Kennung: 4321

München, 5. Juni 1905 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Kraus, Karl

Inhalt

Lieber Herr Kraus!

Das ist ja ausgezeichnet. Selbstverständlich bin ich mit allem einverstanden und danke Ihnen für Ihre freundliche Einladungnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Karl Kraus an Wedekind, 4.6.1905. ‒ Karl Kraus dürfte Wedekind zu der nach der Wiener Premiere der „Büchse der Pandora“ vom 29.5.1905 zweiten Vorstellung eingeladen haben, die am 15.6.1905 stattfand. In der „Fackel“ war am 9.6.1905 angekündigt: „Eine Wiederholung der ‚Büchse der Pandora‘ vor geladenen Gästen wird zwischen 14. und 17. Juni stattfinden, wenn es gelingt, ihr die Mitwirkung aller jener Kräfte zu sichern, die an der ersten Vorstellung beteiligt waren und von denen manche sich zur Zeit außerhalb Wiens aufhalten. Die Kostenbeiträge werden mit 12, 8 und 4 Kronen bemessen sein. Alle jene, die die Vorstellung, in der der Dichter wieder selbst auftreten wird, zu sehen wünschen, werden ersucht, bis zum 11. Juni dem Verlag der ‚Fackel‘, IV. Schwindgasse 3 bekanntzugeben, daß und zu welchem Preise sie (auf Namen lautende) Eintrittskarten zu beziehen wünschen, und ihre genaue Adresse mitzuteilen. Nach dem 11. Juni erfolgt dann eventuell die Einladung, bezw. die Billetausgabe. Bis dahin kann kein Geldbetrag entgegengenommen werden.“ [Die Fackel, Jg. 7, Nr. 182, 9.6.1905, S. 28] Karl Kraus dürfte Wedekind zugleich dazu eingeladen haben, in Wien wieder bei ihm zu logieren, was dieser annahm (siehe unten).. Nur glaube ich nicht, daß ich bis 14.bis zum 14.6.1905. Wedekind arbeitete unter Hochdruck an seinem Einakter „Totentanz“ [vgl. KSA 6, S. 613-616], zu dem er am 10.6.1905 notierte: „Totentanz beendet.“ [Tb] Er reiste am 13.6.1905 von München ab – „Abends Abfahrt nach Wien“ [Tb] – und traf am 14.6.1905 morgens in Wien ein, wo er seinen Einakter abends im Restaurant im Volksgarten Karl Kraus und Berthe Marie Denk vorlas: „Ankunft in Wien. Ich wohne bei Karl Kraus. [...] Wir nachtmahlen mit Bertha Denk im Volksgarten. Ich lese Totentanz vor.“ [Tb] den Einakter fertig habe. Die Arbeit geht jetzt ganz verzweifelt langsam vorwärts. Ich gratuliere Ihnen herzlich zu Ihrem TriumphKarl Kraus erreichte nach der Wiener Premiere der „Büchse der Pandora“, die am 29.5.1905 „vor geladenem Publikum“ [Die Fackel, Jg. 7, Nr. 182, 9.6.1905, S. 15] stattfand, wie auf dem Theaterzettel angegeben ist, bei der Zensur auch die Freigabe einer weiteren geschlossenen Vorstellung, die am 15.6.1905 gespielt wurde. Er hatte sie „durchgesetzt“ [Kraus 1920, S. 115]. über Statthalterei und Polizei„Die Theaterzensur in Wien wurde in Kooperation zwischen der örtlichen Polizeibehörde und der k.k. niederösterreichischen Statthalterein ausgeübt. Durch die Theater eingereichte Stücke wurden zunächst von der Polizei geprüft und von dieser [...] an das Büro des Statthalters weitergeleitet, dem die letzte Entscheidung oblag.“ [Nottscheid 2008, S. 143]. Also auf baldiges Wiedersehen!

Mit herzlichstem Gruße
Ihr Frank Wedekind.


