Kennung: 5104

Frankfurt am Main, 7. Mai 1883 (Montag), Postkarte

Autor*in

  • Wedekind, Friedrich Wilhelm

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

WELTPOSTVEREIN. (UNION POSTALE UNIVERSELLE.)
POSTKARTE AUS DEUTSCHLAND.
(ALLEMAGNE.)


An Herrn
Franklin Wedekind
Schloss Lenzburg
Schweiz. |


Frkfrter Hof, Frankfrt 7/5 83
Abends


L. B.

Gestern Reise prächtig, Sommerwetter. Um 6 Uhr hier, eine halbe Stunde darauf in der Operim Opernhaus in Frankfurt am Main (heute: Alte Oper); Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“ (op. 77) wurde am Sonntag, den 6.5.1883, unter der Leitung des Dirigenten Felix Otto von Dessoff aufgeführt.: „Freischütz“. Agathe himmlischDie Sopranistin Marie Schröder-Hanfstängl, die 1882/83 am Frankfurter Opernhaus gastierte, sang am 23.12.1882 erstmals die Agathe und erhielt größtes Lob der Presse: „Die Sonnabend-Vorstellung von Weber’s ‚Freischütz‘ bot durch die Neubesetzung der Rolle der Agathe, die zum ersten Mal von Frau Schröder-Hanfstängl gesungen wurde, ein ganz besonderes Interesse. Wir haben diese, gerade wegen ihrer Einfachheit so überaus schwierige Parthie noch selten in gleicher Vollendung gehört. Frau Hanfstängl beherrscht ihr schönes Organ mit so ausgezeichneter Meisterschaft, daß sie den Ton in allen dynamischen Abstufungen mit gleicher Sicherheit und Korrektheit zu bringen vermag. Daß Mezza voce in dem ‚Leise, leise, fromme Weise‘ war von entzückender Schönheit und nach dieser Arie, wie nach der zweiten (‚Und ob die Wolke sie verhülle‘) erntete die Künstlerin stürmischen Beifall.“ [Frankfurter Zeitung und Handelsblatt, Jg. 27, Nr. 359, Morgenblatt, 25.12.1882, S. 2]. Aennchen reizendDas Ännchen sang die Sopranistin Ernestine Epstein, über deren gelungenes Zusammenspiel mit Marie Schröder-Hanfstängl es im Presseartikel heißt: „Neben dieser trefflichen Agathe stand Frl. Epstein als ein ebenso vortreffliches Aennchen. Es war wirklich ein Genuß, diese beiden prächtigen Stimmen im Wettstreit nebeneinander erklingen zu hören. Wir sind überzeugt, es dürfte sich kaum ein anderes Theater in Deutschland finden, welches für diese beiden Hauptparthien zwei so ausgezeichnete Vertreterinnen aufweisen könnte.“ [Frankfurter Zeitung und Handelsblatt, Jg. 27, Nr. 359, Morgenblatt, 25.12.1882, S. 2], vorletztes MalAm 12.5.1883 gab Ernestine Epstein ihre Abschiedsvorstellung [vgl. Frankfurter Zeitung und Handelsblatt, Jg. 27, Nr. 359, Morgenblatt, 25.12.1882, S. 2], glücklich, übermorgen HochzeitFriedrich Wilhelm Wedekind dürfte etwas mißverstanden haben, denn geheiratet wurde erst am 1.7.1883. Der Bankier Theodor Epstein aus der Leerbachstraße Nr. 13 in Frankfurt ehelichte die Schauspielerin Ernestine Epstein, bei der im Heiratsregister „ohne Gewerbe“ vermerkt wurde [Heiratsregister Bornheim 1849-1930 Bl. 316, Nr. 666]., Bankier von hier, reich. Chor und Orchester ausgezeichnet. Max gutFriedrich Wilhelm Wedekind dürfte in der Rolle des Max den Tenor Albert Stritt gehört haben, der 2 Jahre zuvor im „Freischütz“ ein erfolgreiches Frankfurter Debüt feierte [vgl. Frankfurter Zeitung und Handelsblatt, Jg. 25, Nr. 60. Abendblatt, 1.3.1881, S. 2]., Caspar scheuslichSchreibversehen, statt: scheußlich. Den – entsprechend der Rolle – ‚scheußlichen‘ Kaspar wird der Bass Joseph Niering verkörpert haben. Er war berühmt für diese Rolle und seit 1878 Ensemble-Mitglied an der Frankfurter Oper [vgl. Großes Sängerlexikon, Bd. 5, S. 3355].; Wolfsschlucht grausigdie gespenstisch unheimliche 4. Szene im II. Akt der Oper, die nach früherer Kritik seit Weihnachten 1882 neu arrangiert worden war: „Die Wolfsschlucht präsentirte sich am Sonnabend gleichfalls in neuem Gewande. Prospekte und Maschinen waren nicht gespart, ‚das kleine Himmelslicht‘ schien sehr natürlich auf den bösen Kaspar herunter [...] an Wasser, Feuer, Felsenwänden, an Thier und Vögeln fehlt es nicht.