München 10.XI 90.
Liebe Mama,
es ist mir leider durchaus unmöglich eben jetzt nach Hause
zu kommen. Im übrigen hatt ich mir vorgenommen, sobald ich hier fertig wäre,
den Verkauf der
SammlungenAuskunft über die von Friedrich Wilhelm Wedekind zusammengetragenen und hinterlassenen Gegenstände gibt der in Lenzburg ohne Jahresangabe erschienene „Gesammt-Katalog der Kunst- und Antiquitäten-Sammlungen von Dr. Fr. Wedekind auf Schloss Lenzburg (Ct. Aargau, Schweiz)“, klassifiziert nach I. Gemälde, II. Miniaturen, Glasbilder und Medaillons, III. Kupferstiche, Handzeichnungen, Aquarelle etc., IV. Elfenbein-, Holz- und Steinschnitzereien, V. Pfahlbauten- und römische Funde, Sonstige Antiquitäten auf insgesamt 15 Druckseiten. Hinzu kam die Bibliothek und eine Münzsammlung. Mit der gesamten Inventarisierung der auf Schloss Lenzburg vorhandenen Gegenstände begann die Mutter im Januar 1891., wenn es euch anders recht wäre, zu besorgen. Ich bin hier im
Altertumsvereinder Alterthums-Verein München, 1864 gegründet, Vorstand Conrad Knoll (Promenadestr. 12) [vgl. Adressbuch für München 1890, Teil III, S. 50]. eingeführt | wo Professoren und Antiquare zusammen kommen, so
daß eine gewisse Garantie geboten wäre, daß man die Sachen preiswürdig los wird. Im übrigen sehe
ich gar nicht ein, weshalb die Sache so fürchterlich eilt. Die Antiquitäten
verderben nicht und an einem Platz wie hier giebt es Jahr aus Jahr ein Käufer
die Menge. So arm sind wir doch wol noch nicht, daß wir die Sammlungen um jeden
Preis abzuschieben genöthigSchreibversehen, statt: genöthigt. wären. | Sind sie dir im Wege, so lassen sie sich
in drei vier Kisten mit Bequemlichkeit unterbringen. Es bliebe ja sowieso noch
die Münzsammlung und die Kupferstichsammlung übrig, die dem/u/ dem guten
Manneinem potentiellen Käufer. Am 2.9.1890 notierte Wedekind im Tagebuch: „Am 13. August kam Donald von Lenzburg mit einer Anzahl Neuigkeiten. Die Antiquitäten gehen für frs 8000 an einen Herrn Weber aus New York, einen Bekannten von Emma Frey über. Er soll nichts davon verstehen und ein großer Bramarbas sein.“ Kurz darauf trat der Interessent jedoch vom Kauf zurück [vgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 19.9.1890]. Ein neuer Käufer fand sich offenbar nicht. Am 4.11.1891 veranstaltete Emilie Wedekind eine öffentliche Auktion auf Schloss Lenzburg, allerdings ohne Erfolg [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 149]. doch hoffentlich nicht mit en. bloc. zu geben gedenkst. Es ist mir in der
That nicht plausibel weshalb alles was uns zu Hause noch an Papa erinnert, so über Hals und Kopf
verkümmer/l/t(ugs.) zu Geld gemacht. werden soll. Als ich dich nach Papas Tod darum | bat die WirthschaftspläneEmilie Wedekind plante nach dem Tod ihres Mannes auf Schloss Lenzburg Zimmer an Pensionsgäste zu vermieten und dafür Umbauten vorzunehmen.
aufzugeben, riefst du mit Emphase aus, du möchtest lieber begraben sein, als
dem Mann einen einzigen Heller verdankenSchreibversehen, statt: Heller zu verdanken. (was du ja selbstverständlich nicht
mehr weißt) – und nun sollen schon die Sammlungen daran glauben.
Übrigens wirst du ja doch beschließen was dir gefällt wie
seinerzeit über den Schanzenabbruch1889 hatte die Gemeinde Lenzburg den Schlossfelsen untersucht und verlangte Sicherungsarbeiten, was zum Streit zwischen Emilie Wedekind und der Stadt Lenzburg führte [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 149]. Wedekind hatte von der Absicht, das Befestigungswerk auf Schloss Lenzburg abzureißen, von seiner Schwester erfahren [vgl. Emilie (Mati) Wedekind an Frank Wedekind, 11.8.1889]. Im Tagebuch hielt er dazu am 15.8.1889 fest: „Vormittag erhalt ich einen Brief von Mati der mich in Schrecken setzt durch die Nachricht, die Schanze solle abgebrochen werden.“ Der Regierungsrat des Kantons Aarau, mit dem Streit konfrontiert, ordnete am 10.9.1890 an, der Gemeinderat Lenzburg habe „für sofortige Ausführung der nöthigen Abbruch- u. Befestigungsbauten Sorge zu tragen“ [Schlossverkauf Lenzburg. Akte B. N.1, Stadtarchiv Lenzburg]. Die geschätzten Kosten dafür beliefen sich auf bis zu 40.000 Franken. (was du natürlich auch nicht mehr weißt) und so sehe ich nicht ein was
weitere Worte für einen Zweck haben.
Mit besten grüßenSchreibversehen, statt: Grüßen. dein treuer Sohn
Franklin.