Briefwechsel

von Hermann Huber und Frank Wedekind

Frank Wedekind schrieb am 18. Juli 1882 in Lenzburg folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Hermann Huber

[Hinweis in Hermann Hubers Brief an Wedekind vom 21.7.1882 aus Besenbüren:]


[...] der Brief, den ich letzthin empfangen, [...] hatte mich herzlich gefreut! (Antwort auf das „Ständchen“.)

Hermann Huber schrieb am 21. Juli 1882 in Besenbüren folgenden Brief
an Frank Wedekind

Besenbüren, 21. Juli 1882.

Mein FreundHermann Huber besuchte seit Frühjahr 1882 die IV., Wedekind die III. Gymnasialklasse der Kantonsschule Aarau. Die ersten beiden Schuljahre (1879/80 und 1880/81) waren sie Klassenkameraden.!

Beatus ille, quiGlücklich ist jener, der fern von den Geschäften weilt. [Horaz, Epoden II, 1]. procul negotiis! spreche ich ganz selbstvergnügt während meiner Ferienvon Montag, 17.7.1882 bis Samstag, 12.8.1882 [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule für das Schuljahr 1882/83, S. 9]. aus, wenn ich an Dich denke, noch mehr aber an Deine Würdeeinen literarischen Beitrag zu leisten zu einem der bevorstehenden beiden Aarauer Feiern, dem 50 jährigen Jubiläum des eidgenössischen Turnfests (29.7. bis 1.8.1882), zu dem 2000 Gäste erwartet wurden, oder dem aargauischen Kantonalschützenfest (6.8. bis 13.8.1882) [vgl. auch Eduard Leupold an Wedekind, 9.7.1882]. Wedekind war am 15.7.1882 (in Abwesenheit) zum „Cantusmagister“ der Schülerverbindung Industria Aarau gewählt worden [vgl. Haemmerli-Marti 1942, S. 30f.] Am selben Tag hatte er die Sitzung des Empfangskommitees für das eidgenössische Turnfest besucht, dessen Präsident Wedekinds Geschichtslehrer Eduard Leupold war, der auch als Vereinsinspektor den Schülervereinen beratend zur Seite stand [vgl. Chaudhuri 2009, S. 243]. Die Ereignisse dürften zusammenhängen.. Hastig habe ich heute die FestzeitungDie 3. von 12 Nummern des „Festblatt für das aargauische Kantonalschützenfest in Aarau“, das bei R.H. Sauerländer in Aarau erschien (8.6.-22.8.1882). Über das Festblatt meldete die zeitgenössische Presse: „Das Organisationskomite des aargauischen Kantonalschützenfestes hat eine geeignete Redaktion mit der Herausgabe einer Festzeitung beauftragt, welche in zwölf Nummern erscheinen und aus dem vielgestaltigen Festleben die interessanten Momente herausgreifen soll. Die erste Nummer ist schon herausgekommen.“ [Der Bund, Jg. 33, Nr. 161, 13.6.1882, S. (4)] „die Titelvignete der Festzeitung zeigt auch neben dem Aargauer Wappen den preußischen Doppeladler, aber nicht das eidg. Kreuz“ [Der Grütlianer, Jg. 31, Nr. 48, 17.6.1882, S. (3) In der Nummer vom 21.7.1882 wurde über die erfolgreich abgeschlossenen Festvorbereitungen berichtet [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 62, 1882, Nr. 203, 22.7.1882, S. (1)]. ergriffen, aber nichts von Franclin W. gesehen, sondern nur eine recht langweilige SenfkorngeschichteAm Ende seines historischen Rückblicks schrieb der Aarauer Altpfarrer Emil Zschokke: „Der Verein wuchs aus einem Senfkorn zu einem edeln Blüthenbaume, der seine Äste über beinahe alle Gaue ausbreitet.“ [Die Gründung des Schweizerischen Turnvereins. In: Aargauisches Kantonalschützenfest. Festblatt, Nr. 3, 20.7.1882, S. 14f.] von E. Z. Dagegen hat Hr. A. FreyAdolf Frey, Wedekinds Deutschlehrer, der im Januar 1882 den Ruf für deutsche Sprache und Literatur sowie Griechisch am Gymnasium der Kantonsschule Aarau erhalten hatte. ein ganz heimeliges, gewisse Herzen ergreifendes Gedicht eingesandtAdolf Frey: Schützenpreis [vgl. Aargauisches Kantonalschützenfest. Festblatt, Nr. 3, 20.7.1882, S. 15].! Wie oft mag er sehnsüchtig seine Blicke haben schweifen lassen von seiner Bude ausvermutlich nicht in Aarau; die Ausführungen beziehen sich nicht auf das abgedruckte Gedicht. hinaus durch die Vorstadt bis dorthin, wo ein kühnes MädchenAnspielung auf die Historikerin Dr. Lina Beger, die sich 1882 mit Adolf Frey verlobt hatte und ihn 1883 heiratete. Beide waren 1878 an der Universität Bern promoviert worden, von wo sie zunächst nach Berlin zogen. wohnt, das ihm so wonniglich Milch servirt. Zwar bin ich nicht Rüegg und schreibe keine PlaudereienReinhold Rüegg veröffentlichte seit 1871 in verschiedenen Zeitungs-Feuilletons (zunächst im Winterthurer Wochenblatt „Der Landbote“, später in der Tageszeitung „Züricher Post“) seine „Plaudereien“, die zwischen 1874 und 1928 auch als Sammlungen wiederabgedruckt wurden., jetzt aber habe ich doch gerne etwas abgeschweift, handelt es sich ja um eine Herzenssache! Herzlich!

Kommen wir also, wäre gewiß eine schöne Phrase in einer Turner oder SchützenredeAuf dem eidgenössischen Turnfest wie dem aargauischen Kantonalschützenfest wurden zahlreiche Reden gehalten, von denen einige in den Festzeitungen abgedruckt wurden., also zum Ausgangspunkte zurück. | Hätte ich meinen Träumeraufsatznicht ermittelt. noch nicht abgegeben, so hätte ich jetzt ergiebigen Stoff. Lebhaft stelle ich mir vor, wie ein bewürdetes Haupt jetzt in Hülle und Fülle zu thun hatWedekind schrieb über die Festvorbereitungen das Gedicht „Wie man sich in Aarau auf das eidgenössische Turnfest rüstet“ [KSA 1/I, S. 55-60], dessen Publikation allerdings abgelehnt worden war [vgl. Eduard Leupold, 8.7.1882]. Im „Festblatt für das Eidgenössische Turnfest in Aarau“ (Nr. 1, 30.7.1882, S. 4) erschien Wedekinds Gedicht „Turnergruß“ [KSA 1/I, S. 60] Ein Beitrag von ihm zum Schützenfest ist nicht ermittelt.. Par exemple(frz.) Zum Beispiel..

Vor Allem schnallt man sich einen schönen corpus an, läßt sein Ebenbild sich oft zurückwerfen und hocherfreut über die zu erringenden Siege des Herzens stellt man das unentbehrliche Instrument weg. Ich seh’ Dich bereits in einem schnurgeraden „Kellnerscheitel“ alle Haare genau abgezählt nach links und rechts hinunterhangend. Zur Verständigung des Mannes und des Effektes bedeckt ihn etwa auch der schwarze Frack und die – Comitérosettestilisierte Rose als Verzierung eines Komiteemitglieds; Wedekind hatte am 15.7.die Sitzung des Empfangskomitees des eidgenössischen Turnfestes besucht [vgl. Hämmerli-Marti 1842, S. 31]. Ob er Mitglied des Komitees war, wie der vorliegende Brief Hermann Hubers nahelegt, konnte nicht ermittelt werden.. Ein guter Anfang, Aussicht auf einen Stern! Glückliche Menschen, das gleißt an der Sonne! So der äußere Mann und seine Hoffnungen! | Der innere Mensch, d. h. dessen Geist ist aber nicht minder beschäftigt.

„Ich kann nicht umhin, Ihnen“ „ich bedaure, daß“, „Ich habe die Ehre“ „ich habe das Vergnügen“ „es thut mir sehr leid“ „Entschuldigen Sie gefälligst“ und ihre Verwandten müssen jetzt geläufig einstudirt werden, tägliche Übung schadet vielleicht nichts. Dann folgt die Rede: „Freunde, Brüder, Eidgenossen, Turner! Unser Wahlspruch lautet: Frisch, fromm, froh, frei, Aus allen Gauen, herbeiströmen“ um die/er/ Rede den Trumpf zu geben, rathe ich, öfter auch „meine Herren“ erklingen zu lassen, das tönt.

So, das wäre die Thätigkeit eines gewöhnlichen BrüdermitgliedesVollmitglied der Schülerverbindung Industria Aarau. Wedekind hatte die Aufnahme als Bruder im März 1882 beantragt und gehörte mittlerweile zum Vorstand [vgl. Wedekind an die Industria, 12.3.1882]., an Fr. W. stellt man natürlich ganz andere Anforderungen, zum Mindesten ein Gedicht. Ich möchte fast bezweifeln, ob Dir die Ferien einen Turnergeist eingepflanztMit der Begründung, dass er „zu undiszipliniert“ sei, soll Wedekind die Aufnahme in den Kantonsschülerturnverein (KTV) verweigert worden sein [Haemmerli-Marti 1842, S. 30f.] Nach einer Rippenfellentzündung im Sommer 1881 war er vom Turnunterricht freigestellt [vgl. Aa, DE02/0167/03 (Teil 3 vom 31.10.1881)]. haben und ein Gedicht aus Deinem Herzen entspringen lassen. |

Aber das thut ja nichts zur Sache, wenn’s nur schön ist! wird stellt sich ja auch der liebe Herrgott oft zur rechten Zeit zum Reime bei einem – frommen Dichter ein. Wenn’s nur klingt, die Welt hat keine Augen!

Immerhin muß es eine edle Beschäftigung eines Comitémitgliedes sein! – –

Erlaube, daß ich Dich auch mit einigen Nachrichten von mir langweile. Ich übersetze eifrig aus dem Italienischen und bin bald fertig, so daß mein Geldbeutel oft voller Freuden aufjukt(schweiz.) aufhüpft., wenn er in der Hoffnung ist, bald zu empfangen. Wie recht von Herzen gönne ich ihm’s! Nebenbei lese ich etwas Shakespeare und mache Excursionen für die geologische KarteDie Kartierung seiner Heimat (Besenbüren), die Hermann Huber während der Sommerferien vornahm, dürfte durch den Schulunterricht im Fach Naturgeschichte an der Kantonsschule Aarau angeregt worden sein. „Vorbegriffe der Geologie. Erörterung der geologischen Verhältnisse der Umgegend.“ [Programm der Aargauischen Kantonsschule für das Jahr 1882/83, S. 17] standen im Lehrplan für die IV. Klasse. Der Fachlehrer Friedrich Mühlberg, einer der bekanntesten Geologen seiner Zeit, unterrichtete praxisorientiert und unternahm mit seinen Schülern zahlreichen Exkursionen insbesondere in die Umgebung. Mühlberg selbst hat zahlreiche geologische Karten der Schweiz erstellt., ein fein Vergnügen! – Dann wird in der nächsten Woche der Aufsatznicht ermittelt. begonnen und die – Grundsteinlegung zum neuen DramaDie Schauspiele Hermann Hubers sind nicht überliefert. Wie Dir schon gesagt, werde ich mir die Freiheit nehmen, Dich während der Ferien einmal zu besuchen d. h. zum Besuch abzuholen. ./. Forts. Seite. 5. |

Was machen Deine lbenSchreibversehen, statt: lieben. VereinsgenossenMitglieder der Schülerverbindung Industria Aarau waren Joseph Stocker aus der III. Klasse sowie Wedekinds Klassenkameraden aus der II. Klasse Albert Irniger, Samuel Schaffner [vgl. Haemmerli-Marti 1942, S. 31] und Johann Otto Wullschleger, der auch der Helvetia philosophia angehörte [vgl. Moriz Sutermeister an Wedekind, 3.2.1883 u. 3.3.1883; Chaudhuri 2009, S. 107 u.a].? BierburgerBierbürger; die bei einer Kneipe anwesenden Verbindungsmitglieder und Gäste., fidèlSchreibversehen, statt: fidèle (frz.) zuverlässig, getreu., originell tönts aus allen Kehlen! Welche Zukunft. Verzeihe mir meine Excursion(lat.) hier: Abschweifung.!

Als ich den Brief noch einmal durchlas fiel mir auf, daß das Herz so eine große Rolle spielt. Offenbar hat mich der Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hermann Huber, 18.7.1882., den ich letzthin empfangen, verleitet, dieses Wort so oft zu brauchen: Denn jener hatte mich herzlich gefreut! (Antwort auf das „Ständchennicht ermittelt; möglicherweise gab die zu Beginn des Briefes erwähnte „Würde“ Wedekinds Anlass zu dem Ständchen.“.)

Dir alles Vergnügen wünschend,
hoffe ich Dich einmal zu treffen
und grüße Dich mit
collegial. Gruße
(und (Turner) Handschlag
Hermann Huber IV Gym

Hermann Huber schrieb am 11. April 1883 in Aarau folgende Visitenkarte
an Frank Wedekind

Hermann Huber,

stud. jur.Hermann Huber, der wenige Tage nach seiner Matura (14.4.1883) an der Kantonsschule Aarau zum Studium nach Straßburg abgereist ist [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 16.4.1883], wo er am 27.4.1883 für Jura immatrikuliert wurde [vgl. Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studenten der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg für das Sommer-Halbjahr 1883. Straßburg 1883, S. 25], hat die entsprechend bedruckte Visitenkarte, die seinen neuen Status angibt, bereits hier verwendet.


Aargau

Schweiz |


Heine H.Heinrich Heine, dessen Werke Wedekind seinem Freund Hermann Huber bei ihrem Beisammensein am 11.4.1883 im Wirtshaus Holzach in Aarau [vgl. Wedekind an Oskar Schibler, 25.4.1883] zur Lektüre empfohlen haben dürfte und dieser den Namen als Stichwort auf der Visitenkarte notierte. Hermann Huber hat sich gleich nach seiner Ankunft an seinem Studienort Straßburg (siehe oben) Werke Heinrich Heines in der Bibliothek besorgt und mit der Lektüre begonnen [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 28.4.1883]. F598ein Heinrich Heine (siehe oben) betreffendes Kürzel (nicht aufgelöst; Zusammenhang nicht ermittelt)..

LaubeHeinrich Laube, Schriftsteller, Publizist und Journalist des Vormärz, den Wedekind als Dramatiker durchaus schätzte [vgl. Wedekind an Oskar Schibler, 8.1.1882].. frz. LustschlösserHeinrich Laubes umfangreiche Schrift „Französische Lustschlösser“ (über die französischen Schlösser Fontainebleau, Chambord, Eu, Pau, St. Germain, Versailles sowie die algerische Burg Die Kasba), die auf Reiseerlebnissen des Verfassers gründet, erschien 1840 in drei Bänden im Verlag von Heinrich Hoff in Mannheim (danach weitere Ausgaben). F742ein Heinrich Laubes Schrift „Französische Lustschlösser“ (siehe oben) betreffendes Kürzel (nicht aufgelöst; Zusammenhang nicht ermittelt).

Hermann Huber schrieb am 15. April 1883 in Besenbüren folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Postkarte.
Carte postale. – Cartolina postale.


Herrn Franklin Wedekind
Schloss
Lenzburg. |


L. F.

Erwarte Dich am 16ten Aprilein Montag; erst am 14.4.1883 hatten nach der Zeugnisübergabe an der Kantonsschule Aarau die zweiwöchigen Frühjahrsferien begonnen [Programm der Aargauischen Kantonsschule für das Schuljahr 1882/83, S. 9]. in Aarau, am Morgen so früh wie möglich. Wegen Militairungelegenheitenvermutlich Schreibversehen, statt: Militairangelegenheiten. Hermann Huber, der gerade erst (14.4.1883) das Maturazeugnis an der Kantonsschule Aarau erlangt hatte, dürfte für die sechswöchige Rekrutenzeit registriert worden sein. muss ich schon mit dem ersten Zuge nach Aarau. Bitte Dich, dies meinem BruderHermann Hubers ältester Bruder August war Rechtsanwalt in Lenzburg. mitzutheilenHermann Hubers ältester Bruder August war Rechtsanwalt in Lenzburg. & ich lasse ihm durch Dich, sollte ich ihn nicht mehr treffen, Lebewohl sagen.
Also ganz sicher
Dein amicus(lat.) Freund.
H. H.

