Briefwechsel

von Frank Wedekind und Leopold Jessner

Frank Wedekind schrieb am 15. September 1907 in München folgenden Brief
an Leopold Jessner

Sehr geehrter Herr Jessner!

Albert Langen schickt mirHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Albert Langen Verlag, Albert Langen an Wedekind, 14.9.1907. eben Ihren BriefDer Brief Leopold Jessners an den Albert Langen Verlag ist nicht überliefert., den ich an Bruno Cassirer, Berlin W Derfflingerstraße 17Wedekind hat sich in der Hausnummer geirrt. Adresse des Bruno Cassirer Verlags in Berlin war die Derfflingerstraße 16 [vgl. Berliner Adreßbuch 1907, Teil I, S. 318]., der den BühnenvertriebDer Bühnenvertrieb der Tragödie „Die Büchse der Pandora“ (1903) lag dem Vertrag vom 13.10.1903 zufolge wie die Buchausgabe beim Bruno Cassirer Verlag [vgl. KSA 3/II, S. 842]. der B.d.P. hat weiterschickennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Bruno Cassirer Verlag, 15.9.1907. werde. Ich möchte Sie nur bitten, mir mitzutheilen wen Sie für die LuluIn Leopold Jessners Inszenierung von „Erdgeist“ am Hamburger Thalia-Theater (Direktion: Max Bachur) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 405] hatte Käthe Franck-Witt die Rolle der Lulu gespielt (Premiere am 27.9.1906, Wiederaufnahme in der folgenden Spielzeit am 4.9.1907). Der Plan, auch „Die Büchse der Pandora“ aufzuführen [vgl. Karl Kraus an Wedekind, 26.9.1907], ließ sich erst am 23.4.1911 verwirklichen, wiederum mit Käthe Franck-Witt in der Rolle der Lulu. in Aussicht genommen haben, da ich | nicht gerne falsche Interpretationen Platz greifen lassen möchte. Schreiben Sie mir bitte ob Sie mit dem Deutschen Theater oder mit Frau Eysoldt selbst über ein Gastspiel von Frau EysoldtGertrud Eysoldt spielte die Rolle der Lulu in der Inszenierung von „Erdgeist“ am Kleinen Theater Berlin (1902), die dem Stück zum Durchbruch verhalf. Ein Gastspiel mit dieser Rolle am Thalia-Theater konnte nicht ermittelt werden. am Thalia-Theater in Hamburg als Lulu etwas vereinbart haben.

Im Übrigen spreche ich Ihnen meineSchreibversehen, statt: meinen. aufrichtigen Dank für das große Vertrauen aus, das Sie meinem Stück | entgegenbringen. Wenn ich in Berlin bin, würde ich gerne zur Premiere hinüber kommen.

Mit ergebenstem Gruß
Ihr
Frank Wedekind.


München, Amalienstraße 86. II.

Frank Wedekind schrieb am 9. März 1908 in Berlin folgenden Brief
an Leopold Jessner

Sehr verehrter Herr JeßnerLeopold Jessner in Hamburg (Rentzelstraße 2) war Regisseur am Hamburger Thalia-Theater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 400].,

ich lese eben in der Zeitung daß Sie von Ihrer TournéeDie lange geplante „Erdgeist“-Tournee des Hamburger Regisseurs – Wedekind notierte am 22.11.1906: „Leopold Jeßner bespricht mit mir seine Erdgeisttournee“ [Tb] – war realisiert worden, mit einem frei zusammengestelltem Ensemble von „zumeist Mitgliedern des Thaliatheaters durch 11 Städte“ [Seehaus 1973, S. 133] (oder mehr), darunter Görlitz (8.2.1908), Stettin (10.2.1908), Magdeburg (11.2.1908), Kassel (17.2.1908), Gießen (22.2.1908), Jena (20.2.1908), Köln (24.2.1908), Lübeck (26.2.1908), Kiel (28.8.1908). Die Presse berichtete etwa: „Ein ,Erdgeist‘-Ensemble hat sich unter der Oberleitung des Regisseurs vom Hamburger Thalia-Theater, Herrn Leopold Jessner, auf den Weg gemacht, um für Frank Wedekinds Ideen in weiteren Kreisen Bahn zu brechen. Es [...] wird diese in Hof, Erfurt, Kassel usw. fortsetzen. Emanuel Stockhausen und Emmy Schroth sind als Dr. Schön und Lulu seine starken Stützen für die ‚Erdgeist‘- Aufführungen.“ [Hamburger Fremdenblatt, Jg. 80, Nr. 37, 13.2.1908, 2. Beilage, S. 9] „Die unter Jeßners Leitung stehende ‚Erdgeist‘-Tournee, die in den nächsten drei Wochen das Wedekindsche Werk in mehreren großen Städten als Novität bringt, hat bereits in Stettin und Magdeburg mit überaus glänzendem Erfolg eingesetzt. Jeßner als Regisseur, Stockhausen als Dr. Schön, Emmy Schroth als Lulu wurden vielfach ausgezeichnet.“ [Hamburgischer Correspondent, Jg. 178, Nr. 81, 14.2.1908, Morgen-Ausgabe, 1. Beilage, S. (1)] „Das ‚Erdgeist‘-Ensemble, das unter Leopold Jessners Leitung überall starke Erfolge erzielt und auch für Emmy Schroth (Lulu) und Stockhausen (Dr. Schön) stürmische Anerkennung bei Publikum und Presse bringt, spielt in der kommenden Woche in Köln a. Rh., in Lübeck (26. Februar) und beschließt am 28. und 29. Februar in Kiel die interessante Tournee.“ [Hamburgischer Correspondent, Jg. 178, Nr. 95, 21.2.1908, Abend-Ausgabe, Beilage, S. 3] „Das unter der Leitung des Oberregisseurs Leopold Jessner vom Hamburger Thalia-Theater stehende ‚Erdgeist-Ensemble‘ ist nach einer an künstlerischen Ehren reichen vierwöchentlichen Gastspielreise wieder nach Berlin zurückgekehrt. Die Presse von Köln a. Rh., Magdeburg, Kiel usw. waren voll überschwänglichen Lobes für das treffliche Zusammenspiel.“ [Saale-Zeitung, Jg. 42, Nr. 115, 8.3.1908, Beiblatt, S. (1)], wie ich weiß mit vielen Ehren bedeckt zurückgekommen sind. Mein Stück hat ja nicht überall Glück gehabt. Überall wurde aber Ihre vorzügliche Aufführung rückhaltlos anerkannt. Dafür sage | ich Ihnen meinen herzlichen Dank und wünsche Ihnen nur, daß Ihnen kein geschäftlicher Mißerfolg die Freude an Ihren künstlerischen Erfolgen verbittern möge.

