Briefwechsel

von Frank Wedekind und Otto Erich Hartleben , Otto Erich Hartleben

Frank Wedekind schrieb am 12. März 1887 in Zürich folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Otto Erich Hartleben

[Hinweis in Otto Erich Hartlebens Notizbuch zur Korrespondenz über die geplante Anthologie „Jahrbuch für realistische Dichtung“ (Sächsische Landesbibliothek Dresden, Nachlass Hermann Conradi, Mscr. Dresd., App. 1730, C I):]


Sendung mit GedichtenWedekind schickte die 19 Gedichte („Was ich gethan“, „Heilung“, „Ännchen“, „Coralie“, „Trauer“, „Florinde“, „Seligkeit“, „Enttäuschung“, „Im Walde“, „Maxime“, „Im Traum“, „Albumblätter“, „Aufruf“, „Meinem Freunde in’s Stammbuch“, „Greife wacker...“, „Francisca“, „Warnung“, „Fanny“, „Idyll“) umfassende Sammelhandschrift „Gedichte von Franklin Wedekind“ [vgl. KSA 1/I, S. 773f.], die im Nachlass von Hermann Conradi erhalten ist [vgl. Otto Erich Hartleben an Wedekind, 29.5.1888], „mit Blick auf eine Veröffentlichung in dem von Hermann Conradi und Otto Erich Hartleben geplanten, jedoch unveröffentlicht gebliebenen ‚Jahrbuch für realistische Dichtung‘“ auf „Vermittlung Karl Henckells [...] Mitte März 1887 an Otto Erich Hartleben“ [KSA 1/I, S. 773]. von Franklin Wedekind nebst einer Postkarte [...]

Otto Erich Hartleben schrieb am 29. Mai 1888 in Luckau folgenden Brief
an Frank Wedekind

LuckauOtto Erich Hartleben bereitete sich im Winter 1887/88 in Luckau in der Niederlausitz auf sein erstes juristisches Staatsexamen vor. N. Lausitz 29.5.88.


Sehr geehrter Herr Wedekind.

Ihre GedichteHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben (eine Postkarte) zur Gedichtsendung; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Otto Erich Hartleben, 12.3.1887. – Wedekind hatte seinerzeit auf Vermittlung seines Freundes Karl Henckell ein Konvolut von 19 Gedichten („Was ich gethan“, „Heilung“, „Ännchen“, „Coralie“, „Trauer“, „Florinde“, „Seligkeit“, „Enttäuschung“, „Im Walde“, „Maxime“, „Im Traum“, „Albumblätter“, „Aufruf“, „Meinem Freunde in’s Stammbuch“, „Greife wacker...“, „Francisca“, „Warnung“, „Fanny“, „Idyll“), die Sammelhandschrift „Gedichte von Franklin Wedekind“ [vgl. KSA 1/I, S. 773f.], für die von Hermann Conradi und Otto Erich Hartleben geplante Anthologie „Jahrbuch für realistische Dichtung“ eingesandt, die nicht zustande kam. Das Sammelmanuskript ist im Nachlass von Hermann Conradi überliefert [vgl. KSA 1/I, S. 773], der insofern die Gedichte nicht an Wedekind zurückgeschickt hat. hat Conradi, wenigstens muß er sie haben. Ich habe sie ihm damals, als wir auseinander gingen mit dem Gros des Manuscripts übergeben. Seine AdresseHermann Conradi war im Herbst 1887 von Leipzig nach München (Landwehrstraße 71, 3. Stock rechts) [vgl. Deutscher Litteratur-Kalender auf das Jahr 1889, S. 74] übergesiedelt. finden Sie finden Sie im Literaturkalenderin dem von Joseph Kürschner herausgegebenen Kompendium „Deutscher Literatur-Kalender“ (erschienen in Berlin und Stuttgart im Verlag von W. Spemann), der aktuelle Band: „Deutscher Litteratur-Kalender auf das Jahr 1889“ (11. Jahrgang)..

Eine Sammlung von Ihnennicht realisiert. Wedekind sammelte seine Gedichte erstmals unter dem Titel „Die Jahreszeiten“ in dem Band „Die Fürstin Russalka“ (1897), der auch Prosa und Dramentexte enthält. wird mich sehr interessieren: vielleicht denken Sie meiner, wenn sie fertig ist. Nehmen Sie nur ja keine Sachen auf, welche kein anderes Verdienst haben als – anstößig zu sein. Darüber ärgert man sich nachher dann | ganz scheußlich, denn die „Leute“ sehen dann natürlich nur diese und verkennen alles Gute resp. glauben nicht daran.

So ist es mir mit dem StudententagebuchOtto Erich Hartlebens im Vorjahr im Verlags-Magazin (J. Schabelitz) publizierte erste selbständige Buchveröffentlichung [vgl. Otto Erich: Studenten-Tagebuch. 1885-1886. Zürich 1887], deren überarbeitete und um neue Texte erweiterte 2. Auflage [vgl. Otto Erich: Studenten-Tagebuch. Zweite veränderte und vermehrte Auflage. Zürich (1888)] sein Verleger Jakob Schabelitz in Zürich gerade vorbereitete; sie sollte „binnen kurzem [...] erscheinen“ [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr. 98, 30.4.1888, S. 2170], lag aber erst im Spätsommer 1888 erschienen vor [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr. 216, 17.9.1888, S. 4570]. gegangen. Ich hoffe aber, daß die zweite Auflage desselben, welche Schabelitz z. Z. druckt, mehr innere Berechtigung, ernst genommen zu werden, erweisen wird. Bei der ersten konnt ich es ja schließlich niemanden verdenken, wenn er sich an den darin vorherrschenden radauseligen Bierulk hielt.

