der Kantonsschule Aarau. Er wurde aus gesundheitlichen Gründen vom Turnen und Singen befreit [vgl. StAAG, DE02/0167/03 (Aufnahmen, Entlassungen Dispensationen)] und hatte ein Pensionszimmer bei Regula Huber am Zollrain 88 in Aarau [vgl. Kutscher 1, S. 33].? in welcher Klasse bist Du? wo kommst du noch g/j/eden Abend heim? Sieh das sind so f/F/ragen, die ich na an dich re/i/chte u dich bitte sie mir bald zu beantworten.

Ich war Unwohl, hatte eine Halsentzündung, bin aber wieder auf den Beinen. Also viele Grüße an die Deinen u den armen Willi, sag ich verzeihe ihm seine Sünden, er wird schon wissen was.

Bleibe gesund u wohl, erfreue u erlabe dich an deiner Gitarre und sei gegrüßt u geküßt von d. dich lieb
H. P.


[um 90 Grad gedreht am linken Seitenrand:]

Natürlich schreibst du mir bald, so daß ich dich nicht auch ermahnen muß’

Frank Wedekind schrieb am 8. Februar 1882 in Lenzburg folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Hermann Plümacher

[Hinweis und Referat in Hermann Plümachers Brief an Wedekind vom 9.2.1882 aus Schaffhausen:]


Ich habe so eben deinen lieben Brief erhalten. Und deine Schilderung von den Versuchen auf der Gitarre amüsirt mich [...]

Hermann Plümacher schrieb am 9. Februar 1882 in Schaffhausen folgenden Brief
an Frank Wedekind

Schaffhaus. den 9ter/n/ Feb. 82.


Lieber Herzens Bruder!

Ich habe so eben deinen lieben Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hermann Plümacher, 8.2.1882. erhalten. und deine Schilderung von den Versuchen auf der Gitarredas auch als Indianergeige bezeichnete Instrument, das Hermann und Olga Plümacher am 31.1.1882 an Wedekind geschickt hatten. amüsirt mich so, daß ich mich aus dem prosaischen Leben herausreiße und mich aufs Dichten verlege. Hier das Resultat. Doch bevor ich es dir schreibe bitte ich Dich es mir nicht übel zu nehmen. Also hier mein erstes Gedicht. Das ich dir widme:


1) Ich kenn einen schönen Jüngling
Im fernen Aare-Landder Aargau, durch den die Aare fließt.,
An den bin ich gekettet
Durch treuen Freundschafftsband.

–––

2) Und dieser schöne Jüngling
Ist Sänger u Poet
Und oft in schönen Nächten |
Er auf d Er in dem Zimmer steht.

–––

3) Warum ist man so traurig
Im (großen) weiten schönen SchloßSchloss Lenzburg, das Frank Wedekinds Vater Friedrich Wilhelm 1872 gekauft hatte.?
Was rennet so von dannen
Der große Dienertroß?

–––

4) Was tönet da so schaurig
Wohl durch den langen Gang?
Es tönet immer dumpfer!
Es wird mir angst u bang!

–––

5) Wer lößtSchreibversehen, statt: löst. uns wohl das Räthsel
Vor dem wir alle stehn?
Wer zeuget solche Töne
An den Zugrund wir gehn?

–––

6) Das ist der große Franklin
Ein Wittikinnerdialektal für: Wedekinder (weiße Kinder). Sproß
Er spielet auf der LyerSchreibversehen, statt: Leier; Hermann Plümacher dürfte die Geige (Gitarre) gemeint haben.
In seinem Ahnenschloß.

–––

7) Doch er ist nicht alleine,
Der WilliFrank Wedekinds nächstjüngerer Bruder William Lincoln, das dritte von 6 Geschwistern. singt dazu
Und MiezeKosename für Frank Wedekinds Schwester Erika, das vierte Geschwister. gar die kleine
Sie spielt Klavier dazu. |


SieSchreibversehen, statt: Sieh. hier verläßt mich meine Begeisterung ich finde kein Schlußwort. Muß wiederholen. Das ist ein schöner Anfang nurwohl Schreibversehen, statt: nun. noch ein Gelegenheits GedichtGedicht, das zu einem bestimmten Anlass (zum Beispiel zu Geburtstag, Heirat, Jubiläum, Tod) angefertigt wird.. Doch zu erst die Erzählung.

Gestern pißte die Katze aufs Kanapee und hier meine Worte:


Die Katze sitzt, die ganz schwarze
Wohl auf dem Kannapee
Und krazt mit der schwarzen Tatze
Rund um den Wassersee!!!!!!!


Bitte. schreibe mir bald, aber kanzle mich nur nicht ganz in Stücke. Also bitte ich um Entschuldigung für mein Gedicht. Sei mir nicht bös alter Freund u vergiß nicht deinen alten Freund H. Plümacher.


Schick mir bald Antwort und ein Gedicht von dir.

Wi Viele Grüße an die Deinen. von dem dich innig liebenden
H. Plümacher

Frank Wedekind schrieb am 29. April 1882 in Lenzburg folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Hermann Plümacher

[Hinweis und Referat in Hermann Plümachers Brief an Wedekind vom 8.6.1882 aus Schaffhausen:]


[...] unser Briefverkehr auch im stocken [...] Du machtest eine große Reise [...] seit den Ferien hüllten wir uns in Schweigen [...]

Hermann Plümacher schrieb am 8. Juni 1882 in Schaffhausen folgenden Brief
an Frank Wedekind

Schaffh. den 8ten Juni. 1882.


Lieber Franklin!

Wenn unser Briefverkehr auch im stocken ist, so hoffe ich doch, daß unsere Freundschaft nichSchreibversehen, statt: nicht. aufgehört hat und wenn es auch bei dir der Fall ist, daß du mich mochSchreibversehen, statt: noch. deinen Freund nes/nn/st, so wollen wir diese wieder auffrischen, wie der Mai auch alles aufgefrischt hat.

Du machtest eine große Reisevermutlich nach Stuttgart, wo Wedekinds Stiefoma, Johanna Kreuzer-Kammerer lebte; den Ort schrieb er in ein chronologisches Verzeichnis am Ende des Münchner Tagebuchs: „1882 Stuttgart.“ [Tb nach 22.10.1890] das weiß ich noch, doch weiter habe ich keine Kunde von dir, denn seit den Feriendie Frühjahrsferien (15.4. – 29.4.1882) nach dem Ende des Schuljahrs 1881/82. hüllten wir uns in Schweigen ein. Wie du wohl wissen wirst bin ich jetzt in der IIIten Klasse, und du bist ja auch avancirt(frz.) aufgestiegen; versetzt. – Wedekind besuchte ebenfalls die III. Klasse des Gymnasiums., das freut mich natürlich auch., w/W/enn, du lieber Franklin | ich nenne dich noch so, bis du mir die Freundschaft aufsagst, dich interessirst, so will ich dir in meinem nächsten Brief fielSchreibversehen, statt: viel. neues berichten, ein ganzes Schockalte Maßeinheit: 5 Dutzend oder 60 Stück. der allerneusten Neuigkeiten. Also erwarte ich bald einen Brief von dir; tausend Grüße und GlückswünscheSchreibversehen, statt: Glückwünsche. an dich und deine Brüder.Donald, William Lincoln (Willy) und der älteste Bruder Armin Wedekind, der in Zürich Medizin studierte.