Darf ich Sie nun aber auch bitten, Fräulein SchrothEmmy Schroth, freie „Schauspielerin im Fache der I. Naiven in Berlin, New-York und Hamburg. Seit 1903 Gattin des Großkaufmanns Emil Ronsheim, Hamburg, Mundsburgerdamm 26.“ [Neuer Theater-Almanach 1908, S. 207] Sie spielte bei der „Erdgeist“-Tournee (siehe oben) die Rolle der Lulu. und Herrn StockhausenEmanuel Stockhausen war freier Schauspieler mit Domizil in Hamburg [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 766]. Er spielte bei der „Erdgeist“-Tournee (siehe oben) die Rolle des Dr. Schön. für ihre künstlerischen Schöpfungen, die überall so großen Beifall | fanden, meinen aufrichtigen und herzlichen Dank auszusprechen.

Mit außerordentlicher Freude las ich, wie sehr Sie in JenaLeopold Jessner gastierte mit seinem „Erdgeist“-Ensemble im Zuge seiner Tournee (siehe oben) am 20.2.1908 einmalig in Jena, wie angezeigt war: „Stadttheater Jena. Direktion: Wilhelm Berstl. Donnerstag, den 20. Februar. [...] Erhöhte Preise. [...] Einmal. Gastsp. des ‚Erdgeist‘-Ensemble unter der künstlerischen Leitung von Leopold Jessner, Regisseur am Thalia-Theater in Hamburg. Prolog gespr. v. Emanuel Stockhausen. Darauf: Erdgeist. Tragödie in 4 Akten von Frank Wedekind.“ [Jenaische Zeitung, Jg. 235, Nr. 43, 20.2.1908, 1. Blatt, S. (4)] das Gefallen Professor HäckelsProf. Dr. med. et phil. Ernst Haeckel in Jena (Berggasse 7), ausgewiesen als Exzellenz, Wirklicher Geheimer Rat, Universitätsprofessor und Direktor des zoologischen Instituts [vgl. Adressbuch der Residenz- und Universitätsstadt Jena 1908, Teil A, S. 31], hatte die „Erdgeist“-Vorstellung am 20.2.1908 in Jena (siehe oben) besucht, wie die Presse über den berühmten Naturforscher berichtete: „In Jena, wo die Aufführung unter ganz besonderem Enthusiasmus des dichtbesetzten Hauses stattfand, wohnte, eine im Theater seltene Erscheinung, der greise Professor Häckel, der Vorstellung bei und applaudierte mit den jüngsten um die Wette.“ [Saale-Zeitung, Jg. 42, Nr. 115, 8.3.1908, Beiblatt, S. (1)] erregten. Ich bin offen gesagt sehr stolz darauf.

Vielleicht kneipen wir bald wieder einmal einen Abend in Berlin zusammen.

Mit besten Grüßen
Ihr ergebener
Frank Wedekind


9.3.8.

Leopold Jessner schrieb am 29. September 1910 in Hamburg folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Leopold Jessner vom 30.9.1910 aus München:]


Ihre Nachricht trifft mich eben im Begriff nach Berlin [...] zu fahren.

Frank Wedekind schrieb am 30. September 1910 in München folgenden Brief
an Leopold Jessner

Sehr verehrter Herr JeßnerLeopold Jessner in Hamburg (Hansastraße 78) war Oberregisseur am Hamburger Thalia-Theater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1911, S. 476].!

Ihre Nachrichtnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Leopold Jessner an Wedekind, 29.9.1910. trifft mich eben im Begriff nach BerlinWedekind notierte am 30.9.1910: „Fahrt nach Berlin.“ [Tb] zu den Proben von LiebestrankProben für die Premiere seines Schwanks „Der Liebestrank“ (1899) am Kleinen Theater (Direktion: Victor Barnowsky) in Berlin (zusammen mit dem Einakter „Die Zensur“ aufgeführt) notierte Wedekind im Tagebuch am 4.10.1910 („Probe von Zensur und Liebestrank“) und 5.10.1910 („Generalprobe von Zensur und Liebestrank“), dann am 6.10.1910 die Premiere seines Gastspiels („Premiere von Zensur und Liebestrank“), das bis zum 19.10.1910 dauerte; er reiste am 20.10.1910 zurück nach München. zu fahren. Ich werde in Berlin wahrscheinlich in einer PensionWedekind, der in einem Brief „Schiffbauerdamm 6“ [Wedekind an Alfred Holzbock, 5.10.1910] als Adresse angab, logierte demzufolge in Berlin im Orient-Hotel (Schiffbauerdamm 6/7) [vgl. Berliner Adreßbuch 1911, Teil I, S. 2125; Teil IV, S. 187]; das Haus, in dem sich das Hotel befand, gehörte dem Neuen Theater. wohnen. Sollten Sie nach Berlin kommen, dann würde ich Sie bitten im Kleinen Theaterim Kleinen Theater in Berlin (Unter den Linden 44) [vgl. Berliner Adreßbuch 1911, Teil I, S. 1396]. zu fragen. Sonst Übrigens theile ich | IhnenHinweis auf eine nicht überlieferte Mitteilung; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Leopold Jessner, 1.10.1910. meine Adresse morgen Abend von Berlin aus mit.

