Briefwechsel

von Frank Wedekind und Heinrich Kunolt

Heinrich Kunolt schrieb am 4. Oktober 1902 in Berlin folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Heinrich Kunolt vom 11.10.1902 aus München:]


Besten Dank für Deine beiden ausführlichen Briefeder hier erschlossene erste Brief sowie ein zweiter nicht überlieferter Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Heinrich Kunolt an Wedekind, 10.10.1902.. Den ersten ließ ich bis jetzt unbeantwortet, da ich für die Aufführung des Marquis von Keith ziemlich viel zu thun habe.

Heinrich Kunolt schrieb am 10. Oktober 1902 in Berlin folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Heinrich Kunolt vom 11.10.1902 aus München:]


Besten Dank für Deine beiden ausführlichen Briefeder hier erschlossene zweite Brief sowie ein erster nicht überlieferter Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Heinrich Kunolt an Wedekind, 4.10.1902..

Frank Wedekind schrieb am 11. Oktober 1902 in München folgenden Brief
an Heinrich Kunolt

FRANK WEDEKIND.


MÜNCHEN, den 11. Oktober 1902.
Franz Josefstr. 42/II.


Lieber Kunold/tWedekind war mit dem Kunstmaler Heinrich Kunolt befreundet, der zuvor in München (Georgenstraße 53) [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1902, Teil I, S. 346] lebte und dort bei den Elf Scharfrichtern in Wedekinds Pantomime „Die Kaiserin von Neufundland“ auftrat (siehe unten). Heinrich Kunolt verkehrte in München im Kreis um Max Halbe: „Der Geselligkeit diente Max Halbes zur Kegelbahn gewordene ‚Unterströmung‘, welcher [...] Heinz Kunold“ [Kutscher 2, S. 74] angehörte. „Da war der begabte Zeichner und Karikaturist Heinz Kunolt mit seinem rheinischen Mutterwitz und der glücklichen Gabe, sich überall nützlich zu machen, das geborene Faktotum.“ [Halbe 1935, S. 266] Wedekind hat in einem 1909 verfassten Entwurf zu „Mit allen Hunden gehetzt“ charakterisierende Worte der Figur Meinrad Luckner mit „Heinrich Kunold“ [KSA 7/II, S. 724] überschrieben./!

Besten Dank für Deine beiden ausführlichen Briefenicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Heinrich Kunolt an Wedekind, 4.10.1902 und 10.10.1902.. Den erstender nicht überlieferte Brief vom 4.10.1902 (siehe oben). ließ ich bis jetzt unbeantwortet, da ich für die Aufführung des Marquis von KeithWedekinds „Marquis von Keith“ war etwa eine Woche zuvor für eine Erstaufführung in München angenommen worden, wie die Presse meldete: „Vom Akademisch-dramatischen Verein wurde der Marquis von Keith von Frank Wedekind zur Aufführung angenommen und soll am Münchener Schauspielhaus in Szene gehen.“ [Allgemeine Zeitung, Jg. 105, Nr. 273, 4.10.1902, 2. Morgenblatt, S. 6] Die vom Akademisch-dramatischen Verein (Vorsitzender: Fritz Brüggemann) veranstaltete Münchner Premiere fand im Münchner Schauspielhaus (Direktion: Georg Stollberg) mit Wedekind in der Titelrolle sowie unter seiner Regie als geschlossene Vorstellung statt (am 27.10.1902 eine öffentliche Vorstellung), wie angekündigt war: „Die vom Akademisch-dramatischen Verein veranstaltete Aufführung des Marquis von Keith von Frank Wedekind findet als Sondervorstellung des Münchener Schauspielhauses Montag, den 20. Oktober, nur vor geladenem Publikum statt.“ [Allgemeine Zeitung, Jg. 105, Nr. 278, 9.10.1902, 2. Mittagblatt, S. 3] ziemlich viel zu thun habe. Es freut mich außerordentlich, daß Du dich in Berlin so gut eingelebtHeinrich Kunolt lebte inzwischen in Berlin, wo er als Inspekteur am Bunten Theater (Überbrettl) tätig war [vgl. Neuer Theater-Almanach 1903, S. 269]; wann genau er München verlassen hat, ist unklar. Im Sommer war er bereits in Berlin, wie aus Max Halbes Tagebuch [vgl. Tb Halbe] hervorgeht, der Begegnungen dort mit Heinrich Kunolt, der mit Carl Rößler (Pseudonym: Franz Ressner) und Julius Schaumberger, die ebenfalls inzwischen in Berlin lebten, zu seinem engeren „Kreis von Freunden“ [Halbe 1935, S. 266] gehörte, am 20.6.1903 („Abends Stallmann m. Ressner, [...] Schaumberger, Kunolt“), am 27.7.1903 („Ressner, Schaumberger, Kunolt kommen“) am 30.8.1903 („Abends in Berlin, von Kunolt abgeholt“) und am 31.8.1903 („Abends bei Stallmann, wo [...] Kunolt, Ressner, Schaumberger“) notierte. hast.

