Kennung: 3306

München, 18. Mai 1900 (Freitag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Oschwald, Walther

Inhalt

Lieber Walther,

ich habe nach Aarau geschriebennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an die Stadtverwaltung Aarau, 17.5.1900. und hoffe das PapierWedekind benötigte Papiere, die ihn vor dem Nachlassverwalter seiner am 15.12.1899 in Hannover verstorbenen Tante Auguste Bansen, dem Rechtsanwalt Hans Heiliger, als Erben legitimieren konnten. nächster Tage zu erhalten. Was unsere standesamtliche AnmeldungDie Einführung des staatlichen standesamtlichen Meldewesens erfolgte in Hannover erst ab dem 1.10.1874. in Hannover betrifft, so hat Papa dieselbe selbst, in eigner Person und vollkommen ordnungsgemäß vollzogen. Heiliger würde sie auch schon seit 6 Wochen aufgefunden haben wenn deine Nachricht von unserer Taufevgl. Wedekind an Walther Oschwald, 18.4.1900. nicht dazwischen gekommen wäre. Daß die Anmeldungen unsre Namen nicht enthalten wissen wir Alle seitdem wir auf der Welt sind. Erstens hat uns Papa das so und so oft gesagt, | zweitens ist es nicht anders möglich, da ich m/z/. B. meinen Namen erst mit dem sechsten Jahrwahrscheinlich mit der Einschulung im Auhagen’sche Institut in der Hildesheimerstraße 58 in Hannover [vgl. Niemann/Weber 1995, S. 49 u. 164], spätestens mit dem Umzug von Hannover nach Lenzburg im September 1872. erhalten habe, ebenso Armin und Willy und drittens ist ordnungsgemäß bei der standesamtlichen Anmeldung keine Angabe des Taufnamens erforderlich und darf nicht gefordert werden in einem Christlichen Staat, da der Taufe dadurch ihre Bedeutung entzogen würde.

Alles was dir Mama über die Hebammengeschichtedie Anmeldung der Kinder durch die Hebamme statt den Vater (siehe unten). erzähltEmilie Wedekind war seit der Geburt ihrer Enkeltochter Eva Oschwald im August 1899 zu Besuch bei ihrer Tochter Erika und ihrem Schwager Walther Oschwald in Dresden und konnte daher von diesem hinsichtlich des zu klärenden Identitätsnachweises für Frank Wedekind befragt werden. Oschwald berichtete davon offenbar in seinem letzten Brief an Wedekind, der nicht überliefert ist; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 17.5.1900. , ist abgesehen davon, daß es unmöglich ist, der baare Unsinn. Wenn aber diese Geschichten nach Hannover colportirt werden können sie unsere ordnungsgemäßen standesamtlichen Anmeldungen nur discreditiren, sowie uns deine unrichtige Angabe über unsere Taufe discreditiren mußte. Glaube bitte nicht daß ich dir irgend einen Vorwurf machen | möchte, dagegen wird es angezeigt sein, Mamas Aussagen vorderhand nicht mehr zu berücksichtigen. Sie weiß alle diese Dinge ebenso gut und genau wie ich. Sie hat aber offenbar irgend welches Interesse die Sachlage zu verwirren. Wie kann sonst gerade von Deiner Seite die vollständig aus der Luft gegriffene Angabe über unsere Taufe kommen, dazu mit Details wie GartenkircheIm Unterschied zu Frank Wedekind war seine Schwester Erika getauft worden. Die Taufe erfolgte am 23.10.1869 in der Gartenkirche in Hannover mit den Taufzeuginnen Friedrike Kettler, Auguste Bansen und Anna Wallmann, wie das Geburts- und Taufbuch der Kirche verzeichnet [vgl. Kreter 1995, S. 78]. Dieser Umstand war Wedekind offenbar unbekannt. versehen, die mich sogar für einen Moment stutzig machen mußten und die Abwicklung um mindestens 4 Wochen verzögerten.

Ich bin eben im Begriff auf zwei Tage nach Oberammergaumöglicherweise zur Eröffnung der Passionsfestspiele am 20.5.1900, die an diesem Sonntag von 15 bis 17 Uhr ihre erste Vorstellung hatten [vgl. Dillinger’s Reise- und Fremdenzeitung, Jg. 15, Nr. 15, 20.5.1900, S. 8]. zu fahren. Wenn es mir nach meiner Rückkehr möglich ist komme ich auf einen Tag nach Dresden, um die Angelegenheit zu besprechen. Auf alle Fälle bitte ich dich, Mamas Aussagen im höchsten | Grade zu mißtrauen, denn solche Behauptungen wie die, daß unsere standesamtlichen Anmeldungen nicht von Papa ausgegangen sonderSchreibversehen, statt: sondern. gegen seinen Willen durch die Hebamme vollzogen worden sein können uns, abgesehen davon daß sie unwahr und unsinnig sind, den größten Schaden zufügen.

Ich habe gar nichts dagegen und bitte dich sogar darum, daß du Mieze diese Zeilen zeigst. Was dir dann unverständlich ist, wird sie dir vielleicht erklären können.

Indessen mit herzlichem Gruß
Dein
Frank.


München 18. Mai 1900

Franz Josephstraße 42.II.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 12,5 x 20 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Auf Seite 1 sind von fremder Hand mit Bleistift „privatissimum!!!“ und die Zahl „18“ notiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    18. Mai 1900 (Freitag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Dresden
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
Konvolut Burkhardt, Nidderau
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Walther Oschwald, 18.5.1900. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

28.09.2022 16:32