Kennung: 2580

Salzburg, 1. Februar 1914 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Strindberg, Friedrich

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

1./II.14.


Lieber Herr Wedekind!

Danke herzlichst für die liebe Kartenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Friedrich Strindberg, 31.1.1914.! Ich war – warum weiß ich jetzt wirklich nicht – so erregt und glaubte, entweder hätte ich irgend etwas angestellt oder Herr Wedekind wären krankAm 27.1.1914 wandte sich Friedrich Strindberg mit einer Postkarte an Tilly Wedekind, da er „sehr befürchte, daß Herr Wedekind krank sei! Bitte könnten mir gnädige Frau nicht mitteilen, ob Herr Wedekind sehr krank sei, oder ob ich etwa durch irgend etwas nicht Korrektes den Unwillen erregt habe.“ [Friedrich Strindberg an Tilly Wedekind, 27.1.1914. Mü, Nachlass Frank Wedekind, FW B 165a]. Anlass für seine Sorge bot ihm die ausbleibende Post des Vaters: „Eine Woche tröstete ich mich, daß ein Brief verlorengegangen sei, die andre Woche log ich mir vor, Herr Wedekind wären krank oder verhindert mir (nach) zuschreiben. Seitdem bin ich sehr geängstigt darüber.“ [Ebd.]. Und diesen Spleenhier: fixe Idee. konnte ich mir nicht ausreden –––––

Bis heute war ich noch im Zweifel über meine Prüfungdie halbjährlich stattfindende Semestralprüfung. Bereits an Tilly Wedekind schrieb Friedrich Strindberg am 27.1.1914 (siehe oben): „Die voraussichtliche Prüfung fällt für Februar wegen vollständiger Unnötigkeit leider weg.“ Neben der obligatorischen „Prüfung am Schlusse des Schuljahres“ sah der „Erlaß des Leiters des Ministeriums für Kultus und Unterricht vom 2. Jänner 1909, Z. 51190 ex 1908, an alle Landesschulbehörden, betreffend die Prüfungen der Privatisten an Mittelschulen“ vor, „auf Wunsch der Eltern oder Vormünder die Privatisten allenfalls auch am Schlusse des ersten Semesters zu einer Prüfung über den Lehrstoff dieses Semesters zuzulassen“ [Verordnungsblatt für den Dienstbereich des k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht. Jg. 1909, Stück 2, Nr. 2, Wien 1909, S. 32], um so ein Zwischenzeugnis zu erhalten., doch heute schrieb mir meine liebe GroßiKosename für Großmama., daß o ich,– da es ja gar nicht notwendig ist!! – keine Prüfung mache! Ich weiß nicht soll ich mich darüber freuen oder nicht. Ich war, trotzdem ich sehr am Zustandekommen der Prüfung, da ich der einzige war, zweifelte, doch schon | so ziehmlich vorbereitet und nun blieb sie aus!