Kennen Sie Maria JanitschekOtto Erich Hartleben widmete der von ihm verehrten Dichterin Maria Janitschek, die im Frühjahr 1887 ihre Mitarbeit an dem nicht realisierten „Jahrbuch für realistische Dichtung“ (siehe oben) zugesagt hatte, die zweite Auflage seiner Gedichtsammlung [vgl. Otto Erich: Studenten-Tagebuch. Zweite veränderte und vermehrte Auflage. Zürich (1888)]: „Frau Maria Janitschek.“ So heißt es nach dem Titelblatt, dann folgt (ebenfalls nicht paginiert) ein auf Berlin, 1.9.1888 datierter offener Brief: „Gnädige Frau! Die Pflicht der Dankbarkeit läßt mich Ihnen diese zweite Auflage meines Tagebuchs widmen. Der große symbolische Zug, der durch Ihre kühnen, phantasievollen Dichtungen geht, und die herbe Sinnlichkeit Ihrer prachtvollen Verse haben in gleicher Weise fördernd und leitend auf mich gewirkt. Haben Sie die Güte, wohlwollend zu lächeln, wenn Sie nun hier und da auf Spuren meines Bestrebens stoßen, Ihnen nachzueifern. Herzlichen Gruß! Ihr Erich.“?

Herzlichen Gruß
Ihr
Erich Hartleben.

Otto Erich Hartleben schrieb am 22. Dezember 1892 in Berlin folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Karl Henckell vom 9.1.1893 aus Paris:]


Zu Weihnachten erhielt ich einen sehr hübschen Brief von Erich Hartleben [...]. Er schickte mir zugleich seinen Pierrot Lunee.

Frank Wedekind schrieb am 22. Oktober 1893 in Paris folgenden Brief
an Otto Erich Hartleben

Paris 63, rue de Seine
22.10.93.


Lieber Herr Hartleben,

mit großem Bedauern erhalte ich eben die NachrichtOtto Erich Hartlebens Großvater mütterlicherseits, der Bergschmiedemeister, Fabrikant und Senator Ernst Eduard Angerstein, sein Vormund, bei dem er nach dem Tod seiner Eltern mit seinen fünf Geschwistern aufgewachsen ist, starb am 17.10.1893 in Hannover. Das war der Presse zu entnehmen [vgl. Senator a.D. Angerstein †. In: Hannoverscher Courier, Jg. 40, Nr. 18519, 19.10.1893, Abend-Ausgabe, S. 3], Wedekind könnte die Nachricht aber auch auf anderem Wege erfahren haben. vom Tode Ihres Großvaters. Sie sagten mir in ZürichOtto Erich Hartleben, der vom 6. bis 12.8.1893 am Internationalen Sozialistischen Arbeiterkongress in Zürich teilnahm, mit einer „Journalistenkarte“ [Heitmüller 1912, S. 185], wie er Robert Wendeborn am 9.8.1893 von dort schrieb, traf am 31.7.1893 für mehrere Wochen in Zürich ein, wie er seinem Freund Karl Henckell am 28.7.1893 ankündigte: „Montag-Nachmittag komme ich [...] in Zürich an.“ [Heitmüller 1912, S. 185] Er ist Wedekind dort begegnet [vgl. Otto Erich Hartleben, Franz Blei, Wedekind an Selma Hesse, 28.8.1893] und schrieb dem Verleger Samuel Fischer am 19.8.1893 über diese Begegnungen: „Den meisten Verkehr hab ich mit Frank Wedekind, dem Dichter der Kindertragödie, einem ungewöhnlich interessanten Menschen, der übrigens auch in deinen Verlag gehörte.“ [Heitmüller 1912, S. 188], der alte Herr habe Sie über alles geliebt und so wird sein Hinscheiden Sie wol auch schwerer berühren | als Andere. Ich weiß auch aus eigener ErfahrungAnspielung auf den Tod seines Vaters Friedrich Wilhelm Wedekind, der am 11.10.1888 gestorben war. daß das Eintreffen eines solchen Geschickes, wenn es sich auch seit langem hat voraussehen lassen, wenn man sich vielleicht in Gedanken damit abgefunden, doch für geraume Zeit einen unerwartet tiefen Schmerz verursacht. Sie, die Sie Ihre Eltern so frühe verlorenOtto Erich Hartleben war 12 Jahre alt, als seine Mutter Elwine Hartleben (geb. Angerstein) starb, und 15 Jahre, als sein Vater Hermann Hartleben starb., müssen das doppelt empfinden. | Vielleicht ist Ihnen zu Muthe als müßten Sie nun noch einmal, endgültig, wiewol Sie seit Jahren frei im großen Leben stehen, von Ihrer Kindheit und manchen sonnigen Erinnerungen Abschied nehmen.

Seien Sie bitte meiner aufrichtigsten Theilnahme gewiß. – Mit den herzlichsten Grüßen Ihr
Frank Wedekind.

Frank Wedekind schrieb am 25. Oktober 1893 in Paris folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Otto Erich Hartleben

[Hinweis in Otto Erich Hartlebens Brief an Wedekind vom 25.4.1894 aus Berlin:]


Das Stück, das Sie mir vor einem halben Jahre sandten [...]

Otto Erich Hartleben, Donald (Doda) Wedekind, Elias Tomarkin, Carl Seelig und Selma Hartleben schrieben am 20. Dezember 1893 in Zürich folgende Postkarte
an Frank Wedekind

– Carte postale –
Union postale universelle. – Weltpostverein. – Unione postale universale.
SUISSE. SCHWEIZ. SVIZZERA.


Nur für die Adresse.
Côté réservé à l’adresse.
Lato riservato all’ indirizzo.


Mr. Frank Wedekind

Rue de Seine No 63

Paris |


[Otto Erich Hartleben:]

Wann wirds kommen daß du dich häutest
Und nimmer mit der Sauglocke läutest?
– – – –
– Die Madeln hier können singen,
aber die Madeln könn’s net schwingen
– – – –
Der Thomar, der Donald, das sind ihrer zwei,
aber wann’s dichten solln, fallt ihn’n nix bei.
– – – –

[Donald Wedekind:]

Quand est votre argent au fin?(frz.) Wann ist dein Geld zu Ende?
Quand venez vous à – Berlin?(frz.) Wann kommst du nach – Berlin?
– – – –

[Elias Tomarkin:]

Ich lasse Herrn Hartleben continuiren
Er weiss besser die Verse zu fixiren.
– – – –

Als Schutzformel für Berlin und Gefahren
lerne folgendes unrhytmische Sprüchel:
„Es steht jemand im Mondenlicht ganz allein,
Wer ist es wohl? – Gewiss ein Schornstein“ –

[Otto Erich Hartleben:]

So haben sie sich aufgerafft –
Ein jeglicher nach seiner Kraft!