Wenn Sie am 4am 4.10.1910; die Presse meldete (im Vorabendblatt einen Tag vordatiert) die Ankunft von „Oberregisseur Leopold Jeßner, Hamburg“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 63, Nr. 465, 5.10.1910, Vorabendblatt, S. 5] an diesem Tag in München im Hotel Deutscher Kaiser. nach München kommen, dann würde ich Sie bitten, mit Herrn Bernhart RehseBernhart Rehse, als Schriftsteller in München-Gräfelfing verzeichnet [Kürschers Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1911, Teil II, Sp. 1340], wohnte als Redakteur ausgewiesen in Gräfelfing (Bahnhofstraße 91) [vgl. Adreßbuch für München 1911, Teil I, S. 476; Vororts-Adreßbuch, S. 19]., RubinverlagDer Rubinverlag in München (Goethestraße 49) war ein Theaterverlag (Inhaber: Wilhelm Köhler) [vgl. Adreßbuch für München 1911, Handels- und Gewerbe-Adreßbuch, S. 45], auch Köhler’s M. & W. Rubinverlag München [vgl. Adreßbuch für München 1911, Teil I, S. 304, 507], der offenbar den Bühnenvertrieb für den Georg Müller Verlag bearbeitete und Bernhart Rehse dort beschäftigt war., Göthestraße 49 zu sprechen. Ich habe eine neue AusgabeWedekinds Tragödie „Die Büchse der Pandora“ (1903) erschien nach den Zensurprozessen 1905/06 in überarbeiteten Ausgaben, hier: „Die Büchse der Pandora. Tragödie in drei Aufzügen von Frank Wedekind. Vom Autor hergestellte Bühnenbearbeitung mit einem Prolog. Siebte Auflage. München und Leipzig bei Georg Müller 1911“ [KSA 3/II, S. 868], die erst im Jahr darauf im Georg Müller Verlag in München herauskam [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 78, Nr. 129, 7.6.1911, S. 6813]. „Diese Auflage [...] enthält erstmals den ‚Prolog in der Buchhandlung‘.“ [KSA 3/II, S. 868] Leopold Jessner inszenierte die Tragödie nach dieser Fassung am Hamburger Thalia-Theater (Premiere: 23.4.1911) [vgl. KSA 3/II, S. 1274]; die Presse vermerkte: „Wedekind hat eine neue Bearbeitung hergestellt und in ihr alles sorgfältig vermieden, was die letzte Instanz, das Berliner Landgericht II [...] als unzulässig [...] erachtet hatte. Und in dieser Form, allerdings mit weiteren Kürzungen und Milderungen, brachte gestern das Thalia-Theater die Büchse der Pandora zu einer ersten Aufführung in Hamburg. [...] Herr Jeßner verdiente vollauf die Hervorrufe, die ihn am Schlusse auszeichneten.“ [H.O.: Thalia-Theater. Die Büchse der Pandora. Tragödie von Frank Wedekind. In: Neue Hamburger Zeitung, Jg. 16, Nr. 190, 24.4.1911, Abend-Ausgabe, S. (1-2)] der Pandora veranstaltet, in der sich kaum ein Wort mehr findet, an dem die Zensur Anstoß nehmen könnte. Sodann | ist alles literarisch polemische daraus weggelassen, was ja auch künstlerisch nur von übel war. Außerdem enthält die Bearbeitung eine Anzahl Regiebemerkungen und einen „Prolog in der BuchhandlungWedekinds Szene „Prolog in der Buchhandlung“ [KSA 3/I, S. 549-552] wurde erst einige Wochen später im „Pan“ veröffentlicht [vgl. Frank Wedekind: Prolog in der Buchhandlung. Zur „Büchse der Pandora“. In: Pan, Jg. 1, Nr. 2, 15.11.1910, S. 42-46]; sie wurde im Rahmen der Inszenierung am Thalia-Theater (siehe oben) von Leopold Jessner nicht aufgeführt, auch nicht in anderen „Büchse der Pandora“-Inszenierungen [vgl. KSA 3/II, S. 1206]. Wedekind hat im Typoskript „Prolog in der Buchhandlung“ (1910) „Hinweise zur Kostümierung der Sprecher und zur Szenerie verzeichnet“ [KSA 3/II, S. 867], die im Erstdrucke der Szene im „Pan“ nicht übernommen sind.“ der sehr leicht darzustellen ist.

Es thut mir ungemein leid, Sie in München nicht bei mir sehen zu können. Meine Frau und mein Kind fahren auch mit nach Berlin. Dagegen hoffe ich sehr auf eine | recht baldige andere Begegnung.

In vorzüglicher Hochschätzung
mit herzlichem Gruß
Ihr
Frank Wedekind


München 30.9.10.
Prinzregentenstraße 50.

Frank Wedekind schrieb am 1. Oktober 1910 in Berlin folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Leopold Jessner

[Hinweis in Wedekinds Brief an Leopold Jessner vom 30.9.1910 aus München:]


Übrigens theile ich Ihnen meine Adresse morgen Abend von Berlin aus mit.

Frank Wedekind schrieb am 20. April 1911 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Leopold Jessner

[Hinweis in Wedekinds Tagebuch vom 20.4.1911 in München:]


Brief an Leopold Jeßner [...]

Frank Wedekind schrieb am 4. Juni 1911 in München folgenden Brief
an Leopold Jessner

Sehr verehrter Herr JeßnerLeopold Jessner in Hamburg (Hansastraße 78) war Oberregisseur am Hamburger Thalia-Theater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1911, S. 476].!

Sie haben schon so viel für mich getan daß Ihnen zu tun fast nichts mehr übrig bleibt. Aber ich hoffe nun endlich auch einmal etwas für Sie tun zu können. Ich sehne mich nach einer solchen Gelegenheit. Mit tiefem Bedauern sah ich wie Ihnen all | Ihre Arbeit und deren Erfolg vom Berliner Tageblatt verekeltFritz Engel, Feuilleton-Redakteur der „Berliner Tageblatt“, hat ein Gastspiel eines am Thalia-Theater in Hamburg inszenierten Stücks am Berliner Lessingtheater süffisant ablehnend besprochen; der Auftakt des Verrisses lautet: „Das gute Ensemble des Hamburger Thaliatheaters spielt jetzt in unserem Lessingtheater. Es bringt ein Stück, das in Hamburg sehr gefallen hat und ‚Sommerspuk‘ heißt. Der Autor ist Kurt Küchler, der die vier Akte aus seinem süffigen Studentenroman gleichen Namens [...] mit Hilfe der Dramatisiermaschine zusammengeschnitten hat. Seine Komödie läuft nun hinter ‚Alt-Heidelberg‘ und dessen Nachahmungen hinterdrein und ruft: ‚Das kann ich auch!‘ Aber ‚Sommerspuk‘ hat ein besonderes Anrecht daraus, lebensfremd und verlogen genannt zu werden. In falschen Sentimentalitäten, in ‚poetischen‘ Gedunsenheiten, in kompletter Unkenntnis studentischer Zustände leistet es Unerreichtes.“ [F.E.: Hamburger Thalia. Gastspiel im Lessingtheater. In: Berliner Tageblatt, Jg. 40, Nr. 279, 3.6.1911, Morgen-Ausgabe, S. (3)] Das Erfolgsstück hatte am 6.10.1910 am Thalia-Theater (Direktion: Max Bachur) in Hamburg Premiere gehabt (von der Presse vor Ort wohlwollend besprochen) – unter der Regie von Paul Flashar (wie Leopold Jessner Oberregisseur), was Wedekind wohl nicht registriert hat, da im „Berliner Tageblatt“ der Regisseur nicht genannt ist. wurde. Mir meinerseits ist Hamburg eine mindestens ebensoliebe Stadt wie Berlin, so daß für mich die Berliner Schimpfereien durch die Hamburger ernste Anerkennung reichlich aufgehoben warSchreibversehen, statt: waren..