Was nun die Pantomime betrifftWedekinds Pantomime „Die Kaiserin von Neufundland“ (1897), die am 12.3.1902 bei den Elf Scharfrichtern in München uraufgeführt worden ist (siehe unten) und nun in Berlin inszeniert werden sollte., so freut es mich sehr daß sie in Scene gehen sollam Bunten Theater (Überbrettl) in Berlin, wie Wedekind aus Heinrich Kunolts nicht überlieferten Brief vom 10.10.1902 (siehe oben) erfahren haben dürfte. Das Bunte Theater (Überbrettl) wurde neuerdings nicht mehr von Ernst von Wolzogen, sondern von Martin Zickel geleitet [vgl. Wedekind an Heinrich Kunolt, 3.4.1903]. Die Presse meldete kurz darauf: „Im Bunten Theater [...] befindet sich [...] die Pantomime von Frank Wedekind ‚Die Kaiserin von Neufundland‘ in Vorbereitung.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 491, 19.10.1902, Morgen-Ausgabe, S. 8] Die „für Ende April 1903 angekündigte Aufführung in Berlin auf der ‚Bunten Bühne‘ Ernst von Wolzogens kam nicht [...] zustande.“ [KSA 3/II, S. 794]. Aber leider kann ich mich zu Gunsten einer glänzenden Ausstattung nicht zu Zugeständnissen verstehen die den Sinn beeinträchtigen, wie es das Spielen der ersten zwei Akte in derselben Decoration wäre. Die Decorationen sind SaalDie Bühnenanweisung für das Erste Bild von Wedekinds Pantomime „Die Kaiserin von Neufundland“ lautet: „Die Bühne stellt einen in romanischem Stil gehaltenen Prunksaal im kaiserlichen Palast dar. – Links, etwas nach vorn, unter schwerem Baldachin ein erhöhter Thron. Rechts, gegen die Mitte zu, ein breites, molliges Lager; davor ein Eisbären- oder Tigerfell. Den Hintergrund bildet eine nach rechts und links offene Kolonnade, zwischen deren mittleren Säulen ein Chorpult steht. Durch kleine Rundbogenfenster erblickt man den blauen Himmel. Rechts vorn ein hohes Portal.“ [KSA 3/I, S. 59] und gothisches ZimmerDie Bühnenanweisung für das Zweite Bild von Wedekinds Pantomime „Die Kaiserin von Neufundland“ lautet: „Die Bühne stellt ein hochgewölbtes gotisches Gemach dar. Den Hintergrund bildet ein um vier Stufen erhöhter, nach beiden Seiten offener Söller. Durch weitgeöffnete Spitzbogenfenster blickt man in eine klare Mondnacht hinaus. In der Entfernung Berge mit dichten dunklen Tannenwäldern. Rechts und links vorn je eine hohe Spitzbogenthür mit schweren Portieren. Noch weiter nach vorn, zu beiden Seiten, je eine große alte eichene Truhe. In der linken Seitenwand ein hoher offener Kamin. In der Mitte des Gemaches, soweit als möglich nach hinten, unter einem purpurnen Zeltdach ein sehr breites, mit weißer Seide überzogenes Lager. In der Mitte des Zeltdaches hängen über dem Lager als Embleme Krone, Scepter und Reichsapfel.“ [KSA 3/I, S. 70]. Diese beiden Decorationen | sind auf der elendesten Dorfbühne stehendes Inventar. Mir ist die bescheidenste Ausstattung genügend, wenn sie richtig ist und ich muß gegen die glänzensteSchreibversehen, statt: glänzendste. protestieren, wenn sie falsch ist. Ich habe durch solche sinnbeeinträchtigenden Verbesserungen von Seiten der Regie schon zu viel Unheil erlitten, als daß ich darin noch Spaß verstehe.

