Kennung: 2918

Salzburg, 22. März 1915 (Montag), Brief

Autor*in

  • Strindberg, Friedrich

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Salzburg, 22. März 1915


Mein lieber Frank!

Nicht wahr, Du bist mir nicht bös, wenn ich heute mich wieder an Dich wende mit der Bitte, es nicht als Zudringlichkeit oder Belästigung aufzufassen, wenn ich Dich ersuche, mir mitzuteilen, ob Du vielleicht in der Zeit von 28. März bis 6. April nach Salzburg kommst. Ich weiß nämlich noch nicht, wie sich die Sachen treffen; da wäre es sehr leicht nämlich möglich, daß ich Sonntag den 28. März für die Osterferien von Salzburg nach Mondsee fahre, weil ich von Großmama für | die Osterferien eingeladen bin. Anderseits wäre es (mich) mir das größte Vergnügen Dich gesund zu meiner Ferialzeitösterreichisch für Ferienzeit. zu sehen, da ich da weder durch Rücksichten auf Schule noch auf sonst etwas gebunden wäre. Nicht wahr, Du bist also so gut mir vielleicht, wenn Du Zeit hast, bis Sonntag vormittag 28. irgendwie mitzuteilen, ob ich Dich vielleicht in Sbg. erwarten könnte, oder etwa von Mondsee nach Sbg. kommen könne. Aber ich bitte Dich recht Dir unseres Wiedersehens halber, das Dir hoffentlich auch ein bischen Freude bereiten möge, ja nichts etwa für Deine GenesungWedekind litt seit seiner Blinddarmoperation am 29.12.1914 an den Komplikationen einer schleppenden Wundheilung, die im Tagebuch dokumentiert ist, so am 15.3.1915 („Bei Skanzoni. Er führt die Sonde ein“), am 16.3.1915 („Eiterung wird stärker. Ich kann kaum gehen“) und am 17.3.1915 („Fühle mich sehr schwach. Am Mittag bessert sich mein Zustand“). – deren baldige Rückkehr wichtiger als alles andre ist – Ungelegenes aufzubürden. Nicht wahr, lieber Frank, Du nimmst mir diese Bitte nicht übel und wenn sie etwas | ungeschickt herausgebracht ist, so nimm’ bitte den herzlichen Sinn statt der kalten Worte. Bitte!

Hier haben wir seit Freitag wunderschöne Tage, wie man sie in Sbg. gar nicht gewohnt sein darf. Dazu kommen für mich noch meine militärischen „Jungschützen-ÜbungenFriedrich Strindberg hatte sich auf Anraten seines Cousins und Vormunds Cäsar Ritter von Weyr einem Jungschützenkorps angeschlossen, das sich die militärische Schulung von Jugendlichen zur Aufgabe machte [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 6.2.1915].“, die mir sehr viel wert sind und das in bescheidenem Maße, was das schöne Wetter heiter macht und dem Ganzen erst den liebenswürdigen Reiz des Lebenslustigen verleiht. Die stille Ruhe, wie ich sie bei Goethe in seinen Annalenautobiographische Aufzeichnungen Goethes von 1749 bis 1822. In Cottas Goethe-Jubiläumsausgabe (1902-1907) in 40 Bänden finden sich die „Annalen oder Tag- und Jahreshefte“ in Band 30. finde, dazu ein paar freundliche Mädchenköpfe, die ein Rubens gemalt haben könnte, wenn sie nicht lebten u. die Du hoffentlich sehen wirst, verleihen mir eine Sorglosigkeit | und eine innere Freudigkeit, die viel wert ist und wie ich sie selten hatte. Daß dabei meine guten Beziehungen mit Dir, mit Großmama, meinem Vormund u. meinen Lehrern eine günstige Rolle spielen, beruhigt mich auch über unsere politische Zukunft, (wie ich sie seit) die nach Berichten von Nord u. Süd schlechter steht, als man glauben könnte. In Serajevo sind die Schulen geschlossenDie Presse berichtete: „In Serbien wurden wegen der Seuchen sämtliche Schulen geschlossen und die Lehrer und Lehrerinnen als Krankenpfleger in die Spitäler beordert.“ [Grazer Tagblatt, Jg. 25, Nr. 79, 20.3.1915, S. 11] Die Soldaten erkrankten vor allem an Fleckfieber („Flecktyphus“), das durch Kleiderläuse übertragen wird. u. aus Trient werden unsere Truppen nach Norden geschicktMeldungen über einen österreichischen Truppenabzug aus Trient vor dem Kriegseintritt Italiens aus Seiten der Entente-Mächte am 23.5.1915 ließen sich nicht belegen. Italien verhandelte mit dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn über die Abtretung des zu Österreich gehörenden, vorwiegend italienischsprachigen Trentinos mit der Hauptstadt Trient an Italien als Bedingung für die Beibehaltung seiner neutralen Haltung. Österreich stellte eine solche Kompensation eigener Gebietsgewinne auf dem Balkan frühestens mit einem Ende des Krieges in Aussicht.. Ein Maior, Graf M.nicht ermittelt. schrieb seiner Frau, dass er bei seiner Rückkehr an die Front vor ein bis 2 Wochen alles in bösem Zustande fand.

Aber einstweilen meine herzlichsten
Grüße mit der recht freudigen Hoffnung
auf unser Wiedersehn
Dein Friedrich Strindberg.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Mischschrift (Kurrent und lateinische Schrift).
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 12,5 x 17 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Salzburg
    22. März 1915 (Montag)
    Sicher

  • Absendeort

    Salzburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 165a
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Friedrich Strindberg an Frank Wedekind, 22.3.1915. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

07.07.2022 11:24