Wenn ich Ihnen beiliegend die neue AusgabeWedekind schickte folgende neu bearbeitete Ausgabe (die 3. Auflage): „König Nicolo oder So ist das Leben. Schauspiel in drei Aufzügen und neun Bildern mit einem Prolog von Frank Wedekind. Vom Autor hergestelltes vollständiges Regiebuch. 1911. München und Leipzig verlegt bei Georg Müller.“ [KSA 4, S. 580] von So ist d. L. | sende, so tue ich das mit größter Ehrerbietung vor Ihrer eigenen InscenierungLeopold Jessners Inszenierung von „So ist das Leben“ hatte als Benefiz-Vorstellung für Centa Bré am 9.3.1911 am Thalia-Theater in Hamburg Premiere [vgl. General-Anzeiger für Hamburg-Altona, Jg. 24, Nr. 58, 9.3.1911, S. 2, 15]., deren Ernst und Tiefe mir aus sämmlichen BesprechungenIn den ersten Besprechungen der Hamburger Premiere von „So ist das Leben“ (siehe oben) heißt es: „Das Thalia-Theater brachte gestern unter Leopold Jeßners Regie Frank Wedekinds Schauspiel So ist das Leben zu einer Darstellung, die in den Zuschauern eine Ahnung von gewaltigen Seelendramen eines unter der Last seines Loses zusammenbrechenden Poeten erweckte“ [Neue Hamburger Zeitung, Jg. 16, Nr. 117, 10.3.1911, Morgen-Ausgabe, S. (2)]; andere meinten: „Man spielte gestern auf der Bühne des Thalia-Theaters die Künstlertragödie Frank Wedekinds – [...]. Jeßners Regie bewältigte die technischen Schwierigkeiten des Schauplatzwechsels mit souveräner Überlegenheit“ [A.Z. (Alexander Zinn): Thalia-Theater. So ist das das Leben. Von Frank Wedekind. In: General-Anzeiger für Hamburg-Altona, Jg. 24, Nr. 60, 11.3.1911, S. 2], „Herr Jeßner hatte das Stück wundervoll inszeniert“ [C.M.R. (Karl Müller-Rastatt): Thalia-Theater. In: Hamburgischen Correspondent, Jg. 181, Nr. 127, 10.3.1911, Morgen-Ausgabe, 1. Beilage, S. (1)] als nicht zu überbieten erschienen. Vor allem aber beglückwünsche ich Sie zu dem warmherzigen Ton, mit dem Ihre eigenen Künstler mir gegenüber von Ihrer Arbeit und Ihrem Erfolg sprechen. Ich wünsche Ihnen von Herzen, daß | Ihnen der Ertrag und die Anerkennung dieser Arbeit recht bald für alle Welt sichtbar zu Theil werden mögen.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr
Frank Wedekind.


München 4.6.11.

Leopold Jessner schrieb am 15. Juni 1911 in Hamburg folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Leopold Jessner vom 18.9.1911 aus München:]


Herzlichen Dank für Ihre lieben Zeilen vom 15.6.

Frank Wedekind schrieb am 13. September 1911 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Leopold Jessner

[Hinweis in Wedekinds Brief an Leopold Jessner vom 18.9.1911 aus München:]


Vor einigen Tagen erlaubte ich mir Ihnen die neue Bearbeitung meiner Komödie „Oaha“ zu übersenden.

Frank Wedekind schrieb am 18. September 1911 in München folgenden Brief
an Leopold Jessner

Sehr geehrter Herr Jessner!

Vor einigen Tagen erlaubte ich mir Ihnen die neue Bearbeitung meiner Komödie „Oahazu übersendenHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur Sendung; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Leopold Jessner, 13.9.1911. Wedekind schickte die neue Ausgabe von 1911: „Óaha, die Satire der Satire. Eine Komödie in vier Aufzügen von Frank Wedekind. Zweite umgearbeitete Auflage. [...] München und Leipzig bei Georg Müller Verlag.“ [KSA 8, S. 420]. Das Stück hat jetzt statt fünf nur vier Akte. Da es mir bis jetzt nicht knapp genug war habe ich nirgends eine Aufführung zugelassen. Die Uraufführung„Oaha“ (1908) wurde nach teils zensurbedingten Verzögerungen erst am 20.12.1911 durch den Neuen Verein im Münchner Lustspielhaus als geschlossene Vorstellung uraufgeführt; die erste öffentliche Premiere fand am 12.6.1912 im Rahmen des Wedekind-Zyklus am Deutschen Theater in Berlin statt [vgl. KSA 8, S. 604-608] des Stückes hat demnach noch nicht stattgefunden.

Herzlichen Dank für Ihre lieben | Zeilen vom 15.6.nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Leopold Jessner an Wedekind, 15.6.1911. Er dürfte um ein Foto von Wedekind gebeten, auf genommen vom Atelier Bieber in Hamburg (siehe unten). Ein Bildeine Fotografie. Wedekind, der vom 25. bis 27.11.1909 Hamburg besucht hatte [vgl. Tb], wurde dort am 27.11.1909 im Atelier Königlicher Hof-Photograph E. Bieber (gegründet von Emilie Bieber, Inhaber: Leonard und Emil Berlin), Kunst-Institut für Porträt-Photographie (Jungfernstieg 8/9) [vgl. Hamburger Adressbuch 1910, Teil II, S. 61], aufgenommen, wie er notierte: „Bieber photographiert mich.“ [Tb] von Bi/b/e/ber in Hamburg würde ich Ihnen gerne senden, aber ich habe keines mehr Ich fand die Bilder auch sehr gut. Wann bekomme ich denn ein Bild von Ihnen? Ich würde es sehr gern in meinem Zimmer haben.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr ergebener
Frank Wedekind.


18.9.11.

Frank Wedekind schrieb am 26. Oktober 1911 in München folgendes Telegramm
an Leopold Jessner

leopold jessner
thaliatheater hamburg =


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Hamburg Telegraphenamt.


Telegramm aus muenchen [...]


herzlichen dank fuer wienZusammenhang nicht ermittelt; es dürfte sich aber um die „Erdgeist“-Premiere am 25.10.1911 (Albert Steinrück gastierte in der Rolle des Dr. Schön) an der Residenzbühne in Wien gehandelt haben – Wedekind telegrafierte zugleich in dieser Sache an den Darsteller des Dr. Schön nach Wien [vgl. Wedekind an Albert Steinrück, 26.10.1911]: „Telegramm an Steinrück Erdgeist Wien“ [Tb]. Wedekind könnte mit Leopold Jessner darüber in München gesprochen haben, den er dem Tagebuch zufolge dort am 8.10.1911 („T.St. mit Leopold Jeßner“) und 9.10.1911 („Rehse kommt zu mir dann Jeßner“) traf.. bin sonnabend frueham 28.10.1911 (Samstag), an dem Wedekind notierte: „Ankunft in Berlin Habsburgerhof“ [Tb]; er blieb bis zum 30.10.1911 (Montag) in Berlin und reiste von dort weiter zu einem Gastspiel nach Königsberg bis montag frueh berlin habsburger hof besten gruss = wedekind.