Was die Orchestrierung der Musik betrifft, so habe ich dagegen im Prinzip nichts einzuwenden. Diese Orchestrierung kann aber erst gemacht werden nachdem die Proben begonnen haben. Woher in aller Welt soll der Kapellmeisterwohl Oscar Straus (siehe unten), auch wenn außer ihm am Bunten Theater (Überbrettl) in Berlin noch zwei weitere Kapellmeister – Fritz Lehner und Leo Hartmann – tätig waren [vgl. Neuer Theater-Almanach 1903, S. 269]. sonst wissen, wie lang jede Scene dauert. Wird die Orchestrierung vorher festgestellt, dann muß sich entweder das Spiel nach der Musik richten und dann fallen sämmtliche Witze unter den Tisch oder die Orchestrierung muß vollständig geändert werden und die Arbeit war umsonst. Ich bin in München ohne eine geschriebene | Note auf die erste Probedie erste Probe zur Uraufführung am 12.3.1902 der Pantomime „Die Kaiserin von Neufundland“ bei den Elf Scharfrichtern in München, die angekündigt war: „Wie bereits gemeldet, findet die erste öffentliche Exekution des neuen Programms am kommenden Mittwoch statt. Dasselbe gewinnt schon dadurch eine besondere Bedeutung, daß es eine größere dramatische Arbeit von Frank Wedekind enthält, nämlich die Pantomime ‚Die Kaiserin von Neufundland‘, die bekanntlich im vergangenen Sommer im Darmstädter Ausstellungstheater zur Aufführung kommen sollte. Wedekind hat die Pantomime den Bedingungen der Scharfrichterbühne entsprechend umgearbeitet und selbst einstudirt.“ [Die Elf Scharfrichter. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 55, Nr. 117, 11.3.1902, Vorabendblatt, S. 3] Die männliche Hauptrolle – „EUGEN HOLTHOFF, der stärkste Mann der Welt“ [KSA 3/I, S. 58] – spielte Heinrich Kunolt. Seine Darstellung der Rolle wurde gelobt: „Frank Wedekinds Pantomime ‚Die Kaiserin von Neufundland‘ erfordert allein ein 18köpfiges Personal. Sie ist wohl das Kunterbunteste, was Wedekind je geschaffen. [...] Hier genügt wohl die Andeutung, daß außer Ihrer sehr verliebten Majestät [...] Holthoff, der stärkste Mann der Welt, auftreten. Wedekind könnte sich für dieses Produkt seines verruchten Humors gar keine bessere Darstellung wünschen. Sogar für den stärksten Mann der Welt haben die Scharfrichter in Herrn Kunstmaler Heinrich Kunold einen durchaus würdigen Vertreter gefunden. Er spielt den Lohengrin im Athletengewande mit Zirkusgrandezza und trockener Komik.“ [Die Elf Scharfrichter. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 55, Nr. 123, 14.3.1902, Vorabendblatt, S. 4] gekommen und die Sache gieng glänzend. Ich sehe nicht ein warum es sich bei den wol größeren Kräften am Bunten Theater nicht auch mit der Orchestrierung so machen lassen soll. Übrigens kann ich auch unmöglich zugeben daß außer mirWedekind selbst hatte für seine Pantomime „Die Kaiserin von Neufundland“ musikalische Arrangements festgelegt, die im Notizbuch teilweise in einer Liste zur musikalischen Begleitung zu den Bildern I bis III und Noten erhalten sind [vgl. KSA 3/II, S. 794, 798-801], und bediente sich für die Uraufführung in München (siehe oben) einer von ihm „selbst zusammengestellten Potpourri-Musik“ [Wedekind an Beate Heine, 5.8.1902]. noch ein musikalischer Autorwohl Oscar Straus, 1. Kapellmeister am Bunten Theater (Überbrettl) in Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1903, S. 269], dessen musikalische Leitung in den Bühnenprogrammen stets genannt ist und der bei seinem Engagement in dem neu organisierten Kabarett wie ein Star angekündigt war: „Die Leitung des ‚Bunten Theaters‘ für die nächste Saison hat eine Ergänzung erfahren, indem zu Dr. Martin Zickel und Marcel Salzer nun auch Oscar Straus, als erster Kapellmeister und musikalischer Leiter hinzutritt.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 31, Nr. 257, 24.5.1902, Morgen-Ausgabe, S. (2)] der Pantomime erwähnt wird. Was musikalisch zu ihrer Aufführung nötig ist, kann ich mit jedem x-beliebigen Kapellmeister arrangieren. Auf einen ComponistenWedekind hatte bisher mit zwei Komponisten über „Die Kaiserin von Neufundland“ verhandelt, zuerst mit seinem nun bei den Elf Scharfrichtern als Hannes Ruch firmierenden Freund [vgl. Wedekind an Hans Richard Weinhöppel, 1.4.1897 und 30.6.1897], dann mit Hans Merian, der mit der „Composition“ [Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 10.12.1897] zwar begonnen hatte, gleichwohl „die gewünschten Kompositionen nicht lieferte“, weshalb die geplante Uraufführung der Pantomime in Leipzig 1898 „nicht zustande“ [KSA 3/II, S. 794] kam. habe ich für die Pantomime volle acht Jahre langseit 1894; demnach hatte Wedekind sich schon in seiner Pariser Zeit mit dem Projekt seiner Pantomime „Die Kaiserin von Neufundland“ beschäftigt, nicht erst Anfang 1897 [vgl. KSA 3/II, S. 777]. vergeblich gewartet. Ich möchte mir jetzt das Verdienst, die Pantomime aus eigener Kraft auf die Beine gestellt zu haben, gegenüber der Öffentlichkeit und zu gunsten irgend eines x-beliebigen Kapellmeisters nicht gern wieder verkümmern lassen.