Hermann Huber schrieb am 16. April 1883 in Straßburg folgende Postkarte
an Frank Wedekind

WELTPOSTVEREIN. (UNION POSTALE UNIVERSELLE.)
POSTKARTE AUS DEUTSCHLAND.
(ALLEMAGNE.)


An Herrn Franklin Wedekind
Schloss Lenzburg
Schweiz. |


Strassburg, 16/IV 83


Lieber Franklin!

In einem folgenden Briefevgl. Hermann Huber an Wedekind, 19.4.1883. werde ich Dir mein Entsetzen, Erstaunen Wuth, die alle mich wegen Deiner wieder einmal offen zu Tage getretenen VernachlässigungHermann Huber, der am 16.4.1883 nach Straßburg abreiste, hatte Wedekind zur Verabschiedung nach Aarau bestellt [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 15.4.1883] und vergeblich auf ihn gewartet [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 19.4.1883]. ergriffen, deutlich auseinandersetzen.

Gut & gesund bin ich in die Universitätsstadt gekommenStraßburg; Hermann Huber wurde am 27.4.1883 für Jura immatrikuliert, er wohnte am Münsterplatz 6 [vgl. Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studenten der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg für das Sommer-Halbjahr 1883, S. 25]. u entbiete Dir und Oscar meine herzl. Grüsse
H.
stud.

Hermann Huber schrieb am 19. April 1883 in Straßburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

Strassburg, den 19ten April 1883.


Lieber Franklin!

Von einem Tadel, dass Du mir die Ehre des Abschiedes in Aarau nicht schenktest, will ich abstehen; denn der Freund hat Dir andere wichtigere und erquicklichre Mittheilungen zu machen.

Erlaube mir, Dir einen ausführlichen Bericht über meine Hieherreise und hiesigen Aufenthalt zu erstatten. Wie ich Dir in einer Correspondenzcartevgl. Hermann Huber an Wedekind, 15.4.1883. von Hause aus bemerkt, war ich genöthigt am Montag um 9/10/ Uhr schon nach Aarau zu reisen, damit ich nicht – wie man mir drohte – in die Hände der Polizei geriethe.

Mirabile dictu!(lat.) gesprochene Wunder. Am 14. April erhielt ich vom Kommandanten das Aufgebot am 13ten April zur RecrutirungEinberufung zur 5- bis 6-wöchigen Rekrutenschule. zu erscheinen – eine Zumuthung, die man gewiss einem Studenten, der nicht in mathematicis studirt nicht wohl stellen darf; nun das Ende des Liedes ist, dass ich ein Jahr Urlaub erhalten habe. |

In Aarau, wo ich den Lenzburger Franklin immer sehnlichst erwartete, musstSchreibversehen, statt: musste. ich warten bis 11.03Am Aarauer Bahnhof fuhr um 11.03 der Zug nach Olten [(Fahrtenplan vom 15.10.1882), vgl. Aargauer Nachrichten, Jg. 28, Nr. 244, 14.10.1882, S. (3)], von wo Hermann Huber – einen weiteren Umstieg in Basel einlegend – nach Straßburg gelangen konnte., dann endlich – hob sich meine Brust, das Herz schlug höher – adieu tausendmal adieu du altes Nest, in dem für mich keine Freude; aber Verdruss und Abmühung mit Kleinigkeitskrämerei gebrütet wurde. Adieu, zu Gott! Aarau – wol/mög/e er Dich segnen – Du aber neue Musenstadt sei gegrüsst! Möge mir Dein Schoos mehr Liebe und Freude bieten, als meines Vaterlandes Stadt! Und Du, erhabener Münsterthurm, zu dem ich jetzt emporblicke, der Du das Erste bist, das ich am Morgen erblicke wann ich aufstehe – Du bist mir ein treuer Mahner, meinem Vorsatze überall und immer nach dem Erhabenen zu streben, dem geistigen Schlamme auszuweichen, treu zu bleiben. Ja, Franklin, ich bitte Dich, lassen wir uns diesen Grundsatz mit Herzblut auf unser | Schild geschrieben sein /!/ Dich flehe ich inständig darum an; denn Du bist nunmehr in Aarau allein ein grüner Stamm im dürren Walde – Steige nicht in den Sumpf hinab, je weiter Du eindringst, um so tiefer arbeitest Du Dich, bis am Ende Du Dich nicht mehr zu erheben vermagst. Du verstehst wohl, was für einen Sumpf ich meine – nicht den geistigen – nicht den, welchen die Kneipen bilden. Hier, lieber Freund, bleib’ fröhlich und heiter, freue Dich am Bier, an den schönen Mädchen. Wir sind nur einmal jung und diese einmalige Jugend wollen in festen grossen Zügen geniessen?/./ Was kümmert mich heute das Alter?

Der Freude bin ich bis jetzt nachgegangen, mit allem dem Raffinement, das mir – wie Du weisst – eigen ist – wollte ich sie geniessen; aber in Strassburg ist die Farbe der Freude nicht – roth; wie sie ist, ist mir bis anhin noch nicht bekannt. Und doch – ich spreche zu einem Freunde – | habe ich in der Absicht, ein VergnügunshausSchreibversehen, statt: Vergnügungshaus – ein Bordell. – nicht zum Gebrauch, sondern zur vorläufigen Orientierung – zu finden grosse Gassen, mittlere Strassen – besonders aber die engsten Dunkelgässchen – ich glaube alle – durchwandert; Nirgends winkte mir CytherensCythere; Bezeichnung für die Liebesgöttin Aphrodite, die nach der griechischen Mythologie auf Zypern (Cythera) aus Meerschaum entstanden sein soll. Arm! Ich darf wohl sagen, dass ich in 12 Brasserien etc., die rothe Laternenfrüher Hinweis auf ein Bordell. ir/o/berhalb des Einganges haben, gewesen bin – nirgends wollte mir Venuslateinische Bezeichnung für die Liebesgöttin Aphrodite. einen Genuss bieten; jedoch hat mein juristisch-politisch-phantatischSchreibversehen, statt: phantastisch.-praktischer Sinn – ich denke ziemlich richtig bemerkt – dass es nicht schwer halten dürfte ein Privatvergnügungsmädchen zu bekommen – amtlich beglaubigte Lustmädchen – die Philister heissen die Menschen Dirnen – habe ich keine gefunden. Dass in Strassburg es Orte giebt, wo sich die Natur und M das Leben des Mannes und des Weibes sich vereinigend der Mensch | die Weltlust durch [de] seine Adern angenehm fliessen lassen kann, ist unzweifelhaft.

Doch kehre ich aus den aetherischen Höhen d.h. dem Inbegriff der menschlichen Existenz zurück und auf die abgeflachte Welt, wo die, welche die Wahrheit sagen entweder verabscheut oder verhöhnt werden – sage ich Dir mit Aarauer Ausdrücken, was erhabener Worte nicht mehr fähig ist. Die rothen Laternen sind polizeilich allen Wirhtschaften geboten. – Meine Bude, ein Prachtding, ist auf dem Münsterplatz, gerade vis-à-vis dem Dome, eine herrlichere Lage kann man in ganz Strassburg nicht finden. Das Essen nehme ich in einem Restaurant ganz in der Nähe zu mir. Immatriculirtvermutlich am 17.4.1883, da Hermann Huber an diesem Tag Bücher aus der Universitätsbibliothek auslieh. Amtlich dokumentiert ist seine Einschreibung (Jura) für den 27.4.1883 [vgl. Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studenten der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg für das Sommer-Halbjahr 1883, S, 25; gleichlautend im Amtlichen Verzeichnis für das Winter-Halbjahr 1883/84, S. 25]. bin ich bereits und mit diesem Act endlich geworden, was schon so lange meine Sehnsucht war – Student.

Sei doch so gut und schreibe SchiblerWedekind hat den Auftrag Hermann Hubers ausgeführt [vgl. Wedekind an Oskar Schibler, 20.4.1883]., ich lasse ihn bitten, mir besagte Recepte sofort zu schicken (meine Adresse lege bei) Brief an ihn werde sogleich nach Empfang erfolgen. Von Dir erwarte ich bald | Antwort. (NB. Die Antigone oraculaGemeint sein dürfte ein Schulbuch für die IV. Klasse des Gymnasiums, in die Wedekind vor Ferienbeginn (14.4.1883) versetzt worden war. Im Lehrplan des 6-stündigen Griechischunterrichts bei Isidor Guttentag war die Beschäftigung mit dem Thebanischen Sagenkreis durch den Tragödiendichter Sophokles und dessen Dramen „Antigone“ und „Ödipus auf Kolonos“ vorgesehen, in denen der Tochter des Ödipus eine herausragende Rolle zukommt. Zum Unterrichtsstoff ist zu lesen: „Sophokles, Antigone, Oedip. Colon. Chor 668-720, Einleitung: Leben des Soph.[okles]“ [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule für das Schuljahr 1883/84, S. 21]. soll Dir Rohr aus meiner KlasseFriedrich Rohr gehörte, wie Hermann Huber, zu den ehemaligen Klassenkameraden Wedekinds in den Schuljahren 1879/80 und 1880/81. geben.)

In alter Treue
Dein
Hermann Huber stud


pr Ad. Herr J. StrittHermann Huber wohnte zur Untermiete bei Drechslermeister Josef Stritt [vgl. Adressbuch der Stadt Strassburg 1882, Teil I, S. 63 u. 310].
Münsterplatz 6 Strassburg.

Hermann Huber schrieb am 24. April 1883 in Straßburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

Strassburg, den 26/4/ten April 1883.


Mein Freund!

Mein Herz ist voll, ich muss es ausschütten, Wem gegenüber soll ich entleeren als Dir lieber Franklin? Wenn es mich auch schmerzlich berührt von Dir noch keine NachrichtWedekind hatte dem Schulfreund, der am 16.4.zum Studium nach Straßburg gezogen war, auf die vorangegangenen drei Korrespondenzstücke vom 15., 16. und 19.4.1882 nicht geantwortet. empfangen zu haben – ich kann nicht mehr warten, ich muss meinem Freunde mein Herz öffnen. –

Als mein Sinn noch nüchtern war, nicht so aufgeregt wie jetzt, dachte ich Dir aus meinem Tagebuch die Notizen abzuschreiben, aber ich kann es nicht, ein ander Mal, Du sollst Alles wissen und wie viel gienge verloren vom Kopf durch den Arm, die Hand, die Feder, das Tagebuch bis zurück wiederum zum Postpapier!

Endlich hat mir Cytherens Arm gewunkenLiebe und Lust; Cythere ist eine andere Bezeichnung für die Liebesgöttin Aphrodite, die nach der griechischen Mythologie auf Zypern (Cythera) aus Meerschaum entstanden sein soll.. Am Morgen um 11 Uhr bummle ich durch die Stadt, da ruft mir ein schönes, blutjunges Mädchen: Mein Herr, wollen Sie nicht eintreten? Ich trete ein. Und fürwahr! welch’ eine Gestalt, nicht anders habe ich mir die Medicäische Venusantike Statue einer Venus pudica (schamhaften Liebesgöttin) in der Villa Medici in Rom nach dem Vorbild der Aphrodite von Knidos. vorgestellt. Am ganzen Körper die Wellenlinien | zum oval-runden Ganzen zusammen fliessend und verschlungen – ein schöneres Kunstwerk der Natur wäre meine Phantasie hervorzuzaubern nicht im Stande gewesen. Sie lächelstSchreibversehen, statt: lächelt., sie neigt sich zu mir nieder, der auf dem kanapee sitzend diese Gottheit anstaunt, sie bittet, sie fleht mich an, sie eine Röthe ergiesst sich über ihre Wangen, sie tritt zurück, sie wendet sich ab, scheint zu schmollen, wieder wendet sie sich gegen mich, die über die Hüfte herabwallenden goldgelben Locken umspielen den Körper, sie bittet f/b/lickt mich bittend an – ich betrachte ihre diese Schönheit, wie sie sich bewegt und was ruft diese Bewegung in mir hervor – Reiz? – – nein, lieber Franklin, Eckel ergriff mich, Schauder durchfloss meine Glieder! Ich bezahle ihr Etwas und nehme Abschied!


– – – – – –


Schon seh’ ich Deine Augenbrauen sich zusammenziehen und hör Dich rufen: | Ein gefühlloser Mensch! Nein, nenne mich nicht so, gerade weil ich Gefühl hatte, schauderte es mich; ich war eben nicht trunken, ich konnte noch denken. Meine Gedanken vereinigten sich mit dem Gefühle: Eckel, dass dieses junge Blut in dieser dem, in einer andern jenem Manne wolllüstigen Genuss bereiten soll, Erbarmen aber auch, dass ein solches Mädchen auf solche Art ihr Dasein zu fristen genöthigt ist. Ich war ganz nüchtern, Herr meiner Gedanken, wäre ich trunken gewesen, wäre Das Dämmerlicht in’s Zimmer gefallen und hätte die Umrisse verschwimmen lassen, so hätte ich nicht mehr gefühlt, ich würde mich ohne Zweifel der bacchantischstenrauschhaftesten, zügellosesten, verzücktesten. Lust hingegeben und mich wonniglich gefreut haben, von solchen Armen umschlungen zu sein und an einem solchen Busen zu doesen. – Wohl mir, dass dem nicht so gewesen, dass mein Geist | nicht verblendet und umnebelt war. Diese Stunde ist von grossem Einfluss für mich gewesen; denn ich habe mir gelobt, nie mehr ein Haus, dass zum allgemeinen Gebrauch geöffnet ist zu betreten, und was mehr ist, die Ehe ist in meinen Augen viel schätzenswerther geworden; die Ehe, die ich früher für eine staatlich autorisirte Buhlerei hielt – nun nicht mehr – ein Band ist es, was den Ehebund heiligt – die Liebe. – Doch darüber später. Lieber Franklin! Ich beabsichtigte durch diese Zeilen nicht, Dich vorSchreibversehen, statt: von. einem ähnlichen Zusammentreffen abzuhalten, thue es, es wird Dich nie reuen, Du kannst Dir Lehren für Dein ganzes Leben schöpfen, wenn Du Dir aufrichtig sein, willst, wirst Du mit mir übereinstimmen.


– – – – – –


Ein anderes Abenteuer, habe ebenfalls gehabt mit einem Vereine, |


5)

der GermaniaGermania Straßburg, am 30.6.1880 gegründete Burschenschaft mit dem Wahlspruch „Ehre, Freiheit, Vaterland!“ – im Sommersemester 1883 die einzige Straßburger Studentenverbindung [Handbuch für den deutschen Burschenschaftler. Berlin 1892, S. 163, vgl. auch S. 162]., dem einer sehr feinen und angenehmen Gesellschaft, der ich unbedingt beigetreten wäre, wenn ich Geld und Zeit genug gehabt hätte. Lege Dir den Briefvgl. die Beilage., den ich an Sie mit einigen stilistischen Aenderungen bei, üebergieb ihn meinem BruderHermann Hubers ältester Bruder August arbeitete bis zu seinem Tod als Rechtsanwalt in Lenzburg, wie aus der Presse zu erfahren ist: „In Königsfelden verstarb am 18. Aug. nach längerm Leiden, noch nicht dreißig Jahre alt, Dr. jur· August Huber, gewesener Fürsprecher in Lenzburg.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 64, Nr. 235, Erstes Blatt, 22.8.1884, S. (3)], er soll ihn nach Hausean die Eltern nach Besenbüren. schicken, da sie eine jämmerliche Furcht haben, ich könnte irgendwo beispringen.

Ueber das interessante Gespräch, das ich mit I/i/hnen geführt in nächsten Briefvgl. den ausführlichen Bericht in Hermann Huber an Wedekind, 28.4.1883. mehr, wenn Du mir nähmlich die Ehre geben wirst, einige Zeilen zu schreibenvgl. das nicht überlieferte Korrespondenzstück: Wedekind an Hermann Huber, 27.4.1883..

