Kennung: 1093

Paris, 24. Februar 1899 (Freitag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Weinhöppel, Hans Richard

Inhalt

Paris, 49 rue Bonaparte. 24.II.1899.


Lieber Freund,

gestern bin ich mit meiner gottverfluchten Arbeit fertig gewordenGemeint ist die erste vollständige Fassung des Dramas „Ein gefallener Teufel“, des späteren „Marquis von Keith“, mit dessen Vorstufen Wedekind in Zürich begonnen hatte. Die Überarbeitung des Stücks nahm Wedekind noch bis Ende Mai 1899 in Anspruch [vgl. Wedekinds Brief an Weinhöppel vom 22.5.1899].. Mein erstes ist es, Dir den Kammersänger zu schickenDie Beilage, ein Exemplar von Wedekinds Einakter „Der Kammersänger“, ist nicht überliefert. Offiziell wurde das im Verlag von Albert Langen (München) erschienene Buch erst am 10.3.1899 ausgeliefert [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr. 57, 10.3.1899, S. 1886]. und Dich zu fragen, wie es Dir geht. In Gedanken bin ich sehr viel bei Dir in München und ich habe auch die Zuversicht, daß ich über kurz oder lang in Wirklichkeit wieder dort sein werde. Ich wohne hier in dem nämlichen HotelGemeint ist das Hôtel Saint Georges (Rue Bonaparte 49), in dem die Dresdner Malerin Käthe (Katja) Juncker während ihres Aufenthaltes in Paris im Frühjahr 1892 logierte. Wedekind traf dort, wie aus seinem Tagebuch hervorgeht, oft mit ihr zusammen. So hielt er z. B. am 24.5.1892 fest: „Am Nachmittag gehe ich in’s Hotel St. George finde Katja allein und bitte sie um Aufklärung über ihr Benehmen.“ Vgl. auch Tb 3.5.1892, 16.5.1892, 26.5.1892 und 28.5.1892., in dem wir im Jahre 91 oder 92 mehrmals bei Katharina Junker zum Kaffe waren, wenn Du Dich dessen noch erinnerst. Erlebt habe ich hier noch so gut wie gar nichts, habe aber das Gefühl, daß jetzt irgend etwas Großes geschehen wird, was, das kann ich mir noch nicht recht vorstellen. |

Vor einigen Tagen erhielt ich einen Brief von MartensKurt Martens Brief an Wedekind vom 5.2.1899, in dem er ihm seine Verlobung mit Mary Fischer mitteilte. Martens hatte, wie aus demselben Brief hervorgeht, Wedkinds Pariser Adresse durch Weinhöppel erhalten. mit seiner Verlobungsanzeige. Er ist entschieden ein netter lieber Bengel. Ich schloß daraus, daß ihr öfter zusammen seid. Ich werde ihm auch dieser Tage gratuliren, wenn es Gottes Wille ist. Panizza vervollkommnet sich hier mehr und mehr in seiner Verrücktheit. Vor mehreren Wochen hatte er eine überaus taktlose Cartenicht überliefert. Der Exzentriker Panizza war Ende Oktober 1898 aus Zürich ausgewiesen worden [vgl. Wedekinds Brief an Weinhöppel vom 29.11.1898]. an Dich fabricirt und forderte mich auf, meinen Namen darauf zu setzen. Ich konnte mich nicht dazu entschließen aus Furcht, Du möchtest denken, der Inhalt beruhe auf Klatschereien meinerseits. –

Nach Frida und Donald frage ich Dich nicht mehrvgl. die vorigen Briefe Wedekinds an Weinhöppel seit dem 14.11.1898.. Ich weiß wie die Sachen liegen und bedaure nur, daß Du für all Deine Herzensgüte ein so undankbares Absatzgebiet gefunden hast.

Ich hoffe, daß Du mir in München nicht untreu wirst. Grüße immerhin Halbe, Martens, Weber, Oehlschleger, wenn Du sie siehst, aufs herzlichste. Vor acht Tagen war ich mit Langen, Grétor, und dem ehemaligen Impresariovgl. Wedekinds Brief an Weinhöppel vom 10.1.1899. der Adeline Patti, Strakosch, im Casino de Paris. Welch eine tötliche Langeweile im Vergleich zu jenen goldenen TagenDas Casino de Paris (Paris, Rue de Clichy 16), eine der ältesten und berühmtesten Konzerthallen von Paris, gehörte zu den Etablissements, die Weinhöppel und Wedekind während ihres gemeinsamen Aufenthalts in der französischen Hauptstadt frequentiert hatten [vgl. Tb 13.6.1892]., da wir uns dort zusammen amüsirten.

Ich schreibe diese Zeilen bei offnem Fenster; draußen das herrlichste Frühlingswetter. In den Champs Elisées beginnen die Bäume Blätter zu bekommen und auch ich schlage an allen Enden und Ecken aus.

Und nun leb wohl, lieber Freund. Laß mir bald eine erfreuliche Nachricht von Dir zukommen, vielleicht auch eine VerlobungsanzeigeWeinhöppel war mit der US-Amerikanerin Stella Brokow liiert, die 1900 seine zweite Frau wurde.. Vor allem bleib gesund und guten Muthes und sei aufs herzlichste gegrüßt von Deinem alten treuen

Frank.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 0 Blatt, davon 0 Seiten beschrieben

Sonstiges:
Das Korrespondenzstück ist nur im Druck überliefert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Paris
    24. Februar 1899 (Freitag)
    Sicher

  • Absendeort

    Paris
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Erster Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
334-335
Briefnummer:
151
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Es gibt keine Informationen zum Standort..

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Hans Richard Weinhöppel, 24.2.1899. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Mirko Nottscheid

Zuletzt aktualisiert

10.10.2023 15:47