Und meine Grüße an Mamma und Papa und die jungen DamenFrank Wedekinds jüngere Schwestern Erika (Mieze) und Emilie (Mati).. In dem ich einen Brief in bälde erwarte verbleibe
ich dein dich liebender
Freund Hermann.

Hermann Plümacher schrieb am 24. Juli 1882 in Schaffhausen folgende Visitenkarte
an Frank Wedekind

Die besten Wünsche zum heutigen Tage |


H. Plümacher

Hermann Plümacher schrieb am 25. November 1882 in Schaffhausen folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Hermann Plümacher vom 27.11.1882 aus Lenzburg:]


Du aber im fernen Schaffhausen Weißt nun, welche Wonne mich traf [...] den Hektograph [...] Dir, der Du mir solchen gespendt/e/tHinweis auf das nicht überlieferte Begleitschreiben zum zugesandten Hektographen.

Frank Wedekind schrieb am 27. November 1882 in Lenzburg folgendes Briefgedicht
an Hermann Plümacher

Mein lieber Hermann,


Jetzt kann ich ruhig schlafen,
Von allen Sorgen befreit.
Ich hab’ einen Hektographen(griech.) Hundertschreiber; „Apparat zur Vervielfältigung von Schriftstücken ohne Anwendung einer Presse, besteht im wesentlichen aus einer elastischen Platte (Buchdruckwalzenmasse), auf welche die mit einer sehr ausgiebigen Anilintinte angefertigte Schrift übertragen wird. Legt man dann ein Blatt Papier auf die Platte und übt einen mäßigen Druck aus, so wird eine hinreichende Menge Farbstoff an das Papier abgegeben, um eine sehr deutliche Kopie zu liefern. Es bleibt aber so viel Farbstoff auf der Platte übrig, um nacheinander und ohne Manipulationen eine große Anzahl von Kopien (100, daher der Name H.) anfertigen zu können.“ [Meyers Konversations-Lexikon. 4. Aufl. Bd. 8, Leipzig 1887, S. 345]. –
O, welche Glückseligkeit!


Ich hab’ einen todten Copistendie Maschine; im Gegensatz zu den Menschen, die früher den Beruf des Copisten (Abschreibers) ausübten.,
Lebendigen Federkieldie Schreibfeder wurde in früheren Zeiten aus dem behandelten und gespitzten Federkiel einer Gänsefeder hergestellt, zum Ende des 18. Jahrhundert wurden Stahlfeder und -halter entwickelt.;
Der sammelt für alle Christen
Ergüsse von meinem Gefühl.


Lang suchte ich einen Verleger.
Jetzt scher’ ich den Kukuk mich drumkümmert mich nicht; in Anlehnung an die Redensart ‚sich den Teufel (synonym: Kuckuck) um etwas scheren‘..
Mein Hektograph ist v/V/erträger
Zwischen mir und dem Publicum.


Nun will ich e/E/ins singen und d/D/ichten
Aus alter und neuer Zeit
In Ritter- und Liebesgeschichten. –
0, welche Glückseligkeit! |


Und steht mein Schatz in der Thüren,
So schleiche ich leise mich her.
Ich werde Flugs thu ich ihn hektographiren. –
Mein Liebchen, was willst du noch mehr!


Du aber im fernen Schaffhausen
Weißt nun, welche Wonne mich traf.
Es schmettert mit mächtigem Brausen
Mein Dank durch den Hektograph.


Dir, der Du mir solchen gespendt/e/tHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur Sendung des Hektographen; erschlossenes Korrespondenzstück: Hermann Plümacher an Wedekind, 25.11.1882.,
Sei dieser Hymnus(griech.) Lobgesang. geweiht.
Jetzt hab’ ich ihn endlich vollendet. –
0, welche Glückseligkeit! –


27.XI 82.


Dein dankbarer Franklin.

Hermann Plümacher schrieb am 27. Dezember 1882 in Schaffhausen folgenden Brief
an Frank Wedekind

Schaff. 27 XII.


Lieber Freund!

Bitte tausendmal um Entschuldigung für mein langes Schweigen. Ich wollte dir jetzt alles Erzählen doch bin ich jetzt mit Fräulein MumpfHermann Plümacher hatte sich mit Mumps (schweiz. Synonym: Mumpf) angesteckt. verlobt und hüte daher wegen des dummen Streiches das Bett. Habe keine Sorge. Die Verbindung löse ich. Am Neujahr schreibe ich dir alles. Ausführlich Haben viel Freude gehabt, Götz gespieltEs dürfte sich um eine Aufführung von Goethes Drama „Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand“ (1773) handeln. Hermann Plümacher erwähnt im folgenden Brief 2 Aufführungen [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 31.1.1883]., Schublinssoireenvemutlich Schreibversehen, statt: Schäublin-Soiréen. Der Pädagoge Johann Jakob Schäublin, Mitbegründer des Männerchors Basel 1852 und der Basler Musikschule 1867, war einer der bekanntesten Liedersammler, dessen „Lieder für Jung und Alt“ zwischen 1855 und 1949 127 Auflagen erlebten, und der Konzert- und Liederabende auch mit Waisenhauskindern zugunsten Bedürftiger gab [vgl. Der Bund, Jg. 21, Nr. 202, 24.7.1870, S. 5; Neue Zürcher Zeitung, Jg. 62, Nr. 181, Erstes Blatt, 30.6.1882, S. (1)]., Hochs. Coleopterer KränzchenVerein der Käferforscher; von Coleoptera (lat.) Käfer. Hermann Plümacher wurde auf Empfehlung des Schaffhausener Arztes und Vereinsgründers Gustav Stierlin als Mitglied in die Schweizerische entomologische Gesellschaft aufgenommen: „Plümacher, Eugen, Hermann, in Schaffhausen (Schönau) Coleopterolog; von Herrn Dr. Stierlin“ [Mitteilungen der Schweizerischen Entomologischen Gesellschaft, Bd. 7 (1884-1887), Heft 1, S. 2: Neue Mitglieder (5.8.1883)]., hohe Ehren und so weiter Bis dahin gedulteSchreibversehen, statt: gedulde. dich

Dein Hermann

Frank Wedekind schrieb am 28. Dezember 1882 in Lenzburg folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Hermann Plümacher

[Hinweis und Referat in Hermann Plümachers Brief an Wedekind vom 31.1.1883 aus Schaffhausen:]


[...] wie du mir in deinem letzten Brief schreibst, überhaupt ist dein letzter Brief ein sehr melanchkatholischer [...]

