[Hinweis in: Berliner
Tageblatt, Jg. 39, Nr. 519, 12.10.1910, Abend-Ausgabe, S. (2):]
Wir erhalten die folgende Zuschrift:
[Abgedruckte
Beilage:]
Es gilt heute nicht, eine neue Bewegung durchzusetzen, denn es ist gar keine da. Wir glauben nicht, daß wir irgend einer Richtung zum Siege verhelfen müssen. Das war vielleicht vor 20 Jahren nötig, obwohl bereits damals bei Eröffnung der Freien Bühne Otto Brahm klug und prophetisch sein Pronnuntiamentorecte: Pronunciamiento (span.) = ein Putsch. schloß. „Dem Naturalismus FreundZitat aus dem letzten Absatz der programmatischen Einleitung, mit der Otto Brahm, seinerzeit Herausgeber der Zeitschrift „Freie Bühne“ (gegründet, um dem am 28.8.1889 in Berlin gegründeten Verein Freie Bühne publizistisch Nachdruck zu verleihen und dem Naturalismus zum Durchbruch zu verhelfen), das erste Heft eröffnete: „Dem Naturalismus Freund, wollen wir eine gute Strecke Weges mit ihm schreiten, allein es soll uns nicht erstaunen, wenn im Verlauf der Wanderschaft, an einem Punkt, den wir heute noch nicht überschauen, die Straße plötzlich sich biegt und überraschende neue Blicke in Kunst und Leben sich aufthun.“ [Zum Beginn. In: Freie Bühne für modernes Leben, Jg. 1, Heft 1, 29.1.1890, S. 2] Wie die Zeitschrift „Freie Bühne“ 1890 zum Verein Freie Bühne stand, so sollten nun der 1910 gegründete Verein Pan mit der ebenfalls neugegründeten Zeitschrift „Pan“ (herausgegeben von Paul Cassirer und Wilhelm Herzog) zusammenwirken., wollen wir eine gute Strecke Weges mit ihm schreiten. Allein es soll uns nicht erstaunen, wenn im Verlaufe der Wanderschaft in einem Punkt, den wir heute noch nicht überschauen, die Straße sich plötzlich biegt und überraschende neue Blicke in Kunst und Leben sich auftuen.“
Die Straße hat sich gebogen, und wir haben in neue Welten geblickt. Aber weder die naturalistischen, noch die neuromantischen, noch die neoklassischen Dichter stellen eine der Pflege bedürftige Bewegung dar. Sie werden von allen Theatern angenommen und mit Erfolg gespielt.
Dagegen gibt es heute bei uns und im Auslande Dichter, deren Stücke nicht oder nur selten gespielt werden, vielleicht weil sie sich nicht ohne weiteres den bekannten Richtungen zuzählen lassen. Sie scheinen uns als Wegweiser zu neuen Zielen der dramatischen Literatur der Aufmerksamkeit wert, und wir gründenPaul Cassirer und Wilhelm Herzog sowie die Mitunterzeichner (darunter Wedekind). Der Verein war ein „von Cassirer finanziertes Projekt: die PAN-Gesellschaft und parallel dazu die Zeitschrift PAN“ [Müller-Feyen 1996, S. 26], federführend war aber wohl Wilhelm Herzog (seinerzeit Lektor im Paul Cassirer Verlag): „auf meine Anregung hin“ entstand „die ‚Pan-Gesellschaft‘, die sich die Aufgabe stellte, wertvolle Dramen lebender Autoren, die von den offiziellen Theatern abgelehnt worden waren, [...] vor einem geschlossenen Kreis eingeladener Gäste zur Aufführung zu bringen.“ [Herzog 1959, S. 207] die Gesellschaft „Pan“, um ihre Werke auf die Bühne zu bringen. Im Einklang mit den der Dekoration immer mehr zueilenden bildenden Künsten hat sich auch auf der Bühne hier und da ein dekorativer Stil entwickelt. Wir verdanken dieser Bewegung zu viel reizende Bilder, als daß wir ihr gram sein möchten, können uns aber nicht verhehlen daß sie zuweilen dahin drängt, das dichterische Problem zu äußerlich anzufassen, der Kulisse eine zu große Bedeutung zuzuweisen und das Schauspiel zu einer dekorativen Geste zu verwandeln. Wir möchten versuchen, die geistigen Elemente der szenischen Darstellung mehr in den Vordergrund zu rücken.