5.6.5.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 0 Blatt, davon 0 Seiten beschrieben

Sonstiges:
Das Korrespondenzstück ist nur im Druck überliefert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    5. Juni 1905 (Montag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Wien
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefe Frank Wedekinds

Titel des Aufsatzes:
Briefe Frank Wedekinds
Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Karl Kraus
Verlag:
Wien: Verlag "Die Fackel"
Jahrgang:
1920
Seitenangabe:
114-115
Kommentar:
Detaillierter Nachweis: Briefe Frank Wedekinds. In: Die Fackel, Jg. 21, Nr. 521-530, Januar 1920, S. 114-115. Im Erstdruck ist der Brief mit drei Fußnoten versehen. Zu „Einladung“ ist angemerkt: „Er nahm für den Aufenthalt zur zweiten Aufführung der ‚Büchse der Pandora‘ wieder bei mir Wohnung. Der volle Ertrag der Veranstaltungen, die unter unsäglichen Schwierigkeiten einen vielbedeutenden, fast von der gesamten Presse damals und späterhin totgeschwiegenen Erfolg ergaben, ist ihm, der sich bis dahin in den ungünstigsten materiellen Verhältnissen befunden hatte, zugewendet worden, was er freilich vorher nicht wußte. Von dem Triumph der Dichtung und seines Auftretens als ‚Jack‘ abgesehen, hatte die Aufführung nebst der Bekanntschaft mit seiner späteren Gattin auch sein Engagement bei Reinhardt in Berlin und die Annahme seiner Werke durch das ‚Deutsche Theater‘ zur Folge. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß die Presse der Beziehung, die zwischen Wedekinds Aufstieg und dem Eintreten der Fackel unablügbar bestanden hat, nicht nur durch Verschweigen Rechnung trug, sondern daß sogar eine Zeitung, freilich eine der niedrigsten Wiens, aus einem Interview, in dem Wedekind über die Entwicklung seiner dramatischen Laufbahn Auskunft gab, die Tatsache der Wiener Erstaufführung der ‚Büchse der Pandora‘ herausfälschte, auf die Gefahr hin, den Dichter im Lichte schnöder Undankbarkeit zu zeigen. Eine ähnliche Taktik haben die Schufte bewährt, als sie nach dem Tode Peter Altenbergs erzählten oder erzählen ließen, wie er zum Druck seiner ersten Arbeiten kam. Daß die Neue Freie Presse um des Grabredners willen sein Begräbnis totschwieg und in ihren Annalen Peter Altenberg unbeerdigt geblieben wäre, wenn die Meldung, daß die Stadt Wien dem Dichter ein Ehrengrab gewährt hat, nicht die Situation gerettet hätte, ist ein kulturhistorischer Witz für sich. Und solches Schandpack, dessen Papier man zur Verfügung haben müßte, um es täglich seitenweis zu beschimpfen, wagt es, sich darüber aufzuhalten, wenn Ehrenmännern die Galle überläuft.“ Zu „Einakter“ ist angemerkt: „‚Totentanz‘.“ Nach „Polizei“ ist angemerkt: „Gemeint ist wohl, daß auch die zweite Aufführung der Büchse der ‚Pandora‘ am 15. Juni ‒ die erste hatte am 29. Mai stattgefunden ‒ durchgesetzt wurde. Jene war noch in letzter Stunde in Frage gestellt, da morgens eine Absage der großartigen Darstellerin der Geschwitz eingelangt war. Albert Heines und meiner Anstrengung gelang es schließlich, Adele Sandrock, die unter allerlei Einflüssen die Mitwirkung, und zwar aus Sittlichkeitsgründen, verweigern wollte, zum Auftreten zu bestimmen, das zugleich ihr Abschied von einem dem großen Theater fremd gewordenen Wien war.“ – Neuedition: Nottscheid 2008, S. 35 (Nr. 23).
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Es gibt keine Informationen zum Standort.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Karl Kraus, 5.6.1905. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

19.08.2023 12:18