Hermann Plümacher schrieb am 31. Januar 1883 in Schaffhausen folgenden Brief
an Frank Wedekind

Schaffhausen 31. Jan. 83.


Lieber Freund!

Ich habe, dich sicherlich nicht vergessen gehabt, wenn ich dir auch nicht geschrieben habe, vielweniger ist mir je so was in den Sinn gekommen, wie du mir in deinem letzten Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Hermann Plümacher, 28.12.1882. schreibst, überhaupt ist dein letzter Brief ein sehr melanchkatholischerscherzhaft oder Schreibversehen, statt: melancholischer., hattest du etwa Moralischen Kater? – Du verzeihst also mein langen/s/ Schweigen, der Geist war willig, doch das Fleisch schwachRedewendung nach dem Neuen Testament der Bibel: Markus 14,37-38.. Also zu den Neuigkeiten von Schaffhausen. Die TheatergeschichteDie Aufführung von Goethes Drama „Götz von Berlichingen“, an der Hermann Plümacher beteiligt war [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 27.12.1882]. erzähl ich dir dann mündlich, und ausführlich, dann die Weihnachten, die wahrenSchreibversehen, statt: waren. recht langweilig, hatte mich ja wie du schon weißt verlobtHermann Plümacher lag zum Jahreswechsel mit Mumps zu Bett und bezeichnete die Krankheit als seine Verlobte, die er wieder loszuwerden gedenkt [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 27.12.1883]. u so w. Hab ein gutes Zeugnißdas Zeugnis für das 3. Quartal des Schuljahrs 1882/83; Hermann Plümacher besuchte die dritte Klasse des Gymnasiums der Kantonsschule Schaffhausen. mitgebracht, und bin Lector(lat.) Vorleser; in der Kirchengemeinde derjenige, der während des Gottesdienstes die Fürbitten und Schriften aus der Bibel vorträgt. geworden. Welch Wunder, einer der Lümmelveraltet für: ungezogener Mensch. aus dem Gymnasium.

Im weiteren, ge sind wir öfter Schlittschuh gefahren, auf dem oft recht dünnen Eise, dann hab ich recht oft mich im Walde herumgetrieben und Insekten gesucht, das ist nähmlich meine einzige Freude | hier in Schaffhausen, alles so leer, keine rechten Freunde, nichts rein nichts, das ärgste prosaische Leben das du dir denken kannst.

So sammle ich also fleißig und geh jede alle 14 Tage einmahl als ordentliches MitgliedHermann Plümacher wurde auf Empfehlung des Arztes Wilhelm Gustav Stierlin als Mitglied in die Schweizerische entomologische Gesellschaft aufgenommen: „Plümacher, Eugen, Hermann, in Schaffhausen (Schönau) Coleopterolog; von Herrn Dr. Stierlin“ [Mitteilungen der Schweizerischen Entomologischen Gesellschaft, Bd. 7 (1884-1887), Heft 1, S. 2: Neue Mitglieder (5.8.1883)]. in die Versammlung des Schaffh. Entomologischen Vereins, bestehend aus 4 Dr. und 2 Lehrern Im „Mitglieder-Verzeichniss der schweizerischen entomologischen Gesellschaft pro Jahresversammlung 1883“ werden als promovierte ordentliche Mitglieder aus Schaffhausen die drei Ärzte Dr. Sterki, Dr. Karl Vogler und Dr. Wilhelm Gustav Stierlin, Gründungsmitglied der schweizerischen entomologischen Gesellschaft (1858), genannt, nicht promovierte Mitglieder sind neben Hermann Plümacher ein A. Rausch und der Kaufmann Alfred Böschenstein-Faesi [vgl. Mitteilungen der Schweizerischen Entomologischen Gesellschaft, Bd. 6, 1880-83, Heft 10, Oktober 1883, S. 702f.].und meiner Wenigkeit, trinke 3 – 4 Glas Bier und unterhalte mich über die innern Organe von Käferfamilien und so weiter, dann um Elf Uhr großer Abschied und ich leg mich zu Bette mit dem Bewußtsein einen angenehmen Abend verlebt zu haben. So hier alles neue, was ich weiß. Da zu jetzt, das ankämpfen gegen die Meinungen des VatersEugen Hermann Plümacher, Mitbegründer der Schweizerkolonie Gruetli in Beersheba Springs in Tennessee und seit 1878 US-Konsul in Maracaibo (Venezuela). Über Schweiz-Aufenthalte von ihm während der Schweizer Jahre seiner Frau Olga und der Kinder Hermann und Dagmar (etwa 1877-1887) ist nichts ermittelt. über meinen Beruf, er will nehmlich mich nicht Buchhändler werden lassen, also mußt du dich um einen andern Verleger dann aus schauen. Ich werde also sonst Krämer, so genandterSchreibversehen, statt: sogenannter. Kaufmann, oder werde dank dir IngineurSchreibversehen, statt: Ingenieur. – Der Hintergrund ist nicht ermittelt., was mir nicht sehr gefällt, aber das nur zu dir gesagt. Also du siehst daß es nicht sehr angenehm ist. – |

Ich habe von meinem Vater 250 fr erhalten für meine Ausgrabungennicht ermittelt.. Natürlich fällt etwas ab zu meinem Besuche zu dirgemeint: für meinen Besuch bei dir. – Zwischen dem Schulabschluss im April 1883 und dem Beginn seiner Kaufmannslehre in Heilbronn dürfte Hermann Plümacher den Freund auf Schloss Lenzburg besucht haben [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 2.10.1883]..

Wir machen dann hoffentlich einen Abstecher per pedes apostulorumSchreibversehen, statt: per pedes apostolorum (lat.) zu Fuß, wie die Apostel. nach dem Rigi(schweiz.) der Rigi; Bergmassiv (1797m) in der Zentralschweiz am Vierwaldstätter See., du und ich, nicht wahr. Ich schicke dir ferner nächstens meine Photografie, erwarte die deinige aber auch BeiliegendDie Beilagen sind nicht überliefert. findest du den Zettel von unserer AuführungSchreibversehen, statt: Aufführung. Es dürfte sich um eine Bearbeitung von Goethes „Götz von Berlichingen“ handeln [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 27.12.1882]. an der Kneipe m/n/ach der Aufführung. Den andern Theaterzettel schicke ich dir nächstens mit etlichen Büchern. Kannst du michSchreibversehen, statt: mir. nichts zum Lesen schicken? Ich schitzeSchreibversehen, statt: sitze. auf dem Trockenen, mit ausnahme von Romanen die ich in Hülle und Fülle habe. So jetzt hast du alles neue von und alte vo was mich betriftSchreibversehen, statt: betrifft. wenig genug ist.