Gegen die BesetzungDie Rolle des Athleten Eugen Holthoff sollte in der geplanten Berliner Inszenierung der Pantomime „Die Kaiserin von Neufundland“ wie in der erfolgreichen Münchner Uraufführung bei den Elf Scharfrichtern (siehe oben) vermutlich wieder mit Heinrich Kunolt besetzt werden. habe ich im Wesentlichen nichts einzuwenden; dagegen müßte ich, was aus dem Gesagten hervorgeht, darauf bestehen, die Pantomime selber einzustudieren. Am 20. Oktoberder 20.10.1902, der Termin der Münchner „Marquis von Keith“-Premiere (siehe oben). | ist „Marquis von Keith“ hier im Schauspielhaus. Da ich das Stück ganz allein einstudiereWedekind führte bei der Münchner Premiere des „Marquis von Keith“ (siehe oben) die Regie, auch wenn der Veranstalter in der Presse scheinbar gleichrangig mitgenannt war: „Die Leitung der Aufführung liegt in den Händen von Frank Wedekind und Fritz Brüggemann, dem Vorsitzenden des Vereins.“ [Akademisch-dramatischer Verein. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 55, Nr. 478, 15.10.1902, Vorabendblatt, S. 3]n, kann kannSchreibversehen, statt: kann. ich leider vorher auf keinen Fall abkommen. Dagegen stände ich nachher eventuell zur Verfügung.

