Kennung: 280

München, 27. Dezember 1914 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Martens, Kurt

Inhalt

München, 27.XII.1914.


Lieber Kurt Martens!

Mit wahrer Andacht habe ich soeben zum zweiten Mal das Gedicht „Das Grab in der LandschaftDas umfangreichste und letzte von sieben Gedichten – darunter auch die beiden unten von Wedekind genannten „Virago“ und „Lenia“ –, die 1914 in Kurt Martens‘ Gedichtband „Verse“ erschienen waren. Martens hatte Wedekind mit großer Wahrscheinlichkeit ein Exemplar zu Weihnachten 1914 gewidmet. „Das Grab in der Landschaft“ besteht aus acht Strophen, die – im Versmaß der Stanze (auch: Oktavreim) gedichtet – in traumartigen Sequenzen düstere Bilder von Tod und Vergänglichkeit beschwören, die Wedekind im vorliegenden Brief vor dem Hintergrund des Kriegsgeschehens deutet.“ gelesen. Dir Freundlichkeiten darüber zu sagen, liegt mir gänzlich fern, nur feststellen möchte ich, was unumstößlich über jeden Zweifel erhaben dasteht und Dir jeder bestätigen muß, der etwas davon versteht. Die Form des Gedichtes ist einfach klassisch, nicht ein Wort, das ein schöneres oder treffenderes zu wünschen übrig ließe. Dabei eine Einfachheit, eine Selbstverständlichkeit, wie ich sie bei keinen anderen Octave-Rime kenne. Mich auf Vergleiche einzulassen, möchte ich vermeiden, denn was dem einen ein Ruhm ist, braucht nicht immer für einen andern, der sich gerne mitfreuen würde, eine Kränkung zu sein. Die Ueberzeugung aber steht fest in mir, daß Dein Gedicht weder Tote noch Lebende zu scheuen hat.

Der Inhalt zeigt seinen Werth am stärksten dadurch, daß er bei gutem Vortrag eine sehr weitgehende Wirkung ausüben wird. Manche Kriegsfeierlichkeit, die unter gebildeten Menschen noch veranstaltet wird, kann sich Dein Gedicht als Prolog mit sicherem Erfolg zu Nutze machen, während es für Dich gleichzeitig immer und unangetastet durch die öffentliche Verwendung der Ertrag jenes Erlebnisses ist, das viele mit Dir theilen und doch niemand künstlerisch zu bändigen vermochte.

Also nochmals meine aufrichtigsten Glückwünsche zu diesem einzigen Werk unserer Zeit.

Von den übrigen Gedichten gefielen mir besonders | ,,Virago“ und ,,Lenia“. Dir und Deinem Verleger wünsche ich die besten Erfolge des Buches.

Ueber michWedekind war Anfang Dezember 1914 am Blinddarm erkrankt. Zwei Tage nach seinem Brief an Martens musste er „mit dem Sanitätswagen in die Klinik gebracht und operiert“ werden [Tb, 29.12.1914]. Die Krankheit erforderte in den folgenden Monaten wochenlange Bettruhe und mehrfache mehrere Nachoperationen [vgl. Kutscher 3, S. 227f.]. kann ich Dir leider noch gar nichts Zuverlässiges schreiben, deshalb wäre es mir auch peinlich, Menschen zu sehen. Grüße bitte Herrn Doctor Friedenthal aufs Herzlichste von mir. Ebenso Mühsam. Aber lies es ihm bitte nicht aus diesem Briefe vor, ich möchte nicht kränken, wo ich freundlich sein möchte. Wenn Deinem Verleger meine obigen Worte zu irgend etwas dienlich sein können, so wird mir das die größte Freude sein.
Mit herzlichsten Grüßen auf baldiges Wiedersehen Dein alter
Frank Wedekind

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

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Sonstiges:
Das Korrespondenzstück ist nur im Druck überliefert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    27. Dezember 1914 (Sonntag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
293-294
Briefnummer:
415
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Es gibt keine Informationen zum Standort..

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Kurt Martens, 27.12.1914. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (08.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Mirko Nottscheid

Zuletzt aktualisiert

01.07.2019 09:48