Großimama schrieb mir auch, daß infolge JarnosJosef Jarno hatte als Eigentümer und Direktor des Wiener Lustspieltheaters bereits im Dezember 1909 ein Gastspiel Wedekinds mit den Stücken „Der Kammersänger“, „Die Zensur“ und „Musik“ organisiert. In der Wiener Neuinszenierung des „Marquis von Keith“, die am 25.8.1911 in dem von ihm geleiteten Theater in der Josefstadt Premiere hatte, spielte Jarno die Titelrolle. Ob er sich auch für die Inszenierung des „Kammersänger“ am Burgtheater eingesetzt hat, ist nicht bekannt. (?) und seiner Freunde „der Kammersänger“ in Wien in der BurgWedekinds Einakter „Der Kammersänger“ war das erste seiner Stücke, das am Wiener Burgtheater unter der Regie des Direktors Hugo Thimig aufgeführt wurde (Premiere: 31.1.1914) [vgl. Hugo Thimig an Wedekind, 21.1.1914; Wedekind an Hugo Thimig, 27.1.1914] – er wurde als erstes von drei Stücken gespielt; ihm folgten „Boubouroche“ von George Courteline (deutsch von Siegfried Trebitsch) und „Literatur“ von Arthur Schnitzler, wie der Theaterzettel [zugänglich in: https://anno.onb.ac.at/] ausweist. Die Presse urteilte: „Wedekind hat mit dem ‚Kammersänger‘ in der künstlerisch vollendeten Darstellung, die ihm das Burgtheater bot, sich als hieher gehörig erwiesen“ [Neues Wiener Tagblatt, Jg. 48, Nr. 32, 1.2.1914, S. 16]. über die Bretter geht! Also da das Wiener Hoftheather schon fähig geworden ist, wird wohl das Residenztheather auch in München nicht mehr lange aussetzen könnenDie erste Aufführung eines Stücks von Wedekind („Der Marquis von Keith“) am Münchner Residenztheater fand am 16.1.1915 statt und wurde von Protesten der Presse begleitet. Unter der Überschrift: „Frank Wedekind hoftheaterreif?!“ [Bühne und Welt, Jg. 17, Nr. 1, 1915, S. 133] schrieb L. Wilfried im amtlichen Blatt des Deutschen Bühnenvereins einen ablehnenden Beitrag und wertete den Vorgang als „unbegreiflich“ und als „Skandal“ [vgl. auch KSA 4, S. 556f.].! Ich habe mich recht darüber, über diesen neuen Erfolg gefreut! Vielleicht eine FolgeDie Uraufführung von Wedekinds „Simson“ an dem von Viktor Barnowsky geleiteten Lessingtheater in Berlin am 24.1.1914 provozierte einen Theaterskandal [vgl. KSA 7/II, S. 1338-1350]. der „Simson“-Aufführung Barnowskiys. Bitte wollten Herr Wedekind im Voraus meine herzlichste Gratulation dafür entgegennehmen!

Meine liebe Schwester ist aus München durchgebranntKerstin Strindberg wohnte zuletzt in der Familienpension Weigl in der Lindenstraße 19/21 in München-Harlaching.! – Warum? – Sie hält sich jetzt in Traunstein auf, in der schützenden Obhut vo eines KlostersDas ehemalige Kapuzinerkloster in Traunstein beherbergte eine Mädchenschule der Englischen Fräulein, die 1895 ins benachbarte Sparz umgezogen war. Kerstin Strindberg hatte die Schule seit Herbst 1904 besucht. als freiwilliger Zögling. | Es ist für mich wirklich völlig unbegreiflich!….und freiwillig noch dazu aus der Mitte der Bälle, Vergnügungen, die für ein junges Mädchen heutzutage doch der Haupttrieb allens Handelns ist!! – Vielleicht war dieser Dr. SulzbachDer Journalist und Verleger Ernst Sulzbach und Kerstin Strindberg heirateten 1917. daran schuld, von dem ich ja seinerzeit zu Herrn Wedekind gesprochen habe. Ich fürchte meine arme Schwester wird ebenso unglücklich wie Mama, von der man behauptet hier, sie habe sich in LondonFrida Strindberg hielt sich seit 1908 in London auf und leitete dort das von ihr gegründete und am 26.6.1912 eröffnete Kabarett The Cave of The Golden Calf in der Heddon Street 3-9 [vgl. Buchmayr 2011, S. 276ff.]. Von einer erneuten Eheschließung Frida Strindbergs ist nichts bekannt. verheiratet! Wenn Kerstin nur nicht auch so viele Menschen unglücklich macht….

Wir treiben sehr viel Wintersport, Rodeln Eislaufen und all dies macht ja so lustig und lebensfroh! Die Tage sind so wunderschön; Sonnenschein und Freude passen so gut zusammen!

Die besten Grüße bitte an die lieben Kleinen, Handküsse an die gnädige Frau

herzliche Grüße
in Liebe
Friedrich Strindberg.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 3 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13,5 x 18 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Salzburg
    1. Februar 1914 (Sonntag)
    Sicher

  • Absendeort

    Salzburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 165a
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Friedrich Strindberg an Frank Wedekind, 1.2.1914. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

01.06.2022 16:32