Frank Wedekind schrieb am 11. August 1912 in München folgenden Brief
an Leopold Jessner

Lieber, hochverehrter Herr Jeßner!

Durch die angekündigte EröffnungsvorstellungWedekind notierte am 31.8.1912: „Eröffnungsvorstellung des neuen Thaliatheaters.“ [Tb] Er war unter den Gästen der Festvorstellung zur Eröffnung des Neubaus des Thalia-Theaters (Direktion: Max Bachur) in Hamburg, bei der sein Einakter „Der Kammersänger“ gespielt wurde (nach einem Festspiel von Otto Ernst sowie Einaktern von Goethe und Paul Heyse): „Thalia-Theater. Sonnabend, 31. August 1912. [...] Fest-Vorstellung zur Eröffnung des neuen Hauses. Der Einzug. Festspiel von Otto Ernst. Die Laune des Verliebten. Ein Schäferspiel in Versen und einem Akt von Goethe. Unter Brüdern. Lustspiel in einem Akt von Paul Heyse. Der Kammersänger. Drei Szenen von Frank Wedekind.“ [Hamburger Nachrichten, Jg. 121, Nr. 408, 31.8.1912, Morgen-Ausgabe, 1. Beilage, S. (4)] In der Presse war angekündigt: „Das neue Thalia-Theater wird am 31. August festlich eröffnet. Einem Festspiel von Otto Ernst folgen drei Einakter von Goethe, Paul Heyse und Frank Wedekind, die eine Art Programm für das neue Haus bedeuten sollen.“ [Altonaer Nachrichten, Jg. 63, Nr. 373, 10.8.1912, Abend-Ausgabe, S. (2)] des neuen Thaliatheaters erteilen Sie mir eine Auszeichnung, wie ich sie in den zwanzig Jahren meiner schriftstellerischen Arbeit noch von keiner Seite erfahren habe. Sie teilen fürstliche Ehren aus und lassen dem Beschenkten nur den Zweifel, ob er sie mehr Ihrem Mut oder Ihrem großen künstlerischen Können verdankt.

Für die ernsten nachhaltigen Erfolge, zu denen Ihre Bühnenkunst meiner Arbeit ver|half, würde ich mich als Ihr größter Schuldner fühlen, wenn nicht die ersten literarischen Dramatiker Deutschlands Ihnen genau in derselben Weise verpflichtet wären. Erlauben Sie mir daher, das persönliche außer Acht zu lassen und Ihnen zu der hohen Stellung, die Sie im Kunstleben Deutschlands einnehmen, meinen frohen, herzlichen Glückwunsch auszusprechen.

Mit schönsten Grüßen
Ihr ergebener
Frank Wedekind.


München, 11. August 1912.

Frank Wedekind schrieb am 22. Februar 1913 in München folgenden Brief
an Leopold Jessner

Verehrter Herr JeßnerLeopold Jessner war Oberregisseur am Thalia-Theater (Direktion: Max Bachur) in Hamburg [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 459] und setzte sich für Wedekinds Stücke ein (siehe die vorangehende Korrespondenz).!

Erlauben Sie eine Frage: Könnte ich am Thaliatheater mit meiner Frau in „Franziska“ gastieren? Die Honorarbedingungen wären die gleichen, die uns BremenFrank und Tilly Wedekinds Gastspiel am Bremer Schauspielhaus fand erst am 7.3.1914 (mit „Erdgeist“) und 8.3.1914 (sie spielten „Der Kammersänger“ und „Der Stein der Weisen“) statt. Frank Wedekind notierte Einnahmen von 600 Mark pro Abend in seinem Kontobuch [Mü, L 3512]., HannoverDas Gastspiel am Deutschen Theater in Hannover kam nicht zustande, wurde aber zusammen mit dem Kölner Gastspiel (siehe unten) geplant, wie Wedekinds Notiz vom 22.2.1913 nahelegt: „Telegramm nach Cöln Hannover“ [Tb]. und KölnFrank und Tilly Wedekinds Gastspiel am Kölner Stadttheater fand am 5. und 8.4.1913 statt (mit „Marquis von Keith“ und „König Nicolo oder So ist das Leben“). Frank Wedekind notierte Einnahmen von 450 Mark pro Abend in seinem Kontobuch [Mü, L 3512]. zubilligen: M. 500Wedekind erhielt dann in Bremen 600 Mark und in Köln 450 Mark Honorar (siehe oben). (fünfhundert) für den Abend. Vorbereitungen für das GastspielEin „Franziska“-Gastspiel am Hamburger Thalia-Theater fand nicht statt. würden nur das 2., 6., und 8. Bild erfordern. Die übrigen 6 Bilder ließen | sich auf 3 Proben bewältigen. Im Anschluß an das Gastspiel könnte der VortragsabendEin Vortragsabend in Hamburg fand nicht statt. Leopold Jessner dürfte ihn vorgeschlagen haben, als er Wedekind, der vom 30.8.1912 bis 2.9.1912 in Hamburg war, dort fast täglich getroffen hat [vgl. Tb]. stattfinden, den Sie mir vorschlugen.

Mit besten Grüßen
Ihr ergebener
Frank Wedekind.

Leopold Jessner schrieb am 24. Februar 1913 in Hamburg folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Leopold Jessner vom 27.3.1913 aus München:]


Empfangen Sie meinen herzlichen Dank für die freundliche Übersendung der „Heiligen Eitelkeit[“].

Frank Wedekind schrieb am 27. März 1913 in München folgenden Brief
an Leopold Jessner

Sehr verehrter Herr Jeßner!

Empfangen Sie meinen herzlichen Dank für die freundliche ÜbersendungHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zum übersandten Stück; erschlossenes Korrespondenzstück: Leopold Jessner an Wedekind, 24.2.1913. Wedekind dürfte das Manuskript eines „Heilige Eitelkeit“ betitelten Bühnenstücks von Leopold Jessner erhalten haben, über das nichts bekannt ist; weder ein Druck noch eine Aufführung sind nachweisbar. der „Heiligen Eitelkeit[“]. Ich habe das Werk sofort gelesen und mich sehr darüber gefreut. Daß ich Ihnen heute erst dafür danke ist Nervenangelegenheit. Mein objektives Urtheil ist folgendes. Ein künstlerisch und literarisch sehr vornehmes Werk, überreich an Stimmung. Die drei Personen sind ebenso scharf wie intim charakterisiert. Durch und durch echtes warmes Leben, das an den besten Ibsen und Strindberg erinnert pulsiert im Dialog. Die beabsichtigte Wirkung, die natürlich keine grobe und laute sein | soll kann auf der Bühne unmöglich ausbleiben. Das ist mein objektives Urtheil über ihreSchreibversehen, statt: Ihre. „Heilige Eitelkeit“ dem sicherlich jeder moderne Kritiker zubeistimmen wird.