Wo bleiben deine poetischen Ergüßemöglicherweise sind Gedichte aus dem Heft „Poesie“ gemeint. Wedekind hatte die Sammlung mit der Datierung „Winter 1882/83“ versehen [vgl. KSA 1/I, S. 792-797].? Grüße mir deine liebe Mutter den Papa und sämtliche Geschwister. Schreibe mir bald und verzeieSchreibversehen, statt: verzeihe. deinem alten
Hermann.

Hermann Plümacher schrieb am 2. Oktober 1883 in Heilbronn folgenden Brief
an Frank Wedekind

Heilbronn. 2. October. 1883.


Lieber guter Freund!

Bitte sei mir nicht bös über mein langes Schweigen, denk auch nicht ich habe dich etwa weniger lieb etc. sondern die WahrheitSchreibversehen, statt: der Wahrheit. die Ehr: Theils konnte ich nicht schreiben, anderntheils war ich zu faul, da hast du jetzt die Beichte und s jetzt lieber Franklin sprich mich los von meinen Sünden wenn du kannst. Gott ist allgnädig, sei es du auch. Jetzt will ich dir erzählen.

Ich muß weit zurückgreifen. Also daß ich am 1ten Mai bei Sturm und Regen in Heilbronn ankamenSchreibversehen, statt: ankam; Hermann Plümacher begann nach dem erfolgreichen Abschluss der Schule in Schaffhausen eine Kaufmannslehre in Heilbronn., das weißt du ja schonFrank Wedekind wird die Informationen durch ein nicht überliefertes Korrespondenzstück (verfasst von Hermann Plümacher oder seine Mutter Olga), erhalten haben., auch, daß (mein) ich im Turnverein bin weißt du. Bis jetzt ist die Zeit so schnell herumgegangen, daß ich ganz erstaunt bin schon im October zu leben. Also mein PrincipalArbeitgeber eines Handlungsgehilfen – Franz Xaver Steinhauser, Kaufmann in Heilbronn, der in der Präsenzgasse 16 im 1. Stock wohnte und dort ein Kommissions- und Agenturgeschäft unterhielt [vgl. Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Neckar 1885, S. 269, 105, 140]; er war Hermann Plümachers Lehrherr. – Zur Identifikation der Familie vgl. die biographischen Anhaltspunkte in den Briefen Hermann Plümacher an Wedekind, 9.5.1884 sowie 10.12.1884. ist | ist ein sehr liebenswürdiger lustiger, solider Herr von circa 52 Jahren ich kann mich w sehr gut mit ihm auskommen, doch nun die FrauHedwig Steinhauser, geb. Heinzler, war 44 Jahre alt., nun sie ist etwa 42, vielleicht etwas mehr, mittlere Größe, mager, ja so mager daß mans Licht durchscheinen sieht, und das wäre am Ende gleich, doch nun kommts besser. Sie ist so liebenswürdig veranlagt, daß Sie dir, wenn du bei ihr bist, die besten Worte gibt, und du bei dir sagst. Donnerkiel warum ist die nicht 30 Jahr jünger, ich würd sie sogleich freien. Doch bist du fort, so macht sie ihre Giftschleußen auf über dich, und wahrlich Rhein und Aare können in Jahren nicht so viel Wasser dem Meere zuf zu führenSchreibversehen, statt: zuführen., als die Frau Liebenswürdigkeiten über dich sagt.

Doch sind wir noch nicht fertig über mit SieSchreibversehen, statt: mit ihr.. Also was ihr GeizSchreibversehen, statt: ihren Geiz. betrifft da machst du dir keinen Begriff. Sie zementtirtSchreibversehen, statt: zementirt. uns | unser Mägen mit Kartoffelsalat 14. Mal pr. WochSchreibversehen, statt: Woche. es ist ganz schauerlich. In Jahren kriegst du nicht so viel Kartoffelsalat als ich in einer Woche fressen muß. In Zukunft wenn du Kartoffelsalat kriegst, dann sprich ein Paternoster(lat.) Vaterunser; christliches Gebet [vgl. Matthäus 6,9-13]. für mich und meine arme Seele. Und wenn ich sterb so werd ich ihr Nachts als Geist erscheinen mit Kartoffelsalat und werd Sie machen essen essen u. wieder essen.

Jetzt zu den Töchtern. FranziskaDie 1863 geborene Franziska Steinhauser heiratete im folgenden Jahr den evangelischen Pfarrer in Untersontheim Johann Hieronymus Rudolf Schaefer [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 9.5.1884 sowie 10.12.1884]. die ältere ist ein sehr hübsches Mädchen, geistreich und freundlich, hat keine von gutenSchreibversehen, statt: von den guten. Eigenschaften der alltenSchreibversehen, statt: Alten. hat die +++durch mehrfache Längs- und Querstreichungen unkenntlich gemacht.. regelmäßig und dann ist fertig. Die zweite ElisabethÜber die 1884 aus dem Kloster zurückgekehrte Elisabeth Steinhauser ist weiter nichts ermittelt. scheint auch recht zu sein, kenn Sie zwar nicht ist jetzt im Kloster. IIItens. die kleinste, GertrudGertrud Steinhauser heiratete den Dekan Gaspar und lebte beim Tod der Mutter (1929) mit ihrem Mann in Plieningen [vgl. Schwäbischer Merkur: mit Schwäbischer Kronik und Handelszeitung (Süddeutsche Zeitung), Jg. 145, Nr. 160 (Abendblatt), 6./7.4.1929, S. 8]., ist die Hoffnung der alten Frau Mamma, Sie verspricht selbst Sie an Tugenden zu übertreffen, mit einem Wort Sie ist ein Lausmädel. |

wir habens ziemlich strenge.

Morgens 7 Uhr wird das Geschäft aufgemacht, dann bis ½ 1 Uhr gearbeitet und von ½ 2 oder 2 Uhr – 7 ½ 8, 9. gearbeitet, je nach der zu verichtendenSchreibversehen, statt: verrichtenden. Arbeit.