Leb’ wohl mein Freund
vergiss mein nicht
Dein
Hermann Huber stud


[Beilage:]


Hochgeehrter Herrvermutlich Oscar Wolf aus Weissenburg im Elsaß (immatrikuliert 2.11.1881 für Jura) oder Karl Wolf aus Mülhausen (immatrikuliert 19.10.1881 für Jura).!

Entschuldigen Sie daß ich mir die Freiheit nehme, an Sie einige Zeilen zu richten, ich beabsichtigte, Sie zu besuchen, traf Sie aber nicht zu Hause, deßwegen ziehe ich vor, Ihnen brieflich das ausdrücken, was ich Ihnen zu sagen gesinnt war.

Auf meinem vierstündigen Morgenbummel nach Offenburg habe ich mir noch einmal überlegt, ob ich in die Burschenschaft: Germania eintreten wolle oder nicht. Ich habe alle Gründe dafür und dagegen in Erwägung gezogen und schließlich haben die Gegengründe die Schale sinken gemacht, bin ich bin nun entschlossen nicht beizutreten.

Fürwahr, Sie kenne ich gestehe es Ihnen offen, verhehle es Ihnen nicht – die Gründe für den Eintritt waren viele. Ich will nicht sprechen von den wahrhaft guten Tendenzen die welche die Burschen verfolgt, nicht von der Ehre u dem Ansehen, die mir durch den Eintritt in Ihrer Bruderschaft, zu Theil würden – die angenehme und in der That freundliche | Art, mit der Sie mich überall einzuführen die Güte hatten, wäre für mich entscheidend gewesen, wenn nicht die Gegengründe als zuSchreibversehen, statt: all zu. triftig gewesen wären.

Dem Verbande hätte ich weder durch meine Persönlichkeit noch durch den angesehenen Namen meineSchreibversehen, statt: meiner. Eltern Ehre machen können, – und und den Verein würdig representiren zu können, das erachte ich durchaus als eine Nothwendigkeit. Ich hätte es auch nicht gekonnt aus finanziellen Gründen; denn meine Eltern, wenn sie nicht gerade arm zu nennen sind, haben durch das Studirenlassen dreier SöhneGemeint haben dürfte Hermann Huber sich selbst sowie seine beiden älteren Brüder August, der Jura studiert hatte und Fürsprech (Anwalt) in Lenzburg war, sowie Artur, über dessen Ausbildung nichts ermittelt ist. Der jüngste Bruder Friedrich Huber war gerade 13 Jahre alt geworden. so viele Ausgaben, daß ich sie unmöglich um mehr belasten kann, als durchaus nothwendig ist. Sie sehen also, daß ich auf jeden Fall Jemanden zur Last fallen müßte – den Eltern, das giebt mir mein Gewissen nicht zu, – der Burschenschaft, das erlaubt mir mein Ehrgefühlt nicht. Den Verlust empfinde ich wohl, Schließlich aber bekanntlich muß man sich nach der Deecke strecken. |

Schließlich bitte ich Sie, mir meine Freiheit, an Sie zu schreiben, zu vergeben, zugleich Ihren werthen Herren Commilitonen meinen besten Dank für das freundl.Entgegenkommen darzubringen & mir auch nun nicht zu zürnen, sondern auch fürderhin Ihre verdankenswerthe liebe Zuneigung zu bewahren. Ihnen, Herr Wolf, meinen großen Dank für Ihre Offenheit und ich glaube, daß Sie aus diesem Briefe ersehen, daß ich offen und wahr Ihnen gegenüber bin. Dies möge zugleich an eine Entschuldigung für d. Brief sein.

Mit colleg. Gruße
Ihr
Hermann Huber stud

Frank Wedekind schrieb am 27. April 1883 in Lenzburg folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Hermann Huber

[Hinweise in Hermann Hubers Brief an Wedekind vom 28.4.1883 aus Straßburg:]


[...] den Briefträger, der mir diesen BriefHinweis auf das erschossene Korrespondenzstück. brachte [...] es muss ein Brief von Franklin sein, wie sehnlichst habe ich schon seit Tagen darauf gewartet! [...] ist er treu, so antwortet er sofort, und lieber Franklin, Du bist es geblieben [...]

Hermann Huber schrieb am 28. April 1883 in Straßburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

I


Strassburg, 28ten April 1883.


Mein Franklin!

Dir zu Füssenaus biblisch-kirchlichen Zitaten zusammengesetzte Textpassage. liege ich elender Wurm, Dich umklammere ich, lieber FreudSchreibversehen, statt: Freund., der Du weit höher stehst als ich. Nicht wahr, Du zerbrichst den Stab nicht über meinem Haupt, dem schuldbeflectenSchreibversehen, statt: schuldbefleckten. Haupte, dem der Gedanken entsprungen, die Treue des Freundes auf’s Spiel zu setzen! Ich unwürdiger Freund habe gewagt den Freund, meinen Franklin, zu prüfen!! Erst jetzt, jetzt sehe ich die Verworfenheit des Teufelsgespinnstes ein! Aber nicht wahr, Du verzeihst dem reuigen Sünder, der Dir auf Ehrenwort verspricht, nie, niemehr Dich zu versuchen, sondern immer, immer wahr zu sein! Ich kann Dir | nicht beschreiben, was für ein strafendes Gefühl mich durchzitterte, als ich, auf dem Kanapee liegend und Heine’s (den ich mir sofort nach meiner AnkunftHermann Huber war am 15.4.1883 zum Jurastudium nach Straßburg gereist, am 17.4.1883 besuchte er erstmals die Universitäts- und Landesbibliothek. von der Bibliothek geben liess) Reisebilder & Shakspeares Frauen studirendHermann Hubers Heine-Lektüre dürfte nicht zufällig gewesen sein, denn auch Wedekind hatte in den zu Ende gehenden Ferien Heinrich Heines „Reisebilder“ gelesen [vgl. Wedekind an Oskar Schibler, 20.4.1883]., aufgescheucht wurde durch den Briefträger, der mir diesen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hermann Huber, 27.4.1883. brachte, den ich wohl 4 mal schon durchlesen habe. Da erbebte ich nichtswürdiger Mensch bei dem Gedanken, es muss ein Brief von Franklin sein, wie sehnlichst habe ich schon seit Tagen darauf gewaret/tet/! Da stand ich Bösewicht, niedergedonnert von der Sprache des Herzens, beschämt vor meinem eigenen Ich. – | Aber lass’ mich doch einen Grund anführen, der mich, der von vorneherein die schiefe Bahn sah, auf der ich wandelte, sah, bei der Abfassung des Briefesvgl. Hermann Huber an Wedekind, 24.4.1883. leitete: Es ist nicht recht, den Freund zu versuchen; aber ist es nicht recht, seine Gedanken zu wissen? Was, lieber Franklin, hättest Du mir schreiben koennen, wenn ich Dir voller Wonne mein Glück erzählt? Nichts. So doch erhieltest Du Gelegenheit, in der Hoffnung zu fühlen, und nicht wahr, Du hast das selige Glück gefühlt? Ja, es war ein wonniges Gefühl! Lies noch einmal meinSchreibversehen, statt: meine. gemachte Beschreibg durch, spiegelt sich denn nicht in jedem Federstrich die Wollust wieder, die mich fesselte? Konntest Du glauben, dass ich so von der Höhe sei herabgesunken, vom Menschen nicht bis zum Thier, sondern | zum Philister? Fürwahr, Du konntest es nicht glauben, aber Du musstest es glauben, denn ein Freund hat Dir geschrieben, der Freund lässt den Freund sein Herz durchblicken.

– – – – –

Liess vor Allem noch einmal die Beschreibung des Mädchens und fahre dann hier fort zu lesen. Nicht sie hat sich entkleidet, ich habe es gethan, (ein/der/ Mensch muß ganz geniessen) wie lieblich durchschauerte es mich, als ich die Aepfel vergebens das Gewand zu durchbrechen versuchen sah, das die Linnedie Bettdecke (Leinentuch). wich, sie drang zurück und faltete sich zwischen der runden Brust, um wieder sanft weggehoben zu werden. |


II.


Ich staune ob diesem Schaffen, ich blicke dieses Kommen und gehen – und siehe! auch der Mann steht da, wie Gott ihn erzeugt! Sie zieht sich zurück, la/e/gt sich auf’s Lager, sanft wallt der Leib – ich staune wiederum, sie lässt ihre Augen zu mir schweifen, winkt – da regten sich die Sinne, ich ward ohnmächtig, wie schön schlief sich diese Ohnmacht in ihren Armen aus. Est „Es ist kalt“ sagt sie mir, „O nein, Feuer, nicht BlutZitat („Feuer, nicht Blut rollt in meinen Adern“) [Walter von Königsmark: Ein neuer Don Juan oder Die modernen Kavaliere in Berlin u. Hamburg. Ein Sittengemälde aus der Neuzeit. Bd. 4, Berlin 1869, S. 868]. sch rollt mehr in meinen Adern“

„So ist es recht“ lächelte sie mich küssend, ihren Lilienarme um mich schlingend. Ich schlief einen süssen Schlaf, was folgte, weiss ich nicht mehr.
.//. |

Ich wollte mit ihr nach meinem Taumel ein Gespräch über die Schönheit des weiblichen Körpers im Gegensatz zum männlichen ein Gespräch beginnen, das verstand sie nicht, ich hörte auf, – sie wusste genug!

(Auszug aus dem Tagebuch.) Noch einmal ! Weil Du mir nicht geschrieben gehabtWedekind hatte Hermann Hubers Brief vom 19.4.1884 nicht beantwortet., dachte ich Dich zu versuchen, ist er treu, so antwortet er sofort, und lieber Franklin, Du bist es gebliebenHinweis auf das nicht überlieferte, erschlossene Korrespondenzstück: Wedekind an Hermann Huber, 27.4.1883 (siehe oben)., lass’ Dich küssen – aber nicht wahr, alt/s/e aechter Freund muss es Dich freuen, dass es ein Lügengewebe war??

– – – –

Was den Brief betr. die GermaniaBeilage zu Hermann Huber an Wedekind, 24.4.1883; es handelt sich um eine undatierte Abschrift von Hermann Hubers Brief an einen Herrn Wolf von der Studentenverbindung Germania Straßburg (vermutlich vom 23.4.1883). anbelangt, so handle nach Deinem Gutdünken, nur schick’ | ihn nicht mehr hieher.

Im Uebrigen sind die GermanenBezeichnung für die Mitglieder der Studentenverbindung Germania Straßburg. durchaus liebenswürdig, wenn ich mir eine Gesellschaft wünschte, wären es diese, die ich mir dazu erküren möchte. Ich will allein bleiben, warten bis Jemand kommt, den ich an mein Herz drücken kann, oh, das wird ein Leben sein. Bis dahin will ich riesig arbeiten, wie man es auf der Kantonsschule, wenigstens ich, nicht kennt. Ich habe meinen Eltern geschrieben: „Sorgen braucht Ihr Euch keine zu machen, ich werde arbeiten, um mir einen Namen zu erwerben, dann aber will ich auch die Jugendfreuden genis/e/ssen.“

– Zu Dir: im 3ten Semester will ich Dr. philosophiae sein. Das ist mein das Ziel meiner Abgeschlossenheit. | Meine AntikenEltern., erlaube mir den derben Ausdruck – sind durch den frater herzlich weich geworden; schreiben SieSchreibversehen, statt: sie. mir, ich soll zurückhaltend sein und schicken mir so fein Geld, wie ich es nur wünschen kann, (125 Mark pro Monat) Dafür geb’ ich aber auch nobel, was Dir schon die flotte Lage der BudeHermann Huber wohnte im Zentrum Straßburgs auf dem Münsterplatz 6 [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 28.4.1883 (Postkarte)]. anzeigen mag. Trotzdem wirst d/D/u meine bisweilige Jammerstimme in den Briefe wohl begreifen.


– – – –

Du siehst, Franklin, arbeiten muss man, ich habe gearbeitet (darum hab’ ich’s auch so göttlich weit gebracht!in Anlehnung an „Faust I“ (Wagner, Nacht) „Und wie wir’s dann zuletzt so herrlich weit gebracht.“ [Goethes Werke (WA), Bd. 14, S. 35. = V. 573] Faust) Schibler ochst auf die MaturitätOskar Schibler, Freund und ehemaliger Mitschüler Wedekinds und Hermann Hubers, erlangte im Sommer an der Kantonsschule Solothurn die Hochschulreife., um es ebenfalls göttlich weit zu bringen, Dich bitte ich, auch herab zu steigen zu den Menschen, ihnen Sand in die Augen zu streuen, um dann als Gott Alles zu verklären! Es bedarf ja dazu, so himmlisch wenig, vor Allem stelle den SchlatterAugust Schlatter besuchte mit Wedekind die Abschlussklasse des Gymnasiums an der Kantonsschule Aarau. durch Deine Aufsätze in Schatten! Bei Hr. HärriHans Rudolf Härri-Linder war Direktionssekretär, später Expeditionschef auf der Staatskanzlei, und wohnte in der Rathhausgasse 5 in Aarau [Adress-Buch der Stadt Aarau, 1884, S. 26]. kannst Du Hefte abholen, die ich für Dich nach Aarau gebracht. (Geologie) |


III.


Es war am 21ten April Abends, als ich von der Germania zu einem Commersfestlicher Umtrunk einer Studentenverbindung. eingeladen zu sein die Ehre hatte. Die Gesellschaft bestand aus lauter Deutschen, ich war der einzige Schweizer und diesem Umstande habe ich es vielleicht zu verdanken, dass die Unterhaltung so anziehend sich gestaltet hat. Der mir gegenübersitzende Commilito meinte, es sollte eigentlich jeder Philologe und Geschichtsforscher erst einige Zeit in der Schweiz zugebracht haben, um die altgriechisch-römischen Staatsverhältnisse kennen zu lernen, da, wo das Volk die öffentlichen Angelegenheiten bespreche; aber, fügte er bei, ich fürchte es artet Alles in Kleinigkeitskrämerei aus, die Bürger bekommen keinen Einblick in das grosse Staatsgetriebe

„Gewiss würde es für einen deutschen Philologen von grossem Nutzen sein | sich in diesen Staat hineinzuleben, damit er kennen lernen würde ein Volk, das weiss, dass es selbst der Staat ist, dass alle Bürger gleichberechtigte Glieder des Körpers seien, dass nicht der Einzige es ist, dass nicht Wenige es sind, die den Staat bilden, sondern das gesammte Volk. –

„Sie meinen also die schweizerische Nation“

„Nun sind wir glücklich zu einem terminus technicusFachausdruck. gelangt“

„Sie erlauben mir doch, mich freimüthig ausdrücken zu dürfen, ohne Gefahr zu laufen, Ihren schweiz. Nationalstolz zu beleidigen?“

„Bitte, reden Sie so, wie Sie denken. Zumal was meinen schweiz. Nationalstolz anlangt, da sprechen Sie erst recht offen. Denn es hat sich in mir die Ueberzeugung gebildet, dass der Nationalstolz zu einer Eitelkeit werden kann, die weit hässlicher ist, als vermeinte Schönheit. Zwar ein | Schweizer koennte noch am Ehesten Gefahr laufen, ein Deutscher – –

„Ja wohl, die Deutschen bilden eine Nation, zu der deutschen Nation gehören auch die Deutschschweizer & Oestreicher und es wird eine Zeit kommen, da die Schweiz aus den Fugen gehen wird und der deutsche Theil an’s Reich fällt.“

Er hatte seine Meinung höflich ausgesprochen, da machte mir sein Deutschmichelhochmutder deutsche Michel; populäre Verkörperung von Klischees (hier: Hochmut) des Deutschen. In Karikaturen ist das Erkennungszeichen des deutschen Michel die Schlafmütze. mein Blut wallen und ich sagte:

