Salzburg,
11. September.
Lieber Frank!
Du teilst mir in Deinem letzten Briefevgl. Wedekind an Friedrich Strindberg, 24.8.1914. mit, daß unsere
ZusammenkunftWedekind hatte das zugesagte Treffen mit seinem Sohn, um sich über das seit Anfang Mai andauernde Zerwürfnis wegen Friedrich Strindbergs Drama „Menschenrecht“ auszusprechen, in seinem letzten Brief auf unbestimmte Zeit verschoben [vgl. Wedekind an Friedrich Strindberg, 24.8.1914]. nicht stattfinden könne. Auch mir wäre eine Aussprache sehr
erwünscht gewesen, da ich Dich gerne über die näheren Entstehungsgründe des
„Menschenrecht“ aufklären wollte.
Es wäre tatsächlich zu weitläufig, wollte ich die ganze
Auseinandersetzung zu Papier bringen. Aber ich bitte Dich | mir Glauben zu
schenken, wenn ich Dich versichere, daß meine Frieda nicht Deine gnädige Frau g/G/emahlin
ist. Eine solche Verdächtigung ist mir nicht im Sinne gelegen und ich faßte auch Deine Worte
zu OsternFriedrich Strindberg hatte am Wochenende vor Ostern seinen Vater in München besucht und ihm am 5.4.1914 aus seinem Stück vorgelesen: „Unterredung mit Friedrich Strindberg. Ich bestelle ihn in den Ratskeller. Mit Friedrich Strindberg im Ratskeller. Er liest mir sein Drama ‚Menschenrecht‘ vor.“ [Tb] als Scherz auf: „meine Frau, die du Frieda nennst…“
Bei unserer Aussprache wäre mir in erster LienieSchreibversehen, statt: Linie. daran
gelegen, Dir m/D/eine Überzeugung von meiner Bosheit und Gehässigkeit zu
nehmen. Denn nicht als dies darfst Du „Menschenrecht“ werten, sondern | als ein
Werk jugendlichen Übermutes und mißlungener Phantasie. Daß ich es heute nicht
mehr aufrecht halten kann und ich mich seiner schäme, ja die „Verkörperungen“In einem früheren Brief hatte Friedrich Strindberg seinem Vater berichtet, dass er bei der Figurengestaltung seines Dramas „Menschenrecht“ sich an Wedekinds Münchner Freundeskreis orientiert habe, den er bei seinem Besuch Ende 1913 kennengelernt hatte, und dabei „von den Personen, die ich mir verkörpert dachte, Redewendungen“ [Friedrich Strindberg an Wedekind, 17.2.1914] übernommen habe. ,
mit den Reden für gänzlich unstatthaft halte, sei Dir Beweis. Du warst ja auch
einmal in diesem Alter und wirst wissen, wie wenig man da von der Tragweite
dieses oder jenes Wortes weiß, bis man sich nicht einmal den Kopf blutig
gehauen! – Wie ich jetzt.
Und nun bitte ich Dich, mir zu schreiben, was Du denkst –
über mich. Ich glaube, daß eine solche Verständigung und mein offenes Gereständnis | uns vielleicht wieder etwas näher bringen können.
Wie ich glaube muß ja alles im Leben erkämpft werden; ich hoffe, daß es mir
auch noch gelingen werde, Deine Freundschaft zu erringen. Umso mehr, da Du mich jetzt verlassen und
verstoßen – als Bruder des Teufels – von meiner Großmama siehst. Ich habe sie 5
mal um Verzeihung gebeten – aber nein…. Auch ihr waren die verschwiegenen
Folgen des Stückes zu viel.
Und mit der Bitte mich jetzt nicht geistig zu verlassen,
grüßt Dich
Dein Friedrich.