Daß ich es Ihnen so spät schreibe liegt an einer gewissen Nervenerschöpfung, die ich jetzt hoffentlich hinter mir habe. Mein Veit Kunzmännliche Hauptfigur in „Franziska. Ein modernes Mysterium in fünf Akten“ (1912), die Wedekind seit der Uraufführung am 30.11.1912 in den Münchener Kammerspielen (Direktion: Eugen Robert) selbst spielte [vgl. KSA 7/II, S. 1135, 1188-1206 ist die anstrengendste Rolle, die ich bis jetzt geschrieben habe und ich habe sie diesen Winter über 30 malWedekind notierte am 31.3.1913 zur Inszenierung in den Münchner Kammerspielen (siehe oben) „Franziska 30 Aufführung“ [Tb], nachdem er am 12.3.1913 „Franziska 29 Aufführung“ [Tb] registriert hatte; er hatte sein neues Stück darüber hinaus bereits vor der Uraufführung durch Lesungen in Berlin (am 29.10.1911) und München (am 16.11.1911) vorgestellt [vgl. vgl. KSA 7/II, S. 1155]. gespielt.

Ich würde mich ungemein freuen wenn ich die „Heilige Eitelkeit“ bald auf der Bühne sehen könnte. Die Mitwirkung der Betheiligten hätte natürlich mit Kunst nichts zu schaffen, sondern wäre eine Sensation | der Sie sicherlich aus dem Wege gehen werden. Schade! Indessen bin ich fest überzeugt daß daßSchreibversehen, statt: das. Stück auch ohne diese Sensation auf der Bühne seinen Weg machen wird.

Wollen Sie Frau Franck-WittKäthe Franck-Witt, Schauspielerin am Thalia-Theater in Hamburg [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 460], die in früheren Jahren als Lulu-Darstellerin erfolgreich war. bitte meine ergebenste Empfehlung aussprechen. Unser Spaziergang am AlsterbassinWedekind, der am 31.8.1912 in Hamburg „Spaziergang mit Jeßner und Käthe Frank-Witt an der Alster“ [Tb] notiert hat, ein Spaziergang am Alsterbassin, der Binnenalster (ein See, anschließend an die Außenalster), hat über das mit Leopold Jessner und Käthe Franck-Witt geführte Gespräch auf diesem Spaziergang seinerzeit seiner Frau berichtet: „Jeßner, die Frank Witt und ich machten [...] einen Spaziergang am Alsterbassin, wobei ich erfuhr daß die beiden quasi verschwägert sind indem Jeßner seit 8 Jahren mit der einen der drei Schwestern Witt zusammenlebt.“ [Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 31.8.1912] ist mir in lebhaftester Erinnerung erstens durch die schöne Künstlerin und zweitens durch die ernsten Fragen, die Sie mit ihr erörterten. Ich wünsche und hoffe nur, daß von der unheimlichen Attaquenicht ermittelt (möglicherweise eine Attacke auf die Gesundheit)., an d/unter/ der Frau Franck-Witt kurz darauf zu leiden hatte keinerlei Nachwirkung zurückgeblieben ist.

Ihnen, verehrter Herr Jeßner, | wünsche ich von Herzen große, schöne neue Erfolge. Bei dem lebhaften Bühnenumsatz, der gegenwärtig herrscht, kann es bis zu Ihrer künstlerischen äußeren Selbstständigkeit nicht mehr lange währen. Ihre künstlerische Selbstständigkeit ist ja allerdings vielleicht gar nicht mehr oder nur an einer Berliner Bühne zu überteffenSchreibversehen, statt: übertreffen..

Mit schönsten Grüßen
Ihr ergebener
Frank Wedekind.


27.3.13.

Frank Wedekind schrieb am 21. September 1913 in Berlin folgendes Telegramm
an Leopold Jessner

= dringend = leopold jessner
thaliatheater hamburg =


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Hamburg Telegraphenamt.


Telegramm aus berlin [...]


herrn oberregisseur leopold jessnerLeopold Jessner in Hamburg (Grindelallee 3) war Oberregisseur am Hamburger Thalia-Theater (Direktion: Max Bachur) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 475]. in hamburg danke ich weitaus die groeszte kuenstlerische foerderungAnspielung auf Leopold Jessners „Lulu“-Inszenierung (Premiere: 31.8.1913) am Thalia-Theater in Hamburg, die noch immer auf dem Spielplan stand (mit Käthe Franck-Witt in der Titelrolle), wie Wedekind der überregionalen Hamburger Presse entnehmen konnte: „Thalia-Theater. Direktion: Max Bachur. Sonntag, den 21. September. Nachmittags 2½ Uhr. Bei kleinen Preisen. Lulu. Tragödie in 5 Aufzügen von Frank Wedekind. In Scene gesetzt von Herrn Leopold Jessner. [...] Die ersten drei Akte spielen in Deutschland, der vierte in Paris, der fünfte in London.“ [Hamburgischer Correspondent, Jg. 183, Nr. 481, 21.9.1913, Morgen-Ausgabe, 3. Beilage, S. (1)] Leopold Jessner, der auch im „Wedekindbuch“ vertreten ist [vgl. Friedenthal 1914, S. 273f.], gehörte in der Tat zu Wedekinds Förderern. die ich ausser in berlin inirgendÜbertragungsfehler, statt: in irgend. einer stadt deutschlands gefunden habe = frank wedekind.

Frank Wedekind schrieb am 21. September 1913 in Berlin folgendes Telegramm
an Leopold Jessner

= dringend = leopold jessner
thaliatheater hamburg =


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Hamburg Telegraphenamt.


Telegramm aus berlin [...]


die zehnjaehrigeseit 1903, als Leopold Jessner als Regisseur und Schauspieler noch am Residenztheater in Dresden tätig war [vgl. Neuer Theater-Almanach 1904, S. 322] und er dann ab 1904 am Thalia-Theater in Hamburg Regie führte [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 424]. kuenstlerische wirksamkeit des hamburger regisseurs leopold jessner stand , soweit jchÜbertragungsfehler, statt: ich. sie irgend kenne ausschliesslich im dienste hoher literarischer ziele = frank wedekind

Leopold Jessner schrieb am 16. November 1916 in Königsberg
an Frank Wedekind

[1. Hinweis und Zitat in Kutscher 3, S. 276:]


