Kennung: 4540

München, 12. Mai 1909 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Neue Zürcher Zeitung, (Zeitung)

Inhalt

Sehr geehrte Redaktion!

In den nächsten Tagen werde ich die Ehre haben, in Zürich ein kurzes GastspielWedekinds Gastspiel vom 19. bis 27.5.1909 am Pfauentheater in Zürich wurde am 19.5.1909 mit „So ist das Leben“ eröffnet, am 21.5.1909 hatte „Erdgeist“ Premiere. Hans Trog betonte in seiner Besprechung (siehe unten), dass Wedekind in beiden Stücken die männlichen Hauptrollen übernahm: „Er spielt zunächst den Nicolo in dem Schauspiel ,So ist das Leben‘ [...]. Wedekind spielt den Dr. Schön.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 130, Nr. 137, 18.5.1909, 3. Abendblatt, S. (1)]. zu absolvieren. Wollen Sie mir gütigst gestatten für den Fall daß sie meinzuerst gestrichen, durch Unterpunktung wieder hergestellt. dieses mein Gastspiel einer BesprechungHans Trog, Feuilletonredakteur der „Neuen Zürcher Zeitung“, nahm Wedekinds Brief in seinem das Gastspiel ankündigenden Beitrag auf, den Brief teils referierend, teils aus ihm zitierend [vgl. T.: Pfauentheater: [...] Zum Gastspiel Wedekinds. In: Neue Zürcher Zeitung, Jg. 130, Nr. 137, 18.5.1909, 3. Abendblatt, S. (1)]. in Ihrem geehrten Blatt würdigen, Sie von folgenden Thatsachen in Kenntnis zu setzen.

