Kennung: 5776

Zürich, 6. Januar 1888 (Freitag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Schwarz, Gertrud Bertha

Inhalt

Zürich 6.I 88.


Sehr geehrtes FräuleinAdressatin des Briefs ist wahrscheinlich Gertrud Schwarz, aus deren Nachlass der Brief stammt. Anrede und Tonfall des Briefes entsprechen auch Wedekinds Korrespondenz mit Sophie Haemmerli-Marti [vgl. Wedekind an Sophie Haemmerli-Marti, 23.1.1888], die mit Gertrud Schwarz befreundet war [vgl. Anna Kelterborn-Haemmerli: Sophie Haemmerli-Marti. Ein Bild Ihrer Jugend. 1. Teil. In: Lenzburger Neujahrsblätter, Jg. 21 (1950), S. 44].,

wiewol mir der Zufall die Gelegenheit unterbreitete, Ihnen mündlich einige Dankesworte zu stammeln, so kann ich damit doch das complicirte Gewebe unserer gegenseitigen Verbindlichkeiten noch absolut mit/nicht/ as/l/s abgeschlossen betrachten. Was unsere vorjährigen Philippikenkämpferische Reden, Streitreden. anbelangt, so wiederhol ich Ihnen, daß ich ohne Ihre positive Versicherung | daß Sie sich mit Ihrer Auffassung im Recht befinden, noch durchaus nicht davon überzeugt wäre. Denn erst nachdem ich mir den Sachverhalt genau in’s Gedächtniß zurückzurufen versucht, kam ich vergangenen Winter zu dem Resultat, daß ich der Schuldige sei, wonach ich dann mit bescheidenen Kräften aber nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln bemüht war. Nachdem es Ihnen nun aber gefallen, das Blatt so entschieden umzuwenden, muß ich freilich die Waffen strecken. Ich capitulire, ich stehe ab von meinem bisherigen | Protest, aber ich versichere Sie hoch und theuer, hauptsächlich in/a/uf Grund der leidigen aber unumstößlichen Thatsache, daß die Damen immer Recht habenzeitgenössisch verbreitete Redewendung..

Und nun gar einen Papierkorb! Einen Papierkorb von Ihrer Hand, von Ihrer eigenen herrlich-feinen Kunst, von Ihrem eigenen Fleiß, die schönste Zierde meiner kleinen traulichen Studierbude. Für allerhand werthlose Schnitzel, für fremde bedeutungslose Papiere ist er entschieden zu reizend, entschieden zu kunstvoll; und für meine eigenen Papiere –– ja, nun verstehe ich Sie. Sie schaufeln mit spielender Hand ein anmuthiges, schimmernd-|weißes Grab, damit meine elende lebensmühde Muse endlich weiß, wo sie hingehört und nicht mehr so gemeingefährlich, vagabundenartig in der Welt herumzuirren braucht. – O, daß die Damen doch immer Recht haben!

Empfangen Sie nun zum Schluß noch einmal meinen Dank, den Dank des Arztes, der ihr den Rest gegeben hat, des Geliebten, der sie unglücklich gemacht und des Pfarrers, der die Leichenrede hält, in einer Person – Sie schelmisch-muthwillige, kleine Todtengräberin! – Grüßen Sie Ihre eigene lebensfrohe, frische, fröhliche Muse von der dahingeschiedenen Schwester und seien Sie selber tausend Mal gegrüßt von Ihrem ganz ergebenen

Fr. Wedekind.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13 x 20 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Als Empfangsort wird der Wohnort von Gertrud Schwarz angenommen.

  • Schreibort

    Zürich
    6. Januar 1888 (Freitag)
    Sicher

  • Absendeort

    Zürich
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Aargauer Kantonsbibliothek

Aargauerplatz
5001 Aarau
Schweiz

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Wedekind-Archiv
Signatur des Dokuments:
Wedekind Archiv B, Mappe 5, Slg. Gertrud Schwarz
Standort:
Aargauer Kantonsbibliothek (Aarau)

Danksagung

Wir danken der Aargauer Kantonsbibliothek für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Gertrud Bertha Schwarz, 6.1.1888. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (14.03.2025).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

29.01.2025 15:08