Grüße bitte Dr. ZickelDr. phil. Martin Zickel in Charlottenburg (Grolmanstraße 55) [vgl. Berliner Adreßbuch 1903, Teil I, S. 2020], inzwischen stellvertretender Direktor und Oberregisseur an Ernst von Wolzogens Buntem Theater (Überbrettl) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1903, S. 269], das er zunächst ab dem 1.9.1902 gemeinsam mit Marcell Salzer geleitet hat: „Das Bunte Theater eröffnet seine neue Spielzeit unter der Direktion Dr. Martin Zickel und Marcell Salzer am 1. September d.J.“ [Die kommende Saison im „Bunten Theater“. In: Berliner Tageblatt, Jg. 31, Nr. 329, 2.7.1902, Morgen-Ausgabe, S. (3)] aufs Beste von mir und sei selber herzlichst gegrüßt von Deinem getreuen
Frank Wedekind.

Heinrich Kunolt schrieb am 1. April 1903 in Berlin folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Heinrich Kunolt vom 3.4.1903 aus München:]


Dein ausführlicher Brief hat mich in hohem Grade interessiert.

Frank Wedekind schrieb am 3. April 1903 in München folgenden Brief
an Heinrich Kunolt

FRANK WEDEKIND.


MÜNCHEN, den 3. April 1903.
Franz Josefstr. 42/II.


Lieber FreundHeinrich Kunolt wohnte in Berlin in Untermiete in der Kochstraße 46 [vgl. Neuer Theater-Almanach 1903, S. 296].!

Vorerst meinen herzlichen Dank für Deine vielfachen BemühungenHeinrich Kunolt hat sich in Berlin für eine Aufführung der Pantomime „Die Kaiserin von Neufundland“ (1897) an Ernst von Wolzogens Bunten Theater (Überbrettl) eingesetzt [vgl. Wedekind an Heinrich Kunolt, 11.10.1902], wo er als Inspekteur tätig war [vgl. Neuer Theater-Almanach 1903, S. 296], und zwar für eine Aufführung an der Bunten Bühne unter der Leitung von Martin Zickel (siehe unten). Die „für Ende April 1903 angekündigte Aufführung in Berlin auf der ‚Bunten Bühne‘ Ernst von Wolzogens kam nicht [...] zustande.“ [KSA 3/II, S. 794] „Das Manuskript dieser Bearbeitung“ (es ist verschollen) hat der „Kunstmaler Heinrich Kunold [...] geschrieben.“ [Kutscher 3, S. 313], durch die der schwerste Schritt, die Censur nun schon überwundenDie Aufführung der Pantomime (siehe oben) war seit wenigen Tagen freigegeben, wie der Eintrag auf dem Titelblatt des Pflichtexemplars von „Die Kaiserin von Neufundland“ (datiert: Berlin, 31.3.1903) ausweist, das dem Berliner Polizeipräsidium zur Vorzensur eingereicht worden ist: „Genehmigt für das Bunte Theater unter der Voraussetzung decenter Darstellung.“ [KSA 3/II, S. 797] ist. Was das weitere betrifft, so gebe ich Dir gerne völlig freie Hand, vorausgesetzt, daß die Einstudierung der Pantomime mir vorbehalten bleibt. Ich mache dich aber darauf aufmerksam daß Zickel meine definitive Zusagenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Martin Zickel, 15.12.1902. Martin Zickel in Charlottenburg (Grolmanstraße 55) [vgl. Berliner Adreßbuch 1903, Teil I, S. 2020], inzwischen verzeichnet als stellvertretender Direktor und Oberregisseur an Ernst von Wolzogens Buntem Theater (Überbrettl) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1903, S. 269], das er zunächst ab dem 1.9.1902 gemeinsam mit Marcell Salzer geleitet hat – „Das Bunte Theater eröffnet seine neue Spielzeit unter der Direktion Dr. Martin Zickel und Marcell Salzer am 1. September d.J.“ [Die kommende Saison im „Bunten Theater“. In: Berliner Tageblatt, Jg. 31, Nr. 329, 2.7.1902, Morgen-Ausgabe, S. (3)] – und dann am 15.12.1902 zusammen mit Erich Paetel übernahm: „Dr. Martin Zickel und Erich Paetel übernehmen am 15. d. M. das Bunte Theater in der Köpenickerstraße. Die Bühne soll noch im Laufe dieses Winters in ein regelrechtes Theater umgewandelt werden.“ [Unterhaltungsblatt des Vorwärts, Nr. 234, 2.12.1902, S. 936] „Wie wir hören, werden die neuen Inhaber die Bühne nach und nach in ein reguläres modernes Theater-Programm überführen, so daß für diese Saison der bunte Theil wohl noch beibehalten werden dürfte.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 563, 2.12.1902, Morgen-Ausgabe, S. 9] hat und demnach berechtigSchreibversehen, statt: berechtigt. wäre auf der Aufführung zu bestehen.