Wir wollen ferner Werke bereits anerkannter Dichter, gegen die sich die allgemeine Meinung sträubt, oder die von der Zensur verboten wurden, einem Kreise Intellektueller vorführen, um so althergebrachte Urteile umzustoßen.
Hervorragende Künstler haben der Gesellschaft bereits ihre Mitwirkung zugesagt. Wir erwähnen: Alfred Abel, Viktor Arnold, Rosa Bertens, Tilla Durieux, Ilka Grüning, Lucie Höflich, Marie Meyer, Alexander Moissi, Paul Wegener, Erich Ziegel.
Herr Direktor Barnowsky, der dem Unternehmen das regste Interesse entgegenbringt, hat der Gesellschaft für sämtliche Aufführungen sein „Kleines Theater“ zur Verfügung gestellt. Als erste VorstellungNicht Wedekinds drei Einakter, sondern drei Einakter von Heinrich Mann wurden bei der ersten Vorstellung des Vereins Pan am 21.11.1910 im Kleinen Theater gespielt (unter dem Gesamttitel „Die Bösen“ die Einakter „Der Tyrann“, „Die Unschuldige“ und „Varieté“); den ersten Vortragsabend der Gesellschaft Pan am 10.11.1910 in Berlin bestritt allerdings Wedekind: „Vortrag von Aufklärungen Totentanz“ [Tb]. werden Anfang November Frank Wedekinds Einakter („In allen Wassern gewaschen“ – „Mit allen Hunden gehetzt“ – „In allen Sätteln gerecht“) in Szene gehen.
Anmeldungen zur Mitgliedschaft nimmt der Verlag von Paul Cassirer, Viktoriastraße 5, und das Bureau des Kleinen Theaters, Unter den Linden 44 entgegen.
Paul Cassirer, Wilhelm Herzog, Heinrich Mann, Thomas Mann, Julius Meier-Graefe, Rudolf Alexander Schröder, Frank Wedekind, Karl Walser, Robert Walser.
[Erweiterte Beilage in:
Das freie Volk, Jg. 1, Nr. 42, 15.10.1910, Beilage, S. (5):]
Es gilt heute nicht eine neue
Bewegung durchzusetzen, denn es ist gar keine da. Wir glauben nicht, daß wir
irgend einer Richtung zum Siege verhelfen müssen. Das war vielleicht vor 20
Jahren nötig, obwohl bereits damals bei Eröffnung der Freien
Bühne Otto
Brahm klug und prophetisch sein Pronunciamento
schloß. „Dem Naturalismus Freund, wollen wir eine
gute Strecke Weges mit ihm schreiten. Allein es soll uns nicht erstaunen, wenn
im Verlaufe der Wanderschaft in einem Punkt, den wir heute noch nicht
überschauen, die Straße sich plötzlich biegt und überraschende neue Blicke in
Kunst und Leben sich auftun.“
Die Straße hat sich gebogen, und
wir haben in neue Welten geblickt. Aber weder die naturalistischen, noch die
neuromantischen, noch die neoklassischen Dichter stellen eine der Pflege
bedürftige Bewegung dar. Sie werden von allen Theatern angenommen und mit
Erfolg gespielt.
Dagegen gibt es heute bei uns und
im Auslande Dichter, deren Stücke nicht oder nur selten gespielt werden,
vielleicht weil sie sich nicht ohne weiteres den bekannten Richtungen zuzählen
lassen. Sie scheinen uns als Wegweiser zu neuen Zielen der dramatischen
Literatur der Aufmerksamkeit wert, und die Gesellschaft „Pan“,
um ihre Werke auf die Bühne zu bringen. Im Einklang mit den der Dekoration
immer mehr zueilenden bildenden Künsten hat sich auch auf der Bühne hier und da
ein dekorativer Stil entwickelt. Wir verdanken dieser Bewegung zu viel reizende
Bilder, als daß wir ihr gram sein möchten, können uns aber nicht verhehlen, daß
sie zuweilen dahindrängt, das dichterische Problem zu äußerlich anzufassen, der
Kulisse eine zu große Bedeutung zuzuweisen und das Schauspiel zu einer
dekorativen Geste zu verwandeln. Wir möchten versuchen, die geistigen Elemente
der szenischen Darstellung mehr in den Vordergrund zu rücken.