[am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Heil Ihr Otto Erich.


E. Tomarkin.


Donald.


Schöner Abend heut Abend C. SeeligCarl Seelig in Zürich (Wipkingerstraße 3), Besitzer der Seidenfärberei Seelig & Sohn (Wipkingerstraße 1 und 3) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für 1894, Teil I, S. 371] sowie begeisterter Bergsteiger.


[am rechten Rand um 90 Grad gedreht:]

Heil MoppchenSelma Hesse, die spätere Ehefrau von Otto Erich Hartleben (am 2.12.1893 Heirat in Berlin).

Otto Erich Hartleben schrieb am 2. Januar 1894 in Florenz folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Frank Wedekinds Brief an Donald Wedekind vom 4.1.1894 aus Paris:]


Von Hartleben erhalte ich eben Nachricht aus Florenz.

Frank Wedekind schrieb am 8. Januar 1894 in Paris folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Otto Erich Hartleben

[Hinweis in Wedekinds Tagebuch vom 8.1.1894 in Paris:]


Nach Tisch im Café schreibe ich an Hartleben.

Otto Erich Hartleben schrieb am 25. April 1894 in Berlin
an Frank Wedekind ,

[1. Hinweis und Zitat in Kutscher 1, S. 300f.:]


[...] der Liebestrank [...]. Ein kalter Strahl auf seine Hoffnungen war der Brief des gewiß hilfsbereiten Otto Erich Hartleben vom 25. April 94, in welchem es hieß: „Das Stück, das Sie mir vor einem halben Jahre sandtenHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Otto Erich Hartleben, 25.10.1893. – Wedekind schickte sein Stück „Fritz Schwigerling“ (1892), für das er einen Verleger suchte [vgl. KSA 2, S. 998] – vorerst erfolglos (es erschien unter dem Titel „Der Liebestrank“ erst 1899 im Albert Langen Verlag)., ist leider ganz unverwertbar. Sie würden ihremSchreibversehen (oder Druckfehler), statt: Ihrem. bereits recht schönem Renommee als Dichter der Kindertragödie nur schaden können, wenn Sie damit herausträten.“


[2. Hinweis, Referat und Zitat in Kutscher 1, S. 277f.:]


Hartleben [...] erreichteWedekind, der sich in einer finanziellen Notlage befand (sein väterliches Erbe war weitgehend aufgebraucht), war von Otto Julius Bierbaum an den „in der Berliner Verlags- und Theaterszene einflußreichen Otto Erich Hartleben“ [KSA 2, S. 998] vermittelt worden [vgl. Otto Julius Bierbaum an Wedekind, 18.4.1894]. Keine der in Artur Kutschers Briefreferat aufgezählten Möglichkeiten, die Otto Erich Hartleben ihm eröffnete, hat sich realisiert. Ende April 94, daß der Chefredakteur der Täglichen Rundschau, Dr. Friedrich Lange um monatliche Berichtein der Berliner Tageszeitung „Tägliche Rundschau“ nicht erschienen. über Zuständliches, speziell Deutsches in London bitten ließ, daß Dr. Georg Malkowsky, der Redakteur der illustrierten Halbmonatsschrift Moderne Kunst, eine Serie von Artikelnnicht realisiert; dass der entsprechende Auftrag an Wedekind erging, belegt sein in französischer Sprache verfasster Brief an die Bibliothek des British Museum in London, in welchem er um Zugang zum Lesesaal ersuchte, um Material für eine Abhandlung „sur les différentes espèces de la Danse Anglaise et Française“ [Wedekind an Edward Maunde Thompson, 24.5.1894] zu erheben. über französische und englische Tanzkunst mit Bildern bestellte und überhaupt versprach, alles von Wedekind zu nehmen, daß der in Paris weilende Paul Goldmann einen Brief über die alte Herweghin der „Frankfurter Zeitung“ (Paul Goldmann war zu dieser Zeit deren Korrespondent für Brüssel und Paris) nicht erschienen. für die Frankfurter Zeitung wünschte. Hartleben stellte dem Freunde in Aussicht, daß Bierbaums demnächst erscheinende ZeitschriftDas erste Heft des künstlerisch aufwendig gestalteten „PAN“ (herausgegeben von Otto Julius Bierbaum und Julius Meier-Graefe) kam erst ein Jahr später in Berlin heraus – das Doppelheft April/Mai 1895. Beiträge Wedekinds sind in der Kunst- und Literaturzeitschrift nicht erschienen.Pan“ die angebotenen Beiträge aus Wedekinds Tagebüchernnicht ermittelt. bringen werde. Er versprach, auch noch mit dem Feuilletonredakteur der Vossischen Zeitung, Dr. Paul Schlenther, zu sprechen und schloß seinen Brief mit den Worten: „Was mich betrifft, so bekomme ich leider das Geld, das ich geerbt habevon Otto Erich Hartlebens am 17.10.1893 verstorbenem Großvater Ernst Eduard Angerstein (die geerbte Summe soll 80.000 Mark betragen haben); Wedekind hatte einen Beileidsbrief geschrieben [vgl. Wedekind an Otto Erich Hartleben, 22.10.1893]., ca. 40000 Mark, erst am 1. Januar 95, andrenfalls, wenn ich jetzt nicht selber noch pumpen müßte, würde ich Ihnen gern die Börse oder das Leben zur Verfügung stellen, um Sie in der (!) Karriere, in die Sie nun doch endlich hineinmüssen, in die Karriere des deutschen Schriftstellers hineinzuhelfen. Aber ich hoffe, es wird auch so gehen. Was an mir liegt, wird jetzt geschehen. In Freundschaft Ihr Otto Erich.“

Frank Wedekind schrieb am 1. September 1894 in Paris folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Otto Erich Hartleben

[Hinweis in Wedekinds Brief an Otto Erich Hartleben vom 15.9.1894 aus Paris:]


[...] ich vermuthe daß mein letzter Brief nicht bis zu Ihnen gelangt ist.

