Kennung: 4958

Dresden, 23. August 1897 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie

Inhalt

Dresden, Walpurgisstraße 14 IIFrank Wedekind wohnte in Dresden in einer von der Zimmerwirtin Emilie Schubert vermieteten Wohnung (Walpurgisstraße 14, 2. Stock) [vgl. Adreßbuch für Dresden 1898, Teil II, S. 475].. – 23.8.97.


Liebe Mama,

ich hätte dir auf deinen lieben freundlichen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 16.8.1897. früher geantwortet, wenn ich die letzten Tage nicht noch durch meinen UmzugWedekind zog am 17.8.1897 (Dienstag) von Berlin nach Dresden um (siehe unten). beschäftigt gewesen wäre. Ich bin nämlich schon seit Dienstagder 17.8.1897. hier. Ich mußte notwendig von Berlin fort und danke Gott, daß ich dazu noch rechtzeitig eine Gelegenheit gefunden habe. Ich mußte fort da sonst wieder ein heilloser Skandalein drohender Skandal. Wedekind hatte in Berlin ein Liebesverhältnis mit Julia Rickelt (geb. Woelfle) begonnen (siehe seine Korrespondenz mit ihr), der Gattin des mit ihm befreundeten Gustav Rickelt, Schauspieler und Regisseur am Berliner Residenztheater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1898, S. 285], mit dem sie seit dem 21.5.1891 verheiratet war [vgl. Wer ist’s? 1911, S. 1177]. entstanden | wäre. Ich bin dem Skandal nicht aus dem Wege gegangen, sondern der wird dadurch daß ich nicht mehr dort bin überhaupt nicht ausbrechen. Ich kann dir die Dinge nicht schriftlich auseinandersetzen. Ich Glaube bitte nicht, daß ich hier auf Miezes KostenDie erfolgreiche Hofopernsängerin Erika Wedekind in Dresden (Struvestraße 34) [vgl. Adreßbuch für Dresden 1898, Teil I, S. 618] verfügte über beträchtliche Einnahmen. leben will. Sie hat mir für meine ersten Einrichtung allerdings etwas Geld gegeben aber im Übrigen werde ich hier mit meinem Verdienst auskommen können was ich in Berlin mit dem besten Willen nicht konnte; und was mir die Hauptsache ist, ich werde meine | Garderobe wieder einiger maßen in Ordnung bringen, denn augenblicklich habe ich so gut wie gar nichts.

Ich denke nicht länger als zwei Monate hier zu bleiben. Für den Winter gehe ich wenn irgend möglich wieder nach BerlinWedekind ging zum Winter dann nicht nach Berlin, sondern nach Leipzig, wo er an Carl Heines Ibsen-Theater engagiert wurde und längere Zeit blieb.. Es würde mir eine große Freude sein, dich vor meiner Abreise noch zu sehen. An Mati werde ich nächster Tage die Photographienicht ermittelt. zurückschicken, vielleicht schreibt mir Mati einmal, wenn sie nicht auch zu denen gehört, die der Ansicht sind, ich sei nicht mehr werth, daß man sich mit mir beschäftige.