Gewiss, wir sind in einer Entwickelung begriffen. Aber bis jene Staatenbildung, die Ihnen vor Augen schwebt, vor sich gehen wird mögen noch manche Generationen folgen. Unter Nation verstehe ich keine Race; selbst die Sprache gibt kein unbedingtes Mittel ab zur Bildung einer Nation. Dafür seid Ihr Deutschen und wir Schweizer das beste Beispiel. Wie lange seid Ihr Deutsche eine Nation? Seit 1870mit dem Beitritt der süddeutschen Staaten zum Norddeutschen Bund im November 1870 (Baden, Württemberg und Bayern) sowie Hessen am 1.1.1871 (dem Tag der Reichsgründung).. Vorher waret Ihr Preussen,
.//. |

Sachsen, Pommern, Strelitzer, Lausitzer, Görlitzer, Badenser, Schaumberger, Hannoveraner, Anhaltner, Franzosen gar und wie alle die Gottbegnadeten 36 Höflein und Stätlein heissen mögen: Es ist ja allbekanntAnspielung auf die beiden nicht genehmigten Reisen Friedrich Schillers von der Karlsschule bei Stuttgart nach Mannheim, zur Uraufführung seines Schauspiels „Die Räuber“ (13.1.1782) und zu einer weiteren Reise in die Stadt, woraufhin er für 2 Wochen arrestiert wurde und Herzog Karl Eugen ihm den Kontakt strikt untersagte. Die Ereignisse schilderte Andreas Streicher in seinem Buch: Schillers Flucht von Stuttgart und Aufenthalt in Mannheim von 1782 bis 1785 (Stuttgart 1836)., dass der Herzog von Würtemberg Schillern, nachdem dieser nach Mannheim, das 2 Stunden von Stuttgart entfernt ist, nach seiner Rückkehr verboten hat fürderhin in’s Ausland zu gehen. Früher hattet Ihr 36 Nationen; jetzt eine; aber wie habt Ihr Mühe, sie zusammenzuhalten. Den Grund, warum die deutsche Nation bei jeder Gelegenheit wünscht aus den Fugen zu gehen, ist, dass das Nationalgefühl noch nicht im Volke ist festgewurzelt ist; Vom Gipfel des Stammes, von der Baumkrone, ist den Wurzeln verkündet worden, ihr gehört zu uns, gebt die Säfte, damit der Baum besteht, aber nicht vom Boden aus ist die Pflanze gediehen –
.//. |


IV.


wir Schweizer aber sind eine Nationdie Alte Eidgenossenschaft (1353/1386), die auf der Grundlage mehrerer im 13./14. Jahrhundert geschlossener Bündnisse aus den Acht (ab 1513 Dreizehn) Alten Orten bestand. – Hermann Huber hatte im Geschichtsunterricht der IV. Klasse des Gymnasiums noch die „Geschichte der schweizerischen Bünde“ gelernt [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule 1882/83, S. 17], Wedekind, der nach dem revidierten Lehrplan unterrichtet wurde, nicht mehr [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule 1883/84, S. 21]. und schon seit 500 Jahren wollten wir Schweizer sein, dieser Wille ist im Volksblute und wenn Ihr die Schweizer mit EuremSchreibversehen, statt: Euren. Waffen deutsch machen wolltet, den deutschen Adel/le/r könntet Ihr auf die Kirchthürme setzen – nie und nimmer aber de/i/m Volk deutsches Blut pflanzen, Generationen müssten darüber hinweggehen, ein neues Geschlecht müsste erstehen, das nicht müssteSchreibversehen, statt: wüsste., dass sein Heimatland der Boden ist, wo zuerst mitten im dürren Wald der Baum der Freiheit ergrünte, das nicht mehr kennte seine Ahnen, die mit ihrem Blut dieses kostbarste Gut erkämpft und gesichert haben, das sich nicht mehr der Opfer erinnerte, die in Zeiten da Gefahr unter Freunden welsche(schweiz.) die französischsprachigen Schweizer. und deutsche Schweizer-
brüder |

sich gebracht, um ihr Vaterland zu erhalten, das verloren hätte das leuchtende Ziel, auch fernerhin, grosse Aufgaben, der Schweizer würdige grosse Thaten zu vollbringen, dass vergessen hätte die herrliche weltgeschichtliche Aufgabe, das Land zu sein, wo in der/em/ der Fremde FreiheitsmärtyrerAnspielung auf die politisch verfolgten Deutschen, die nach den Sozialistengesetzen (1878) in die Schweiz flohen, von wo sie ihre politische Arbeit fortsetzten konnten. – Auch im Vormärz und nach der gescheiterten 1848er Revolution hatten Deutsche Freiheitskämpfer in der Schweiz politisches Asyl gefunden., der seinem, von Tyrannen geknechtetem Volke, das Morgenroth einer frisch aufdämmernden, neuen Zeit verkündete, verfolgt von der Häschergewalt einen sichern Schutz finden soll

– – lieber Franklin, meine Augen müssen unmenschlich gefunkelt haben, ich muss noch andere theils republicanische theils heidnische Dinge erzählt haben, das | gute deutsche Reichsunterthanenblut fühlte sich wie vor einem Dämonen unheimelig und gieng hinaus; mein Nachbar fragte mich etwas Gleichgültiges; ich trank mein Glas aus und gieng nach Hause. (Tagebuch)

Es ist recht anregend mit solchen Leuten zu verkehren, da eröffnete sich mir ein ganz neuer Gesichtskreis, eine ganz andere Anschauungsweise und – seitdem ich hier bin, weiss ich sicher nicht mehr, wie hoch heute das Barometer und Thermometer stehen, während ich das in Aarau wissen musste & eventl täglich vernahm. – –

Wie Du siehst, ist Vieles dem Tagbuch entnommen, das ich mir angelegt u in das ich alle Vorkommnisse sofort nach der That eintrage.

Lasse Dir nur nicht einfallen, ich hätte den Arabi vergessenHermann Huber konzipierte ein historisch motiviertes Schauspiel in 4 Akten über Achmed Arabi Pascha, den Anführer der Arabi-Bewegung nach dem finanziellen Ruin Ägyptens im Herbst 1881., keineswegs, ich habe | einen ganzen Stoss Bücher vor mir und die nächsten Nachrichtenvgl. Hermann Huber an Wedekind, 30.4.1883. werden vielleicht davon handeln. Dennoch für Deine Ermahnung besten Dank.

Nun ist mir wohl, doch noch nicht ganz, bis Du mich von den Sünden, die ich an Dir begangen lossprichst – den Kniff und die Hinterlist, um Dich zu prüfen & z wenn Du treu seiest, zur sofortigen Antwort zu zwingen.

Ich muss es Dir ohne Hehl gestehen, Du hast d/D/ich edel gezeigt und ich werde mich bestreben, es auch Dir gegenüber zu sein.

Lebe wohl &
sei gegrüsst & geküsst
von Deinem
Hermann Huber.

PS. Aber lass’ mich doch nicht so unendlich lang auf einen Brief wartenHermann Huber musste erneut längere Zeit auf Antwort warten [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 31.5.1883].!

Hermann Huber schrieb am 28. April 1883 in Straßburg folgende Postkarte
an Frank Wedekind

WELTPOSTVEREIN. (UNION POSTALE UNIVERSELLE.)
POSTKARTE AUS DEUTSCHLAND.
(ALLEMAGNE.)


An Herrn Franklin Wedekind
Schloss
Lenzburg
Schweiz |


WahrscheinlichHermann Huber wartete seit dem 16.4.1884 auf Nachrichten von Wedekind, seine Straßburger Adresse hatte er dem Freund längst mitgeteilt [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 19.4.1883]. habe ich auch Dir vergessen meine Adresse mitzutheilen wie es bei Andern geschehen sein soll.

H. Huber stud.Hermann Huber nahm an der Universität Straßburg ein Studium der Rechte auf [vgl. Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studenten der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg für das Sommer-Halbjahr 1883, S, 25].
p. Ad. Herrn J. Stritt
Münsterplatz 6 Straßburg i./E.

Hermann Huber schrieb am 30. April 1883 in Straßburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

I


Strassburg, 30ten April 1883


Lieber Freund!

Das war eine Nacht! Von Lilienarmenblendend weiße Arme. umschlungen zu ruhen bei einem noch so rosigen Mädchen! Sie schläft ein an meiner Brust, Busen an Busen gedrückt, das Herz dem Herzen entgegenklopfend, Lippe von Lippe den süssen Lebenssaft einsaugend, den Körper nachlässig bedeckt von den aufgelösten, wallenden Haaren – ein Kreuz an einer Sammetschnur um den Hals gebunden – oh mit welch’ wonniger Lust betrachtete ich dieses Leben! Da erwacht sie, ein unbeschreiblich lieblicher Zug umspielt ihren Mund, die reinste Göttin! Wahrlich ich bin auch den Weg des HerculesHerakles am Scheideweg, Mythos der griech. Mythologie: der junge Herakles begegnet auf seinem Lebensweg zwei Frauen, die die Glückseligkeit (auch Lasterhaftigkeit) und die Tugendhaftigkeit verkörpern; nach einer Debatte der beiden Frauen über ihre Vorzüge, entscheidet sich Herakles für den beschwerlichen Weg der Tugendhaftigkeit, dessen Lohn Ehre und Bewunderung sei. gwandeltDialekt für: gewandelt., mich erfasst ein gewaltiger Drang, sie fühlt meine wogende Brust, sichSchreibversehen, statt: sie. hörte das sich überstürzende Pochen meines Herzens und lächelt mir zu: O monsieur, vous avez beaucoup de chaleur!(frz.) O mein Herr, Sie haben viel Hitze! Ja, ich brannte, stürmische Leidenschaft durchzuckte meinen Leib, die Glut war zur Flamme geworden, ich antworte: O mademoiselle, il faut savoir ce que c’est l’amour!(frz.) O mein Fräulein, man muss wissen, was Liebe ist! glühende
.//. |

gl Küsse drücke ich auf ihre Rosenwangen, sie zieht mich an ihre Brust und umklammert mich fest, küssend und geküsst – ich verliere die Sinne, ich sch glaube nicht mehr auf dieser Welt zu sein! Fürwahr! ich habe den Himmel in meinen Armen und das Paradies gefunden. Was willst Du mehr?

– – – – – –

Du kannst Dir ungefähr einen Begriff von meiner/m/ Seelenzustand machen, wenn Du siehst, dass ich die Antwort nicht abwarten kann. Ja, so eine ganze Nacht, das nenne ich geniessen! Das Andere ist nichts. Nun aber ist die Fröhlichkeit zu Ende, jetzt werde ich stramm arbeiten und habe es auch bereits gethan. – Ein solches Vergnügen ist mehr werth als ein Commers auf der Wangenburg, der viel Geld kostet und den hominem(lat.) den Menschen. nur beschwert. Das rathe ich auch Dir! – –

Seltsam! In hierhier. hat mich noch kein Mensch für einen Schweizer gehalten, bald gelte ich für einen Norddeutschen, bald für einen Franzosen | sogar Italiener! So ist es recht! Aber doch ist eine Veränderung bei mir in dieser kürzesten Zeit vorgekommen. Ich trage nämlich immer – – – Glacéhandschuhe und gebe es überhaupt etwas nobel. Dass ich ja galant bin, habe ich schon 3 mal bewiesen. – Doch die Erklärung will ich gleich auch beifügen. Ich spreche immer französisch mit den Strassburgern und als étudiant comme(frz.) als Student, wie es sich gehört, und natürlich Franzose muss ich immer Handschuhe tragen. il faut et naturellement française il me faut toujours porter des gants. Noch mehr (De plus) ich bin bereits ein angehender Hausfreund und Eingeladener bei 3 franz. Familien. und ich darf ja Dir gegenüber offen sprechen, Du wirst es nicht unrichtig auffassen, man hält mich für ein originales, gescheidtes Haupt, was mir gestern ein Herr ganz unumwunden erklärt hat (Hierauf gieng ich sofort zu meinem Mädchen, das Genie darf nicht belastet sein! Am Tag den Corpus im Kothe, n/N/achts bei der Dirne, aber der Geist auf dem Münsterdome.) | „Es glänzt in Ihren Augen ein brennendes Feuer“. – O möchte dieses Feuer einmal zünden! Möchte es einst leuchten! Aber ach, es sind Philister, auf Dich, Franklin, traue ich, Du sagst mir die Wahrheit, nicht wahr? In der That hast bekömmst Du gerade durch diesen Brief Anlass, mir Deine Aufrichtigkeit wieder zu beweisen. Ich füge Dir den Plan zu ArabiWedekind hatte in einem nicht überlieferten Brief die Ausarbeitung des Dramas angemahnt, vgl. Hermann Huber an Wedekind, 28.4.1883. bei; die Fabel, die Scenerie, die Grundidee.

Neben HeineHeinrich Heines „Reisebilder“ und „Shakspeares Mädchen und Frauen“, vgl. Hermann Huber an Wedekind, 28.4.1883. studire ich Grabbe, dessen Napoleon gefällt mir als Drama durchaus nicht, als Charakteristik und gedankentiefes Werk verehre ich’s. Die ganze Woche (heute ist Montag) habe ich kein Colleg mehr, da kann ich etwas lesen & arbeiten.

Nun hoffe ich, sofort Antwort auf die beiden Briefeder vorliegende Brief und der vorangegangene: Hermann Huber an Wedekind, 28.4.1883. zu erhalten, wenigstens die Kritik & guten Rathschläge zu Arabi.

Lebewohl
Dein
H.H.


P.S. Den Brief betr. die Germaniadie Beilage zu Hermann Huber an Wedekind, 24.4.1883. verbrenne.


[Beilage:]


II.


Expositio(lat.) Darlegung; erster Teil einer dramatischen Handlung. – Hermann Huber schildert die Handlungsidee von Arabi, seinem Geschichtsdrama in 4 Akten über Achmed Arabi, den Anführer der Arabi-Bewegung, und den Anglo-Ägyptischen Krieg 1882.

A. I. Der KhediveMuhammad Tawfik Pascha, seit 15.11.1879 Vizekönig der osmanischen Provinz Ägypten (Khedivat). Sohn des Ismail Pascha, der von 1867 bis 26.6.1879 als Khedive Ägypten modernisierte und in den finanziellen Ruin stürzte., ein Freudenmensch, der sich um die Staatsgeschäfte nichts bekümmert, sondern nur seinem Vergnügen fröhnt, übergibt die Note der Fremdmächte, die von ihm europ. Finanzverwaltung verlangt, seinem MinisterRiad Pascha (Riaz Pasha) war vom 21.9.1879 bis 10.9.1881 Premier- und zugleich Finanzminister Ägyptens; mit der Regierungsbildung des überschuldeten Landes hatten ihn die Gläubiger Großbritannien und Frankreich betraut. Riaz. Dieser, ein durchtriebener Höfling, anerbietet sich dem Verlangen des Khedives, Rezia, die Geliebte Arabis zu rauben, behülflich zu sein. Arabi soll zum Khedive berufen werden und für seiner dem Vaterland treu geleisteten Dienste mit dem höchsten Orden beehrt werden. Eine solche Ehre werde Arabi seinen Verlust schon verscherzengessen lassen – meint Riaz.

A. II. Arabi offenbart Rezia, dass er den Krieg wünsche, Aegypten soll frei von den Langfingereuropäern werden und unabhängig vom alten kranken Mann in Stambulauch ‚kranker Mann am Bosporus‘; Spruch für das geschwächte, zerfallende Osmanische Reich, aus dem später die Türkei hervorging.. Er drückt ihr seinen Schmerz aus über die Aussaugerei des Landes, er – ein FellacheAckerbau treibende Bevölkerungsgruppe in arabischen Ländern; unter der Herrschaft des Khedives Ismail Pascha besonders mit Steuern belegt. – weiss noch, dass er von niederer Geburt ist, seine Pflicht gebeut, das Volk zu retten u weiss kommt es bloss einmal zum Bewusstsein, dass ein Fellah auch ein Mensch ist, dann wü/i/rden/ es/ gewiss an den Fesseln rütteln. Erreicht er auch nicht mehr, das ist ihm genug, er opfert sich gern für sein Volk. Rezia, ein hochsinniges Weib, ermuntert ihn. Voll der kühnsten Hoffnungen trennen sie sich, Arabi zum Khedive; Rezia wird entführt. | Arabi, beehrt mit Orden, wird Oberbefehlshaber. Morgen geht er zu den Truppen. Noch einmal will er Rezia sehen, er durchschaut die Hinterlist & nun beschliesst er den Krieg gegen den Khedive zu führen & ihn in’s Lager der Engländer zu drängen.

