Kennung: 270

München, 26. Oktober 1910 (Mittwoch), Postkarte

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Mühsam, Erich

Inhalt

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn Erich Mühsam
München
Akademiestrasse 10Erich Mühsam wohnte in einer Pension im Erdgeschoss der Akademiestraße 9 (München). Wedekind schrieb auf einer anderen Postkarte die richtige Hausnummer [vgl. Wedekind an Erich Mühsam, 3.11.1910]..


Sehr geehrter Herr Mühsam!

Darf ich Sie morgender 27.10.1910, an dem das Treffen stattfand, wie Wedekind notierte: „Conferenz mit Mühsam.“ [Tb], Donnerstag Nachmittag um 7 Uhrum 19 Uhr. im Café | Wittelsbacher Passage erwarten. Ich hätte Ihnen einen Abänderungsvorschlagim Zusammenhang mit der „Solidaritäts-Erklärung“ für Erich Mühsam, über die Erich Mühsam am 24.10.1910 an Richard Dehmel schrieb, die „Redaktion der ‚Jugend‘ von Herrn Dr. Sinzheimer“ habe ihm „eröffnet, daß das Blatt leider fortab auf meine Mitarbeit verzichten müsse [...]. Daß meine Vermutung über den Grund der Ausschließung zutreffend war, erfuhr ich dann mit absoluter Zuverlässigkeit durch Frank Wedekind, der schon ehe ich von dem gegen mich verhängten Boykott wußte, deswegen mit Herrn Dr. Sinzheimer einen heftigen Zusammenstoß hatte. Während ich noch in Charlottenburg im Gefängnis saß, hatte Dr. Sinzheimer in der Torggelstube, dem Weinlokal, in dem wir alle verkehrten, erklärt, daß das zu ihm gedrungene Gerücht, ich sei homosexuell, ihn veranlassen würde, mich fernerhin von der Mitarbeit der ‚Jugend‘ auszuschließen. Herr Wedekind nahm sehr energisch meine Partei und die beiden Herren gerieten so heftig aneinander, daß Dr. Sinzheimer den Tisch verließ und sich seither in der Weinstube nicht wieder hat sehen lassen. Der Bericht hierüber ist durchaus zuverlässig. Ich habe ihn von diversen Augen- und Ohrenzeugen, u.a. von Herrn Wedekind selbst.“ [Jungblut 1984, S. 127f.] Wedekind hat am 1.11.1909 notiert: „Krakel wegen Mühsam in der Torgelstube mit Sinsheimer“ [Tb]. Erich Mühsam erklärte Richard Dehmel, den er um Unterschrift der Solidaritätserklärung bat, am 28.10.1910, er habe die Sache „mit den Herren Wedekind und Heinrich Mann ausführlich besprochen, die ganz meiner Meinung sind –, daß die allgemein gehaltene Fassung meiner Anklage richtiger ist als die Darstellung spezieller Fälle.“ [Jungblut 1984, S. 129] Die von Erich Mühsam verfasste unbetitelte Solidaritätserklärung wurde von Hermann Bahr, Heinrich Mann, Thomas Mann und Wedekind unterzeichnet in der „Zukunft“ veröffentlicht [vgl. Die Zukunft, Jg. 19, Nr. 9, 26.11.1910, S. 299-300], vorangestellt eine umfangreiche Erklärung Erich Mühsams, betitelt „Protest“ [ebd. S. 298-299]. zu machen.

Mit besten Grüßen
Ihr
FrWedekind.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 1 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent. Empfängeradresse in lateinischer Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 9 x 14 cm.
Schreibraum:
Im Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Die Postkarte ist mit einer aufgedruckten Briefmarke von 5 Pfennig frankiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Das Datum des Poststempels – 26.10.1910 – darf als Schreibdatum angenommen werden.

Uhrzeit im Poststempel München: „5 ‒ 6 N“ (= 17 bis 18 Uhr).

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Aargauer Kantonsbibliothek

Aargauerplatz
5001 Aarau
Schweiz

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Wedekind-Archiv
Signatur des Dokuments:
Wedekind-Archiv B, Mappe 6, Autographen
Standort:
Aargauer Kantonsbibliothek (Aarau)

Danksagung

Wir danken der Aargauer Kantonsbibliothek für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Erich Mühsam, 26.10.1910. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (08.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

21.08.2023 14:12