Mieze ist sehr lieb und freundlich, | IchSchreibversehen, statt: freundlich. Ich. habe sie als Neddadie weibliche Hauptrolle in Ruggero Leoncavallos Oper „Der Bajazzo“ („Pagliacci“; 1892). Die Aufführung an der Dresdner Hofoper, die Wedekind besuchte, war am 19.8.1897 [vgl. Dresdner Nachrichten, Jg. 42, Nr. 229, 19.8.1897, S. (6)]. und als Frau Flutheine der weiblichen Hauptrollen in der komisch-phantastischen Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“ (1848) von Otto Nicolai. Erika Wedekind hat diese Rolle bereits als Musikschülerin am 28.3.1893 bei einer Prüfungsaufführung am Königlichen Konservatorium in Dresden gesungen: „Der Opernabend, welchen das Institut gestern als zehnte Prüfungs-Aufführung [...] veranstaltete [...], bot den Hörern zum Teil [...] Produktionen verschiedener Opernscenen. Mit besonderem Gelingen führten die Frls. Wedekind und Walker (Klasse Frl. Orgeni) die erste Scene der Nicolaischen Oper ‚Die lustigen Weiber von Windsor‘ aus: [...] Frl. Wedekind entfaltete hier, wie auch in der späteren Soloscene, eine entschiedene Begabung für den schauspielerischen Ausdruck des kecken und humoristisch derben Naturells der Frau Fluth.“ [Dresdner Journal, Nr. 73, 29.3.1893, abends, S. 562] Die Rolle war am 15.3.1894 ihr Debüt an der Dresdner Hofoper: „Frl. Erica Wedekind, Schülerin von Frl. Orgeni, ist für die Königl. Hofoper engagirt worden. Frl. Wedekind debutirt nächsten Donnerstag in der Rolle der Frau Fluth in Nicolai’s ‚Lustigen Weibern‘.“ [Dresdner Nachrichten, Jg. 39, Nr. 70, 11.3.1894, S. (3)] Sie wurde eine ihrer Paraderollen, die sie zuletzt am 20.8.1897 an der Dresdner Hofoper gespielt hatte [vgl. Dresdner Nachrichten, Jg. 42, Nr. 230, 20.8.1897, S. (6)], wo ihr Bruder sie gesehen haben dürfte. gesehen. Heute verkauft sie LoseErika Wedekind hat nicht am 23.8.1897 („Heute“), sondern am 22.8.1897 Lose auf dem Albertfest (siehe unten) verkauft; angekündigt war: „Mit dem Albertfest, das in diesem Jahre in hergebrachter Weise am 22. August in Dresden gefeiert wird, soll wiederum eine Lotterie verbunden werden.“ [Der sächsische Erzähler, Nr. 96, 19.8.1897, S. 3] Die Presse berichtete: „Nach einer Pause von 4 Jahren fand gestern endlich wieder ein Albertfest im Königl. Großen Garten statt [...]. Daß Lotterien bei Wohlthätigkeitsfesten immer noch am meisten ziehen, das sah man auch gestern wieder [...]. An Loosständen um den Palaisteich fehlte es [...] nicht, und ein reichliches Aufgebot von liebenswürdigen und schönen Damen war erfolgt [...]. So sah man in den verschiedenen kleinen Pavillons“ vom „Hoftheater [...] beim Publikum besonders beliebte Mitglieder [...]; so traten unter Anderem die Damen v. Chavanne, Wedekind, Gasny und Huhn mit einander in heißen Wettbewerb um die höchsten Einnahmen“ [Dresdner Nachrichten, Jg. 42, Nr. 233, 23.8.1897, S. (1)], die einem wohltätigen Zweck dienten: „schon jetzt gehen die Gaben sehr zahlreich ein. Auf den Wunsch Ihrer Majestät der Königin wird diesmal das Erträgniß nicht allein dem Albertvereine, sondern zur Hälfte den durch Hochwasser Geschädigten zu Gute kommen. Möchte in Anbetracht des edlen Zweckes das diesmal außerordentlich reichhaltig ausgestattete Fest sich eines recht zahlreichen Besuches erfreuen!“ [Sächsische Dorfzeitung, Jg. 59, Nr. 93, 10.8.1897, S. 4] auf dem Albertfestseit 1867 veranstaltetes Wohltätigkeitsfest in Dresden, benannt nach König Albert von Sachsen. „Das große Albertfest, veranstaltet zu Gunsten des Albert-( Hilfs-)Vereins findet unter Beteiligung der ersten Gesellschaftskreise der Stadt alljährlich im August oder September im Großen Garten statt. Konzerte, Theateraufführungen, Verkaufs- und Losstände, Illumination usw.“ [Führer durch Dresden. Überreicht von Gustav Härtig / Härtigs Hôtel. Dresden (1891), S. 28] im großen GartenParkanlage in Dresden mit barocker Grundstruktur, im 17. Jahrhundert angelegt.. Morgen gehen wir zusammen zu Scheidemantelam 24.8.1897 zu Karl Scheidemantel in Dresden (Striesener Platz 8) [vgl. Adreßbuch für Dresden 1898, Teil I, S. 492], Kammersänger an der Oper des Dresdner Hoftheaters [vgl. Neuer Theater-Almanach 1898, S. 353] und Kollege der Hofopernsängerin Erika Wedekind., der sie gebeten hat, ihn mit mir bekannt bekanntSchreibversehen, statt: bekannt. zu machen, als er hörte, daß ich hier sei. Mieze schickt dir die herzlichsten Grüße und ich selber bin mit den besten Grüßen dein treuer Sohn
Frank.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11,5 x 18 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Dresden
    23. August 1897 (Montag)
    Sicher

  • Absendeort

    Dresden
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Zürich
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefwechsel mit den Eltern 1868‒1915. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2021
Seitenangabe:
295-296
Briefnummer:
142
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
Konvolut Burkhardt, Nidderau
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 23.8.1897. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

21.02.2024 12:45