Frank Wedekind schrieb am 15. September 1894 in Paris folgenden Brief
an Otto Erich Hartleben

Paris 15.9.94.
45 rue Monsieur le Prince.


Lieber Herr Hartleben,

ich vermuthe daß mein letzter Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Otto Erich Hartleben, 1.9.1894. nicht bis zu Ihnen gelangt se ist. Ich bat Sie dringend darum mir doch die beiden ManuscripteWedekind hatte im Herbst 1893 sein Stück „Fritz Schwigerling“ (unter dem Titel „Der Liebestrank“ 1899 gedruckt) an Otto Erich Hartleben geschickt [vgl. Wedekind an Otto Erich Hartleben, 25.4.1894] und seine Erzählung „Flirt“ im Frühjahr 1894 an den Redakteur der Zeitschrift „Moderne Kunst“ [vgl. Wedekind an Georg Malkowsky, 30.4.1894], der eine Veröffentlichung „aber ablehnte“ [KSA 5/I, S. 622] und es Otto Erich Hartleben übergab, der es erfolglos weiteren Zeitschriften zum Druck angeboten hat [vgl. Kutscher 1, S. 318]; beide Manuskripte lagen insofern bei Otto Erich Hartleben.Schwiegerling“ und „Flirt“ hierherschicken zu wollen. Ich adressire diese Zeilen an S. Fischeran Otto Erich Hartlebens Verleger Samuel Fischer oder an dessen Verlag – der S. Fischer Verlag (Inhaber: S. Fischer) in Berlin (Köthener Straße 44) [vgl. Berliner Adreßbuch für das Jahr 1894, Teil I, S. 311], der allerdings umzog oder bereits umgezogen war (Steglitzerstraße 49) [vgl. Berliner Adreßbuch für das Jahr 1895, Teil I, S. 305]., da ich mich frage, ob Sie vielleicht Ihre WohnungOtto Erich Hartleben hatte in Berlin nach wie vor dieselbe Wohnung (Karlstraße 32, 3. Stock) [vgl. Berliner Adreßbuch für das Jahr 1894, Teil I, S. 474; Berliner Adreßbuch für das Jahr 1895, Teil I, S. 565]. geändert haben. Für Schwiegerling | kann ich hier eventuell Verwendung finden. Ich habe die denkbar günstigste Gelegenheitnicht ermittelt.. Darf ich Ihnen also meine Bitte noch einmal dringend wiederholen. KainachSchreibversehen, statt: Khaynach (gemeint ist Friedrich von Khaynach). wird wie ich durch meinen Brudervgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 8.8.1894. höre in den nächsten Wochen hier eintreffen. Dr Goldmann habe ich noch nicht wieder gesehen. Seien Sie also bitte so liebenswürdig und | gewähren Sie mir meine Bitte. Sonst geht die Gelegenheit vorüber und ich habe das Nachsehen.

Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin meine herzlichsten Grüße.
Ihr
Frank Wedekind.

Otto Erich Hartleben schrieb am 13. November 1896 in Berlin folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind ,

[Hinweis in Wedekinds Brief an Otto Erich Hartleben vom 14.11.1896 aus München:]


[...] tausend Dank für die frohe Botschaft.

Frank Wedekind schrieb am 14. November 1896 in München folgenden Brief
an Otto Erich Hartleben

München, 14.11.96. – Türkenstraße 69.


Lieber Otto Erich,

tausend Dank für die frohe Botschaftnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Otto Erich Hartleben an Wedekind, 13.11.1896. Die Dramatische Gesellschaft in Berlin – 1. Vorsitzender: Ludwig Fulda, 2. Vorsitzender: Bruno Wille, 1. Schriftführer: Otto Ploecker-Eckardt, 2. Schriftführer: Jon Lehmann, Schatzmeister: Richard Grelling, Beisitzer: Otto Neumann-Hofer, Emil Lessing, Otto Erich Hartleben [vgl. Neuer Theater-Almanach 1897, S. 281] – dürfte auf ihrer Sitzung vom 11.11.1896 [vgl. Tb Hartleben] mit Blick auf eine mögliche Aufführung beschlossen haben, Wedekind zur Einsendung mehrerer Exemplare seiner Tragödie „Der Erdgeist“ (1895) zur Begutachtung durch die Dramatische Gesellschaft aufzufordern.. Die Exemplareder Erstausgabe von Wedekinds Tragödie „Der Erdgeist“ (1895), erschienen im Albert Langen Verlag (Paris und Leipzig) und auf dem Titelblatt als „Bühnenmanuscript“ [KSA 3/II, S. 858] ausgewiesen. sind sofort abgegangen. Es mag Ihnen vielleicht nicht ungelegen kommen, wenn ich Ihnen ein Exemplarein mit handschriftlichen Einträgen versehenes Regiebuch des „Erdgeist“ auf der Grundlage der Erstausgabe, das nicht überliefert ist. schickeHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Otto Erich Hartleben, 17.11.1896. Otto Erich Hartleben hat sein als Regiebuch (siehe oben) ausgezeichnetes „Erdgeist“-Exemplar dann Jon Lehmann geliehen, dem er am 5.12.1896 (einem Samstag) schrieb: „Bitte bringen Sie mir [...] Erdgeist [...] Montagabend wieder mit.“ [Heitmüller 1912, S. 235], mit den Strichen (besonders im 1. Akt) die ich meinerseits heute für nöthig erachte, ohne der Ansicht der Regie vorgreifen zu wollen, sowie mit Bemerkungen im Text, die ich seinerzeit anzu|bringen für überflüssig hielt und deren Fehlen das Verständniß stellenweise unnöthig erschwert. Ich hoffe das Exemplar Ihnen in den nächsten drei Tagen schicken zu können.