Was nun die ScharfrichterHeinrich Kunolt ist bei den Elf Scharfrichtern, deren Ensemblemitglied Wedekind war, aufgetreten; er spielte in Wedekinds Pantomime „Die Kaiserin von Neufundland“ (1897), die von den Elf Scharfrichtern am 12.3.1902 in München uraufgeführt wurde, erfolgreich die Rolle des Athleten Eugen Holthoff [vgl. KSA 3/II, S. 797]. betrifft | so befinden sie sich augenblicklich auf Turneé in Frankfurt am MainDie Presse vor Ort meldete: „Nun sind die ‚elf Scharfrichter‘ endlich auch zu uns gekommen.“ [Die elf Scharfrichter. In: Frankfurter Zeitung, Jg. 47, Nr. 93, 3.4.1903, 3. Morgenblatt, S. 2]. In Nürnberg kam es zu StreitigkeitenWedekind hatte an der aktuellen Tournee der Elf Scharfrichter nur kurz teilgenommen, da es bei dem Gastspielaufenthalt in Nürnberg (siehe unten) zwischen ihm und Leo Greiner (Scharfrichtername: Dionysius Tod), der die „Regie“ [Wedekind an Beate Heine, 18.3.1903] führte, zum Streit gekommen ist, Wedekind die Gastspielreise mit den Elf Scharfrichtern abbrach und nach Cannstatt bei Stuttgart reiste, wo er bereits am 6.3.1903 in seinem Einakter „Der Kammersänger“ auftrat [vgl. KSA 4, S. 393]. zwischen Greiner und mir, die mich veranlaßten, die Reise nicht weiter mitzumachen. Sie würde daher eventuell auch nach Berlin ohne mich gehen. Henry schrieb mirHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Marc Henry an Wedekind, 30.3.1903. Der Kabarettist und Chansonnier Marc Henry war Gründungsmitglied der Elf Scharfrichter und deren Leiter. allerdings vor einigen Tagen ich möchte doch wieder mitmachen. Ich konnte mich aber dazu bis jetzt noch nicht entschließen. Die ganze Scharfrichterei ist mir entsetzlich verleidet. Wenn Zickel auf meiner Mitwirkung bei dem Gastspiel bestände, wie das Meßthaler in NürnbergDas Gastspiel der Elf Scharfrichter in Nürnberg, der ersten Station ihrer Tournee, fand am Intimen Theater (Direktion: Emil Meßthaler) statt und hatte einen erfolgreichen Auftakt: „Aus Nürnberg, 3. März, wird uns geschrieben: [...] Mit dem gestrigen Abend sind die ‚Elf Scharfrichter‘ zu einem mehrtägigen Gastspiel in das Intime Theater eingezogen. Das Theater war bis auf wenige Plätze ausverkauft; auch die Damenwelt war unter dem distinguierten Publikum stark vertreten. M. Henry gewann schon als liebenswürdiger Konferenzier die Sympathien mit einem Schlage“, das Programm fand „den lebhaftesten Beifall“, darunter „Wedekind mit seinen eigenen Dichtungen. (Demnächst wird auch Wedekinds ‚Marquis von Keith‘ mit dem Verfasser in der Titelrolle im Intimen Theater zur Aufführung kommen.) Die Elf Scharfrichter sind entschieden das beste ‚Ueberbrettl‘, das wir hier in Nürnberg zu sehen bekommen haben.“ [Aus dem Nürnberger Theaterleben. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 56, Nr. 110, 7.3.1903, Vorabendblatt, S. 2-3] that, so wären sie ja gezwungen mich mitzubringen, aber, offen gesagt, sehne ich mich auch danach nicht sehr, wiewohl | ich ganz gern wieder einmal nach Berlin käme. Der Pantomime könnte ich dort augenblicklich aber wohl wenig nützen. In dem Moment, wo meine Anwesenheit wirklich notwendig ist, würde ich wol schon irgend ein Gastspielengagement in Berlin finden, das mir die Reise- und Aufenthaltskosten deckt. Aber das hat vorderhand ja noch Zeit.