Mein Schauspiel „So ist das Lebenerlebte hatte im Jahr 1902„So ist das Leben“ („König Nicolo“) wurde am 22.2.1902 im Münchner Schauspielhaus (Direktion: Georg Stollberg) unter der Regie von Georg Stollberg mit August Weigert als König Nicolo uraufgeführt – mit Wedekind in einer Statistenrolle: „Wedekind selbst hatte sich in Hemdärmeln mitten unter das ‚fahrende Volk‘ der ‚Elendenkirchweih‘ gelagert.“ [Hanns von Gumppenberg: Münchner Schauspielhaus. Zum ersten Male: So ist das Leben. Schauspiel in fünf Akten von Frank Wedekind. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 55, Nr. 93, 25.2.1902, Vorabendblatt, S. 1-2] seine Uraufführung im Münchner Schauspielhaus. Im Frühjahr 1903„So ist das Leben“ hatte am 27.11.1903 im Neuen Theater (Direktion: Max Reinhardt) in Berlin unter der Regie von Richard Vallentin mit Emanuel Reicher als König Nicolo Premiere. Fritz Mauthner („F.M.“) meinte zum Darsteller der Titelrolle: „Sehr stark war Herr Reicher in der Rolle des Königs, der ein Hofnarr wird.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 32, Nr. 604, 28.11.1903, Morgen-Ausgabe, S. (3)] Der Rezensent des „Vorwärts“ meinte: „Reicher als König hatte prächtige Momente in seinem Spiel, so vor allem als Mime bei der Elendskirchweih, aber ein wärmeres Interesse für die widerspruchsvoll schwankende Figur der Dichtung wußte auch er nicht zu erwecken.“ [dt.: „So ist das Leben.“ Schauspiel von Frank Wedekind. In: Unterhaltungsblatt des Vorwärts, Nr. 233, 29.11.1903, S. 931] wurde es mit Emanuel Reicher in der Hauptrolle am Kleinen Theater in Berlin gespielt,/./ und i Im Jahr 1907„So ist das Leben“ hatte am 5.3.1907 im Schauspielhaus (Direktion: Emil Claar und Paul Jensen) in Frankfurt am Main unter der Regie von Carl Heine mit Arthur Bauer als König Nicolo Premiere [vgl. Josef Meier: „So ist das Leben.“ (Schauspiel in fünf Akten von Frank Wedekind.) In: Frankfurter Musik- und Theater-Zeitung, Jg. 2, Heft 11, 15.3.1907, S. 6-7]; weitere Vorstellungen fanden am 8. und 10.3.1907 sowie am 18.3.1907 statt [vgl. Almanach des Frankfurter Opernhauses und Schauspielhauses 1908, S. 106]. Wedekind notierte am 5.3.1907 in Berlin: „Aufführung von ‚So ist das Leben‘ in Frankfurt a.M.“ [Tb] wurde ging es am Schauspielhaus in Frankfurt aufgeführt in Scene. Trotz dieser drei jedenfalls | guten AufführungenWedekind bemerkte in seiner Broschüre „Schauspielkunst“ (1910) im Abschnitt „Hinrichtungen“ über die drei genannten Inszenierungen: „Mein Schauspiel ‚So ist das Leben‘ wurde in München, Berlin und Frankfurt a.M. hingerichtet.“ [KSA 5/II, S. 372], vermochte das Schauspiel an/auf/ der Deutschen Bühne nicht Fuß zu fassen. Wenn ich es heute wage, als Darsteller in diesem Stück als Darsteller aufzutreten dann thue ich das keineswegsHans Trog zitierte in seiner Besprechung (siehe oben): „Was den Dichter zur Verkörperung dieser Dramenfigur hinzieht, drückt er selbst so aus: ‚ich tue das keineswegs, um mich als Schauspieler zu zeigen, ich tue es nur, um die Wirkungsmöglichkeiten derjenigen Seiten des Stückes klarzulegen, die ich, als ich das Schauspiel schrieb, für bühnenwirksam hielt und die ich nach den Vorbildern, die mir dabei vorschwebten, für bühnenwirksam halten mußte.‘“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 130, Nr. 137, 18.5.1909, 3. Abendblatt, S. (1)], um mich als Schauspieler zu zeigen. Ich thue es nur um die Wirkungsmöglichkeiten derjenigen Eigenschaften des Stückes klarzulegen, die ich, als ich das Schauspiel niederschrieb, für bühnenwirksam hielt und die ich nach den Vorbildern, die mir dabei vorschwebten, für bühnenwirksam halten mußte.

Mein Schauspiel „Erdgeist“ erschien 188/9/5 als Buchdie Erstausgabe „Der Erdgeist. Eine Tragödie“ 1895 im Verlag von Albert Langen [vgl. KSA 3/II, S. 858].. im Druck und da nachdem ich während mehrerer Jahre lang vergeblich versuchtHans Trog referierte die Passage über Wedekinds Übernahme der Rolle des Dr. Schön in seiner Besprechung (siehe oben): „Er hat die Rolle bei der Uraufführung in Leipzig, 1898, kreiert, weil er keinen Charakterschauspieler für diese Figur zu interessieren vermochte“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 130, Nr. 137, 18.5.1909, 3. Abendblatt, S. (1)]. hatte, irgend einen Schauspieler Charakterspieler für die Darstellung der Haupt männlichen Hauptrolle zu | interessieren, hatte ich bei der Uraufführung des „Erdgeist“zuerst gestrichen, durch Unterpunktung wieder hergestellt. in Leipzig im Jahre 1898„Erdgeist“ wurde am 25.2.1898 durch das Ibsen-Theater (Direktion: Carl Heine) im Kristallpalast in Leipzig unter der Regie von Carl Heine mit Wedekind (unter Pseudonym) in der männlichen Hauptrolle uraufgeführt: „Herr Kammerer (Frank Wedekind) als Dr. Schön“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 92, Nr. 104, 27.2.1898, 3. Beilage, S. 1519]. gar keine andere Wahl, als diese Rolle selber darzustellen. Das Stück hat seitdem glänzende AufführungenHans Trog bemerkte in seiner Besprechung (siehe oben) die Passage referierend, inzwischen werde die Rolle des Dr. Schön nicht nur von Wedekind gespielt, „nachdem das Stück mit so unbestreitbarem Erfolg vom Deutschen Theater in Berlin aus den Rundgang über zahlreiche deutsche Bühnen angetreten hat.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 130, Nr. 137, 18.5.1909, 3. Abendblatt, S. (1)] Den Durchbruch des „Erdgeist“ auf den Bühnen markierte die Inszenierung am Kleinen Theater (Direktion: Max Reinhard, der 1905 das Deutsche Theater übernahm) in Berlin (Premiere: 17.12.1902) unter der Regie von Richard Vallentin mit Gertrud Eysoldt als Lulu und Emanuel Reicher als Dr. Schön, ein „Aufführungserfolg“ [KSA 3/II, S. 1203]. am Kleinen Theater und am Deutschen Theater in Berlin erlebt. Wenn ich mich heute noch darin als Darsteller in diesem Stückzuerst gestrichen, durch Unterpunktung wieder hergestellt. zeige, dann kommt es mir lediglich darauf an, diejenigen Wirkungen zu betonen, die mir bei der Niederschrift als künstlerische Probleme vorschwebten, und über die auch bei den glänzendsten Darstellungen manchmal hinweggespielt übersehen wurden.