Heilbronn ist eine sehr hübsche Stadt von 26.000 Einwohnern. Ein sehr schönes RathhausDas Heilbronner Rathaus, am Marktplatz 7, „wurde in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts [...] erbaut [...]. 1589 bis 1593 wurde der Flügel neben der Oberamtei und das Hintergebäude errichtet und erst im 18. Jahrhundert der Zwischenbau.“ [Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Neckar 1885, S. 11 u. S. 95] mit prächtiger UhrAn der Kunstuhr, die 1579/80 vom Schaffhauser Uhrmacher Isaak Habrecht und seinem Gesellen Michael Müller angefertigt wurde, ist das „merkwürdigste [...] das Uhrwerk, dessen drei Ziffertafeln die mittlere Façade des Gebäudes einnehmen. Auf der ersten befinden sich die 7 Wochentage durch die Bilder der Sonne, von Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn wiedergegeben; im weiteren Kreise stehen die Zeichen des Thierkreises mit einer Gradeinteilung. Auf der mittleren Ziffertafel deuten zwei Zeiger die Stunde und Minute an. An beiden Seiten steht je ein Engel; der eine bläst in eine Posaune kurz vor dem Stundenschlag, der andere zählt mit Scepter die einzelnen Glockenschläge und dreht seine Sanduhr, wenn die Stundenglocke ausgeschlagen hat. Unter der Stundentafel stehen zwei vergoldete Widder einander gegenüber, welche bei jedem Glockenschlage vorn sich erheben und gegen einander bocken; unter diesen steht ein Hahn, der um 3, 7 und 11 Uhr die Flügel schwingt und kräht. Die oberste Tafel zeigt die Phasen des Mondes; ganz oben befindet sich die Glocke, an welche Engel mit eisernen Armen abwechslungsweise die Viertelstundenzahl anschlagen.“ [Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Neckar 1885, S. 12], dann ein gothisches Münsterdie im Jahr 1013 als Kathedrale angelegte St. Kilians-Kirche in der Kramgasse [vgl. Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Neckar 1885, S. 9-11]. diverse ErrinnerungenSchreibversehen, statt: Erinnerungen. an Götzder aus Goethes Schauspiel „Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand“ (1773) bekannte Ritter Gottfried von Berlichingen zu Hornberg, der mehr als 3 Jahre in Heilbronn in Haft saß. Erinnerungsorte waren der „viereckige Turm oder Götzenturm am oberen Neckar“, in dem er die erste Nacht (11.6.1519) eingekerkert war: „In einer Nische der Turmmauer ist eine Nachbildung seiner Rüstung zu sehen. Die Hauptzeit seiner Heilbronner Gefangenschaft verbrachte Göz im damaligen Gasthaus zu den drei Königen, jetzt Krone in der Lohthorstraße.“ [Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Neckar 1885, S. 13], die BrauereienGelistet werden 9 Brauereien: die Adlerbrauerei Heilbronn (Deutschhofstraße), Aug. u Cie Cluß (Rosenberg 13), Carl Eckert (Götzenturmstraße 49), Heinrich Frank (Fleinerstraße 26), Wilhelm Herold (Keltergasse 3), Hermann Jacob (obere Alleestraße 11), zum Löwen von Albert Neuffer (Paulinenstraße 1), Martin Stellwag (Kirchhöfle 9) und Gebr. Treudler (untere Alleestraße 17) [vgl. Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Neckar 1885, S. 142f.] sind die Hauptanziehungspunkte.

1 Stunde von Wein Heilbronn liegt WeinsbergDie Stadt liegt etwa 6 Kilometer östlich von Heilbronn. Bürger Weinsbergs war der Arzt und Dichter Justinus Kerner, dessen Wohnhaus – ehemals Treffpunkt der schwäbischen Romantiker – und dessen Denkmal Touristen aufsuchen konnten. mit der WeibertreuDie Burgruine Weibertreu, die August Bürger in seiner Ballade „Die Weiber von Weinsberg“ (1774) bekannt machte: Nach der feindlichen Eroberung der Burg (1140) sollen die Burgfrauen, denen der König erlaubt hatte, mit dem, was sie schultern könnten, frei abzuziehen, ihre Männer auf den Schultern tragend vor dem Tod gerettet haben..

Am 13ten September bin ich in SteinHermann Plümacher, der in Stein am Rhein geboren worden war und mehrere Jahre vor und nach seiner Übersiedlung nach Grütli in Beersheba Springs (Tennessee, USA) dort lebte, dürfte Bürger des Orts gewesen sein. gewesen wegen dem Militärdienst., Sie haben mich nicht springenwohl im Sinne von ausmustern oder zurückstellen. lassen die Herren, ich bin tauglich und zur Infantrie ausgehoben.

Dann hab ich eine äußerst vergnügte Zeit in Stein verbrachtHermann Plümacher hielt sich vom 9.9. bis 24.9.1883 in Stein am Rhein auf [vgl. Olga Plümacher an Wedekind, 21.10.1883]. und kam vor 8 Tagen wieder hier an.

Doch jetzt zum Schluß in ein paar Tagen schreib ich dir mehr.

Sei grüßtSchreibversehen, statt: gegrüßt. von deinem Freunde
Hermann


Morgen kommt mein Principal von einer Geschäftsreise zurück und da muß ich besorgt sein, daß alles in Ordnung ist. Ich leg dir einen PreiscourantVerzeichnis von Waren mit Angabe des Verkaufspreises; die Beilage ist nicht überliefert., bei und, dann kannst du sehen was für Gegenstände mich beschäftigen. Bitte schreib mir so bald als möglich und denk auch hin und wieder an unsere vergnügten TageZwischen dem Schulabschluss im April 1883 und dem Beginn seiner Kaufmannslehre in Heilbronn dürfte Hermann Plümacher den Freund auf Schloss Lenzburg besucht haben [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 31.1.1883]. welche wir zusammen verlebt haben.

Bitte grüße mir Mamma Papa, Mizchen, Mili, Willi, Armin und alle Bekannten und Freunde in Lenzburg.

Es grüßt und küßt dich dein
Hermann!

Hermann Plümacher schrieb am 22. Januar 1884 in Heilbronn folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Württemberg
Postkarte.


An Herrn Franclin Wedekind stud. med. vet.Student der Veterinärmedizin (Tiermedizin). – Die voreilige Titulierung verwendete Hermann Plümacher unter den falschen Annahmen, dass Wedekind die Hochschulreife (Matura) schon erlangt habe (siehe unten) und ein Studium der Tiermedizin aufnehmen würde.
in Lenzburg
Ct. Aargau
(Schweiz.) |


Heilbronn 22 Jan. 1884.


Lieber Franclin

Ich darf jetzt annehmen, daß du deine Examendie Maturaprüfungen; die Zeugnisverleihung war am 10.4.1884 [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule für das Schuljahr 1883/84]. glücklich überstanden hast; du wirst daher auch ein wenig Zeit finden, dich mit mir zu unterhalten. Im April werde ich auf Besuch nach SteinNachdem Hermann Plümacher im Frühjahr 1883 die Kantonsschule in Schaffhausen beendet und eine Kaufmannslehre in Heilbronn begonnen hatte, war seine Mutter, Wedekinds ‚philosophische Tante‘ Olga Plümacher, nach Stein am Rhein zurückgezogen. kommen, und dann nicht verfehlen u dich in Zürich zu besuchenHermann Plümacher war falsch informiert; Wedekind studierte im Frühjahr 1884 an der Akademie in Lausanne neuere Sprachen., das n/N/ähere schreiben wir uns dann noch.