Act III. Arabi ist bei seinem Heere, die Anordnungen zur Schlacht sind getroffen, das Ultimatum der Engländer abgewiesen. Die E. beschiessen die Stadt.Vom 11. bis 13.7.1882 wurde Alexandria von britischen Kriegsschiffen beschossen. Ein Monat zuvor war, von der Arabi-Bewegung initiiert, in der Stadt ein Volksaufstand gegen Briten und Franzosen ausgebrochen. Arabi versammelt das Heer, hält vor den Soldaten eine Rede, worin er die Schmächlichkeit des Khediv’s darthut, (während seiner Rede hört man Kanonendonner, er hebt den Vorhang des Lagerzeltes weg, und weist auf die brennende Stadt): Wessen Werk ist das? Des Khedivs im Bunde mit den Gidurs. Arabi gewinnt das Militair, aber auch Syrien’s & der Türkei Gesandte versprechen ihm unter der Hand Hilfe zu senden, von den Derwischen wird das Volk gehetzt gegen den Khedive & für den SultanAbdülhamid II., seit 1876 Sultan des Osmanischen Reichs., dessen Sache Arabi verficht; im Lager werden die Soldaten ebenfalls fanatisirt. Durch abendländische Officire bewogen (die ihm die Symp. des freien Abendlandes offenbaren) | zieht er sich nach Tel el Kebir„Tell el Kebir, Dorf in der ägypt. Provinz Scharkieh, an der Bahn Kairo-Ismailia und am Süßwasserkanal im Tal des Wadi Tumilat, wo die Ägypter unter Arabi Pascha durch die Engländer unter Wolseley 13. Sept. 1882 eine entscheidende Niederlage erlitten.“ [Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 397] zurück.

Act IV. Der Khedive betheiligt sich nicht an diesem Kampfe, er geniesst und durch Gewalt ist auch Rezia seiner Lust zum Opfer gefallen. Sie zeigt sich nun ergeben, lockt ihn nach einem entlegenen Orte des Serails, schläfert ihn ein, jedoch so, dass er nicht schlafen kann (durch was für ein Mittel, ist Sache der Chemiker!!) und schleudert ihm seine ganze Verworfenheit in’s Gesicht. Er kann nichts thun, seine Diener sind bestochen & führen Rezia hinaus, wo ihrer der Wagen wartet, der sie zu Arabi führen soll.

Arabi’s Glück ist bis zum Gipfel gestiegen, er hat eine Schlacht gewonnenam 5.8.1882 die Schlacht von Kafr El Dawwar, die die ägyptische Armee Achmed Arabi Paschas gegen die britischen Truppen gewann., da, wie ein böses Omen! tritt Rezia nicht mehr eine Lilie! auf; durch ihre Bitten bewogen, erdolcht er sie. Wie ein Schimmer eines verborgenen Stern’s leuchtete sie ihm in den Schlachten, überall, nun ist sie hin – was kann er noch verlieren? |

Sein Verderben naht; denn die E., den Schleichweg des Sultans erkennend, zwingen diesen unter Drohungen, Arabi zum Rebellen zu erklärenIn einem Tagesbericht über den Anglo-Ägyptischen Krieg hatte die Presse im Vorjahr gemeldet: „Alexandrien, 23. Juli. Ein Dekret des Khedive setzt Arabi Pascha ab und erklärt ihn für einen Rebellen. Eine Proklamation verbietet der Armee, den Befehlen Arabi’s zu gehorchen, und eine andere befiehlt dem Volke, die von Arabi verlangte Kriegssteuer nicht zu zahlen.“ [Aargauer Nachrichten, Jg. 28, Nr. 173, 24.7.1882, S. (2)]; sie bestechen seinen Mitfeldherrn, die Wachtposten. –

Die Proclamation des Vertreters des Propheten ist im Lager verlesen. Alles fällt ab, die Engl er hört den KanondonnerSchreibversehen, statt: Kanonendonner., er kennt das Gaukelspiel, er geht nicht mehr in die Schlacht, dem Pöbel zum Frasse, für das Volk, dem er sein Leben geweiht, doch es wird eine Zeit kommen, da man wieder wünschen wird diesen Ersten Mann aus der Nation der Aegypter.

–––

Arabi geht nicht nur aus äußerlichen Gründen:
Erkl. zum Rebellen
Abfall der Soldaten
Verrath seines Mitfeldherrn zu Grunde, sondern auch aus einem innerlichen, dass er seinen Plan, Aeg. von der Fremdherrschaft zu befreien aus persönlicher Rachesucht ändert. |


III.


Die AchillesferseDer Schwachpunkt. möchte zu suchen sein in der Verbindung zweier Handlungen; aber ich glaube, dass sie eben durch den Wechsel der Tendenz Arabis beseitigt worden und auf diese Weise beide Handlungen in ein harmonisches Ganzes verwoben worden.

Ohne Weibsbild würde das Stück wohl zu fade werden.

Bitte, übe unbarmherzig Kritik, sage mir, was Du gut, was schlecht findest, gib mir Rathschläge &. B/b/evor ich nämlich das Stück beginne, will ich mir ganz klar sein, wie es durchgeführt werden soll.

Für Deine Mühe danke ich Dir zum Voraus. Noch eine Bitte. Lass Dir von Herr Prof. Dr Frey meine Aufsatzhefte gelegentlich gebenAdolf Frey unterrichtete seit Januar 1882 die Schüler am Gymnasium der Kantonsschule Aarau in Deutscher Sprache und Literatur [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule 1882/83, S. 10].! |

Nachdem ich Deine Kritik gehört, will ich Dir mittheilen, welche Scenen ich für am Wirkungsvollsten halte.

Hermann Huber schrieb am 8. Mai 1883 in Straßburg folgende Postkarte
an Frank Wedekind

WELTPOSTVEREIN. (UNION POSTALE UNIVERSELLE.)
POSTKARTE AUS DEUTSCHLAND.
(ALLEMAGNE.)


An Herrn Franklin Wedekind
IV. Gymnasii
Aarau.
Schweiz |


Strassburg, 9. Mai 83Schreibversehen, statt: 8. Mai 83 – die Uhrzeiten in den Poststempeln lassen eine andere Erklärung nicht zu.


Schreibversehen, statt: 8. Mai 83 – die Uhrzeiten in den Poststempeln lassen eine andere Erklärung nicht zu.

L. F.

Un jourin Anlehnung an Zitate aus Schulbüchern zur französischen Sprache, zum Beispiel „Sur une statue de Brutus on trouva cette inscription: Dors-tu, Brutus? [Carl Ploetz: Schlüssel zu dem Elementarbuch und zu der Schulgrammatik der französischen Sprache. 7. verb. Aufl. Berlin 1893, Leçon 6, S. 66.] on trouva sur une statue de BrutusStatue auf dem Kapitol in Rom, die Lucius Iunius Brutus, den ersten Konsul der römischen Republik und Vorbild der Französischen Revolution, darstellen soll – die Zuschreibung wird heute bezweifelt. lʼinscription suivante:

Dors-tu Brutus?Diese und andere kleine Nachrichten soll Marcus Junius Brutus, ein Nachfahre des Lucius Iunius Brutus (s. o.), erhalten haben, um ihn zum Sturz Cäsars anzuspornen; im übertragenen Sinn Aufforderung zum Handeln [vgl. Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 516]. – Hermann Huber erwartete Wedekinds Antwort auf seine Straßburger Briefe vom 28.4.1883 und 30.4.1883.

H.


[Übersetzung:]


L. F.

Eines Tages fand man auf einer Statue von Brutus die folgende Inschrift:

Schläfst du Brutus?

H.

Hermann Huber schrieb am 15. Mai 1883 in Straßburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

Straßburg, 15ten Mai 1883.


Mein Freund!

Brutus hat geschlafen; als er aber geweckt wurde, da wachte er auf. –

Franklin hat geschlafen, als er geweckt wurde, da schlief er wieder ein und schläft heute nochHermann Huber nimmt mit der metaphorischen Rede Bezug auf seine letzte Postkarte [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 8.5.1883]. Weiterhin wartete er auf Post von Wedekind. den Schlaf – der Erbitterung, des Grolles? Das ist kein süsser Schlaf!

Willst Du nicht mehr aufwachen, willst Du fortschmollen, weil ich Dir die Wahrheit gesagt? Wenn ich den wahren Sachverhalt verschwiegen hätte, wenn ich geheuchelt, ich sei Deinem Worte gefolgt, O dann hättest Du die Schlange an Deinen BusenRedensart (nach Äsops Fabel vom Wanderer und der Schlange): eine Person fördern, die einem später Schaden zufügt.
.//. |
gedrückt und Dich gefreut Und weil ich nun keine Schlange war? – Soll eine Dirne uns entzweienHermann Huber vermutete, dass seine differierenden Erzählungen von einem Bordellbesuch [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 24.4.1883 und Hermann Huber an Wedekind, 28.4.1883] das erneute Schweigen Wedekinds (nach dem 27.4.1883) ausgelöst hätten.?

Doch ich will mich keine captatio benevolentiae(lat.) Haschen nach Wohlwollen; rhetorische Figur. schuldig machen, auch ich kann stolz und bitter und dürr sein. Ich frage Dich, Franklin, Was soll Dein Schweigen bedeuten? Willst Du Dich von mir abwenden? Sollen wir geschieden sein?

Innerhalb drei Tagen – bis Freitag Sonnabendden 19.5.1883. Hermann Huber dürfte die Korrektur, ebenso wie das Postskriptum, erst am nächsten Tag (16.5.1883) eingefügt haben. Morgens – bitte ich Dich um Aufschluss; wenn ja, so schreibe auf eine Postcarte ein einziges Ja; wenn Du auch keine | Postcarte und keinen Brief schickst, betrachte ich Dein Schweigen ebenfalls als eine Bejahung.

In alter Treue sei
noch einmal geküsst und
gegrüsst von Deinem

Hermann Huber stud


P.S. Leider hat sich die Abschickung des Briefes um einen Tag verzögert.

Hermann Huber schrieb am 20. Mai 1883 in Straßburg folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis und Referat in Hermann Hubers Brief an Wedekind vom 31.5.1883 und 14.6.1883 aus Straßburg:]


[...] was ich in meinem letzten, düstern, schmerzgeschwängerten Briefe Dir gestanden, sind wir nicht verwandte Naturen? nicht Ergänzungen?

Frank Wedekind schrieb am 30. Mai 1883 in Aarau folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Hermann Huber

[Hinweise in Hermann Hubers Brief an Wedekind vom 19. und 31.5.1883 aus Straßburg:]


[...] Deine Antwort [...]. Einiges, das Du mir in so freundlicher Weise mittheilst, habe ich bereits Deiner Ansicht entsprechend geändert gehabt [...]

Hermann Huber schrieb am 31. Mai 1883 - 14. Juni 1883 in Straßburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

Strassburg, Ende Mai 1883


Mein Treuester!

Der Frost ist vorüber, die Sonne lächelt wieder herab, schöner denn je, und die Knospe, die der Winterschauer zu verderben drohte, sie wendet sich der Sonne zu, sie blüht auf: das ist meine Freude, möge sie prachtvoll sich entfalten, das ist meine Hoffnung, möge sie sich zur schönen Frucht entwickeln, das ist mein Wunsch! –

Ist es nicht wahr, was ich in meinem letzten, düstern, schmerzgeschwängerten Briefenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Hermann Huber an Wedekind. 20.5.1883. In der überlieferten Korrespondenz liegt ein derartiger Brief nicht vor [vgl. zuletzt den Brief: Hermann Huber an Wedekind, 15.5.1883]. Dir gestanden, sind wir nicht verwandte Naturen? nicht Ergänzungen? Gewiss! – Diese Ansicht bestätigt Deine Antwortnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hermann Huber, 30.5.1883.. Ganz die nämlichen Gedanken – ich spreche von ArabiHermann Hubers nicht überliefertes Geschichtsdrama über Ahmed Arabi Pascha und den Anglo-Ägyptischen Krieg 1882.. Einiges, das Du mir in so freundlicher Weise mittheilst, habe ich bereits Deiner Ansicht entsprechend geändert gehabt, Anderes schon erwogen.

I. Den Character des Khedive habe ich im Sinne weniger schwarz als blau d.h. fürstlich einfältig, entsprechend der Geschichte, zu gestalten. Die erste Scene wird ihn Dir, hoffe ich, bald vorführen.

II. Arabi wollte ich ebenfalls als Sprössling eines Königsgeschlechtes zeichnen (Lektüre: Letzte Tage v. Pompej.)

III. Reziadie erfundene Geliebte Arabis, die im Verlauf der Handlung entführt wird [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 30.4.1883].. Ja, in der That, da hast Du durchaus Recht; aber – ich hatte mir das wohl überlegt. | Mein Bester, wisse, ich bin noch kein Künstler; vermag ich vielleicht bereits Granitblöcke, Marmorblöcke, zu sammeln, sogar die ächten zu finden, ich vermag daraus nicht Göttinnen zu meisseln und ihnen eine weibliche Seele einhauchen – dass sie Menschen scheinen, aber so erhaben, so unnahbar, so göttlich sind, dass wir vor diesen Gestalten bewundernd, anbetend stehen, aber nicht sie erreichen – – ich bin kein Goethe, und dazu erst 20 Jahre alt. Die Weiblichkeit, dieses tiefe Wesen, habe ich zu erforschen noch nicht Musse, Erfahrun gehabt, wie der Altmeister, der an seinem Gretchen sein ganzes Leben lang gemeisselt hat, auch habe ich leider! nicht solche Vorwürfe wie Gretchentragische Figur in Goethes „Faust“; Geliebte des Titelhelden., KätheAnna Katharina Schönkopf, Wirtstochter, Käthchen oder Annette genannt; Geliebte Goethes während seiner Studienzeit in Leipzig (1766 bis 1768), verewigt im Schäferspiel „Die Laune des Verliebten“ und in den Annettenliedern., FriederikeFriederike Brion, Pfarrerstochter in Sessenheim; Liebschaft Goethes während seiner Straßburger Studienzeit 1770/71, für die er die „Sesenheimer Lieder“ dichtete., Frau von SteinCharlotte von Stein, Hofdame am Weimarer Hof, Freundin Goethes (1775 bis 1786), bezeugt durch Goethes Briefe an Frau von Stein aus den Jahren 1776-1820 (3 Bde., Weimar 1848-51)., Corona SchroeterBekannte Goethes aus der Leipziger Studienzeit; bedeutende Schauspielerin in Goethes Liebhabertheater in Weimar., und andere theils bekannte theils unbekannte Priesterinnen der holden GöttinVenus, die römische Göttin der erotischen Liebe und Schönheit.. Soweit jedoch ist meine Kunstansicht gediehen, dass mir die Kunst, Donnergestalten zu schaffen, leichter vorkommt, als stille Göttinnen zu erzeugen. – Diesen Fehler des Stückes schreibe meinem Unvermögen zu!