Dein ausführlicher Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Heinrich Kunolt an Wedekind, 1.4.1903. hat mich in hohem Grade interessiert. VorGestern nach der Kegelbahndie von Max Halbe in München gegründete literarische Kegelgesellschaft Unterströmung (sie traf sich in der Dichtelei), in der Heinrich Kunolt verkehrt hatte [vgl. KSA 7/II, S. 821]. „Der Geselligkeit diente Max Halbes zur Kegelbahn gewordene ‚Unterströmung‘“, zu deren Kreis auch der „Maler Heinz Kunold“ [Kutscher 2, S. 74] zählte. laß/s/ ich ihn in der Dichteleiim Weinlokal Zur Dichtelei (Türkenstraße 81) [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1904, Teil II, S. 729], ein Künstlerlokal der Schwabinger Boheme. im engsten Kreise. Halbe stempelte Dich daraufhin zum perfecten Jurnalisten und empfahl Dich DanneckerAdolf Dannegger war Schriftleiter der gemeinsam mit Alexander von Bernus herausgegebenen Münchner Zeitschrift „Freistatt. Kritische Wochenschrift für Politik, Literatur und Kunst“, an der auch Wedekind mitarbeitete. Er dürfte am 2.4.1903 das Weinlokal Zur Dichtelei besucht haben, wo er wohl auch sonst verkehrte [vgl. Mühsam 2003, S. 74] und zum Kreis um den Akademisch-Dramatischen Verein zählte [vgl. Kutscher 3, S. 73]. als Correspondenten für die „Freistatt“ ‒ Alle lassen Dich aufs herzlichste Grüßen auch Luise | BerthaLuise Halbe (geb. Heck), Max Halbes Ehefrau, und ihre Schwester Bertha Heck., KayserlingSchreibversehen, statt: Keyserling..

Ich danke Dir noch einmal aufrichtig für Deine Mühe und bleibe mit bestem Gruß Dein getreuer
Frank.

Heinrich Kunolt schrieb am 25. September 1903 in Nürnberg folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Bildpostkarte an Heinrich Kunolt vom 26.9.1903 aus München:]


L. K. Ich komme nicht nur sehr gern nach Nürnberg [...]

Frank Wedekind schrieb am 26. September 1903 in München folgende Bildpostkarte
an Heinrich Kunolt

Postkarte – Carte postale
Weltpostverein – Union postale universelle
[...]