Wie geht es deinen l. Eltern und Geschwistern. Bitte empfehle mich Mieze wenn ich noch so sagen darf, ich danke ihr recht sehr für ihre Neujahrscarte.

Also lieber Freund und KupferstecherRedewendung [vgl. Büchmann 1879, S. 189]., schreib bald was langes und breites, dann werde auch ich ein EpistelSchreibversehen, statt: eine Epistel; ein langer Brief. von StapelSchreibversehen, statt: vom Stapel. lassen


[im Querformat über den vorangehenden Text geschrieben:]

dessen die Welt noch kein Gleiches je gesehen hat also vergeß das schreiben nicht. Ich benutze deshalb die Carte da mein Portemone das ChinafiberErkrankung durch das Einatmen von Chininstaub: "In einer Frankfurter Chininfabrik wurden viele viele der Arbeiter, welche sich mit der Pulverisierung der Chinarinde beschäftigten, von einem eigentümlichen Fieber, dem 'Chinafieber' befallen, welches so quälend war, dass die Befallenen die Fabrik verliessen [...] Das Chinafieber kündigt sich [...] bald durch eine ausserordentliche allgemeine Hitze, bald durch eine eisige Kälte im ganzen Körper an, so dass man es mit Intermittens vergleichen kann." [Gustav Schmidt: Ueber die Wirkung fortgesetzter Chininaufnahme beim gesunden Menschen. Greifswald 1885, S. 23] hat und am sterben liegt. Was treibt Lenzburg und Umgebung?

Es grüßt und küßt dich dein
altes Faßvermutlich Biername Hermann Plümachers in der Turngemeinde Heilbronn, der er 1883 beigetreten war [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 2.10.1883].
Hermann Plümacher

Frank Wedekind schrieb am 16. Februar 1884 in Lenzburg folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Hermann Plümacher

[Hinweis in Hermann Plümachers Brief an Wedekind vom 9.5.1884 aus Heilbronn:]


Ich bitte dich tausendmal um Verzeihung [wegen] meiner Rücksichtslosigkeit [...] ich bleibe sicher die Antwort nicht mehr so lange schuldig.

Hermann Plümacher schrieb am 9. Mai 1884 in Heilbronn folgenden Brief
an Frank Wedekind

Heilbronn 9. AMai 1884.


Lieber guter Franclin.

Ich bitte dich tausendmal um Verzeihung meiner RücksichtslosigkeitSchreibversehen, statt: wegen meiner Rücksichtslosigkeit., und hoffe, daß sich der Riß in unserer Freundschaft noch leicht überbrücken läßt.

Ich hoffte immer dich auf ein paar Tage in Stein zu sehen, während meiner Anwesenheit dortHermann Plümacher dürfte sich Mitte April 1884 bei seiner Mutter in Stein am Rhein und anschließend in Zürich aufgehalten haben [vgl. Olga Plümacher an Wedekind, 19.4.1884]., doch sollte dieß leider nicht sein wie du wohl weißt. Ich gratulire dir denn auch von Herzen zu deiner bestandenen, und MaturitätDie Zeugnisübergabe fand am 10.4.1884 statt.. Ich wollte dießs schon von Stein aus thun, doch hatte ich dort so viele Abhaltungen, daß ich gar nicht zum schreiben kam. Wie ich gehört habe befindest du dich jetzt in GenfNicht an der Universität in Genf, sondern an der Akademie in Lausanne studierte Wedekind mit Erlaubnis seines Vaters ein Semester lang neuere Sprachen und Literatur. auf der Unieversität, um Germanistik zu studiren, daß hört sich wahrlich besser an, als Pfarrer, Advokat eceteraSchreibversehen, statt: et cetera, (lat.) und so weiter; gemeint sein dürften die Studiengänge Theologie („Pfarrer“), Jura („Advokat“), Medizin (Arzt).. SieSchreibversehen, statt: Sieh. du lieber Freund, ich bin ziemlich genau von deinem Thun und Treiben unterrichtet, dank deinem lebhaften Verkehr mit meiner MutterWedekind korrespondierte mit Hermann Plümachers Mutter Olga Plümacher., was mich sehr freut. Hoffentlich bist du gerne in Genf, und findest gute Cameraden, was ich leider hier nicht so öfter finde, | denn du weißt ich habe so meine kleinen Liebhabereien, und die jungen KaufleuteHermann Plümacher machte seit Frühjahr 1883 eine Kaufmannslehre in Heilbronn. hier wißen, oft nicht, daß es auch noch etwas anderes, gibt mit dem man sich unterhalten, kann, außer Wein, Bier, Liebe, Soll & Haben, Conto Correntposten, Haupt & Nebenbücher eceteraSchreibversehen, statt: et cetera (lat) und so weiter; aufgelistet sind Fachbegriffe des kaufmännischen Rechnens, insbesondere der doppelten Buchführung..

Wie du vielleicht weißt war ich im Februar auf 2 großen Maskenbällen als Theilnehmer an einer großen Harlequinsgruppe und habe mich köstlich amüsirt, auch habe ich einzelne hübsche Damen kennengelernt, die ich hin und wieder jetzt treffe.

Ueberhaubt geht es mir ganz vortrefflich hier in Heilbronn, und ist es nur schade, daß ich dich nicht hier habe.

Doch da fällt mir gerade ein, daß da du dich so lebhaft um Franziska interessirstFranziska Steinhauser, die älteste Tochter von Hermann Plümachers Lehrherrn Franz Steinhauser. Über die junge Frau, die er nur aus den Briefen seines Freundes kannte [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 2.10.1883] schrieb Wedekind ein Gedicht „AN FRANZISCA“: „Vorüber ist die Rosenzeit / Für dich, mein liebes Täubchen. / So zieh denn hin, du schöne Maid / Und werd ein frommes Weibchen / [...] Mein waches Auge sah dich nie, / Ich sah dich nur in Träumen. / Von dir sang Göttin Poesie / Nur in den schönsten Reimen / [...] Vorüber ist die Rosenzeit, / Das Träumen und das Küssen. / So leb’ denn wol, du schöne Maid! / Ich werde meine Seligkeit / Wo anders suchen müssen.“ [KSA 1/I, S. 145f.; Kommentar KSA 1/II, S. 145], nun Sie hat Ihren Pfarrer jetzt und ist seit 4 Tagen verlobt. Nu weeste die ist dumm. immt a hiebsches Maderl a Pfaff. Die muß auf No. 17 wie es in dem Liedchennicht ermittelt. heißt.

