Sehr geehrter Herr FuchsDer Herr, der Wedekind persönlich unbekannt war und der in München wohnte, wie der Brief nahelegt, ist nicht sicher zu identifizieren; es gab gut 250 eingetragene männliche Personen mit dem Nachnamen Fuchs [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1905, Teil I, S. 134f.].,
es ist mir unmöglich, in meinen unbeantworteten
Briefschaften eine Zeile von Ihrer Hand zu finden. Es ist das allerdings kein
Beweis dafür, daß ich Ihren Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Herr Fuchs an Wedekind, 16.1.1905. Er dürfte sich danach bei Wedekind nochmals nach seinem unbeantwortet gebliebenen Brief erkundigt haben. nicht erhalten habe, obschon ich ‒ ich muß das offen gestehen ‒ mich dessen nicht erinnere. Es
bleibt mir also nur die Erklärung, daß er sich gleich in den ersten Tagen auf
meinem Schreibtisch oder auch in meinen Kleidern verloren hat. | Ich will Ihnen
nun aber allerdings auch nicht verhehlen, und das muß mich in sehr vielen
Fällen entschuldigen, daß ich eine geradezu krankhafte Abneigung gegen Tinte
und Feder habe. Diese krankhafte Abneigung hat sich jedenfalls daraus ergeben
daß ich beinahe zwanzig Jahre meines Lebens gezwungen war, Tinte und Feder gegen
mein künstlerisches Gewissen zu mißbrauchen. Je schwerer es mir aber in dieser
Zeit geworden ist, einen Brief zu schreiben, desto höher habe ich den persönlichen
Verkehr schätzen gelernt und bin so allmählig zu der Überzeugung | gelangt, daß
es auf dieser Welt überhaupt keine höheren Reichtümer giebt als diejenigen, die
man in den Herzen anderer Menschen besitzt. Wenn Sie mir nun also die Ehre
erweisen mich um ein Autogramm zu bitten, so erlauben Sie mir dafür, Sie um
Ihre persönliche Bekanntschaft zu bitten. In meine recht unbehagliche Wohnung
mag ich Sie so ohne weiteres nicht einladen, zumal ich nur sehr selten zu Hause
bin. Dagegen würden ich mich sehr freuen wenn Sie mir irgendwo im
öffentlichen Leben Münchens Gelegenheit geben | wollten, Sie begrüßen zu
können. Sollte Ihnen dann dieses Autogramm hier nicht genügen, dann bin ich bei
einem gemütlichen Trunke gerne bereit, Ihnen ein anderes werthvolleres zu
überlassen.
Mit ergebenstem Gruße
Frank Wedekind.
München, 16. Februar 1/0/5.