“ [Frankfurter Zeitung und Handelsblatt, Jg. 27, Nr. 359, Morgenblatt, 25.12.1882, S. 2], Luft voller Ungethüme, Höllenlärm, ganze Bühne ein Flammenmeer. Heute früh 8 Uhr auf BühneBesichtigung von Bühne und Technik des 1880 fertiggestellten Frankfurter Opernhauses., Maschinerie angesehen. Prachtvoller Bau, Inneres CarmoisinAzorubin, ein roter Farbstoff. und Gold, Foyer strotzend von vergoldeter Stuckatur und Statuen. Um 10 Uhr Geschäfte, morgen vielleicht beendet. Heute Nachmittag Palmengartender 1871 eröffnete botanische Garten Frankfurts mit Restaurationsbetrieb, Sportanlagen und täglich stattfindenden Konzerten. und „Schlacht bei SedanKrieg (1870/71). Als Sedantag war das Ereignis im Deutschen Kaiserreich (1871-1918) offizieller Gedenk- und Feiertag., großes Panoramaein 1800 Quadratmeter großes Rundgemälde – 122 Meter lang, 15 Meter breit –, das die Schlacht bei Sedan (1. bis 2.9.1870) „historisch-treu“ darstellte und zum 10-jährigen Jubiläum des Sedantags (2.9.1880) in einem eigens geschaffenen Rundbau im Palmengarten eröffnet worden war: „Vor einigen Tagen hat Prof. Louis Braun von München in Verbindung mit Archtiekturmaler Frosch und Landschaftsmaler Biberstein das große Rundgemälde der Schlacht bei Sedan beendet. Es werden jetzt in dem neuen, am Palmengarten zu Frankfurt a. M. gelegenen Panoramagebäude noch die letzten Handwerkerarbeiten ausgeführt, damit des Unternehmers, Herrn Diemont von Arnheim, Absicht, am zehnjährigen Jahrestage der Schlacht den Schauplatz zu eröffnen, erreicht werde. Inzwischen kann der leitende Künstler die letzte Hand anlegen, um die zur Vollendung der optischen Täuschung dienende Ausstattung des Podiums mit natürlichen Sträuchern, mit Rasen, Kies und Erdreich zu beenden.“ [Mnemosyne. Beiblatt zur Neuen Würzburger Zeitung mit Würzburger Anzeiger, Jg. 1880, Nr. 103, 26.8.1880, S. 412] Das Panoramabild wurde zu einem weiteren tausende Besucher anziehenden Publikumsmagneten des Frankfurter botanischen Gartens und begründete Louis Brauns und seiner Mitarbeiter Ruhm als Panoramamaler: „Das Sedan-Panorama in Frankfurt am Main [...] ist von Professor Louis Braun, München, in Verbindung mit dem Architekturmaler Frosch und Landschaftsmaler Biberbach [!] mit künstlerischem Geschmack gemalt worden und nimmt unter den derartigen Kunstwerken Deutschlands vielleicht den ersten Rang ein.“ [Die Gartenlaube, Jg. 29, 1881, Heft 36, S. 600], ein Pantheon, Glasdach, sonst massiv, rother Sandstein, Franzosen im Thalkessel zusammengetrieben, Artillerieschlacht, mittendrin, unverletzt. –


[Um 180 Grad gedreht zwischen Anrede und Brieftext platziert:]

Gruß an alle, und besonders MatiKosename für die siebenjährige Emilie Wedekind, die jüngste Schwester Frank Wedekinds..

E. E. ing. l. Papa

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 1 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent. Adresse in lateinischer Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 14 x 9 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Die Postkarte ist mit einer aufgedruckten Briefmarke von 10 Pfennig frankiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Uhrzeit im Postausgangsstempel: „7 – 8 N.“ (= 19 bis 20 Uhr). Zwischenstempel: „AMBULANT“ (= Bahnpost), „No 7“ (Bahnlinie), „3“ (Zugnummer). Uhrzeit im Posteingangsstempel: „IX“ (= 9 Uhr).

Erstdruck

Briefwechsel mit den Eltern 1868‒1915. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2021
Seitenangabe:
18
Briefnummer:
7
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 312
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Friedrich Wilhelm Wedekind an Frank Wedekind, 7.5.1883. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Anke Lindemann

Zuletzt aktualisiert

12.04.2024 10:44