Sie hat sich taufen lassen und ist jetzt ProtestantinDie Familie Steinhauser war katholisch. und das blos wegen einem Pfarrer, der weder reich, noch schön und noch | sehr gescheidt ist, eine kleine Dorf PfarrereiDer Verlobte, Rudolf Schaefer, war Pfarrer in Untersontheim. besitzt, aber ein gutes großes Maul hatt und zu imponiren weiß gegenüber dem schönen Geschlecht, Weißt du so Stellungen, ei rechte Hand im 3 Knopfloch des Rockes linke Hand auf dem Rücken ein Glacehandschuh an. Den andern in der linken Hand. Brust raus, Kopf zurück, milder Ernst auf den Zügen, l/L/inker Fuß vorgestreckt und auf die Spitze gestellt, und was so hübsche intersannte Stellungen mehr sind?! Mit einem Wort ein Papsackmundartl. für Schmutzfink; hier wohl für Angeber oder Hanswurst.. Doch nun zur Tagesordnung weiter.

Ein L/l/ustiges Stückchen ist mir jüngst passirt. Ein junger Herr, den ich nicht kenne geht und spottet mich wegen meiner Aussprache aus. Nun um 12 Uhr Nachts er als er nach Haus geht frag ich Ihn was er eigentlich bezwecke damit, er sagt Lausbub„schimpfwort für einen schäbigen, unreifen menschen“ [DWB, Bd. 12, Sp. 353, Z. 27]. da hab ich mic/ihm/ eine aufs Ohr gepflanzt, daß es nur so krachte er schlägt zurück und trifft mich aber nicht recht. Da hab ich ihm danSchreibversehen, statt: dann. gezeigt, daß trotzdem | die Aussprache der Schweizer nicht so hübsch ist, als die Schwäbische, die Prügel aber nichts zu wünschen übrig lassen. Auf einmal rufen meine Freunde die zusahen. Platz; Polizei kommt. Du hättest sehen sollen wie wir durch die Sträßchen gehetzt wurden fast eine Stunde lang. Aber kriegen thäten Sie keenen nicht.

Du wirst dich gewiß Photographiren lassenWedekind hatte sich vor seiner Abreise nach Lausanne im Fotoatelier Fr. Gysi in Aarau ablichten lassen und 2 Probeabdrucke zur Auswahl erhalten [vgl. Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 10.5.1884; Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 11.5.1884]. Möglicherweise handelt es sich um das bei Kutscher abgebildete Porträtfoto [vgl. Kutscher 1, nach S. 144; abgedruckt auch in Vinçon 2021, Bd. 2, S. 31]., und dann bekomm ich doch auch eine gelt Schatz, und läßt bald von dir hören, ich bleibe sicher die AntwortHinweis auf ein nicht überliefertes Korrespondenzstück: Wedekind an Hermann Plümacher, 16.2.1884. nicht mehr so lange schuldig.

Doch jetzt muß ich schließen, denn ich höre Tritte welche den Herrn PrincipalHermann Plümachers Lehrherr Franz Steinhauser. anzeigen. und der darf nicht wissen, daß ich während der Zeit schreibe.

Also leb wohl lieber Freund und vergeß den
Herman nicht ganz


Viele Grüße an alle die Deinen.
H. Pl.

Frank Wedekind schrieb am 8. November 1884 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Hermann Plümacher

[Hinweis und Referat in Hermann Plümachers Brief an Wedekind vom 10.12.1884 aus Heilbronn:]


[...] du hast wahrlich noch nöthig mir den Mund wässerig zu machen nach Münchnerbier [...] Daß Ihr eine so gemüthliche Philisterei besitzt, freut mich ungemein. Besonders die „Theekocherei“? [...] Was bedeutet die räthselhafte Zeichnung am Fuße deines lieben Briefes?

Hermann Plümacher schrieb am 10. Dezember 1884 in Heilbronn folgenden Brief
an Frank Wedekind

Heilbronn. 10 (Nov) December 1884


Lieber Freund.

Na, lieber Franclin du hast wahrlich noch nöthig mir den Mund wässerig zu machen nach Münchner Bier. Ich steig nach, nicht jetzt, sondern wenn der Brief fertig ist, mit Heilbronner lagerbier, Fe/i/rma1865 gegründete Brauerei am Rosenberg 13; sie war eine von 9 Brauereien in Heilbronn [vgl. Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Necker 1885, S. 142f.]. Cluß & Cie.,. Doch jetzt zur Hauptsache.

Aus ms. geplanten Ausflug nach München, kann leider nichts werden, denn ich bekomme keinen Urlaub von Seite ms. PrinzipalsArbeitgeber eines Handlungsgehilfen – Franz Xaver Steinhauser, Kaufmann in Heilbronn, der in der Präsenzgasse 16 im 1. Stock wohnte und dort ein Kommissions- und Agenturgeschäft unterhielt [vgl. Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Neckar 1885, S. 269, 105, 140]; er war Hermann Plümachers Lehrherr., da der andere junge Mannnicht ermittelt. über Weihnacht und Neujahr nach Hause geht, und ich hier bleibenschon im Vorjahr hatte Hermann Plümacher über Weihnachten in Heilbronn bleiben müssen [vgl. Olga Plümacher an Wedekind, 21.10.1883]. muß um die laufenden Geschäfte zu besorgen. Zum Troste bekomme ich dann im Januar oder Februar die Schwarzwaldreise von circa 10 Tagen und das ist halt auch nicht schleicht. Ich werde jetzt öfter auf die Reise geschickt, und das macht mir ungemein viel Vergnügen und das alles auf Kosten des Hauses was noch besser ist. Es thut mir sehr leid, daß ich nicht kommen kann. Denn erstens hätte ich gar zu gern dich ms. lieber Freund wieder gesehen, denn du mußt ja nicht aus ms. Schweigen schließen, daß ich dich etwa vergeßen habe. neinSchreibversehen, statt: Nein. wahrlich nicht. Und zweitens ist noch ein IIter Anziehungspunkt in München. ein kleines Mädchen [Skizze eines Kopfes im Profil] nu davon nachher.

Auch käm der Spaß eklig theuer auf mindestens 80 Mark und wahrlich ich brauch so wie so viel Geld und sitz oft genug trocken. |

Fräulein Franziska ist seit d. 13 Sept. Frau Pfarer SchäferFranziska Steinhauser heiratete am 9.9.1884 in Heilbronn Rudolf Schaefer, Pfarrer in Untersontheim [vgl. Kirchenbuch Heilbronn, Heiraten 1884-1897, S. 23, Nr. 113]..

Der Prinzipal oft auf der ReisSchreibversehen, statt: Reise..

Die Frau Prinzipal schnorrt und schimpft

Gertrud ein Maulaff„ein Mensch, welcher etwas mit aufgesperrtem Munde, mit dummer Verwunderung angaffet, und in weiterer Bedeutung ein dummer Mensch.“ [Adelung Bd. 3, Sp. 119].

Elisabeth. vom Kloster zurück und so so la la.

lesen hinundwieder Englisch zusammen mit noch ein Fräuleinnicht ermittelt.. Gar nicht schlecht.

