Kennung: 2664

Mondsee, 11. April 1914 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Strindberg, Friedrich

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Mondsee 11.4.14.


Lieber Frank!

Danke recht herzlichst für den lieben Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Friedrich Strindberg, 10.4.1914.. „Menschenrecht“ liegt beiDas dem Brief beigelegte Manuskript des Dramas „Menschenrecht“ von Friedrich Strindberg ist nicht überliefert. Wedekind notierte am 12.4.1914 im Tagebuch: „Erhalte ‚Menschenrecht‘ von Fr. Strindberg zugeschickt.“; ich unterzog es der Abschrift, die aber wegen Zeitmangels nicht sehr schön geschrieben werden konnte. Gut leserlich ist sie wohl. Etwas mehr IronieFriedrich Strindberg überarbeitet und ergänzte anscheinend sein Stück noch einmal anlässlich der Abschrift für Wedekind und man darf annehmen, dass er dabei Empfehlungen seines Vaters folgte. Er hatte ihm das Stück am 5.4.1914 im Münchner Ratskeller vorgelesen [vgl. Tb.]., besonders in der ersten und in der HexensceneFriedrich Strindberg hatte in einem früheren Brief den Inhalt seines Stücks skizziert und dabei auch diese Szene erwähnt [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 17.2.1914]. taten dem Stücke recht gut. Letztere wurde, ebenso wie die Streitscene zwischen Kunz und Kurt weit kräftiger. Etwas Sing-Sang ist aber immer noch, um die Zeit zu spannen und auszupflastern, drinnen geblieben, so beim Hexenballet.

Also wenn Du so gut sein und es der Kopierung übergebenWedekind notierte am 14.4.1914 im Tagebuch: „Bringe Menschenrecht zum Abschreiben.“ Er hatte offenbar angeboten, Typoskripte von Friedrich Strindbergs Stück anfertigen zu lassen, damit er sie an Verlage und wichtige Kritiker verschicken konnte [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 17.4.1914]. wolltest, bin ich sehr dankbar. Setze ich ja die größten Hoffnungen darauf. Kennen/st/ Du vielleicht den Wiener VerlagDer Wiener Verlag war 1899 durch Oscar Friedmann gegründet worden. 1903 wurde die Firma durch Fritz Freund übernommen, der den Verlag auf die Herausgabe moderner Übersetzungen und pornografische Titel (darunter die anonyme „Josefine Mutzenbacher“, 1906) ausrichtete. Freunds österreichische Ausgaben von Büchern, die in Deutschland als ‚unzüchtige Schriften‘ verboten waren, erreichten hohe Auflagen. Der Verlag hatte seit 1907 Zahlungsschwierigkeiten und musste seine Tätigkeit einstellen. Der Verleger Frirtz Freund wurde 1910 gerichtlich aufgefordert, das Unternehmen zu liquidieren.? Schnitzler, Bahr, Salten, u. andre waren seinerzeit, bevor sie zu Fischer gingen, hier verlegt. Er nimmt gern kräftige Stücke! Falls Kurt Wolf nicht | wollte, könnte man ja eventuell dort anfragen.

