Kennung: 1045

München, 1. April 1909 (Donnerstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Kerr, Alfred

Inhalt

Sehr geehrter Herr Kerr!

eben erhalte ich Ihre BeurtheilungAlfred Kerrs Rezension der Inszenierung von Wedekinds Lustspiel „Die junge Welt“ am Berliner Hebbel-Theater am 12.3.1909 durch die Akademische Bühne erschien am 14.3.1909 in der Berliner Tageszeitung „Der Tag“ und war ein Lob: „Mit dem Wagnis dieser Aufführung hat die Akademische Bühne wacker gehandelt. Ich dachte, das wäre nur so ein Verein ... aber sie riskiert was. Braaavo ‒ junge Welt! [...] die Belichtung des alten Vorgangs ist neu. [...] Wedekind hat diese Komödie, die ‚Junge Welt‘, vor drei Lustren zu Papier gebracht. [...] Wer das höchst selbständige Jugendwerk [...] sieht [...], der geht staunend durch einen Wald von Wirkungen ‒ Wirkungen in jedem dritten Satz, Humoren, Parodien, Illusionsstörungen (oder Daseinserinnerungen!) [...]. Ich könnte das Ganze noch etliche Male mit dem stärksten Vergnügen sehn.“ [Alfred Kerr: Frank Wedekind: „Die junge Welt“. Hebbel-Theater. Aufführung der „Akademischen Bühne“. In: Der Tag, Nr. 62, 14.3.1909, S. (1-2)]. meiner „Jungen Welt“. Ich empfinde Ihr Urtheil als eine Ehre die meiner Arbeit zutheil wurde. Über das Stück abzusprechen war natürlich sehr leicht, und die absprechenden Urtheile haben ja vollkommen recht. Sie heben die Zeit hervor, in der es enstandenSchreibversehen, statt: entstanden. ist. Aber ich wollte mir die Ehre | nehmen, Ihnen einen Vorschlag zu machen. Seien Sie streng gegen mich. Ich werde Sie nicht mißverstehn. Stellen Sie unerhörte Ansprüche. Seien Sie maßlos ungerecht aber systematisch. Natürlich bitte ich nicht um den Knüppel zwischen den Beinen sondern um die Gerte. Es muß mir jedenfalls lieber sein, wenn Sie mir helfen ohne daß jemand eine Ahnung davon hat als wenn jedermann weiß, daß Sie meiner Ar/r/beit Freund sind. Sie hätten | dabei die Kurzweil, erproben zu können, wie weit mein Verständnis für Hülfe geht. Denn wenn es zu weh thut, würde ich mich ja doch wohl bei Ihnen beklagen, und vielleicht umsonst. Bis dahin wäre es für uns Beide lustiger als der ewige Streit um Recht und Billigkeit. Das Kopfschütteln der Leser nähme gar kein Ende.

Mit besten Grüßen
Ihr
Frank Wedekind.


München 1.4.9Der 1. April markiert traditionell einen Aprilscherz. Wedekinds Tagebuch zufolge hat er den Brief aber einen Tag zuvor zumindest konzipiert, am 31.3.1909: „Brief an Kerr.“. Das Datum ist Zufall. Es soll keine Anspielung sein.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 3 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11,5 x 18 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Wedekinds Tagebuch zufolge hat er den Brief einen Tag zuvor zumindest konzipiert, denn er notierte am 31.3.1909: „Brief an Kerr.“

  • Schreibort

    München
    1. April 1909 (Donnerstag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefe der Expressionisten

Herausgeber:
Kasimir Edschmid
Verlag:
Frankfurt am Main, Berlin: Ullstein
Jahrgang:
1964
Seitenangabe:
130
Kommentar:
Der Nachsatz lautet hier: „Das Datum ist Zufall, es soll kein Aprilscherz sein.“
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Akademie der Künste

Pariser Platz 4
10117 Berlin
Deutschland

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Archiv Darstellende Kunst
Signatur des Dokuments:
Kerr 378
Standort:
Akademie der Künste (Berlin)

Danksagung

Wir danken der Akademie der Künste (Berlin) für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Alfred Kerr, 1.4.1909. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

06.03.2020 08:30