Wir wollen ferner Werke bereits
anerkannter Dichter, gegen die sich die allgemeine Meinung sträubt, oder die
von der Zensur verboten wurden, einem Kreise Intellektueller vorführen, um so
althergebrachte Urteile umzustoßen.
Mit unserem Unternehmen denken wir
keinen Streich gegen die Theaterdirektoren zu führen, die ernstlich um die
Literatur bemüht sind. Wir wollen ihnen im Gegenteil helfen, denn wir wissen
allzu gut, daß es ihnen unmöglich ist, aus wirtschaftlichen und aus tausend
anderen Gründen, sich nur großen Aufgaben zu widmen. Wir wissen, daß sie heute
auf der Jagd nach dem Zugstück nicht Halt machen können, und daß ihnen für
künstlerische Experimente weniger die Lust als die Zeit und – wie sie glauben –
das Geld der Aktionäre fehlt. Sie können ihre ganze Kraft nicht immer wieder
auf Werke konzentrieren, deren Erfolg unerprobt und unsicher ist. Sie brauchen
– aus tausend Gründen – den Kassenerfolg.
Wir sind weit davon entfernt,
diesen mehr von den Verhältnissen geschobenen als selbst führenden
Theaterleitern Vorwürfe zu machen. Wir wollen ihnen vielmehr eine vielleicht
willkommene Ergänzung bieten, wir wollen ihnen durch unsere Aufführungen
helfen, zu erkennen, ob es gute Stücke gibt. Es wird ihnen freistehen, sie zu
erwerben, wenn sie sich Erfolg versprechen.
Neben den Theaterdirektoren wollen
wir die Zensur in ihrer schweren Arbeit unterstützen. Ihr erscheint oft ein
Werk als unsittlich, das der heute geltenden Moral widerspricht, und sie hat
die Macht, seine Aufführung zu verhindern. Wir bieten ihr durch unsere
Vorstellungen die Gelegenheit, sich zu überzeugen, daß das Werk eines
Künstlers, der mit Recht den Namen eines Dichters führt, nie unsittlich wirken
kann, da das vermeintliche Unsittliche stets durch die schöpferische und gestaltende
Kraft des Dichters aufgelöst wird.
Hervorragende Künstler haben bereits
der Gesellschaft ihre Mitwirkung zugesagt. Wir erwähnen: Alfred
Abel,
Victor
Arnold,
Rosa
Bertens,
Tilla
Durieux,
Ilka
Grüning,
Lucie
Höflich,
Marie
Meyer,
Alexander
Moissi,
Paul
Wegener,
Erich
Ziegel.
Herr Direktor Barnowsky,
der dem Unternehmen das regste Interesse entgegenbringt, hat der Gesellschaft
für sämtliche Aufführungen sein „Kleines
Theater“ zur Verfügung gestellt. Als werden
Anfang November Frank Wedekinds
Einakter („In
allen Wassern gewaschen“ – „Mit
allen Hunden gehetzt“ – „In
allen Sätteln gerecht“) in Szene gehen.
Anmeldungen zur Mitgliedschaft
nimmt der Verlag
von Paul Cassirer,
Viktoriastraße 5, und das Bureau des „Kleinen Theaters“, Unter den Linden 44
entgegen.
Paul
Cassirer, Wilhelm
Herzog, Heinrich
Mann, Thomas
Mann, Julius
Meier-Graefe,
Rudolf
Alexander Schröder, Frank
Wedekind, Karl
Walser,
Robert
Walser.
Im Anschluß an die
Gründung der Gesellschaft „Pan“ wird Anfang November eine Zeitschrift unter dem
gleichen Titel erscheinen, als deren Herausgeber Wilhelm Herzog und Paul
Cassirer zeichnen.