So jetzt weißt du wie’s hier aussieht.

Du solltest mich als Reisender sehen, flott.

Hergott die Geschäfte!? Wenn ich kom! Na dann klapt’s. Bin so und so vom Haus so und so aus Dings da reis’ in so und so. und so weiter. Musterpaket. Ueberzieher, Schirm im Arm. Fein was fein heißt. Nein ich mach ganz ordentliche Geschäfte und war schon einmal 8 Tage mit eigenem Fuhrwerk im badischen draußen.

Ich sag dir das Reisen hat einen gewaltigen Reiz. wenns nur nicht eine so gewaltige Hezerei gegenwärtig wäre und wenig soll mann auch brauchen.

Jetzt zur Generalbeichte.

Ich hab nähmlich eine kleine PoussageLiebschaft; Liebelei. in München drinn sitzen. gelt jezt machst die Augen auf. Du kannst dir aber nicht errathen wer. Nun denn die TochterLina Wiesner, die mit ihrem Vater zunächst in der Bayerstraße 95, später in der Schommerstr. 4 (Parterre, links) wohnte, schaltete in den 1890er Jahren Anzeigen als Musik-, dann Zitherlehrerin [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 49, Nr. 498, 26.10.1896, S. 3]. des Comiker „Wiesner“ gibt gegenwärtig Concerte dortHermann Plümacher dürfte die musikalischen Auftritte Lina Wiesners bei den Abendveranstaltungen der Münchner Komikergesellschaft ihres Vaters gemeint haben. Die Presse meldete: „Samstag, den 4. Oktober beginnt die Münchener Elite-Komikergesellschaft Wiesner, Bertoni, Helmstädt in Schmöller’s Hotel ‚zu Achatz‘ mit ihren Soiréen. Die Mitglieder dieser Gesellschaft erfreuen sich seit Langem großer und verdienter Beliebtheit.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 37, Nr. 277, 3.10.1884, S. 2] Anzeigen nennen auch die übrigen Mitglieder „Frau Huber, Frl. Lina Wiesner, Pianist Herr Woerler“ [ebd. Jg. 37, Nr. 278, 4.10.1884, S. 4] des fast täglich auftretenden Ensembles, das sich im Dezember mit dem Komiker Johann Weil zusammenschloss.. Kannst also einmal hingehen und sie dir ansehen, aber bei Leibe nichts merken lassen daß du was weißt sonst wär der Teufel los. |

Also geh, seh aber frage nicht! Merks dir in der Beziehung ist also nichts los ich fieng die Sache aus purer LangweileSchreibversehen, statt: Langeweile. an jetzt machts mir Spaß.

Sie schreibt gar keine schlechten Briefe.

Wenns dich interessirt sende ich dir gelegentlich welche. Seh auch zu was Sie treibt. Sie wohnt in der Bayerstraße 95Unter der Adresse Bayerstraße 95, 2. Stock links ist der Name des Vaters „Wiesner Joh. Bapt. Komiker 2l“ verzeichnet [Adreßbuch für München 1884, Teil II, S. 66; vgl. auch Teil I, S. 552]..

Sonst giebts hier nicht viel, jeden Sonntag geht man irgendwohin auf ein benachbartes Dorf oder zu einem kleinen Abenteuer heißt das wenn man Moosumgangssprachlich, für: Geld. hat. Aber das ist ein verfluchtes Ding damit. Du wirst das natürlich auch kennen. Daß Ihr eine so gemüthliche Philistereihier für: Studentenbude, in Anlehnung an die studentensprachliche Bezeichnung Philister für Vermieter. Die Brüder Frank und Armin Wedekind studierten seit dem Wintersemester 1884 in München, wo sie bei dem herzoglichen Lakai Leonhard Bühringer und seiner Frau in der Türkenstraße 30 (1. Stock) wohnten [vgl. Adreßbuch für München 1884, Teil II, S. 490; Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 12.11.1884]. besitzt, freut mich ungemein. Besonders die „Theekocherei“Während die drei Mittags in einem Kreis von Studierenden im Restaurant speisten, wurde abends abwechselnd bei Freund Walther Oschwald (Theresienstr. 38, 2. Stock rechts) oder den Brüdern Wedekind gegessen und Tee getrunken, was Frank Wedekind als Einrichtung zwischen Kneipe und stillem Familienleben beschrieb [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 12.11.1884].? wird auch oft genug nach Bier aussehen. oder ist nicht so mein Lieber?

Ich warte auch schon längst auf deine PhotographieUm ein Portraitfoto Wedekinds hatte der Freund schon im Frühjahr gebeten [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind 9.5.1884]., Mama will mir die IhrigeWedekind hatte den Abzug einer Fotografie – vermutlich vom Fotoatelier Fr. Gysi in Aarau – im Sommer an sie geschickt [vgl. Wedekind an Olga Plümacher, 30.6.1884]. nicht abtreten.

Was bedeutet die räthselhafte Zeichnung am Fuße deines lieben Briefesnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hermann Plümacher, 8.11.1884].?

Du weißt ich begreife nicht so schnell wie Du

Doch jetzt lebe wohl für diesmal, schreibe mir recht, bald und viel, ich will ms.vermutlich individuelle Abkürzung für: meine. Schreibfaulheit abschütteln und wirst du dich sicher nicht mehr über mich zu beklagen haben. Ich hoffe auf deine volle Verzeihung und verbleibe
wie bisher
dein treuer Freund
E. H. Plümacher


À revoirSchreibversehen, statt: Au revoir (frz.) Auf Wiedersehen; ein Besuch Wedekinds bei Hermann Plümacher in Heilbronn oder bei dessen Mutter Olga Plümacher in Stein am Rhein ist für den Sommer 1885 nicht nachgewiesen. im Sommer bei mih/r/ in den Ferien.


[Am linken Rand um 270 Grad gedreht:]

Wir bereisen leider nur Württenberg & Baden sonst wollte ich schon nach München kommen nun was jetzt nicht ist kann doch noch werden.

Frank Wedekind schrieb am 3. April 1886 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Hermann Plümacher

[1. Hinweis in Olga Plümachers Brief an Wedekind vom 2.5.1886 aus Stein am Rhein:]


Deinen Brief an Hermann habe ich sofort an denselben weiter dirigirt; er ist [seit] dem 20 März in Gersau und lauten die zwei letzten Briefe etwas | tröstlicher als die früheren.


[2. Hinweis in Frank Wedekinds Brief an Emilie Wedekind vom 6.5.1886 aus München:]


Vor einiger Zeit hab ich auch an Hermann geschrieben.


[3. Hinweis in Friedrich Wilhelm Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 31.5.1886 aus Lenzburg:]


Hermann Plümacher [...], der drei Stunden vorher von Gersau angekommen war. [...] er läßt Dich grüßen und wird Dir von hier aus bald auf Deinen Brief antworten.