Herrn Heinrich Kunold
Nürnberg
Intimes Theaterdas am 22.10.1900 eröffnete Intime Theater (Direktion: Emil Meßthaler) in Nürnberg [vgl. Neuer Theater-Almanach 1904, S. 453]. |


L. K. Ich komme nicht nur sehr gernHinweis auf eine nicht überlieferte Einladung nach Nürnberg; erschlossenes Korrespondenzstück: Heinrich Kunolt an Wedekind, 25.9.1903. nach NürnbergWedekind reiste nach Nürnberg, wo am Intimen Theater ein Wedekind-Zyklus stattfand, der am 10.10.1903 mit dem „Erdgeist“ eröffnet wurde („Der Liebestrank“ wurde am 24.10.1903 aufgeführt, „Marquis von Keith“ hatte am 31.10.1903 Premiere): „Im Intimen Theater führt zur Zeit Frank Wedekind das Zepter. Direktor Meßthaler bringt einen ganzen Wedekind-Zyklus heraus. Gestern Abend wurde die Tragödie ‚Erdgeist‘ zum ersten Male aufgeführt. [...] Direktor Meßthaler hatte aber auch im Verein mit Wedekind, der acht Tage lang den Proben beigewohnt hat, für eine Musteraufführung gesorgt. [...] Dem ‚Erdgeist‘ wird der Schwank ‚Der Liebestrank‘ und diesem am Samstag der ‚Marquis von Keith‘ folgen.“ [Nürnberger Theater. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 56, Nr. 484, 16.10.1903, Morgenblatt, S. 2] Die genannten acht Tage vor der „Erdgeist“-Premiere zurückgerechnet dürfte Wedekind am 2.10.1903 in Nürnberg gewesen sein, mit Sicherheit aber zur Premiere des „Marquis von Keith“, bei dem Wedekind „selbst die Titelrolle spielte“ [Nürnberger Theater. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 56, Nr. 514, 3.11.1903, S. 3]., sondern ich freue mich eigentlich recht darauf, wenn es mir nicht zu sehr mit meiner ArbeitWedekind arbeitete an seinem Stück „Hidalla“ [vgl. KSA 6, S. 369]; sein Geld verdiente er mit Auftritten bei den Elf Scharfrichtern, wie Max Halbe in Wien am 18.10.1903 Hermann Bahr erzählte: „Bei den Scharfrichtern singt er dann für 300 Mark monatlich jeden Abend, kaum fünfzehn Minuten, drei Lieder vor, tritt aber heuer auf, in dem Gefühl, innerlich herabzukommen und sich zu verlieren. Er arbeitet an einem Königsstück, das bis zum December fertig sein soll“ [Tb Bahr]. collidiert. Beste Grüße und Glückwunsch zu Deiner neuen Thätigkeitnicht ermittelt; da aber die vorliegende Bildpostkarte an das Intime Theater adressiert ist, darf die neue Tätigkeit des Malers Heinrich Kunolt dort vermutet werden. Seine Theaterambitionen verraten eine Notiz Max Halbes, der sich am 25.7.1903 in Berlin mit Heinrich Kunolt getroffen hat: „Abends mit Kunolt bei Stallmann. Kunolt ganz wieder gescheiter Bursche! Wird sicher nochmal Theaterdirektor.“ [Tb Halbe] Der Kunstmaler Heinrich Kunolt ist später kurzfristig als künstlerischer Beirat am Deutschen Theater zu Berlin (Direktion: Paul Lindau) verzeichnet [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 285].

Frank.

Heinrich Kunolt schrieb am 11. November 1903 in Nürnberg folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Postkarte an Carl Rößler vom 13.12.1903 aus München:]


Sage bitte Kunolt, ich hätte seine Briefeder hier erschlossene Brief sowie ein weiterer nicht überlieferter Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Heinrich Kunolt an Wedekind, 12.12.1903. längst beantwortet, wenn bessre Stimmung.

Heinrich Kunolt schrieb am 12. Dezember 1903 in Berlin folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Postkarte an Carl Rößler vom 13.12.1903 aus München:]


Sage bitte Kunolt, ich hätte seine Briefeder hier erschlossene Brief sowie ein weiterer nicht überlieferter Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Heinrich Kunolt an Wedekind, 11.11.1903. längst beantwortet, wenn bessre Stimmung.