Dementsprechend wird auch die Scene mit dem Khedive nach meinem Entwurfe bleiben müssen; ich glaube, dass diese Stelle mit | der richtigen Sprache gewaltigen Effect machen dürfte und ächt tragisch und dramatisch ist, während mir Dein Vorschlag mehr romanhaft zu sein scheint, denn die Verführungsscene des Khedives mit Rezia, das Hineinstürzen einer Haremsdame würde dem patriotischen Zuge des Stückes als allzu lange Intrigue schaden, sie würde zu lange aufhalten, würde dem Tenor des Stückes nicht entsprechen. Nicht wahr? – Vielen Dank für den Wink betr. den Schluss, dies ist entschieden ein guter Gedanke, ich werde ihn verwerthen. – Ich habe vorhin das Wort Intrigue gebraucht. Ja, wenn ich intrigant war, vergieb, denn gibt’s/st/ Du Dich mit den verdammten Orientalen ab, musst Du es werden. –

Wiewohl es mein sehnlichster Wunsch ist, bald das Drama zu beginnen u fertig zu bringen, ist es doch unmöglich, heute schon den Anfang zu machen; es ist ein ungeheures Material zu bewältigen; ich habe mir sämtl. Nos. des „BundDer Bund berichtete täglich in ein oder mehreren Beiträgen sehr ausführlich über die politischen Ereignisse in Ägypten. von, Bern kommen lassen, um diesSchreibversehen, statt: diese. Frage zu studiren. Dann bedarf meine Sprache noch gar sehr der Polirung und Erweiterung; und meine Bühnenkenntniss will ich durch die hervorragendsten Werke She/a/kespeares vervollständigen. –

Nun werde ich de/a/s nächste mal bei Dir – wie freue ich mich – auskramen koennen von Spiritualismus, Idealismus, RationalismusHermann Huber hatte Heinrich Heines drei Bücher „Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland“ gelesen, in denen der Dichter über die Gegensätze Sensualismus und Spiritualismus als Konflikt zwischen Empirismus und Idealismus schreibt. etc. Ich studire Heine & zwar so fleissig, dass ich gestern ein Colleg schwänzen | musste, wofür mir wirklich nur die Lecture von Heine Ersatz sein konnte; es handelte nämlich von den Untugenden der deutscherSchreibversehen, statt: der deutschen (oder: deutscher). Frauen im Mittelalter – Für einen 20jährigen Jüngling ein Schmaus. Im Uebrigen bin ich ein fleißiger StudentHermann Huber studierte im ersten Semester Jura an der Kaiser-Wilhelm-Universität Straßburg., besuche die Collegien regelmäßig und sie sind ganz anziehend.

Es ist doch zum Teufel holen, dass man etwas nicht weiss, wenn es so golden wäre, wenn man es wüsste – ich würde dem Dr Leupold, der bekanntlichBeide Freunde hatten bei Eduard Leupold, der von Herbst 1879 bis Frühjahr 1883 an der Kantonsschule Aarau lehrte, Geschichtsunterricht. die Zulässigkeit der Menschenrechte läugnet, juristisch scharf beweisen, dass sie Berechtigung auf Existenz haben. Vielleicht thue ich’s mal in einem Brief, ich stehe nämlich mit ihm in Correspondenz. – Wahrscheinlich trete ich den neugegründeten academisch-literarischen VereinDer Studierendenverein „Verein für Litteratur u. Kunst“, dessen Vereinslokal das Restaurant „Zum Rindsfuss“ (Besitzerin Witwe Welsch, Metzgergiessen 21) war [Adressbuch der Stadt Strassburg. 1886–87, Teil II, S. 310 u. Teil I, nach S. 264 Anzeige Nr. 93] wurde am 3.6.1880 gegründet [vgl. Deutscher Universitäts-Kalender für das Sommer-Semester 1892, S. 172]. Er nannte sich auch „Akademischer Verein für Litteratur und Kunst zu Straßburg“ [vgl. Semester-Bericht des akademischen Vereins für Litteratur und Kunst zu Strassburg (für die Jahre 1893-1900)]; in den Straßburger Adressbüchern der Jahre 1882-83 und 1884-85 ist der Verein nicht aufgeführt. bei und habe im Sinne für meinen Antrittsvortrag Goethes Tasso zu wählen, oder: Heines AnsichtThema in Heinrich Heines Abhandlungen „Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland“ und „Die Romantische Schule“. über Christen- & Judenthum; Heine der als Deutscher. – Die Vorträge, die ich zuerst schriftlich abfasse, werde ich Dir in den Ferien zeigen. Was ich für ein Hohlkopf war! Ich sehe es erst jetzt ein, lesen, lesen, und wieder lesen will ich und zwar Heine. Dir, Du grosser Denker, will ich aber auch in glühenden Worten danken! Müsste ich jetzt den Maturitätsaufsatz machen, der würde strotzen von Gedanken, so nah; aber wenn mich„wennmich“ durch Sofortkorrektur getrennt. niemand weist? Klopstock Spiritualist, Wieland SensualistDie Zuordnungen dürften im Zusammenhang mit der Heine- und Schul-Lektüre der beiden Freunde stehen. Im letzten Schuljahr wurde im Deutschunterricht die „Geschichte der deutschen Literatur von Luther bis Goethes Tod, mit Ausschluss der Romantiker nach W. Hahn“ [Programm der Aargauischen Kantonsschule 1883/84, S. 20] durchgenommen. Wedekinds Maturitätsprüfungsarbeit „Welchen Gang nahm die deutsche Literatur von Luther bis Klopstock“ ist überliefert [vgl. Staatsarchiv Aargau, Alte Kantonsschule Aarau, DE02/0174/06]. Dass Wedekind Christoph Martin Wielands Roman „Oberon“ gelesen hatte, bekannte er in seinem Gedicht „Schluss“ [vgl. KSA 1/I, S. 92 und S. 1075], das er auf einen Brief des Freundes schrieb [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 15.5.1883]. Welcher Vergleich & Gegensatz! |


Neugieriger:Mit dem Seitenumbruch liegt der Übergang von einem unlinierten Doppelblatt zu einem rautierten Einzelblatt vor. Inhaltlich besteht ein Bruch; es fehlen vermutlich ein bis zwei Doppelblätter. – Vermutlich beziehen sich die folgenden beiden Fragen und die Aufsatzkritik auf ein Aufnahmeritual bei der Schülerverbindung Industria Aarau, der Wedekind bis November 1883 angehörte [vgl. Wedekinds Korrespondenz mit der Industria Aarau] und zu deren Mitgliedern vielleicht auch Hermann Huber gehört hatte. Wie ist Dein Verhältnis zur Industria?

Wie stellst Du Dich in der Schule?

Seltenheiten: In Deiner Apologie des Hagestolzlebens hast Du berichtet, dass die grössten Männer unverheirathet gewesen seien. Das bedarf einer Berichtigung z. B. war Caesar mit 14 JahrenGaius Julius Cäsar heiratete 16-jährig die 10 Jahre alte Cornelia, des Lucius Cornelius Cinna Tochter, nachdem er die Verlobung mit Cossutia aufgelöst hatte., der nordische Shakespeare mit 18 Jahren glücklicher Ehemann; allerdings wurde des Letzteren Heirath durch dringende UmständeIm Alter von 18 Jahren heiratete William Shakespeare die 8 Jahre ältere Anne Hathaway, Tochter eines Großgrundbesitzers. Vom Aufgebot hatte Shakespeare sich freigekauft. Das erste Kind kam 6 Monate nach der Eheschließung auf die Welt. herbeigeführt à la TuchschmidAugust Tuchschmid war seit dem Schuljahr 1882/83 als Lehrer für Mathematik und Physik am Gymnasium und dem gewerblichen Zweig der Kantonsschule Aarau angestellt [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule für das Schuljahr 1882/83, S. 9]. Er war kaum in Aarau angestellt, als er das Aufgebot (15.7.1882) für sich und „Caroline Emma Niederer von und in St. Gallen“ [Aargauer Nachrichten, Jg. 28, Nr. 167, 17.7.1882, S. (3)] bestellte. Gemeldet war er nach der Heirat in Aarau mit dem Doppelnamen „Tuchschmid-Niederer, Aug., Prof., von Thundorf (Thurg.), Pelzgasse 129“ [Adress-Buch Aarau 1884, S. 47]. Über Ehefrau und Kinder ist weiter nichts ermittelt.*, welcher Notiz mit zu dieser Bemerkung Anlass giebt.

Uebrigens bin ich doch durchaus Deiner Ansicht und stimme Heine ganz bei, wenn er meintHeines Fazit über Nicolais Werther-Roman lautet: „Nach dieser Version hat sich der Held nicht totgeschossen, sondern nur mit Hühnerblut besudelt; denn statt mit Blei war die Pistole nur mit letzterem geladen. Werther wird lächerlich, bleibt leben, heiratet Charlotte, kurz, endet noch tragischer als im Goetheschen Original.“ [DHA, Bd. 8, Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland, S. ###], Nicolai’s Werther schliesse noch viel tragischer als Goethes, indem N. W. si am Ende Lotte heirathet. – Gewöhnlich sinde Zofen schöner & amüsanter als kalte Herrlichkeiten.

Nach Schluss der Redaction: Soeben lese ich in irgend einer Zeitung, dass der KhediveAb Mitte Juni 1883 erschienen zahlreiche Meldungen in der deutschsprachigen Presse über Randolph Churchills Vorwurf im Londoner Unterhaus, dass der zum Tod verurtheilte Suleiman Daouds „zum Sündenbock für die Metzeleien und den Brand von Alexandrien ausersehen“, tatsächlich aber „der Khedive selbst der Urheber der Metzeleien“ gewesen sei [Seeländer Bote, Bd. 34, Nr. 71, 14. Juni 1883, S. 4] bzw. „Mitschuld oder Hauptschuld an dem Gemetzel und den Mordbrennereien in Alexandrien“ gehabt habe [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 63, Nr. 173, 22. Juni 1883, S. 2]. Alexandrias zu verbrennen beabsichtigt habe. Zum Teufel! Zuletzt stiehlt mir noch gar Einer meine Rezia?!

DesshalbSchreibversehen, statt: Deshalb. habe ich denn fest den Entschluss, energisch an die Arbeit zu gehen und hoffe, Dir in kürzester Zeit den ersten Act in roher Bearbeitung zu übersenden. –

Nun aber bitte ich Dich, schreibe mir doch bald; ich bedarf eines geistigen Verkehres, am liebsten ist mir der Deinige.

Dass diese Zeilen so lange ausstehen, ist einer fatalen Sache zuzuschreiben. Der erste Theil des Briefes war schon vor 14 Tagen geschrieben, damit ist nicht gesagt, dass du nun auch das Recht habest, noch einmal 14 Tage zu warten! Nein, bei Gott nicht! |

Lass Dir den „Bund“ vom Donnerstag 31. MaiDer 31. Mai 1883 war ein Donnerstag. zeigen dort findest Du ein ArtikelUnter der Rubrik Kleine Zeitung und der Überschrift „Aus dem heutigen deutschen Studentenleben“ polemisiert Hermann Huber über den Straßburger „Verein deutscher Studenten (VDSt) und schließt mit den Worten: „Zur Feier des 86. Geburtstages des deutschen Kaisers wurde ein Verein gegründet, der die deutsche Sprache von den Fremdwörtern reinigen will, so daß Brockhaus (der arme Brockhaus!) nicht mehr nöthig haben wird, ein „Verkehrswörterbuch“ (d. h. ein Conversationslexikon) herauszugeben. Selbstverständlich redet die „Kyffhäuser-Zeitung“ dem „nationalen“ Unternehmen warm das Wort. Wer sollte auch nicht! Die Literaturgeschichte hat uns einen ähnlichen Versuch verzeichnet. Philipp von Zesen gründete zu Hamburg im Jahre 1643 die ‚Teutschgesinnte Genossenschaft‘ und hat sich bei dieser Gelegenheit unsterblich ‚blamirt‘“ [Der Bund, Bd. 34, Nr. 148, 31. Mai 1883, S. (4f).]. über die deutschen Studenten von mir.

Deine Rheumatismenauf Entzündungen zurückzuführende Schmerzen; vielleicht Zahnschmerzen, an denen Wedekind in seiner Jugend oft litt [vgl. z. B. Frank Wedekind an Friedrich Wilhelm Wedekind, 27.4.1885; Friedrich Wilhelm Wedekind an Frank Wedekind, 31.1.1886]. werden wohl vergangen sein. Wünsch Dir gute Besserung!

viele Grüsse

Dein

Hermann.


P.S. Hast Du das SophoclesoraculumEs dürfte sich um das in einem früheren Brief [Hermann Huber an Wedekind, 19.4.1883] „Antigone oracula“ genannte Buch handeln, vermutlich ein Schulbuch für die IV. Klasse des Gymnasiums, die Wedekind seit 30.4.1883 besuchte. Im 6-stündigen Griechischunterricht bei Isidor Guttentag standen auf dem Lehrplan „Sophokles, Antigone, Oedip.[us] Colon.[us] Chor 668-720, Einleitung: Leben des Soph.[okles]“ [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule für das Schuljahr 1883/84, S. 21].? Wenn nicht, so schreibe mir. –

Hermann Huber schrieb am 24. Juni 1883 in Straßburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

Strassburg, den 15/24/ten Juni 1883.


Mein Freund!

Deine AntwortWedekind hatte auf den letzten Brief des Freundes [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 31.5.1883] nicht geantwortet, was Hermann Huber, wohl um eine Reaktion Wedekinds zu provozieren, als Bejahung seiner dramatischen Vorschläge interpretierte [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 22.7.1883]. freut mich recht herzlich und aus mehr als einem Grunde: denn Dein Schweigen scheint mir anzudeuten, dass Du mit meinen Bemerkungen im letzten BriefeGemeint waren Hermann Hubers Ausführungen über sein geplantes Schauspiel „Arabi“ [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 31.5.1883]. einverstanden bist, und dass Du noch immer so genial sömmerlich träge bist – möge Dir diese fromme Eigenschaft verbleiben! –

Inzwischen bin ich aber mit meinen Ausführungen nicht mehr ganz im Einklang, ich suche mich Deinem VorschlageHinweis auf den nicht überlieferten Brief: Wedekind an Hermann Huber, 18.5.1883. betreffend Rezias Character zu folgen und statt einer Heldindie von Hermann Huber erfundene Geliebte des Dramenhelden Achmed Arabis. ein Weib zu zeichnen. – Der erste Act ist bereits roh bearbeitet fertig und ich gehe nun daran, ihn in „das aristocratische Gewand“ zu kleiden, wobei ich die Bemerkung mache, dass ungehobelt grobe, kräftige Worte nicht zu gebrauchen sind; und doch wäre das Toben nun einmal eine Zierde eines jungen Dramaschmiedes: Dem ganzen StückHermann Hubers Drama "Arabi" ist nicht überliefert. werde ich einen Prolog voran setzen; mir däucht eine Einführung durchaus nothwendig. – |

Wenn Du nun nachgerade etwas ungehalten wirst über meine ewige Schreiberei über die Pläne, so kann ich es Dir gar nicht verargen; aber binnen kurzer Frist – nach Empfang eines Briefes von Dir – werde ich Dir etwas vollendet zusenden. Ziehe Deine Mundwinkel nicht zu einem Lächeln zusammen, nein, meine Aussage wird zur Wahrheit und zwar aus einem ganz einfachen Grunde: Nun ist bald das Ende des Monates da, dh. die Zeit da ich kein Geld mehr habe und das ist wohl das beste Mittel, mich zur Arbeit anzuhalten. – Vor Allem bitte ich, wie gewohnt, mir eine grausame Kritik aus, streiche was Dir nicht gefällt an, füge Gedanken bei – für Alles bin ich Dir sehr verbunden. Täusche mich ja nicht, bleib’ Deinem Worte: „Sei sicher, dass Du Dich, soweit es in meiner Gewalt steht, nicht blamiren wirst“ treu. Christlicher Milde bedarf ich nicht; denn ich bin kein Christ; da gefällt mir der Mohamedanismus besser. |

Ein ander Mal über diesen Gegenstand. –

Es sind nun 8 Tage hervermutlich die Ursache für die Datumskorrektur in der Kopfzeile; Hermann Huber dürfte am 15.6.1883 begonnen haben, den Brief zu schreiben. seit ich die vorigen Seiten geschrieben und unterdessen ist Vieles, vieles geschehen, so dass ich nun zur Arbeit genöthigt bin: Du wirst mich verstehen! Keine Rose ohne Dornen, kein Rausch ohne Kater, und bei den Türken kommt es vor, dass sie auf die treibende Liebe krank werden, welche Unahnnehmlichkeit sich auch bei den Völkern eingebürgert hat, die die türk. Sitten nachgeahmt haben und so ist es denn gekommen, das auch im Abendland, speciell in Strassburg Ereignisse eintreten, so wonnevollen Anfanges, lebenspendenden Verlaufes und – aergerlichen Endes. – Darum erhei/ä/lstSchreibversehen, statt: erhältst. Die erwähnte Beilage ist nicht überliefert. Du nun die ersten 2. Scenen, die Du mir beurtheilen magst. Bald soll der Rest des Iten Actes nachfolgen. Behalte alle Manuscripte bei Dir zurück. Vielleicht werde ich den 5füssigen JambusVersmaß mit 5 unbetonten und 5 betonten Silben im Wechsel. doch begraben. –