Indessen mit herzlichem Gruß und mit der Bitte, mich Ihrer geehrten Frau und Gemahlin aufs beste zu empfehlen

Ihr
Frank Wedekind.

Frank Wedekind schrieb am 17. November 1896 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Otto Erich Hartleben , Otto Erich Hartleben

[Hinweis in Wedekinds Brief an Otto Erich Hartleben vom 14.11.1896 aus München:]


Ich hoffe das Exemplar Ihnen in den nächsten drei Tagen schicken zu können.

Frank Wedekind schrieb am 29. Dezember 1896 in Berlin folgenden Brief
an Otto Erich Hartleben , Otto Erich Hartleben , Otto Erich Hartleben

| Ich werde Sie morgen Nachmittag aufsuchen und bitte Sie nur darum, auch für den Fall, daß Sie nicht auf mein Ansinnen eingehen können, mir darum nicht mit Unfreundlichkeit begegnen zu wollen.

Mit herzlichem Gruß
Ihr
Frank Wedekind.


29.12.96.


[Hinweis und Zitat in Moirandat Company AG: Auktion 12 (2015), Nr. 494:]


WEDEKIND, Frank […]. 29.XII.1896. […] Inhaltreicher Brief an einen FreundOtto Erich Hartleben, wie aus dem Briefinhalt hervorgeht., den er […] um ein Darlehen angeht. Mit der Erwähnung vieler seiner Stücke.

„… Ich war gestern Abendam 28.12.1896. Wedekind hatte den Verleger Theodor Entsch aufgesucht, Inhaber des Bühnenverlags A. Entsch (Jägerstraße 20) [vgl. Adreßbuch für Berlin 1897, Teil I, S. 258]. bei Entsch der mir ohne weitere Auseinandersetzungen für die nächsten zwei oder drei Monate je eine Summe von 150 Mk. bewilligte. Die erste Rate steht mir am 3 Januar zur Verfügung. Gegenüber dem liebenswürdigen Entgegenkommen, wagte ich es nicht darauf zu dringen, das Geld sofort in Empfang nehmen zu können. Nun bin ich aber für die nächsten Tage vollkommen entblößt, vor allem sogar von Wäsche, so daß es mir unmöglich wird, einen Besuch zu machen. Um arbeiten zu können muß ich notwendig die HotelwohnungWedekind logierte im Linden-Hotel (Kleine Kirchgasse 2-3, Ecke Unter den Linden) [vgl. Adreßbuch für Berlin 1897, Teil IV, S. 106], wie Korrespondenz im zeitlichen Umkreis belegt. aufgeben und ein Zimmer nehmen, da es mir nicht möglich wird, wie ich gehofft habe, im Café zu arbeiten. Ich habe eine Reihe politischer Artikel im Kopf die ich am Berliner Tageblatt anzubringen hoffe. Ich bin bis heute nicht ausgezogen, da ich tatsächlich nie das Geld hatte, um meine Hotelrechnung begleichen zu können. Darf ich Sie nun vielleicht um die Summe von 60 Mk. Bitten, von denen ich Ihnen die Hälfte am 3. Januar sofort zurückerstatten würde, die andere Hälfte am 1 Februar …

Meine Angelegenheiten gehen im übrigen nicht schlecht. Den ErdgeistWedekind bemühte sich seit 1895 [vgl. KSA 3/II, S. 1202, 1212] um eine Aufführung seiner Tragödie „Der Erdgeist“ (sie kam dann erst am 25.2.1898 in Leipzig zustande) und hatte Exemplare der Erstausgabe noch von München aus an den Vorstand der Dramatischen Gesellschaft [vgl. Wedekind an Otto Erich Hartleben, 14.11.1896] sowie ein Regiebuch an Otto Erich Hartleben in Berlin (Karlstraße 32) [vgl. Adreßbuch für Berlin 1897, Teil I, S. 435] geschickt [vgl. Wedekind an Otto Erich Hartleben, 17.11.1896]. Otto Erich Hartleben, der sich für eine „Erdgeist“-Aufführung einsetzte, hatte sein „Erdgeist“-Exemplar Jon Lehmann geliehen, dem er am 5.12.1896 (einem Samstag) schrieb: „Mit dem Erdgeist schein ich kein Glück zu haben, auch Fulda schrieb abfällig. Nun, wir werden sehn. [...] Also: Montagabend. Bitte bringen Sie mir [...] Erdgeist [...] Montagabend wieder mit.“ [Heitmüller 1912, S. 234f.] hat die ReisenhoferMarie Reisenhofer, Schauspielerin am Residenztheater und Neuen Theater (Direktion: Sigmund Lautenburg) in Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1897, S. 266], die später bei der Uraufführung des „Marquis von Keith“ am 11.10.1901 am Residenztheater die Gräfin Werdenfels spielte und Otto Julius Bierbaum in seiner Besprechung anmerkte: „Wedekinds Stil wird von den Schauspielern nicht richtig verstanden (nur die Reisenhofer traf instinktmässig das Richtige“ [Die Insel, Jg. 3, Nr. 1, Oktober 1901, S. 169].“ – die Schauspielerin Maria Reisenhofer – „‚umgearbeitet‘ und wie mir BlockHier ist andernorts die Handschrift so wiedergegeben worden: „mir Petry sowol wie Block“ [J. A. Stargardt: Katalog 704 (2017), Nr. 255]. Eine Person namens Petry kann nicht identifiziert werden; möglicherweise eine Fehllesung des Namens einer Person im Umkreis von Sigmund Lautenburg, vielleicht der Schauspieler Hans Pagay. Paul Block war seinerzeit Dramaturg und Sekretär am Residenztheater und Neuen Theater (Direktion: Sigmund Lautenburg) in Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1897, S. 265]. versichern, mit einer begeisterten Fürsprache Lauterburg eingereichtSigmund Lautenburg, Direktor des Residenztheaters und zugleich des Neuen Theaters in Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1897, S. 265f.], hatte offenbar von Marie Reisenhofer (siehe oben) ein von ihr für eine Aufführung bearbeitetes „Erdgeist“-Exemplar erhalten.. Die Junge Welt holte ich vorgesternam 27.12.1896 (Sonntag). Wedekind, der sich um eine Aufführung seines Lustspiels „Die junge Welt“ bemühte, hatte es Ludwig Fulda, wie Otto Erich Hartleben im Vorstand der Dramatischen Gesellschaft (siehe oben), drei Tage zuvor zur Ansicht geschickt [vgl. Wedekind an Ludwig Fulda, 24.12.1896]. von Fulda zurück um sie Ihnen zu bringen. Im LindencaféWedekind dürfte Sigmund Lautenburg in dem Café getroffen haben, das zum Linden-Hotel (siehe unten) gehörte, vielleicht aber auch in einem der anderen in der Nähe gelegenen Cafés, etwa im Café Bauer (Unter den Linden 26) [vgl. Adreßbuch für Berlin 1897, Teil I, S. 170; Teil IV, S. 46], das Wedekind gelegentlich aufsuchte [vgl. Wedekind an John Henry Mackay, 6.2.1895], eines der Berliner Kaffeehäuser, das die „ganze Nacht geöffnet“ [Berlin Potsdam und Umgebungen. Praktischer Wegweiser mit neuen Karten und Plänen. 37. Aufl. Berlin 1891, S. 44] hatte. traf ich aber Lauterburg, der mich bat ihm das Stück auf zwei Tagedie zwei Tage vom 27.12.1896 (siehe oben) bis zum 29.12.1896, dem Schreibdatum des vorliegenden Briefes. zu überlassen, da er verreise und das immer gerade die Zeit sein, wo er Stücke lese.

