Kennung: 4227

Sankt Petersburg, 8. September 1903 (Dienstag), Bildpostkarte

Autor*in

  • Krause, Karl

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

ВОЕМІРНЫЙ ПОЧТОВЫЙ СОЮЗЬ. РОССІЯ.
UNION POSTALE UNIVERSELLE. RUSSIE.

ОТКРЫТОЕ ПИСЬМО. – CARTE POSTALE.


Herrn Frank Wedekind
Schriftsteller
München
Franz Josephstrasse 42II.


На этой сторонѣ пишется только адреса. – Côté réservé exclusivement à l’adresse. |


[über der Abbildung:]

St. Adr: Heegermühle bei EberswaldeDeutsches Haus.“

[links neben der Abbildung, um 90 Grad gedreht:]

Mit Hochachtungsvollem Gruß
Karl KrauseKarl Krause war 1902 als Regisseur und erster Charakterkomiker im Münchner Überbrettl (Direktion: Josef Vallé) tätig gewesen [vgl. Neuer Theater-Almanach 1903, S. 462], wo er zusammen mit Josef Vallé und Lona Nansen (siehe unten) auftrat; im „Münchner Ueberbrettl“ im „Etablissement Monachia am Karlsthor“ fanden täglich Vorstellungen statt mit „Lona Nansen – [...] Josef Vallé – Karl Krause“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 55, Nr. 290, 24.8.1902, General-Anzeiger, S. 6]. Es kam wohl spätestens im Sommer 1903 zur Trennung, wie ein offener Brief von Josef Vallé – eine Erklärung im Zuge einer gerichtlichen Auseinandersetzung – belegt, der dokumentiert, dass Karl Krause mit Lona Nansen liiert und dann seinerzeit ihr Impresario war: „Fräulein Nansen war seit ihrem 16. Jahre bei mir engagiert, war meine Schülerin, und ich hatte die Absicht, sie zu heiraten. Fräulein Nansen war unter meiner Leitung eine Ueberbrettlgröße ersten Ranges geworden und wurden uns Gagen bis zu monatlich 3000 M. angeboten. Mein damaliger Regisseur lernte dieselbe bei mir kennen, ging mit ihr durch und absolvierte die offerierten Engagements.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 59, Nr. 399, 28.8.1906, Vorabendblatt, S. 3] Die Presse hatte den Namen des Regisseurs und zwischenzeitlichem Impresario der Lona Nansen bereits genannt: „Die [...] Vortragskünstlerin Fräulein Lona Nansen [...] habe übrigens genau denselben Vertrag mit ihrem früheren Impresario Karl Krause recte Jakob Fritsche gehabt.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 59, Nr. 398, 27.8.1906, Vorabendblatt, S. 3] Karl Krause war dann seit der Eröffnung des Münchner Volkstheaters im Herbst 1903 dort als Oberregisseur des Schauspiels und Schauspieler tätig [vgl. Neuer Theater-Almanach 1904, S. 442f.] und entsprechend als Regisseur des Volkstheaters ausgewiesen [vgl. Adreßbuch für München für das Jahr 1904, Teil I, S. 361]..


St. Pétersbourg       Palais d’Hiver vers la Néva.

С.-ПетербургЪ       Зимній дворецЪ со сторонЫ НевЫ.

[zwischen und unter den Textaufdrucken unter der Abbildung:]