Der Vorwurf, den ich so oft hören muß, daß ich nur aus lächerlicher Eitelkeit die Bühne betrete, ist wol schon durch | die eine Thatsache widerlegt, daß ich seit vier Jahren nahe an zweihundert mal die Hauptfigurrolle in meinem Schauspiel „Hidallagespielt habe spielen mußte dargestellt, ohne daß sich noch irgend ein Berufsschauspieler Charakterspieler bereit gefunden hätte, mir diese sicherlich dankbare Aufgabe zu seinem und zu meinem Vorteil abzunehmen.

Mit der höflichen Bitte, mein Gastspiel in Zürich von diesen Gesichtspunkten aus betrachten zu wollen,

Mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochschätzung
Frank Wedekind.


(Mit der höflichen Bitte, diese Gesichtspunkte bei Ihrer Beurtheilung meines Gastspiels in Zürich berücksichtigen zu wollen)

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Bleistift.
Schriftträger:
Liniertes Papier. Notizbuchblätter. 10 x 16,5 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Der Briefentwurf ist seitenrückläufig geschrieben im Notizbuch überliefert [Nb 58, Blatt 57v, 57r, 56v, 56r]. Seite 1 [Blatt 57v] ist oben links mit blauem Buntstift angekreuzt. Der abgesandte Brief ist nicht überliefert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 12.5.1909 ist als Ankerdatum gesetzt. Die Abfassung des nur als Briefentwurf überlieferten Briefs, der nachweislich abgesandt wurde (die „Neue Zürcher Zeitung“ ist als Adressat belegt, da sie am 18.5.1909 aus dem Brief zitiert), hat Wedekind am 12.5.1909 notiert: „Im Hofbräu schreibe ich Notiz für die Züricher Zeitungen. Ebenso in der Torggelstube und Orlando“ [Tb]. Er ließ am 13.5.1909 ein Typoskript herstellen – „Auf dem Schreibbüro diktiere ich die Notiz“ [Tb] – und dürfte einen Durchschlag gleich darauf nach Zürich geschickt haben. Schreibdatum des abgesandten Briefs war entweder der 12.5.1909 oder der 13.5.1909.

  • Schreibort

    München
    12. Mai 1909 (Mittwoch)
    Ermittelt (unsicher)

  • Absendeort

    München
    13. Mai 1909 (Donnerstag)

  • Empfangsort

    Zürich
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
L 3501/58
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an (Zeitung) Neue Zürcher Zeitung, 12.5.1909. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

24.05.2023 10:16