Kennung: 2390

Mondsee, 17. September 1913 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Strindberg, Friedrich

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Mondsee / 17.IX.13.


Lieber Herr Wedekind!

Nun bin ich von meiner ReiseAm 16.9.1913 reiste Friedrich Strindberg von Berlin über München und Salzburg nach Mondsee, wo er am 17.9.1913 um 14 Uhr eintraf [vgl. Marie Uhl an Wedekind, 17.9.1913]. glücklich hier angekommenFriedrich Strindberg wuchs seit dem Sommer 1899 bei seiner Großmutter Marie Uhl in Oberösterreich auf. Die Familie besaß eine Villa in Mondsee.! Traurig war die lange Fahrt, traumselig See und Land. Mir war so leid ums Gemüt, sei es ob des AbschiedesAm 16.9.1913 abends stieg Friedrich Strindberg in den Zug: „Fritz nach München gereist.“ [Tb] oder der jetzt beginnenden Zeit. Es war ja diese kurze Spanne ZeitIn Berlin hatte Friedrich Strindberg sich am 14.9.1913 und den folgenden beiden Tagen mit seinem Vater Frank Wedekind getroffen [vgl. Tb]. allein so schön an Freuden, ich könnte sagen die liebste Zeit in den letzten Jahren, da ich Herrn Wedekind kennengelernt habe. Unvergeßlich werde ich sie in der Erinnerung behalten, all die schönen EindrückeWedekind vermerkte in seinem Tagebuch gemeinsame Unternehmungen am 14.9.1913 („Abend mit Tilly und Fritz im Hotel“, Besuch einer Aufführung von „Franziska“ an den Kammerspielen des Deutschen Theaters), am 15.9.1913 („Mit Tilly und Fritz bei Skrivonek. Spazierfahrt nach Charlottenburg. 11. Vorstellung. Mit Tilly und Fritz nachher bei Töpfer“) sowie am 16.9.1913 („Spaziergang mit Fritz. Mittag mit Tilly u. Fritz im Hohenzollern gegen über Eingang von Lindenhotel. Spazierfahrt mit Fritz“). der nun vergangenen Tage!

Wie freue ich mich schon auf WeihnachtenFriedrich Strindberg besuchte seinen Vater Wedekinds Tagebuch zufolge vom 23.12.1913 („Hole Fritz Strindberg vom Bahnhof ab“) bis zum 1.1.1914 („Bringe Fritz zur Bahn“) und unternahm mit ihm zahlreiche Ausflüge und Spaziergänge in München und Umgebung [vgl. Tb].! Da ich Sie wiedersehen kann! Als ich heute in der Bahn „Franziska“ las, da fiel mir auf, daß bei der AufführungFriedrich Strindberg besuchte am 14.9.1913 die 10. Vorstellung der Inszenierung von „Franziska“ an den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin – „Ich besorge ihm ein Billet“ [Tb] – unter der Regie seines Vaters und mit Frank und Tilly Wedekind in den Hauptrollen Veit Kunz und Franziska. ja im 4. Akt der Chor der MädchenDer Chor tritt im 4. Akt (8. Bild) von „Franziska“ auf [vgl. KSA 7/I, S. 290, 293f.]. weggelassen ward! Warum bitte? Ich las ihn und | er kam mir ganz vampyriartig vor! Besonders das Blut„Aber trinken wir einmal Blut, / Dann sind wir die mächtigen Schönen!“ [KSA 7/I, S. 290] singt der Mädchenchor bei seinem ersten Auftritt, bei seinem zweiten: „Blut haben wir getrunken, / Uns dürstet nach Blut“ [ebd., S. 293]. Das Bluttrinken findet hinter der Bühne statt. erhöht ja riesig den ganzen Eindruck! Bitte Herr Wedekind mir die BücherWedekind hatte Friedrich Strindberg offenbar die Zusendung einiger seiner Werke versprochen [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 25.9.1913]. Sein Sohn erhielt nachweislich ein Exemplar des Einakters „Die Zensur“ mit Widmung [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 12.10.1913] und erwartete „Simson“ [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 3.11.1913]. nicht zu schicken, sondern vielleicht zu Weihnachten mir zu geben, da mir Großmama mitteilte, dass die AnstaltInhaber und Direktor der privaten Lehr- und Erziehungs-Anstalt für Schüler der Mittelschulen in Salzburg war Josef Tschurtschenthaler [vgl. Salzburgischer Geschäfts-, Volks- und Amts-Kalender für das Jahr 1913, S. 121 und die Annonce im Anzeigenteil, S. 29]., in die ich jetzt komme, sehr aufs Conservative schaut und man mir die Bücher, falls ich sie geschickt bekäme gar nicht zustellen würde.

Bitte dies zu entschuldigen!

Meine Adresse ist

F. Strindberg-Uhl / Salzburg

per ad. Prof. Tschurtschenthaler

Dreifaltigkeitsgasse, altes BorromäumDas Gebäude des Primogeniturpalastes in der Dreifaltigkeitsgasse 17/19 in Salzburg beherbergte bis 1912 ein katholisches Privatgymnasium und diente nach dessen Umzug in die Gaisbergstraße vorübergehend auch als Wohnhaus [vgl. Hans Tietze: Die profanen Denkmale der Stadt Salzburg., Wien 1914, S. 244]. Tschurtschenthalers Privatschule ist 1913 von der Imbergstraße 19 an diese renommierte Adresse umgezogen..

Herzliche Grüsse und viele Handküsse an gndg. Frau Gemahlin

In dankbarer Erinnerung
Fritz


P.S.

KerstinsFriedrich Strindbergs Halbschwester Kerstin Strindberg, Tochter von August und Frida Strindberg, geboren am 26.5.1894 im oberösterreichischen Dornach bei Grein, war drei Jahre älter als er. Die gewünschte Adresse in München lieferte Friedrich zwei Tage später [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 19.9.1913]. Adresse muß ich erst erfahren! Ich habe schon darum geschrieben.


Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13 x 16 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Mondsee
    17. September 1913 (Mittwoch)
    Sicher

  • Absendeort

    Mondsee
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 165a
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Friedrich Strindberg an Frank Wedekind, 17.9.1913. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

21.12.2023 11:23