Kennung: 5270

München, 6. März 1909 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie

Inhalt

M/L/iebe Mama!

Tilly holte die SendungHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zu der Sendung; erschlossenes Korrespondenzstück: Emilie Wedekinds an Frank und Tilly Wedekind, 4.3.1909. vom Zollamtdas Hauptzollamt München I (Bayerstraße 28) „mit Zollabfertigungsstelle für Poststücke Augustinerstock Ettstraße […] Zollabfertigungsstelle Bayerstr. für Lokal- und Unterwegspoststücke.“ [Adressbuch für München und Umgebung 1909, Teil III, S. 110] ab und ich beeile mich Dir mitzuteilen, daß ich mich DeinerSchreibversehen, statt: Deinem., Armins und Matis Entschluß anschließe, darin bestehend, daß wir die Erbschaftvermutlich Erbschaftsangelegenheiten in der Folge von Donald Wedekinds Freitod am 5.6.1908 [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 240]. nicht antreten, uns aber aus dem Verzeichnis diejenigen Gläubiger aussuchen, die wir befriedigen.

Das InventarDie Emilie Wedekinds Schreiben (s. o.) beigelegte Inventarliste, vermutlich zum Nachlass Donald Wedekinds, ist nicht überliefert. werde ich morgen an Mieze weiterschicken. |

Was wir diesen Winter erlebt haben wirst Du von Tilly erfahrenDie Korrespondenz zwischen Tilly Wedekind und Emilie Wedekind ist nicht überliefert. haben. Aus unserer Schweizer TourneeGeplant war u. a. ein Gastspiel in Bern [vgl. Stadttheater Bern an Wedekind, 5.2.1909]. Am 6.2.1909 notierte Wedekind im Tagebuch: „Bern hat abgesagt.“ Ende Mai kam aber ein Wedekind-Zyklus am Pfauentheater in Zürich (Direktion: Alfred Reucker) zustande mit „So ist das Leben“ (19.5. und 25.5.), „Frühlings Erwachen“ (27.5.) und „Erdgeist“ (21.5.), eine Vorstellung, die auch Wedekinds Mutter besuchte: „Meine Mutter ist da“ [Tb]. ist nichts geworden, da die Leute im letzten Augenblick wieder Angst vor mir bekamen. Dagegen haben wir sonst alle Hände voll zu thun. Wenn Mati nach Dresden gehtAm 15.4.1909 feierte Erika Wedekind in Dresden ihren Abschied von der Bühne, eine Veranstaltung zu der sowohl Frank und Tilly als auch Emilie (Mati) Wedekind anreisten [vgl. Tb]. Ein Besuch der Schwester in München auf ihrer Rückreise fand nicht statt. dann besucht sie uns vielleicht auf der Rückreise. Es ist dann um vieles schöner in München als jetzt. Sie wird ihre alten BekanntenEmilie (Mati) Wedekind hatte sich vom 29.3. bis 9.5.1904 in München aufgehalten und dort auch ihren Bruder besucht. wiederfinden und dazu Max Halbe mit dem ich jetzt wieder | in gutem Einvernehmen lebe. Im Lauf des Sommers kommst Du liebe Mama vielleicht auch auf einige Zeit zu unsEin Besuch Emilie Wedekinds in München ist nicht belegt.. München ist jetzt im Sommer die belebteste Stadt Deutschlands, das geistige Zentrum.

Ich bin sehr froh daß wir wieder hier sindWedekind war mit seiner Familie im Oktober 1908 von Berlin nach München übergesiedelt. . Tilly und ich studieren sehr fleißig und hören nebenbei sehr viel Musik, hauptsächlich BethovenSchreibversehen, statt: Beethoven. Am 5.1.1909 besuchte Wedekind das „Weingartnerkonzert“ [Tb], das 5. Konzert des Münchener Tonkünstler-Orchesters unter Leitung von Felix Weingartner im Königlichen Odeon (Beginn: 19.30 Uhr), bei dem u. a. Beethovens Ouvertüre zu „Egmont“ gespielt wurde [vgl. Münchner Neuesten Nachrichten, Jg. 62, Nr. 4, 4.1.1909, General-Anzeiger, S. 2] und am 5.3.1909 hörte er das „Weingartnerkonzert“ mit der „Symphonia Eroica“ [Tb], Beethovens 3. Symphonie, mit dem Münchener Tonkünstler-Orchester unter Leitung von Hofoperndirektor Felix Weingartner im Königlichen Odeon (Beginn: 19.30 Uhr) [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 62, Nr. 107, 5.3.1909, General-Anzeiger, S. 2].. Für einige Wochen bin ich jetzt wieder mit einer Arbeitder Einakter „Der Stein der Weisen.“ Am 21.2.1909 notierte Wedekind im Tagebuch: „Mir fällt ein Scenenstoff ein“ und am 24.2.1909: „Mir fällt der Plan zu Stein der Weisen ein.“ Anschließend beginnt er mit der Arbeit an dem Stück: „An Stein der Weisen gearbeitet.“ (26.2.) „An Stein der Weisen gearbeitet“ (27.2.). „Stein der Weisen gearbeitet.“ (28.2.) „St. d. Weisen gearbeitet. 2. Scene fertig“ (1.3.). „Im Hofbräuhaus und Torggelstube und Orlando gearbeitet“ (3.3.). „Im Hofbrauhauskeller Stein d. W. gearbeitet.“ (4.3.) „Stein der Weisen gearbeitet.“ (5.3.) „Schreibe dritte Scene fertig. Beginne die 4.“ (6.3.) Sechs Wochen später ist das Stück fertig: „Im Pschorr und Torggelstube schreibe ich den Stein der Weisen fertig.“ [Tb 20.4.1909] festgelegt, die Tilly und ich sobald sie fertig ist aufführen werden. Die KostümeZur Figur der Geistererscheinung Lamia in „Der Stein der Weisen“ heißt es in den Regieanweisungen: „ein junges Mädchen, in kurzem Kleid, das die Arme frei läßt, und großem Federhut“ [KSA 6, S. 256] Zu ihrer Rolle gehört das Laufen auf einer Kugel: „LAMIA (wirft den Globus um, steigt darauf und wandelt auf der Himmelskugel durchs Gemach)“ [KSA 6, S. 261] Am 26.4.1909 notierte Wedekind im Tagebuch: „Tilly geht zum ersten Mal im Kostüm auf der Kugel.“ Später trainiert Tilly Wedekind „Spakat“ (11., 13., 14. und 20.3.1910) und Wedekind arbeitete einen „Spakattanz“ (30.3.1910) aus; am 11.3.1910 notierte er: „Abends Probe von Lamiascene im Balletkostüm.“ hat Tilly | schon dazu. Ich schreibe das Stück eigentlich auf Ihre Kostüme.

Nun leb wohl, liebe Mama. Laß es Dir recht gut gehen. Ich hoffe, daß wir uns recht bald wiedersehen.

Mit den herzlichsten Grüßen von Tilly und mir
Dein treuer Sohn
Frank.


München 6.3.9.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14 x 22 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Auf Seite 1 ist die Passage von „und Matis Entschluß“ bis „befriedigen“ mit rotem Buntstift unterstrichen.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Als Empfangsort wird der Wohnort Emilie Wedekinds angenommen.

  • Schreibort

    München
    6. März 1909 (Samstag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefwechsel mit den Eltern 1868‒1915. Band 1: Briefe

(Band 1)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2021
Seitenangabe:
360-361
Briefnummer:
189
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Konvolut Burkhardt, Nidderau
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 6.3.1909. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

30.04.2024 09:45