Es ist doch etwas Schönes um die Erfahrung und um die Welt, | Ohne Dich zu beleidigen, aber in Bezug auf die Welt, ist man in Aarau doch jämmerlich dumm. –

Dass Du mir nicht schreibst ärgert mich nicht; denn von Dir ist nichts Anderes zu erwarten und doch würde mich so ein Brieflein grossminniglich(frühneuhochdeutsch) sehnlich; grössiglich (frühneuhochdeutsch) sehr. freuen, da meine Minne für 14 Tage nun zum Teufel ist. – Wie freue ich mich auf unser Wiedersehen! – Aproposübrigens; nebenbei bemerkt.: Jetzt fällt mir ein, warum Du so still: Beschäftigt Dich etwa bereits das JugendfestDer Maienzug, das Aarauer Jugendfest mit Tradition (seit 1587), wurde wie jedes Jahr am Freitag vor den Sommerferien gefeiert. Am Vorabend (12.7.1883) um 20 Uhr wurde mit Zapfenstreich und 22 Kanonenschüssen das Fest eingeläutet. Am 13.7.1883 um 6 Uhr kündigten „Kanonenschüsse und Tagwacht der Tambouren den Beginn des Jugendfestes“ an. Um 8 Uhr versammelten sich Cadetten und Schuljugend am Graben, um 8.30 begann der Maienzug der Jugend durch die Aarauer Straßen, der mit kirchlicher Feier und Festrede des Pfarrers sowie Gesangsvorträgen fortgesetzt und mit der Entlassung der Schuljugend endete. Am Nachmittag versammelten sich die Jugendlichen um 13.30 Uhr am Graben, liefen mit Musikbegleitung auf die Schanze, wo um 14 Uhr das erste Essen der Schuljugend und die Kadettenmannöver begannen. Bis zum zweiten Essen um 16.30 wurden Spiele veranstaltet, anschließend wurde der Tanz eröffnet, den die jüngeren um 20 Uhr, die älteren Jugendlichen um 22 Uhr verlassen mussten. Der Tanz für die Erwachsenen ging bis in die Nacht. In Anzeigen wurden die Eltern aufgerufen, „Platten mit Schmelzkuchen, Früchtekuchen, Nüßli, Kalbsbraten, gebratenes Rindfleisch, Zunge Lümmeli, alles zerlegt u. garnirt“ und insbesondere „[k]alte Fleischplatten“ für die Mädchen Mittags um 13 Uhr abzuliefern oder Geldbeiträge von 1 bis 3 Franken je Kind zu zahlen [Aargauer Nachrichten, Jg. 29, Nr. 163, 12.7.1883, S. (4)].“ in Aarau, es ist doch schön, ein Kind zu sein; über dieses „Aarauer Nationalfest“ habe ich dem Philister einen langen Brief geschrieben, er hat auch eine grosse Freude daran. – Ich will aber nicht hoffen, dass Du wie DecoppetGemeint sein dürfte der Notar und radikale Demokrat Lucien Decoppet aus Yverdon, der im Winter 1882 in den Nationalrat gewählt worden war und wegen der im Waadtland diskutierten Unvereinbarkeit kantonaler mit politischen Ämtern am 2.4.1883 sein Mandat zurückgab [vgl. La Liberté, Jg. 15, Nr. 77, 5.4.1883, S. (2)]. Er war ein Cousin von Maurice Decoppet, der im Oktober 1883 an der Gewerbeschule der Kantonsschule Aarau die Matura bestand. (der Graf ohne Grafschaft, wie ihn m. ex-Philisterehemaliger Pensionsvater; Hermann Huber dürfte sich auf Aarau beziehen. In Straßburg bewohnte er seit Studienbeginn ein Zimmer bei Drechslermeister Josef Stritt am Münsterplatz. nennt) Paschahoher Beamter; (umgangsprachlich, pejorativ) keine Kritik duldend, bequem. geworden: aber das muss verflucht langweilig sein, nur Zuckerwasser zu trinken, statt sich mit starkem Kaffee zu stärken, ich begreife, warum er ein solches Gerippe ist.

Dir grosses Vergnügen wünscht Deinunsichere Lesart: vermutlich verschliffen für Dein (oder der).
Hermann

Hermann Huber schrieb am 22. Juli 1883 in Straßburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

Strassburg, 22ten Juli 1883.


Mein Freund!

Ob ich Dich so nennen darf – ob Du mir zürnest – ob Du in Deiner Grossmut mich etwas bändigen willst, in guter väterlicher Absicht, irgend einen Fehler, der mir anhaftet, mich lebhaft ha fühlen zu f/l/assen, um mich dadurch zu bessern – ich vermag es nicht zu ergründen, nicht in den Abgrund Deiner Gedanken zu tauchen, ich bin ganz verblüfft und stehe da und staune und versuche – nicht am Sternenhimmel die Zeichen der Gottheit zu entziffern, nein, ich versuche mir klar zu werden, worin ich mich vergangen gegen Dich, dass Du mir keine Nachricht von DirWedekind war die Antworten auf mehrere Briefe seines Freundes schuldig geblieben. Zuletzt hatte er vor etwa zwei Monaten geschrieben [vgl. das erschlossene Korrespondenzstück: Wedekind an Hermann Huber, 18.5.1883]. zukommen lässt. Aber vergebens peinige ich mein armes Gehirn si/n/achsinnend | k nicht eine Ahnung einer Schuld berunruhigt mein Gewissen; und sollte es sein, dass Schuld auf mir lastest, keine Rachegöttinnenin der griechischen Mythologie die drei Erinnyen Alekto (die Unaufhörliche), Tisiphone (die Vergeltung) und Megaira (der neidische Zorn). sins tummeln sich hier in Strassburg herum, die schaudererregend durch ihre Geistergestalt den sündigen Menschen an sein Vergehen mahnen – unsere Göttinnen, die nachtwandeln sind harmloserer Art – – In Griechenland liegt Strassburg nicht, das weiss man auch in Lenzburg auf dem Schloss, und wenn auch die Phantasie dort sich bis auf die höchsten Höhen zu schwingen erlaubt, soweit kann sie doch nicht gehen in ihren Täuschungen, dass sie meint, im lichten Strassburg wisse man, was sie dunkel schaut – nein, da Du keine ErinnerungenVerschleifung. aus deinen lichten | HöhenWedekind wohnte an schulfreien Tagen, es waren Sommerferien, auf Schloss Lenzburg, das oberhalb des Ortes Lenzburg gelegen ist. herabsenden kannst, so steige doch hinab in das Städtchen und schiebe eine Postcarte in den Briefeinwurf, sie thut den nämlichen Dienst wie ein Rachegeist! Ja, sie klärt mich besser auf. + Ein Strahl aber soll In Anlehnung an den Spruch: „Laß einen Strahl, nur einen Strahl / Von dir ausgehen, welcher meine Zweifel aufkläre.“ [Die Heilige Helena an der Schädelstäte, ein geistlich Gespräch, welches in der Königl. Chur-Fürstl. Hof-Capelle zu Dreßden am heiligen Abend vor Ostern soll aufgeführet werden. 1746. (o. P.)ausgehen von Dir, damit er leuchte in das Dunkel meines Herzens und mich erkennenVerschleifung. lasse, worin ich gefehlt. –––

Ich habe seit Deinem letzten Briefevgl. das erschlossene Korrespondenzstück: Wedekind an Hermann Huber, 18.5.1883. schon so manche Antwortder vorliegende Brief war wenigstens das dritte Schreiben Hermann Hubers auf Wedekinds letzten Brief. abgehen lassen, dass es mir nachgerade unmöglich ist, mich zu entrinnen, wie grosseSchreibversehen, statt: erinnern, wie groß. die Zahl derselben ist; dessen erinnere ich mich jedoch lebhaft, dass ich in allen Tonarten Dich zu einer Antwort zu bewegen versuchte – vergebens! Da ich zum ersten mal, da als ich eine List anwandteHermann Huber hatte seine Erfahrungen mit einer jungen Prostituierten in Straßburg dem Freund in zwei differenten Geschichten geschildert [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 19.4.1883 und 24.4.1883]., so übel weggekommen bin, so glaubte ich, mich eines Kunstgriffes z nicht mehr bedienen
zu dürfen, zumal |

ich die in Wahrheit allerdings unrichtige Ueberzeugung hatte, einen Kniff zu gebrauchen sei unnöthig; quapropter(lat.) deshalb. versuchte ich es durch einen Appell an Deine Ehre – aber meine RufSchreibversehen, statt: mein Ruf. verhallte im Wald ohne dass ein Echo mir entgegentönte weder ein freudigesVerschleifung. noch ein betrübendes – Geisterstille ist es geblieben. –––

Wisse nun aber, dass ich mich länger hinhalten zu lassen nicht gesonnen bin; ich mochte Dich auf jede Weise zu entschuldigen; schrieb an Jemandenvermutlich der gemeinsame Freund Samuel Schaffner, der mit Wedekind die IV Klasse der Kantonsschule Aarau besuchte., ob Du krank seist, ob verreist, ob gestorben nichts von alle dem – fröhlich wälzest Du Deine löbliche Haut eingedenk des dolce fare nient(ital.) süßen Nichtstuns.e im grünen Rasen und verschluckst mit grossem Behagen Bier, Wein und andere zum Leben nothwendige |


II.


Erzeugnisse der gütigen Erde. Darum beneide ich Dich nicht, bewahre! ich freue mich über Dein Wohlbefinden; allein seltsam mutet es mich doch an dass Du keine Stunde findest, mir meine Briefe zu beantworten, obwohl Du ganz wohl weisst, dass Du mir meinen sehnlichsten Wunsch erfüllen und mich erfreuen fr würdest – dass Du es lediglich aus Trägheit (ja nicht Grobheit, wie konnte sich ein solcher Weltmann einer solchen schuldig machen!) unterlässt, das – offen gestanden – betrübt mich sehr. –

Das Sommer SemesterHermann Huber studierte im ersten Semester Jura an der Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg. geht mit dem 11ten August zu Ende, ich reise aber schon am 2. oder 3. von hier weg, um bei günstigem Wetter zu Fuss über den Schwarzwald
.//. |

heimzukehren. – Mein Franklin, grosse Erfahrungen habe ich gemacht in dieser kurzen Zeit, jetzt schon freue ich mich, sie einem Manne, einem Freunde mittheilen zu koennen, der mit Verständniss meine Beobachtungen erfassen, erkennen und würdigen kann – dieser Freund bist Du, wenn es mit vergönnt ist, während der Ferien Dich öfter zu sehen, wenn ...... – ich will diese Bedingung treffend unterdrücken. –

Schibler wird die Maturität bestandenOskar Schibler, der im Herbst 1881 an die Kantonsschule Solothurn gewechselt war, bestand dort im Sommer 1883 die Matura. haben; ich lasse ihm Glück wünschen und erwarte ihn hier als commilito(lat.) Mitsoldat, Mitstudent. | begrüssen zu dürfen; ich wollte ich könnte mit ihm bei den nämlichen Professoren die Institution hören; er soll nach Strassburg kommenOskar Schibler wurde am 14.12.1883 an der Universität Straßburg für Jura immatrikuliert [vgl. Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studenten der Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg für das Sommer-Halbjahr 1884, S. 34]., wenn er etwas zu arbeiten und ausgezeichnete Vorträge zu halten hören gedenkt. Wenn er einen Bericht über die Vorlesungen wünscht, soll er mir schreiben, ich werde ihm einen besorgen; er soll ihn nicht bestellen, sonst muss er 2. Frs. dafür bezahlen.

So lebe denn wohl, ich erwarte umgehend einen Brief, wenn ich nicht denken soll, Du werdest von nun an meine Freundschaft verschmähen.

Mit freudl. Grüssen
Dein
Hermann Huber studiusfür studiosus: Student. |


Bitte mich zu entschuldigen, massen ich sehr Eile hatte.

Hermann Huber schrieb am 29. August 1883 in Besenbüren folgenden Brief
an Frank Wedekind

Besenbüren, 29/VIII. 1883.

Mein Freund!

Da ich mir nicht ohne GrundWedekind hatte seit 3 Monaten auf die Briefe Hermann Hubers aus Straßburg, wo der studierte, nicht geantwortet. einbilde, dass aus einem Besuch Franklins in Besenbüren sobald aus zwar unerklärlichen Gründen so bald nichts werden dürfte, hat sich mein bi/fü/gsamer Geist bestimmen lassen, demnächst wieder in AarauAm 13.8.1883 hatte – nach den 4-wöchigen Sommerferien – das II. Quartal an der Kantonsschule Aarau begonnen. Wedekind hatte in der Schulzeit ein Zimmer bei der Privatiere, Frau Regula Huber-Aschmann am Zollrain 88 [vgl. Kutscher 1, S. 33]. vorzusprechen, um aber etwas längere Zeit in Deiner Gesellschaft verbringen zu koennen.

Bis dahin bitte ich Dich mir auf der Kantonsschulbibliothek auf Deinen Namen – wenn Du die Gefälligkeit haben wirst – zu entheben:

1. G. Keller: Leute von Selldwyla

2. Etwas von Börne (Briefe aus Paris)

3. Schlegels Lucinde, aus welchem | letzten Werke die Erkenntnis der letzten Dinge(auch) die vier letzten Dinge; in der christlichen Religion Tod, Gericht, Himmel oder Hölle. zu schöpfen sei zudem in einenSchreibversehen, statt: einer. glänzenden Sprache.

Mit freudl. Grüssen
Dein
Hermann

NB. Bitte den beiliegenden BriefDer Brief an den gemeinsamen Freund Samuel Schaffner, der mit Wedekind die IV. Klasse des Gymnasiums der Kantonsschule Aarau besuchte, liegt nicht bei. an S. Schaffner zu übergeben. – – –

Hermann Huber schrieb am 18. Oktober 1883 in Besenbüren folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Postkarte.
Carte postale. – Cartolina postale.


Herrn FranclinSchreibversehen, statt: Franklin. Wedekind
Schloss Lenzburg. |


Dienstag den 23ten October 1883 werde ich in Gesellschaft DurrersAbälard Durrer aus Kerns, der ehemalige Klassenkamerad Frank Wedekinds in den Schuljahren 1879/80 und 1880/81, der mit Hermann Huber im Frühjahr 1883 die Matura gemacht hatte, wurde am 15.11.1883 an der Straßburger Universität für Jura immatrikuliert [vgl. Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studenten der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg für das Winter-Halbjahr 1883/84, S. 21]. nach Strassburg i/E. verreisen. Allfällige Schri/e/iben oder Besuche sind mir lieb, wenn sie vor dem 21ten Oct. Sonntag in Besenbüren eintreffen.

Freundl. Grüsse
Hermann Huber


NB. Wenn wir über Aarau reisen hoffe ich Dich jedenfalls im I Zugdie früheste Verbindung auf der Südbahnlinie Rotkreuz – Aarau, die über Bünzen und Wohlen, wo Hermann Huber zusteigen konnte, und Lenzburg nach Aarau führte. – Das Treffen der Freunde in Aarau fand statt [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 31.10.1883]. zu treffen da ja dann das Aarauer PenalsemesterSchreibversehen, statt: Pennalsemester (Schülersprache) Schulhalbjahr der höheren Schulen.
beginnen dürfteHermann Huber irrte sich, die Herbstferien dauerten an der Kantonsschule Aarau bis zum 27.10.1883 [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule 1883/84, S. 8].. ––

Hermann Huber schrieb am 31. Oktober 1883 in Straßburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

Strassburg i/E, Ende October 1883


Mein Dulder im PenalSchreibversehen, statt: Pennal (Schülersprache) höhere Schule; die Kantonsschule Aarau, die auch Hermann Huber besucht hatte.!