… Im Monat Januar werden sich mir auch wieder andere Quellen in München aufthun, für den Fall daß ich Geld nöthig habe. Darf ich Sie bitten, alles das in Betracht zu ziehen zu wollen. Ich habe jetzt noch ein drittes Stück ‚Fritz Schwiegerlin‘ von München kommen lassen, das ich am Thalia Theater einreichenWedekind war nach wie vor darum bemüht, seinen bereits am 11.7.1892 [vgl. Tb] vollendeten, aber noch ungedruckten Schwank „Der Liebestrank“ (1899), der zunächst „den Titel ‚Fritz Schwigerling‘ trug“ [KSA 2, S. 1004], auf die Bühne zu bringen [vgl. KSA 2, S. 1072]; ob er ihn in einer Abschrift des Manuskripts am Berliner Thalia-Theater (Direktion: Wilhelm Hasemann) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1897, S. 269] einreichte, ist nicht belegt. werde. Das Stück ist ein anspruchloser Schwank, völlig unliterarisch, das mir aber doch vielleicht, etwas abwerfen könnte.

Den ‚Greisen FreierDie Erzählung „Der greise Freier“ [KSA 5/I, S. 219-231] ist im Sommer in drei Folgen in der von Albert Langen verlegten Wochenschrift „Simplicissimus“ erschienen [vgl. Frank Wedekind: Der greise Freier. In: Simplicissimus, Jg. 1, Nr. 15, 11.7.1896, S. 6; Nr. 16, 18.7.1896, S. 6; Nr. 17, 25.7.1896, S. 6] und Wedekind dürfte die drei Belegexemplare bald darauf erhalten haben. habe ich vor langemHier ist andernorts die Handschrift so wiedergegeben worden: „vor Langem“ [J. A. Stargardt: Katalog 704 (2017), Nr. 255]; wahrscheinlich irrtümliche Lesung (sie ergibt im vorliegenden Kontext keinen Sinn), statt: von Langen (dem Verleger Albert Langen). erhalten aber noch keinen ‚Hänseken„Der Hänseken. Ein Kinderepos“ (1896) ist Anfang des Monats im Albert Langen Verlag in München erschienen [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr. 284, 7.12.1896, S. 8347] – rechtzeitig zu Weihnachten und in der Presse als mögliches Weihnachtsgeschenk beworben: „Ein Kinderepos von Frank Wedekind. Illustrirt von Armin Wedekind. (Verlag von Albert Langen, München.) ‚Der Hänseken‘ entstand vor 20 Jahren, als zwei Knaben ihrer kleinen Schwester zu Weihnachten ein ganz besonders schönes Geschenk machen wollten. Der eine dichtete, der andere zeichnete, und so entstand dies Buch, das damals seinen Zweck vollkommen erreichte, indem das kleine Mädchen ihre helle Freude daran hatte und tagelang daraus declamirte. Das Buch ist in der That dazu geschaffen, einem Kinde Freude zu machen. [...] Wir können es nur Jedem empfehlen, der zu Weihnachten seinen Kindern etwas Anderes und Besseres geben möchte als die gewöhnliche Fabrikwaare von geschmacklosen Bilderbüchern.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 575, 8.12.1896, Morgen-Ausgabe, S. 10; vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 15, Nr. 631a, 12.12.1896, Parlaments-Ausgabe, S. (3)] Es handle sich um „ein harmlos-nettes Kinderbuch [...]. Die beiden Brüder haben dies [...] ‚Epos‘ [...] ihrer kleinen Schwester zu Weihnachten gewidmet. Der Beifall, den sie damals bei der Empfängerin ernteten, wird dem in farbenreichem Bilderschmuck prangenden hübsch kartonirten Werkchen auch von Kindern unserer Tage [...] gern und reichlich gespendet werden.“ [Weihnachts-Bücherschau. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 49, Nr. 590, 19.12.1896, Vorabendblatt, S. 6]. Ich werde Sie morgen Nachmittag aufsuchen und bitte Sie nur darum, auch für den Fall, daß Sie nicht auf mein Ansinnen eingehen können, mir darum nicht mit Unfreundlichkeit begegnen zu wollen…“.

