Kennung: 2113

München, 26. Februar 1901 (Dienstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Erika (Mieze)

Inhalt

FRANK WEDEKIND.


MÜNCHEN, den 26. Februar 1901
Franz Josefstr. 42/II.


Meine liebe Erika,

es ist mir leider nicht möglich, dir auf deine lieben Zeilennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Erika Wedekind an Frank Wedekind, 22.2.1901. eine genügende Antwort zu geben, da du augenscheinlich vergessen hast, Donalds BriefDonald Wedekinds Brief an Erika Wedekind ist nicht überliefert., von dem du mir sprichst, deinen Zeilen beizulegen und ich daher gar nicht weiß um was es sich eigentlich handelt. Ein Irrthum meinerseits scheint mir ausgeschlossen, da das Couvert deines Briefes seinem Aussehen nach unmöglich zwei verschiedene Bogen enthalten haben kann. Zugleich muß ich das Mißverständnis bedauern, das sich bei dieser AngelegenheitDonald Wedekind befand sich in einer „kritischen depressiven Phase“, in der er „mit Suizid drohte“, weshalb Frank Wedekind „bereit war, sich seiner, stellvertretend für alle, anzunehmen, da er zu ihm, wie er meinte, noch den besten Zugang habe.“ [Vinçon 2021, Bd. 2, S. 206] zwischen uns geltend gemacht hat. Ich hatte dir vorgeschlagenin einem nicht überlieferten Schreiben, erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Erika Wedekind, 23.12.1900., mir alle weiteren Zuschriften Donalds uneröffnet zu zusenden | um dadurch ein für allemal alle weiteren Belästigungen von seiner Seite loszusein. Ich hatte das Wort uneröffnet noch extra unterstrichen. Donald wäre dadurch nur noch mit mir in Contact geblieben, ich würde ihn durch kleine Zuschüsse e.ct. nach Kräften enervirt und aufgestachelt haben, ich würde ihn mit Phrasen abgespeist und an der Nase herumgeführt haben bis er schließlich es selber für praktischer und einfacher gefunden hätte, sich selbst zu helfen. Jetzt ist er leider im Besitz meines Geschäftsgeheimnisses, außerdem wird er sich in Folge Deines BriefesErika Wedekinds Brief an Donald Wedekind ist nicht überliefert. sagen, ich hätte bei Dir gegen ihn intriguirt, denn thatsächlich habe ich doch auch nicht das geringste Recht, Dir irgend etwas zur Pflicht zu machen, wie Du schreibst. Es wäre mir das auch nie in meinem Leben eingefallen. Mit meinem Vorschlag war es mir | weit mehr darum zu thun, Dich von der unangenehmen Angelegenheit zu befreien. Mit Donald wäre ich dann schon fertig geworden, wenn er auf mich allein angewiesen wäre. Jetzt wird er fürchterlich gegen mich aufgebracht sein und ich habe jedes Vertrauen bei ihm verloren. Wenn daher mein Plan nicht den Erfolg hat, den ich mir davon versprach, so ist das gewiß nicht meine Schuld. Ich bedaure das wie gesagt nur um Deinetwillen; denn statt die Belästigung los zu sein, hast du ihn Dir jetzt erst recht wieder auf den Hals geladen. Eigentlich ist ja die ganze Sache keines Aufhebens und keiner Aufregung werth. Ich habe dem, was Donald in seinen Briefen schreibt, immer nur den allergeringsten Werth beigelegt. Immerhin wird es mich interessieren was er jetzt wieder für neue Vorschläge macht. | Also schick mir bitte den Brief, wenn du es noch der Mühe werth findest. Wenn er wirklich erfreuliche Nachrichten enthält werde ich mich am meisten darüber freuen.

Max Halbe hat mir sehr viel Schönes von seinem Besuch bei DirMax Halbe war zur Uraufführung seines Schauspiels „Haus Rosenhagen“ (1901) am 14.2.1901 am Königlichen Hoftheater nach Dresden gereist; wann genau er Wedekinds Schwester einen Besuch abstattete, ist nicht ermittelt. und der liebenswürdigen Aufnahme, die ihm zutheil wurde erzählt. Er läßt Dir bestens für deinen Gruß danken und bittet mich, ihm Dir seine ergebenste Empfehlung auszurichten. Seit 14 TagenWedekinds Einakter „Der Kammersänger“ (1899) hatte am 16.2.1901 am Münchner Schauspielhaus (Direktion: Georg Stollberg) Premiere gehabt (zusammen mit zwei Stücken anderer Autoren). Wedekind spielte in 5 der 8 Vorstellungen seines Stücks die Hauptrolle, zuerst bei der Premiere, angekündigt (so jeweils auch bei den anderen Auftritten): „Gerardo – Herr Frank Wedekind als Gast.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 54, Nr. 78, 16.2.1901, Vorabendblatt, S. 5] Das gefiel schon nach der Premiere: „Der gestrige Einakter-Abend verlief sehr angeregt. [...] Mit dem ‚Kammersänger‘ von Frank Wedekind wurden wir schon im letzten Sommer durch das Gastspiel des Heine-Ensembles bekannt gemacht. Die Attraktion der zweiten ‚Erstausführung‘ war das Auftreten des Verfassers in der Titelrolle.“ [Rth. (d.i. Willy Rath): Münchner Schauspielhaus. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 54, Nr. 82, 18.2.1901, S. 4] spiele ich hier alle zwei Tage Kammersänger vor gut besetzten Häusern. Nächste Woche gebe ich die Rolle an einen andern SchauspielerDie Rolle des Gerardo spielte ab dem 8.3.1901 Hans Schwartze. Die Presse meldete: „Kommenden Freitag wird an Stelle des Herrn Frank Wedekind Herr Hans Schwartze den Kammersänger in Wedekinds gleichnamigem Einakter spielen.“ [Münchener Schauspielhaus. In: Allgemeine Zeitung, Jg. 104, Nr. 59, 28.2.1901, Morgenblatt, S. 6] ab um dann meine Junge Welt herauszubringenWedekinds Versuch, seine Komödie „Die junge Welt“ (1897), die neubearbeitete Fassung von „Kinder und Narren“ (1891), auf die Bühne zu bringen, scheiterte; das Stück wurde erst 1908 uraufgeführt [vgl. KSA 2, S. 744f.]..

Mama lasse ich herzlichst für ihre lieben Zeilennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 22.2.1901. danken. Ich werde ihr nächster Tage ausführlich antworten.

Mit herzlichstem Gruß
Dein treuer Bruder
Frank.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 20 x 25 cm. Mit gedrucktem Briefkopf.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Der Brief ist nach einer in der EFFW (Mainz) vorhandenen Fotokopie des handschriftlichen Originals wiedergegeben, da sein Verbleib ‒ ehemals in der Autographensammlung Kleiber (Zürich), im Archiv Otto Kleiber (UB Basel) aber nicht vorhanden ‒ unbekannt ist.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    26. Februar 1901 (Dienstag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Dresden
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Es gibt keine Informationen zum Standort.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Erika (Mieze) Wedekind, 26.2.1901. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

12.03.2024 17:25