Wegen der VormundschaftAnscheinend hatte sich Wedekind nach dem für Friedrich Strindberg eingesetzten Vormund erkundigt. Das Gesetz sah vor: „§ 187. Personen, denen die Sorge eines Vaters nicht zu statten kommt, und die noch minderjährig oder aus einem anderen Grunde ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen unfähig sind, gewähren die Gesetze durch einen Vormund oder durch einen Kurator besonderen Schutz. […] § 188. Ein Vormund hat vorzüglich für die Person des Minderjährigen zu sorgen, zugleich aber dessen Vermögen zu verwalten.“ Diese Regelung galt insbesondere auch dann, wenn „ein Ausländer ein in Österreich befindliches minderjähriges Kind“ zurücklässt. [Das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch für das Kaisertum Österreich. Textausgabe mit kurzen Anmerkungen und Sachregister. Hg. v. Edmund R. v. Herzfeld. Leipzig 1894, § 187-190, S. 62f.]. Zwar galt Wedekinds Sohn wegen des Zeitpunkts der Ehescheidung seiner Mutter Frida Strindberg von August Strindberg am 5.2.1897 noch als eheliches Kind [vgl. Buchmayr 2011, S. 193], jedoch forcierte Frida Strindbergs Mutter Marie Uhl, bei der die Kinder aufwuchsen, die Ernennung eines Vormunds für Kerstin und Friedrich bis zu deren Volljährigkeit, nachdem August Strindberg Österreich verlassen hatte [vgl. ebd. S. 264-267]. Die Vorstellungen, wer hier zu benennen sei, gingen dabei zwischen der Mutter und der Großmutter Friedrichs offenbar auseinander. erkundigte ich mich bei meiner Großmama. Ein Vormund ist mir seinez/r/zeit in der Person eines Wiener Malers KopallikFranz Kopallik war ein Freund von Frida Strindbergs Schwager Rudolf Weyr und bereits Kurator von Friedrich Strindbergs Schwester Kerstin. Er war 1909 von Friedrich Strindbergs Großmutter als Vormund für ihn vorgeschlagen worden, auch um Frida Strindbergs eigenen Vorschlag zu verhindern [vgl. Buchmayr 2011, S. 267]. gegeben worden; dieser legte aber wegen einer Geschichte mit der Schwester von Bildhauer Weyr Der Bildhauer Rudolf Weyr war seit 1882 mit Marie Uhl, der Tante Friedrich Strindbergs und Schwester Frida Strindbergs, verheiratet. Marie Weyr starb 1903 im Alter von 38 Jahren.die Vormundschaft nieder. Mama wollte mir damals den Wiener Advokaten GruberDr. Robert Gruber ist als Advokat in Wien (Lichtenfelsgasse 5) verzeichnet [vgl. Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger […] für […] Wien 1908, Bd. 1, Nachweis IV, S. 464]. Er hatte Frida Strindberg erfolgreich als Beklagte in einem Ehrbeleidigungsprozess gegen Karl Fröhlich vertreten, den sie der Erpressung bezichtigt hatte [vgl. Neues Wiener Journal, Jg. 16, Nr. 5439, 11.12.1908, S. 9]. Im Rahmen ihres Alimente-Streits mit Wedekind hatte Frida Strindberg als Vormund außerdem „Dr. Karl Wachter Tiefer Graben 11“ [Beilage zu Wilhelm Rosenthal an Wedekind, 12.3.1908] genannt und ihre Anwälte gebeten, dies Wedekind mitzuteilen – der Notar Dr. Karl Wagner ist unter der angegebenen Adresse ebenfalls verzeichnet [vgl. Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger […] für […] Wien 1908, Bd. 2, Nachweis VII, S. 1210]. als Vormund überstellen, was aber auf Widerspruch meiner FamielieSchreibversehen, statt: Familie. stieß und nun wurde der Sohn von Bildhauer Wei/y/r, Cäsar v. Weyr mein Vormund, was aber auch nur meines Wissens so und so getan wurde, da ich keinen andern bekommen konnte. Da meine Interessen mit den seinen zusammenstoßen und er überdies von meiner Großmutter so ziehmlich natürlich als ihr Enkel abhängig ist, so kommt mir vor – vielleicht auch nur mir – daß es nicht die/er/ geeignetste ist!

Kerstin hat nun einen (Berliner) Stockholmer Vormund LidforsBengt Lidforss, schwedischer Professor für Botanik in Uppsala und Lund, war ein enger Freund – kein Verwandter – August Strindbergs. , einen Verwandten Strindbergs, der sich ihrer sehr kräftig | annimmt. Nun hat man aber hier gepflogen, mich recht wenig in alles einzuweihen, was mein „Später“ anbetrifft. Soviel weiß ich daß die Besitzungen, die unsre Famielie in Wien hat, mit dem Tode Großmamas aufgeteilt wird, auf meinen (Enkel) Cousin, den Sohn von Weyr, die Mondseer Villa fällt, auf mich als 2. Enkel meines Wissens eine jährliche Rente von 1830 Mark. Das ist meine ganze Kenntnis!

Verzeihen, wenn der Brief so elend geschrieben etct. ist, aber ich bin durch das viele Schreiben beinahe ganz konfus. Dienstagden 14.4.1914; Friedrich Strindbergs Osterferien endeten demnach mit dem Ostermontag am 13.4.1914. gehts wieder nach Salzburg zurück. Bitte mir dann die Abschriften nicht in unser Institut zu senden, da sie mir scheußliche Ungelegenheiten bringen würden, sondern, wenn Du so gut sein wolltest, unter irgendeiner Chiffre postlagernd. (poste restau/n/te.) Ich versende sie dann sofort, eine an K. Kraus, eventuell, wenn eine 2. da ist an Kurt Wolf. Hoffentlich wird etwas daraus! Bitte wolltest Du nicht mir die Chiffre mitteilen, daß ich mir | es dann abholen kann. Sonst noch
viele herzliche Grüße
in Liebe
Friedrich Strindberg.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift. Einzelne Buchstaben in Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11 x 18 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Mondsee
    11. April 1914 (Samstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Mondsee
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Friedrich Strindberg an Frank Wedekind, 11.4.1914. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

11.05.2022 11:15