Vorkommendenfalles bitte ich Sie erg. Lona NansenLona Nansen, eine Vortragskünstlerin ungewisser Herkunft – „die Ueberbrettl-Diva Lona Nansen“ sei „Deutsch-Holländerin“ [Kölnische Zeitung, Nr. 1048, 7.11.1903, Abend-Ausgabe, S. (1)], dann ist sie „Lona Nansen, die deutsch-schwedische Diseuse“ [Berliner Börsen-Zeitung, Jg. 69, Nr. 48, 29.1.1924, Abendausgabe, S. 2] – war zunächst als erste Operettensoubrette am Breslauer Operetten-Ensemble (Direktion: Josef Vallé-Bertinetti) engagiert [vgl. Neuer Theater-Almanach 1901, S. 280], ging dann Ende 1901 mit Josef Vallé nach München, wo sie als Gast ausgewiesen im neu eröffneten Münchner Überbrettl (Direktion: Josef Vallé) als Vortragskünstlerin und erste Operettensängerin tätig war [vgl. Neuer Theater-Almanach 1903, S. 463], mit großem Erfolg, zuletzt 1902 im „Herbstprogramm [...]. Allen voran gilt der reiche Beifall [...] dem Fräulein Lona Nansen; sie ist [...] eine echte Brettldiva mit Stimme und schauspielerischem Talent.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 55, Nr. 293, 26.8.1902, General-Anzeiger, S. 8] Im Münchner Überbrettl lernte sie Karl Krause kennen und beide verließen dieses Kabarett (siehe oben). Ob sie im Spätsommer 1903 in München war, ist unklar; am 16.10.1903 begann in Leipzig ein „Gastspiel der wohlbekannten Vortragskünstlerin Lona Nansen“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 97, Nr. 523, 14.10.1903, Morgen-Ausgabe, 1. Beilage, S. (2)], dann absolvierte „die Ueberbrettl-Diva Lona Nansen ein kurzes Gastspiel“ [Kölnische Zeitung, Nr. 1048, 7.11.1903, Abend-Ausgabe, S. (1)] in Köln. freundl. berücksichtigen zu wollen – heute macht sie ihren AutorenWedekind – seine Ballade „Das arme Mädchen“ wurde 1902 von Lona Nansen vorgetragen [vgl. KSA 1/III, S. 500], von der Minny di Cerenotti das Lied zuerst hörte (so im Sommer 1903 im überlieferten Brief von ihr an Wedekind). Ein Pressebericht schildert ihren Auftritt mit diesem Lied in Dresden: „In erster Linie steht hier die moderne Vortragskünstlerin Lona Nansen. In ein geschmackvolles sezessionistisches Reformkostüm gekleidet, charakterisiert sie schon äußerlich ihr Genre, ihre auf die Spitze der Pointierung gehobenen Vorträge, die, bei aller Dezenz und Anmut, lediglich auf das Pikante und Absonderliche hinauslaufen. In sehr geschickter Vereinigung des sensationellen Genres, wie es speziell Yvette Guilbert vertritt, mit dem Charme des Naiven und Unbefangenen, singt und sagt sie Ernstes und Heiteres: die Geschichte vom ‚Armen Mädel‘ [...] – alles ganz eigenartig, graziös und mit überraschend plastischem Ausdrucke und stimmungsvoller Vortragskunst.“ [Dresdner Nachrichten, Nr. 93, 3.4.1903, S. (3)] Lona Nansen spielte außerdem in Rudolf Bernauers Ibsen-Parodie „Nora“ [vgl. Roßbach 2005, S. 209-218], in der gleich zum Auftakt in der „Anempfindung: Frank Wedekind“ Wedekinds Stil persifliert wurde, die Titelrolle – als Gast stand sie darin mit Josef Vallé und Karl Krause im Münchner Ueberbrettl ab dem 30.8.1902 auf der Bühne: „NORA. Letzter Akt, letzte Szene. In der Bearbeitung von Frank Wedekind [...]. Anempfunden von Rud. Bernauer. Personen: Der Conférencier Jos. Vallé. Nora Lona Nansen a.G. Helmer Karl Krause.“ [Allgemeine Zeitung, Jg. 105, Nr. 238, 30.8.1902, Mittagblatt, S. 4] EhrenSchreibversehen, statt: Ehre.! – Verzeihen Sie, daß ich die st. Adr. in die Wolken geschriebenKarl Krause schrieb seine derzeitige Adresse – das Hotel Deutsches Haus in Heegermühle – quasi in den Himmel über dem Winterpalast in Sankt Petersburg, der auf der Bildpostkarte abgebildet ist. habe –

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 1 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent. Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 14 x 9 cm. Mit Textaufdruck.
Schreibraum:
Im Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Die Bildseite enthält eine kolorierte Abbildung vom Winterpalast in Sankt Petersburg wie im Textaufdruck beschrieben (hier wiedergegeben) sowie einen weiteren kleinen Aufdruck: „A. K. 36.“ Die Bildpostkarte enthält Postzustellvermerke. Die Empfängeradresse ist von erster fremder Hand mit Tinte gestrichen und darunter durch „Lenzburg Kanton Aargau Schweiz“ ersetzt, was von zweiter fremder Hand mit anderer Tinte gestrichen und durch „München“ (unterstrichen) sowie „Franz Josephstr. 42 II“ ersetzt ist. Die Bildpostkarte ist mit einer aufgeklebten Briefmarke von 4 Kopeken frankiert. Wedekind hat auf die Adressseite mit roter Tinte das Datum „14.9.03“ notiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Das Datum des Postausgangsstempels Sankt Petersburg – 8.9.1903 – darf als Schreibdatum angenommen werden.

Uhrzeit im Postausgangsstempels Sankt Petersburg 8.9.1903 (gestempelt 27.8.1903 nach russischem Kalender) nicht lesbar. Uhrzeit im Zwischenstempel München 12.9.1903: „vor 4 – 5“ (= 4 bis 5 Uhr). Uhrzeit im ersten Zwischenstempel Lenzburg 13.9.1903: „VI“ (= 6 Uhr). Uhrzeit im zweiten Zwischenstempel Lenzburg14.9.1903: „VIII“ (= 8 Uhr). Die Bildpostkarte wurde den Postzustellvermerken zufolge von Lenzburg nach München zurückgesandt.

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 89
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Karl Krause an Frank Wedekind, 8.9.1903. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

20.12.2023 22:23