Kennung: 1393

München, 10. Januar 1913 (Freitag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Vollmoeller, Karl Gustav

Inhalt

Lieber Herr Vollmoeller!

Haben Sie herzlichen Dank für Ihre freundschaftlichen Zeilennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Vollmoeller an Wedekind, 9.1.1913.. Wie kommen Sie auf solche GedankenIn seiner nicht überlieferten Korrespondenz hatte Vollmoeller angeboten, sich für eine Aufführung von Wedekinds Drama „Musik“ (1908) in London einzusetzen und zunächst eine Übersetzung des Stücks ins Englische ins Spiel gebracht. Der Plan wurde nicht realisiert [vgl. Vollmoellers Brief an Wedekind vom 5.2.1913]. ? Sie haben es doch wahrlich mit Ihren eigenen Werken schwer genug. Noch vor vierzehn TagenEin Treffen mit dem Schriftsteller Oskar Mysing hielt Wedekind für den 29.12.1912 in seinem Tagebuch fest: „Nachmittag mit Dr. Oskar Mysing im Café Stefanie. Abends mit Mysing im R[ats]K[eller].“ sprach Dr. Oskar Mysing in größter Bewunderung von „MiracleVollmoellers wortloses Mysterienspiel „Das Mirakel“ (1912; engl. „The Miracle“) wurde am 23.12.1911 in der Olympia Hall in London uraufgeführt. Die Regie führte Max Reinhardt, der Komponist Engelbert Humperdinck steuerte die Musik bei. Das mit einem großen Ensemble aus Darstellern, Sängern, Tänzern und Chören aufwendig inszenierte Stück – das keinerlei Sprachbarrieren überwinden musste – wurde zu einem Welterfolg und erlebte noch vor dem Ersten Weltkrieg bei europaweiten Tourneen zahlreiche Aufführungen. Die deutsche Erstaufführung unter Leitung von Reinhardt fand am 30.4.1914 im Berliner Zirkus Busch statt. Für den 23.5.1914 hielt Wedekind im Tagebuch fest: „Abend Mirakel von Vollmoeller Zirkus Busch“. das er in London miterlebt hatte. In einem Gedanken muß ich | Ihnen vollkommen zustimmen, wäre aber schwerlich selber auf die Entdeckung gekommen, daß „Musik“ das einziger meiner Stücke ist, das in London möglich wäre; nur müßte Josef ReißnerDer Gesangslehrer Josef Reißner ist eine der beiden männlichen Hauptfiguren in Wedekinds „Musik“. als der Desperado gespielt werden, als den ich ihn gedacht, nicht als ein dekadenter Schwächling wie das in Deutschland geschah. Eine englische Übersetzung von Musik existiert meines Wissens nicht. Das Übersetzungsrecht wäre von Georg Müller zu erlangen. Und außer KammersängerDie englischsprachige Erstaufführung von Wedekinds Einakter „Der Kammersänger“ (1899, engl.: „The Court Singer“) durch die Incorporated Stage Society fand am 9./10.6.1907 am Imperial Theatre in London statt. ist meines Wissens nichts in England gespielt.

Aber noch einmal, lieber Herr | Vollmoeller, Sie haben doch wohl wichtigeres zu thun, und würden mich tief beschämen wollten Sie mir Ihre Zeit und Ihre Energien opfern. Daß ich Ihnen völlig freie Hand lasse, ist selbstverständlich, aber wie kann ich mich Ihnen dankbar erweisen. Die größte Freude wäre mir, wenn wir uns wieder einmal über unsere Erlebnisse und Beobachtungen aussprechen könnten. Lassen Sie mich es doch wissen wenn Sie wieder nach MünchenSoweit ermittelt sind sich Vollmoeller und Wedekind erst im Sommer 1914 in Berlin wiederbegegnet [vgl. Tb 6.6.1914]. kommen. Im Studgarter FestrummelFrank und Tilly Wedekind hatten den Eröffnungsfeierlichkeiten des neu erbauten Königlichen Staatstheaters in Stuttgart am 14./15.9.1912 beigewohnt. Der gebürtige Stuttgarter Vollmoeller hatte in seiner nicht überlieferten Korespondenz an Wedekind vermutlich erwähnt, dass man sich bei dieser Gelegenheit hätte sehen können. In Wedekinds Tagebuch, das für den Stuttgarter Auffenthalt (13.-17.9.1912) ein umfangreiches Programm dokumentiert, wird Vollmoellers Name jedoch nicht erwähnt. fand sich natürlich auch keine Gelegenheit zu ruhiger Aussprache, | wenigstens nicht für meine dortigen Bekannten und mich. Ich hoffe also mehr auf ein baldiges Wiedersehn als auf einen Erfolg in England.

Seien Sie herzlichst gegrüßt
von
Ihrem ergebenen Frank Wedekind.


München 10.1.13.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß xx x xx cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    10. Januar 1913 (Freitag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Deutsches Literaturarchiv Marbach

Schillerhöhe 8-10
71672 Marbach am Neckar
Deutschland

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Karl Vollmöller
Signatur des Dokuments:
D:Vollmöller, Karl
Standort:
Deutsches Literaturarchiv Marbach (Marbach am Neckar)

Danksagung

Wir danken dem Deutschen Literaturarchiv Marbach für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Karl Gustav Vollmoeller, 10.1.1913. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Mirko Nottscheid

Zuletzt aktualisiert

03.08.2020 15:10