Jeßner verteidigt sichLeopold Jessner, Direktor am Neuen Schauspielhaus in Königsberg [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 469], hat dort „Hidalla“ inszeniert – unter dem Titel „Karl Hetmann“ (Premiere: 14.10.1916): „Neues Schauspielhaus Direktion: Leopold Jessner. Sonnabend, 8 Uhr: Zum 1. Male: ‚Karl Hetmann.‘ Schauspiel in 3 Alten von Frank Wedekind.“ [Königsberger Hartungsche Zeitung, Nr. 483, 14.10.1916, Morgenausgabe, 2. Blatt, S. 178] Ludwig Goldsteins Besprechung dieser Inszenierung (siehe unten) führte zu einer „Auseinandersetzung“ Wedekinds „mit dem Regisseur Leopold Jeßner über die Darstellungsweise seiner Aufführungen“ [KSA 6, S. 540], die dieser im hier zitierten Brief rechtfertigte und Wedekind dem wiederum widersprach [vgl. Wedekind an Leopold Jessner, 17.11.1916]. 16.XI.16: „Im Dialog C. HetmannsKarl Hetmann, die männliche Hautfigur in „Hidalla“ (1904). kenne ich kein TempoLudwig Goldstein hatte in seiner Besprechung der Königsberger „Hidalla“-Inszenierung [vgl. KSA 6, S. 605-608], für die Wedekind ihm gedankt hatte [vgl. Wedekind an Ludwig Goldstein, 6.11.1916], von „reißender Geschwindigkeit“ geschrieben, nannte „das wahnsinnige Tempo und Temperament der Bühne“ sowie „das Hetztempo der Rede“ [Ludwig Goldstein: Neues Schauspielhaus. Wie Jeßner Wedekind inszeniert. In: Königsberger Hartungsche Zeitung, Nr. 486, 16.10.1916, Abendausgabe, 2. Blatt, S. 209], wobei die Inszenierung aber „seine uneingeschränkte Zustimmung“ [KSA 6, S. 540] fand., sondern sehe in den Gestalten dieses Werkes verkörperte Temperamente, die ihre Empfindungen vulkanisch zum Ausdruck bringen ... Bisher glaubte ich auch Wedekindsche Werke ohne Beleuchtungseffekte und Drehbühnenzauber aufführen zu sollen. Deshalb habe ich für Hetmann keine plastischen ZimmerdekorationenLudwig Goldstein schrieb über Leopold Jessners Königsberger „Hidalla“-Inszenierung: „Kaum eine Spur unseres modernen Theaters mit seinen plastischen Dekorationen!“ [Ludwig Goldstein: Neues Schauspielhaus. Wie Jeßner Wedekind inszeniert. In: Königsberger Hartungsche Zeitung, Nr. 486, 16.10.1916, Abendausgabe, 2. Blatt, S. 209] hingestellt, sondern eben einfach gemalte Wände heruntergelassen und nur das unumgänglich notwendigste Mobiliar auf die Bühne gestellt. Allerdings glaubte ich damit erreicht zu haben, daß sich der ideelle Gehalt Ihres Werkes von diesem schlichten Hintergrunde um so plastischer abhebe.“


[2. Hinweis, Referat und Notiz zum Kontext von Fritz Strich (GB 2, S. 374):]


Brief Jessners, in dem dieser sich gegen die in dem Brief Wedekindsvgl. Wedekind an Ludwig Goldstein, 6.11.1916. an Goldstein vom 6.11.16 erhobenen Vorwürfe nicht nur mit dem Hinweis auf seine jahrelangen künstlerischen Beziehungen zu Wedekind – die frühe Erdgeisttourneedie im Frühjahr 1908 unternommene Tournee des „Erdgeist“-Ensembles des Hamburger Thalia-Theaters (Direktion: Max Bachur), wo Leopold Jessner als Regisseur tätig war [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 400], über die Wedekind seinerzeit erfreut war [vgl. Wedekind an Detlev von Liliencron, 9.3.1908] und sich bei dem Regisseur bedankt hatte [vgl. Wedekind an Leopold Jessner, 9.3.1908], nachdem das „unter der Leitung des Oberregisseurs Leopold Jessner vom Hamburger Thalia-Theater stehende ‚Erdgeist-Ensemble‘ [...] nach einer an künstlerischen Ehren reichen vierwöchentlichen Gastspielreise wieder [...] zurückgekehrt“ [Saale-Zeitung, Nr. 115, 8.3.1908, Beiblatt, S. (1)] war., die Aufführung der „Büchse der Pandoradie Inszenierung der „fünfaktigen ‚Lulu‘-Fassung“ [KSA 3/II, S. 1207] der Doppeltragödie („Erdgeist“ und „Die Büchse der Pandora“ in einer Tragödie zusammengefasst) unter der Regie von Leopold Jessner am Thalia-Theater (Direktion: Max Bachur) in Hamburg (Premiere: 31.8.1913) [vgl. KSA 3/II, S. 1295]. und des Kammersängersin HamburgLeopold Jessners Inszenierung des Einakters „Der Kammersänger“ (1899), aufgeführt zur Eröffnung des Neubaus des Thalia-Theaters (Direktion: Max Bachur) in Hamburg am 31.8.1912 mit Wedekind unter den Gästen der Festvorstellung, wie er festhielt: „Eröffnungsvorstellung des neuen Thaliatheaters.“ [Tb] Wedekind freute sich über diese Inszenierung [vgl. Wedekind an Leopold Jessner, 11.8.1912]. – verwahrt, sondern auch mit rein künstlerischen Gründen: dass es ihm darauf angekommen sei, das vulkanische Temperament – nicht Tempo – der Gestalten und den ideellen Gehalt des Werkes herauszuheben. Wedekind hatte die Aufführung von Hidalla nicht selbst gesehen, sondern nur aus Goldsteins Kritik davon erfahren, die den vermeintlichen „ExpressionismusLudwig Goldstein bemerkte über Leopold Jessners Königsberger „Hidalla“-Inszenierung: „Man könnte [...] Wedekinds ‚Karl Hetmann‘ als expressionistisches Drama auffassen.“ [Ludwig Goldstein: Neues Schauspielhaus. Wie Jeßner Wedekind inszeniert. In: Königsberger Hartungsche Zeitung, Nr. 486, 16.10.1916, Abendausgabe, 2. Blatt, S. 209]“ der Aufführung abgelehnt hatte.

Frank Wedekind schrieb am 17. November 1916 in München folgenden Brief
an Leopold Jessner

(München, XI.1916am 17.11.1916 (siehe die Hinweise zur Datierung)..)


Sehr geehrter Herr Jeßner!Leopold Jessner, Direktor am Neuen Schauspielhaus in Königsberg [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 469], hat dort „Hidalla“ inszeniert – unter dem Titel „Karl Hetmann“ (Premiere: 14.10.1916): „Neues Schauspielhaus Direktion: Leopold Jessner. Sonnabend, 8 Uhr: Zum 1. Male: ‚Karl Hetmann.‘ Schauspiel in 3 Alten von Frank Wedekind.“ [Königsberger Hartungsche Zeitung, Nr. 483, 14.10.1916, Morgenausgabe, 2. Blatt, S. 178] Ludwig Goldsteins Besprechung dieser Inszenierung (siehe unten) führte zu einer „Auseinandersetzung“ Wedekinds „mit dem Regisseur Leopold Jeßner über die Darstellungsweise seiner Aufführungen“ [KSA 6, S. 540], die dieser brieflich rechtfertigte [vgl. Leopold Jessner an Wedekind, 16.11.1916] und Wedekind daraufhin in dem vorliegenden Brief eine „Antwort“ auf den „Brief Jessners“ [GB 2, S. 374] verfasste.