Frank Wedekind schrieb am 11. Januar 1897 in Berlin folgenden Brief
an Otto Erich Hartleben

Lieber Herr Hartleben,

daß ich Ihnen die Junge Welt noch nicht gebrachtein Exemplar seiner Komödie „Die junge Welt“ (1897), die Ludwig Fulda, dem 1. Vorsitzenden der Dramatischen Gesellschaft in Berlin (Otto Erich Hartleben gehörte im Vorstand zu den Beisitzern) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1897, S. 281], bereits vorlag (ein nicht überliefertes Manuskript). Wedekind stand „in Verhandlungen mit Ludwig Fulda und Otto Erich Hartleben vom Vorstand der Berliner Dramatischen Gesellschaft, die das Stück am Berliner Residenztheater auf die Bühne bringen wollten.“ [KSA 2, S. 631] ist nicht sosehr meine Schuld wie es aussieht. Seit vier Tagenseit dem 7.1.1897. warte ich auf einen günstigen Moment so auszusehen, äußerlich um zu Lautenburg gehenSigmund Lautenburg, Direktor des Residenztheaters und zugleich des Neuen Theaters in Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1897, S. 265f.], sollte Wedekinds Komödie „Die junge Welt“ veranstaltet von der Dramatischen Gesellschaft im Residenztheater uraufführen. Wedekind hat ihn am 13.1.1897 aufgesucht und dort Otto Erich Hartleben getroffen, wie dieser notierte: „bei Lautenburg wegen Contract mit der Dramatischen Gesellschaft. Dort Wedekind getroffen.“ [Tb Hartleben] Der Vertrag wurde am 15.1.1897 geschlossen, wie Otto Erich Hartleben festhielt: „Abschluß des Contracts mit Lautenburg“ [Tb Hartleben]. „Die junge Welt“ sollte am 15.2.1897 im Berliner Residenztheater uraufgeführt werden [vgl. Wedekind an Hans Richard Weinhöppel, 17.1.1897], was aber nicht zustande kam [vgl. KSA 2, S. 631]. zu können. Ich bitte Sie dadurch nicht verstimmt zu werden. Bedenken Sie meine unsichere Lage und ein sehr starkes Taedium vitae(lat.) Lebensekel, Lebensüberdruss. an dem ich früher nie gelitten, das sich aber naturgemäß daraus ergiebt.

Vielleicht sehe ich Sie morgen Abend nach der SitzungOtto Erich Hartleben notierte am 12.1.1897: „Vorstands-Sitzung der Dramatischen Gesellschaft. Bei den Sammetbrüdern und bei Stallmann.“ [Tb Hartleben] Ob er Wedekind nach der Vorstandssitzung in einem der beiden genannten Weinlokale getroffen hat, ist nicht ermittelt..

Mit herzlichem Gruß Ihr
Frank Wedekind.

Frank Wedekind schrieb am 18. Januar 1897 in Berlin folgenden Brief
an Otto Erich Hartleben

