Kennung: 356

München, 20. November 1903 (Freitag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Rößler, Carl

Inhalt

München, 20. XI. 1903.


Lieber Freund!

Nimm meinen aufrichtigen Dank für Deine freundliche Theilnahmenicht überliefert. Rößler hatte Wedekind vermutlich Genesungswünsche geschickt: Dieser laborierte seit Mitte November 1903 an einer Lungenentzündung, die er sich während seines Gastspiels als „Marquis von Keith“ in Nürnberg zugezogen hatte [vgl. Kutscher 2, S. 112]. . Ich weiß nicht, ob die GeschichteÜber den Verlauf seiner Krankheit, die offenbar mit Fieberschüben einher gegangen war, schrieb Wedekind in einem Brief an seine Mutter Emilie Wedekind-Kammerer vom 3.12.1903: „Seit etwa acht Tagen gehe ich wieder an die frische Luft. [...] Ich habe im Ganzen nur zehn Tage zu Bett gelegen, das Fieber war nicht stark. [...] Ich hatte zu Anfang nicht weniger als drei Aerzte; meine Haushälterin, eine Oesterreicherin aus Linz, bewährte sich als Pflegerin sehr gut und des Nachts war eine katholische Diakonissin bei mir.“ [GB 2, S. 114] so schlimm war, wie Du voraussetzt, ich kam natürlich in lauter Phantasien darüber hinweg, war ununterbro|chen zu Pferde, nahm eine Hürde, einen Graben nach dem andern, so daß mir jetzt noch der Hintere davon schmerzt. Vor einiger Zeit hörte ich von irgend jemandem, Du habest Dein biblisches StückGemeint ist Rößlers Drama „Der reiche Jüngling“, dessen Handlung auf der neutestamentarischen Episode vom reichen Jüngling (Lukas 18, 18-27) beruht. Das Stück erschien erst 1905 im Insel Verlag (Leipzig). vollendet. Ich würde nun doch vor allen Dingen darauf sehen, daß es gedruckt wird. Wenn Du keinen Verleger von Namen findest, so muß sich doch in Berlin gewiß irgend ein anderer Verleger finden, der sich darauf einläßt. Für Dich handelt es sich doch nur darum, gedruckte Exemplare für die Bühnen in die Hände zu bekommen. Wie und wo es gedruckt ist, muß Dir ja gleichgültig sein. Der AufführungDie Berliner Erstaufführung von Wedekinds Drama „So ist das Leben“ (1902) fand am 27.11.1903 im Neuen Theater unter der Regie von Richard Vallentin statt. Die Inszenierung wurde „recht kühl aufgenommen“ [Seehaus 1973, S. 64] und bereits nach sechs Vorstellungen abgesetzt. von So ist das Leben sehe ich mit ziemlicher Ruhe entgegen. Gefällt das Stück – umso besser. Gefällt es nicht, so kann ich den Berlinern nicht zu fürchterlich grollen. Das Stück hat den Kegelbahn HorizontWedekind spielt vermutlich auf die 1898 von Max Halbe gegründete künstlerisch-gesellige Kegelgemeinschaft Unterströmung an, die von etlichen Münchner Literaten frequentiert wurde. der Münchner Dichter Zunft. Der Humor ist mir dabei so ziemlich vollständig ausgegangen und ich schäme mich des fünf Akte langen Gejammers. Immerhin – wenn Du mir Nachricht geben willst, werde ich Dir deshalb doch sehr dankbar sein. Man kann nicht wissen, es erspart mir ja vielleicht doch eine schlaflose Nacht. Wenn es Deiner Ansicht nach schief gegangen ist, dann genügt das Wort „Mißglückt“. Uebrigens weiß ich ja garnicht, ob Du thatsächlich an ein TelegrammDas Telegramm, das Rößler zur Premiere von „So ist das Leben“ an Wedekind schickte [vgl. Wedekinds Postkarte an Rößler vom 13.12.1903] ist nicht überliefert. gedacht hast. Ich werde jedenfalls auch ohne Telegramm schlafen können, zumal, wenn sich nicht irgend jemand bemüßigt fühlt, mir mitzutheilen, an welchem Tag die Premiere stattfindet. Also sei herzlichst bedankt. Mit den besten Wünschen für Dein Wohlergehen und in der Hoffnung, daß Du bald wieder hier in München bist, denn Du fehlst hier sehr,

Dein Frank Wedekind


Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 0 Blatt, davon 0 Seiten beschrieben

Schriftträger:
Handschrift nicht überliefert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    20. November 1903 (Freitag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
112-113
Briefnummer:
219
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Es gibt keine Informationen zum Standort..

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Carl Rößler, 20.11.1903. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (08.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Mirko Nottscheid

Zuletzt aktualisiert

01.07.2019 09:48