Wenn Sie eines meiner Stücke anders aufführenfreies Zitat des Auftakts von Ludwig Goldsteins Besprechung [vgl. KSA 6, S. 605-608] der Königsberger „Hidalla“-Inszenierung (siehe oben): „Also es war eine Sensation. Jedenfalls war es so ganz anders als sonst“ [Ludwig Goldstein: Neues Schauspielhaus. Wie Jeßner Wedekind inszeniert. In: Königsberger Hartungsche Zeitung, Nr. 486, 16.10.1916, Abendausgabe, 2. Blatt, S. 209]., als wie ich es geschrieben habe, dann üben Sie dadurch öffentlich am Autor Kritik, indem Sie sein Verständnis für das Theater und seine Wirkungen in Frage stellen. Durch diese öffentlich ausgeübte Kritik entheben Sie den Autor jeden Solidaritätsgefühls mit der von Ihnen veranstalteten Aufführung. Nun handelt es sich zwischen uns aber um jene StückeWedekind verweist außer auf die aktuelle Inszenierung von „Hidalla“ unter der Regie von Leopold Jessner am Neuen Schauspielhaus in Königsberg (siehe oben) auf die des „Marquis von Keith“ am Hamburger Thalia-Theater (Premiere: 25.5.1914), jene „stilistisch neuartige Inszenierung Leopold Jeßners in Hamburg“, die seinerzeit „Aufsehen [...] erregte.“ [KSA 4, S. 535] Keith und Hetmann, von denen jedes über 100 Mal seine durchaus harmonische künstlerische Wirkung in der von mir vorgeschriebenen Form bewiesen hat. Wenn Sie Aenderungen an meinen Werken vornehmen, ohne mein Einverständnis dafür einzuholen, so steht es mir wol auch frei, mich ohne Ihr Einverständnis über diese Aenderungen privatim zu äußernAnspielung auf Wedekinds Korrespondenz mit dem Königsberger Theaterkritiker Ludwig Goldstein [vgl. Wedekind an Ludwig Goldstein, 6.11.1916] über die Königsberger „Hidalla“-Inszenierung., nachdem ich der Aufführung wegen öffentlich verhöhnt wordenBezugstext nicht eindeutig ermittelt; möglicherweise in polemischer Zuspitzung Ludwig Goldsteins Besprechung der Königsberger „Hidalla“-Inszenierung (siehe oben). bin. Wenn Sie in meinen Stücken die vorgeschriebenen Dekorationen weglassenLudwig Goldstein schrieb über Leopold Jessners Königsberger „Hidalla“-Inszenierung: „Kaum eine Spur unseres modernen Theaters mit seinen plastischen Dekorationen!“ [Ludwig Goldstein: Neues Schauspielhaus. Wie Jeßner Wedekind inszeniert. In: Königsberger Hartungsche Zeitung, Nr. 486, 16.10.1916, Abendausgabe, 2. Blatt, S. 209] oder durch andere ersetzen, dann nehmen Sie ihnen die Möglichkeit, ihre Aufgabe zu erfüllen, die im Keith darin besteht, wirkliches Leben zu gestalten, im Hetmann darin, wirkliches Leben vorzutäuschen. Mich stellen Sie dem Publikum als einen Autor dar, der darauf ausgeht, abstrakte TheorienLudwig Goldstein hatte über „Hidalla“ Leopold Jessners Inszenierung des Stücks vorab kommentierend geschrieben: „Jeßner wird [...] dem Stück nicht verstandesmäßig, sondern rein künstlerisch beikommen und dementsprechend nur das Ideenspiel betonen“ [Ludwig Goldstein: Wedekinds „Karl Hetmann“. Zur Aufführung im Neuen Schauspielhaus. In: Königsberger Hartungsche Zeitung, Nr. 480, 12.10.1916, Abendausgabe, 2. Blatt, S. 153]; zur Inszenierung des Stücks bemerkte er: „aha, dieses höhere Kasperletheater soll gar nicht ein Wirklichkeits-, sondern ein reines Ideenspiel sein“ [Ludwig Goldstein: Neues Schauspielhaus. Wie Jeßner Wedekind inszeniert. In: Königsberger Hartungsche Zeitung, Nr. 486, 16.10.1916, Abendausgabe, 2. Blatt, S. 209]. auf die Bühne zu bringen, was meinen künstlerischen Absichten direkt widerspricht und meiner Ueberzeugung nach mit dramatischer Kunst nichts zu thun hat. Durch einen ausnahmsweise glücklichen Zufall hatte ich vor kurzemWedekinds „Tod und Teufel“ war unter seiner Mitwirkung am 26.10.1916 in der Bonbonniere als einmalige „nichtöffentliche genehmigte Aufführung“ [KSA 6, S. 701] in München zu sehen gewesen – die drei Szenen wurden von der Kritik gelobt: „In einer nichtöffentlichen Aufführung vor geladenem Publikum bewährten sie die geistige Bändigung des Stofflichen. Durch Wedekinds Mitwirkung blieb dem Stück von vornherein die Haltung gesichert, die es vor jedem Mißverständnis schützte. [...] In dem starken Beifall, den das Auditorium spendete, drückte sich viel Verstehen für die reinen Absichten der Moralgroteske aus.“ [Richard Elchinger: Tod und Teufel. Drei Szenen von Frank Wedekind. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 518, 11.10.1916, Morgen-Ausgabe, S. 2] in München Gelegenheit, auch für meinen Einakter Tod und Teufel den Beweis zu erbringen, daß ich darin dramatisch, künstlerisch und absolut bühnenwirksam gestaltet habe. Umsoweniger kann ich mich darüber freuen, wenn Stücke wie Keith und Hetmann, für die ich diesen Beweis seit zwölf und mehr Jahren„Hidalla“ war am 18.2.1905 uraufgeführt worden (vor fast zwölf Jahren), „Marquis von Keith“ am 11.10.1901 (vor fast fünfzehn Jahren). an unzähligen Bühnen erbracht habe, wieder auf den „rein geistigen Gehaltwohl freies Zitat aus Leopold Jessners Brief – die Formulierung dort: „der ideelle Gehalt Ihres Werkes“ [Leopold Jessner an Wedekind, 16.11.1916].“ hin gespielt werden, den ich ihnen ja deshalb nicht abstreiten will.