Lieber Otto Erich,

heute Abend sprach ich bei IhnenWedekind traf Otto Erich Hartleben in dessen Wohnung in Berlin (Karlstraße 32, 3. Stock) [vgl. Adreßbuch für Berlin 1897, Teil I, S. 435] nicht an, da dieser den Abend des 18.1.1897 mit Vorstandssitzungen der Freien Literarischen Gesellschaft und der Deutschen Schriftsteller-Genossenschaft verbrachte und erst morgens „halb fünf Uhr“ [Tb Hartleben] nach Hause kam. vor, um Ihnen für den glänzenden herrlichen und amüsanten Protest zu dankenOtto Erich Hartleben veröffentlichte einen Bericht (siehe unten) über einen von der Freien Literarischen Gesellschaft zu Berlin veranstalteten Leseabend Wedekinds am 4.1.1897, in dem er gegen die „sittliche Entrüstung“ [Tb Hartleben] in Publikumsreaktionen protestierte; der Abend war angekündigt: „Autoren-Abend nennt die Freie Literarische Gesellschaft ihre nächste Veranstaltung im Festsaal des Kaiserhofes am Montag, den 4. Januar, Abends 8 Uhr. Dem Titel entsprechend ist dieser Vortragsabend dazu bestimmt, zwei jüngeren Schriftstellern Gelegenheit zu geben, engere Fühlung mit dem Berliner Publikum zu gewinnen. Zunächst wird Ernst Hardt und dann Frank Wedekind je drei kleinere neue Arbeiten vorlesen.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 26, Nr. 3, 3.1.1897, S. (3)], den Sie im Magazin erhobenOtto Erich Hartleben, der Vorsitzende der Freien Literarischen Gesellschaft, berichtete in der Zeitschrift „Das Magazin für Litteratur“ (herausgegeben von Otto Neumann-Hofer, seinerzeit das Vereinsorgan der Freien Literarischen Gesellschaft zu Berlin) über den Leseabend vom 4.1.1897 (siehe oben), bei dem Wedekind die drei Erzählungen „Der greise Freier“ [KSA 5/I, S. 219-231], „Der Brand von Egliswyl“ [KSA 5/I, S. 172-181] und „Rabbi Esra“ [KSA 5/I, S. 214-218] vorgetragen hatte: „Die Leiter der freien litterarischen Gesellschaft haben keine Rücksichten auf das vorhandene Publikum zu nehmen. [...] Frank Wedekind. Dieser durch und durch originelle Künstler ließ kein Wort seiner drei Erzählungen unter den Tisch fallen und zwang die zum Teil heftig widerstrebenden Zuhörer fast gegen ihren Willen in seinen Bann. [...] Es war Pflicht der freien litterarischen Gesellschaft, das heißt ihrer Leiter, diesen Dichter, dessen markante Individualität noch so gut wie unbekannt ist, den Mitgliedern vorzustellen. In dem gesamten Schaffen Frank Wedekinds steht das sexuelle Problem im Vordergrunde: es ist ihm das Problem, das Thema schlechthin. [...] in den drei Arbeiten, die er [...] vortrug, war es alleinherrschend. [...] Als im ‚greisen Freier‘ der Ausdruck ‚ein anständiges Mädchen‘ fiel, erhob sich ein noch in den besten Jahren stehendes Ehepaar und verließ mit jenen knarrenden Stiefeln, wie sie die sittliche Entrüstung den Menschen verleiht, den Saal. Am Schluß des ‚greisen Freiers‘ und mehr noch nach der Beendigung des Eglyswyler Brandes verließen ganze Scharen von Damen und solchen, die es werden wollen, das Lokal. Doch – so schmerzlich auch das Gefühl ist, ein zartes Gemüt verletzt zu haben – die freie litterarische Gesellschaft darf auf die männermordende Prüderie keine Rücksicht nehmen, wenn sie ihre ernste Aufgabe erfüllen will.“ [Otto Erich Hartleben: Freie Litterarische Gesellschaft zu Berlin. In: Das Magazin für Litteratur, Jg. 66, Nr. 2, 14.1.1897, Sp. 59-60]. Zugleich hoffte ich Ihr Urtheil über meine Junge Weltbezüglich der geplanten Uraufführung von Wedekinds Komödie „Die junge Welt“ durch die Dramatische Gesellschaft im Berliner Residenztheater (siehe unten), die nicht zustande kam [vgl. KSA 2, S. 631]. zu hören. Wenn sich das Stück Ihrer Billigung erfreut, wenn es Ihnen nicht zu unmodern erscheint, so | möchte es in Anbetracht der kurzen Zeit und der Menge Rollen gut sein, die Rollen bald ausschreiben zu lassen. Wenn Sie es wünschen nehme ich mich selber der Beschleunigung seiner/s/ Rundganges bei den Mitgliedern des Vorstandes der D. G. an. Zu meiner außerordentlichen Freude habe ich ersehen, daß Ihre Verhandlungen mit LautenburgWedekind traf Otto Erich Hartleben am 13.1.1897 bei Sigmund Lautenburg, Direktor des Residenztheaters [vgl. Neuer Theater-Almanach 1897, S. 265], wo „Die junge Welt“ durch die Dramatische Gesellschaft uraufgeführt werden sollte: „bei Lautenburg wegen Contract mit der Dramatischen Gesellschaft. Dort Wedekind getroffen.“ [Tb Hartleben] Der Vertrag wurde am 15.1.1897 geschlossen, wie Otto Erich Hartleben festhielt: „Abschluß des Contracts mit Lautenburg“ [Tb Hartleben]; die Uraufführung war für den 15.2.1897 festgesetzt worden (siehe unten). zu einem definitiven Resultatder Vertragsabschluss der Dramatischen Gesellschaft mit dem Berliner Residenztheater (Direktion: Sigmund Lautenburg) vom 15.1.1897 (siehe oben) über die auf den 15.2.1897 festgesetzte Uraufführung von „Die junge Welt“ [vgl. Wedekind an Hans Richard Weinhöppel, 17.1.1897], die dann allerdings nicht stattfand, wobei die genauen Gründe dafür unklar sind. Otto Erich Hartleben notierte am 6.2.1897: „Krach mit Wedekind“ [Tb Hartleben]. Kurz darauf meldete die Presse: „Die Dramatische Gesellschaft wird [...] ihre dritte Aufführung bereits am nächsten Sonntag, den 14. d. M., Mittags 12 Uhr, im Neuen Theater veranstalten. Zur Darstellung gelangt ‚Agnete‘, ein Drama in drei Akten von der dänischen Dichterin Amalie Skram, das Otto Erich Hartleben mit Therese Krüger für die deutsche Bühne bearbeitet hat.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 26, Nr. 70, 8.2.1897, Abend-Ausgabe, S. (3)] Wedekind reagierte auf die von der Dramatischen Gesellschaft anstelle seines Stücks am 14.2.1897 im Neuen Theater (Direktion: Sigmund Lautenburg) veranstaltete Aufführung mit dem spöttischen Gedicht „Die Dramatische Gesellschaft“ [vgl. KSA 1/II, S. 1307-1310], in dem er Otto Erich Hartleben direkt ansprach: „Welche Stoffe, Otto Erich, / Kriegt man doch durch dich zu sehn!“ [KSA 1/I, S. 381] geführt haben. Wenn | Sie mir nichts weiter mittheilen, werde ich Freitagden 22.1.1897. auf jeden Fall in die Versenkungnicht ermittelt; vermutlich ein Verein oder eine Stammtischrunde, vielleicht auch ein Lokal. kommen. Oder würden Sie es nicht vielleicht vorziehen, wieder einmal zu den Zwanglosenzu dem jeweils freitags (siehe oben) stattfindenden Treffen der Zwanglosen Gesellschaft, eine „auf Statuten und ähnliche Vereinsverbindlichkeiten“ verzichtende „gesellige Wochenkneipgesellschaft, die sich wöchentlich zu einem ‚Zwanglosen Freitag‘ in unterschiedlichen Lokalen versammelte.“ [Wülfing/Bruns/Parr 1998, S. 500] Otto Erich Hartleben war Mitglied [vgl. Wülfing/Bruns/Parr 1998, S. 502] zu gehen.

Mit herzlichem Gruß
Ihr
Frank Wedekind.


Jägerstr. 63.A. III.Wedekind wohnte in Untermiete bei dem Hotel-Kommissionär [vgl. Adreßbuch für Berlin 1897, Teil III, S. 241] Sebastian Stromer in Berlin (Jägerstraße 63a, 3. Stock) [vgl. Adreßbuch für Berlin 1897, Teil I, S. 1293].

18.1.97.

Otto Erich Hartleben, Max Bernstein und Thomas Theodor Heine schrieben am 24. Oktober 1899 in München
an Frank Wedekind

[1. Hinweis in Wedekinds Brief an Hans Richard Weinhöppel vom 2.11.1899 von der Festung Königstein:]


[...] so erhielt ich vor acht Tagen eine Carte aus der American Bar, mitten darauf [...] Otto Erich Hartleben, darüber Heine, darunter Dr. Bernstein, dann noch einige langweilige Zöpfe und Zubehör.


[2. Hinweis und Zitat in Wedekinds Brief an Beate Heine vom 2.11.1899 von der Festung Königstein:]


Hartleben schrieb mir am Abend seines Durchfalls am Hoftheater eine Carte: „Auch ich starb fürs Vaterland.“