Nicht mit Unrecht hast Du in Aarauvermutlich am Dienstag, 23.10.1883; für diesen Tag hatte Hermann Huber seine Abreise von Besenbüren über Aarau nach Straßburg angekündigt [vgl. Hermann Huber an Frank Wedekind, 18.10.1883]., ob meiner Mitteilung, dass wirBegleitet wurde Hermann Huber vom ehemaligen Klassenkameraden Abälard Durrer, der am 15.11.1883 an der Straßburger Universität für Jura inskribiert wurde [vgl. Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studenten der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg für das Winter-Halbjahr 1883/84, S. 20]. in Basel alte SchulfreundeMitschüler von der Kantonsschule Aarau besuchen werden, die Nase gerümpft – nachträglich sehe ich ein, dass Deine weissagende Nase warnend sich nach links gewandt uns wahr prophezeite; Lob & Preis Deiner Nase!; denn in Basel haben wir es übel getroffen: Die Herren durften ja keine Stunde aussetzen & hockten im Colleg, nur einer hat soviel Anstandsgefühl gehabt, uns zu empfangen – StrählOthmar Strähl war 1879 bis 1883 Klassenkamerad von Hermann Huber und Abälard Durrer und bis 1881 auch von Wedekind. – jammerte uns aber halbtot, dass es so ungeschickt sei, nicht die Anatomie besuchen zu koennen – gut eingedrillte Maier-Mustermechanisch eingeübtes Pflichtbewusstsein nach dem Vorbild Kaspar Maiers, der seit 1879 Rektor der Kantonsschule Aarau war.! D/S/olche Vorkommnisse aergern mich stets absunderlich(schweiz.) besonders; ausserordentlich. & dieses letzte noch hauptsächlich desswegen, weil ich statt mit dem Schnellzug in 3 ½ Stud nach Strassburg zu fahren, ich ob dieser Elendiglichkeit 5 ½ Stunden schmachten musste; allein Erfahrung facit(lat.) macht. reddithominem sapiente(lat.) bekräftigt, dass der Mensch weise wird. |

Dazu langweilte mich in hierhier. mein Reisegefährte Durrer bei seinem Budensuchen, er marktete so abscheulich wegen 1-2 Mark, dass ich pudelmässig mich schämend mich trennte & ihm sagte er solle warten – in 5 Minuten hatte ich eine sehr schöne, gut möblirte BudeDie Adresse war Schiffleutstaden 7 (3. Stock) [vgl. Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studenten der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg für das Winter-Halbjahr 1883/84, S. 25]. zu anständigem Preise, was Herrn Durrer gar wunderlich dünkte, ich schickte ihn alleine auf die SucheAbälard Durrer mietete ein Zimmer am Alten Fischmarkt 13 [vgl. Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studenten der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg für das Winter-Halbjahr 1883/84, S. 20]., indessen ich mich gar herzlich über meinen Handel & die gut dampfende CoteletteKotlett, zubereitet nach Elsässer Küche. & das entwöhnte Münchner-BierMünchner Bier wurde in den Straßburger Bierhäusern Piton (Gewerbslauben), Birnbacher (Laternengasse), Luxhof (Broglie), in der Stadt München (Küfergasse) und im Münchener Kindl (Brandgasse) ausgeschenkt [vgl. Baedeker’s Süd-Deutschland und Oesterreich. Handbuch für Reisende, 20. Aufl., Leipzig 1884, S. 19]. ergötzte. – Dass ich ein sehr solides Leben führen, wird Dir zu bemerken nicht gerade überflüssig sein, doch zweifle ich nicht, dass Du es glauben wirst. – Von den schauerlichen NovitätenHermann Huber dürfte auf die beiden Morde am 23.10.1883 in Straßburg angespielt haben. Die Aarauer Presse berichtete: „Zwei schreckliche Mordthaten haben die Stadt in große Aufregung versetzt. Hunderte umdrängen die Mordstätten, alle Polizei- und Gerichtsbeamten sind in fieberhafter Aufregung. [...] Um 1 Uhr wurde in der Storch-Apotheke [...] geklingelt. Der Gehülfe Franz Lienhardt (50 Jahre alt, verheirathet, Vater zweier Kinder) öffnet die Thür und wird ermordet. Man fand ihn, den Kopf gespalten, einen Stich in der Brust, die Oberschenkel-Pulsadern durchschnitten. Der Mörder raubte die Kasse, ein großes Metzgermesser hat er zurückgelassen. Das Opfer des zweiten Mordes war ein Wachtposten am Pulverthurm beim Hospitalthor; er wurde bei der Ablösung kurz nach 1 Uhr schwer verletzt aufgefunden. Er hatte 17 Stichwunden, der Kopf war mit dem Gewehrkolben eingeschlagen. Am Kolben klebte Blut des Erschlagenen. An der Mordstätte wurden ein Messer und ein falscher Bart gefunden. Man vermuthet, daß die Mörder des Apothekers dort ihren Raub getheilt haben und dabei von dem Soldaten überrascht wurden [Aargauer Nachrichten, Jg. 29, Nr. 253, 25.10.1883, S. (3)]. hast Du wohl gelesen? Für so einen Juristen sind solche Verirrungen des menschlichen Geistes gar erlabend, besonders wenn er die nähern Umstände kennt.

Doch dass interessirt Dich wenig. | Endlich hat das Semester begonnenam Montag, 29.10.1883. und ich erfreue mich gar sehr an den erhebenden Vorträgen einiger Professoren, die wohl in eine Rhetorenschule passten. – Herr Lieutenant (?)Wedekinds Freund Oskar Schibler, der im Sommer 1883 an der Kantonsschule Solothurn die Maturaprüfung bestanden hatte, dürfte an der Offiziersbildungsschule der Feldartillerie in Zürich teilgenommen haben (8.10. bis 11.12.1883) [vgl. Der Bund, Jg. 34, Nr. 17, 18.1.1883, S. (2)] und wurde nach erfolgreicher Beendigung zum Leutnant ernannt [vgl. Neue Zürcher Zeitung, Jg. 36, Nr. 353, Zweites Blatt, 19.12.1883, S. (3)]. Oscar Schibler wird wohl einige Zeit lang noch nicht kommenOskar Schibler wurde am 14.12.1883 an der Universität Straßburg für Jura immatrikuliert, er wohnte in der Krämergasse 3 [vgl. Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studenten der Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg für das Sommer-Halbjahr 1884, S. 34]. Auch sein älterer Bruder Wilhelm Schibler, der 1881 zum Medizinstudium nach Genf gegangen war, studierte neuerdings in Straßburg. Wie Abälard Durrer war er am 15.11.1883 an der Universität inskribiert worden [vgl. Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studenten der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg für das Winter-Halbjahr 1883/84, S. 34]. koennen, inter arma silent MusaeUnter den Waffen schweigen die Musen.! –

Und Du? Lebst Du noch immer sorgenlos Dein Götterleben? oder bist Du herabgestiegen aus der ambrosiageschwängerten Luftdie mit der der unsterblich machenden Speise der Götter (Ambrosia) angereicherte Luft. und entflohen den Umarmungen und Lockungen der süssen Göttin, die sich so manches Jahr in Götterlaune erhalten? Nun, ich glaube, wandeltst Du auf dieser Erde, die auch zum Olympevermutlich Schreibversehen, statt: Olymp; höchster Berg Griechenlands; in der griechischen Mythologie Sitz der Götter zwischen Himmel und Erde. – Olympe (frz.) weiblicher Vorname, abgeleitet von Olymp. werden kann, sind die ersten Schranken niedergeworfen, ich glaube, dass nur noch eine Kurze Spanne Zeit mich abhält von den goldenen Tagen, in denen W wir zyt vereint der Welt & der MenscheitSchreibversehen, statt: Menschheit. Getriebe bis in’s Innerste erkennen werden! – Bis dahin erhalte uns aufrecht die Hoffnung!

Bitte, schreibe mir nächstens | eine lange Epistel, denn wohl tut es dem Baum Wanderer in der dürren Wüsten wehet zu ihm die himmlische Luft.

Herzlichen Gruss
Dein
Hermann Huber studius


NB. Sei so gefällig, Deinem Briefe eine 25cts25 Centimes (auch: Rappen). Marke beizulegen, da ich einem grossen Haus in der Schweiznicht ermittelt. schreiben werde, & von ihm eine Antwort erbitte. –

Hermann Huber schrieb am 11. November 1883 in Straßburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

[...]

sind heute die Lectüre des gesamten Volkes, ob auch verschämt die Polizei s’ verbietet, was nutzt es? Ist es nicht lächerlich?

Doch Franklin, wozu schreibe ich Dir dies Alles?

Immer sehe ich Dich vor mir, der Du ernsthaft mich anschaust und frägst: „Ist seine Jugend hin? Sind Deine Ideale verflogen? Habe ich mich in Dir getäuscht?“ – Nein, Du hast Dich nicht getäuscht, meine Jugend ist noch lebendig, aber sie soll mir Kraft verleihen zum bevorstehenden Kampfe, denn Stellung werde ich nehmen müssen. Wol ist er ein guter Gott der. Gott der Christen, Gaben verheissen nac für frommes Leben! Aber ach! hin ist das Kind, nicht kann ich mehr glauben, die Welt soll mein Himmel sein, | für die Welt soll mein Geist fruchtbar sein. Damit er es werde, bedarf es der Arbeit, denn auch im Kampfe herrschet über die Massen der Geist, der über die Andern erhaben Und für was soll ich arbeiten? Für jenes Feld, das mir verspricht, dass der Samen keime und zur Frucht z sich entwickele. Dieses Felde ist die practische WissenschaftEthik und Politik; Hermann Huber, der Jura und Volkswirtschaft studierte, dürfte in dem fragmentarisch vorliegenden Brief seinen Freund Wedekind über die Hintergründe seiner Politisierung aufgeklärt haben. Erst wenige Monate zuvor hatte er an einem Drama („Arabi“) geschrieben [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 15.5.1883 sowie Hermann Huber an Wedekind, 31.5.-14.6.1883 und Hermann Huber an Wedekind, 24.6.1883].. – – –

Liebster! Wol ist der Schluss abschreckend, aber sage mir, ist er nicht die logische Folge? Die letzte Consequenz ist gezogen und nun Mensch! wähle! – –

Im Aarauer PenalSchreibversehen, statt: Pennal; höhere Schule, gemeint ist die Kantonsschule Aarau, deren gymnasiale Abschlussklasse Wedekind im Schuljahr 1883/84 besuchte und auf der Hermann Huber im Frühjahr 1883 die Maturaprüfung bestanden hatte. wird es wol noch immer im gleichen Schritt & Tritt vorwärts
gehen |

wenn nur im Frühling ein muntrer Student entbundenAm 10.4.1884 erhielt Wedekind sein Maturazeugnis. wird!

Indessen (Weihn. hoffe ich nach HauseBesenbüren. zu kommen) lebe wol
Dein Freund
Hermann Huber stud. jur.


NB. Gruss an Schibler. LetzhinSchreibversehen, statt: Letzthin; das war der erste Brief, den Hermann Huber in seinem zweiten Studiensemester in Straßburg an den Freund geschrieben hatte [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 31.10.1883]. habe ich vergessen, meine Adresse beizulegen

H. H. stud. in SchiffleutstadenStraße in Straßburg; Hermann Huber wohnte in der Nummer 7 im 3. Stock. 7.III.

Hermann Huber schrieb am 1. Januar 1884 in Besenbüren folgende Visitenkarte
an Frank Wedekind

Hermann Huber,

stud. jur.Hermann Huber, der wenige Tage nach seiner Matura (14.4.1883) an der Kantonsschule Aarau zum Studium nach Straßburg abgereist ist [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 16.4.1883], wurde am 27.4.1883 für Jura immatrikuliert [vgl. Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studenten der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg für das Sommer-Halbjahr 1883. Straßburg 1883, S. 25].


Aargau

Schweiz |


Für Franklin Wedekind ein Neujahrslied an Frl. LorenzEmilie Lorenz (nicht näher identifiziert), über die Wedekind sein Gedicht „An Emilie Lorenz“ (1882/83) schrieb, an dessen erste Strophe Hermann Huber mit seinen Versen auf der Visitenkarte motivisch anknüpft; sie lautet: „Gib mir die Rose von deiner Brust! / Laß Deine Lippen mich küssen, / Und laß uns schwelgen in seliger Lust! – / Es braucht es ja niemand zu wissen!“ [KSA 1/I, S. 73f.] Das Gedicht war in den 1880er Jahren in Wedekinds Freundeskreis bekannt [vgl. KSA 1/I, S. 962]; seine „Entstehungszeit deutet [...] auf einen möglichen Zusammenhang mit einer jungen Frau hin, die Fritz Rauber in einem Brief an Wedekind aus Genf [...] erwähnt und die dort offenbar zeitweise als Kindermädchen [...] angestellt war“ [KSA 1/I, S. 961] – sie ist dort als „einstige Flamme“ Wedekinds erwähnt und „Frl. Emilie“ [Fritz Rauber an Wedekind, 12.9.1883] genannt.


Noch manchen Jüngling werden Deine Reize
Durch ihre Zauberkraft umfangen,
Noch mancher wird im Garne Deiner Reize
Zu Deinen Füssen liebesgram gefangen,
Aufblickend zu Dir HelenaFigur aus der griechischen Mythologie, die gemeinhin als die schönste Frau der Welt gilt., liegen. Geize
Mit Liebe nicht, sonst wirst auch Du gefangen:
Nur Wärme lässt kann zur Ros’ die Knosp’ entfalten,
Den Backfisch„volkstümliche Bezeichnung halbwüchsiger junger Mädchen“ [Meyers Konversations-Lexikon. 5. Aufl. Bd. 2. Leipzig, Wien 1893, S. 305]. lässt nur Lieb’ zur Maid gestalten.


Beste Grüße & Wünsche zum Neujahr 1883Schreibversehen, statt: 1884. Hermann Huber war Neujahr 1883 noch kein Student, erst Neujahr 1884 (siehe oben)..

Dein
Huber.

Hermann Huber schrieb am 3. Januar 1884 in Besenbüren folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Postkarte.
Carte postale. – Cartolina postale.


Herrn Franklin Wedekind
Schloss Lenzburg. |


M. L.

Sonntag Morgenden 6.1.1884. mit dem ersten SüdbahnzugDie Aargauische Südbahn, die die Gotthardbahn mit den Linien der Schweizerischen Centralbahn und der Nordostbahn verband, führte über Bünzen und Wohlen, wo Hermann Huber zusteigen konnte, und Lenzburg, wo sich Wedekind bis zum Ende der Weihnachtsferien aufgehalten haben dürfte, nach Aarau. werde ich nach Strassburg verreisen, von SchiblerGemeint ist der ehemalige Klassenkamerad und Freund Oskar Schibler, der am 14.12.1883 an der Universität Straßburg für Jura immatrikuliert worden war [vgl. Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studenten der Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg für das Sommer-Halbjahr 1884, S. 34]. Auch sein älterer Bruder Wilhelm Schibler studierte in diesem Semester in Straßburg, er war am 15.11.1883 für Medizin immatrikuliert worden [vgl. Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studenten der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg für das Winter-Halbjahr 1883/84, S. 34]. erwarte ich Auskunft, wann er gedenkt sich wieder frisch gestärkt in den Schooss der alma mater Argentinensis(lat.) wörtlich: die nährende Mutter Straßburg; bildungssprachlich: die Universität Straßburg. einzuwiegen gedenkt. Unter Umständen wäre ich geneigt, in OltenVon Aarau führte die Nordostbahn nach Olten, wo Hermann Huber, um mit der Centralbahn nach Basel und weiter in Richtung Straßburg zu reisen, umsteigen musste. mit Dir noch einen ½ Tag fröhlich zu leben. Solltest Du Dich dazu entschliessen koennen, so finde Dich am Sonntag ein, wenn nicht, so rufe ich Dir anmithiermit (Kanzleisprache) – Hermann Huber studierte Jura. ein herzliches Lebewohl; zum neuen Jahr

vivas, crescas, floreas(lat.) Mögest Du leben, wachsen und gedeihen – Redewendung..

Huber.


[Am linken Rand um 90 Grad gedreht:]


Eine Antwort ist nicht erwünscht. –