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Kennung: 5665

Lenzburg, 1. Juli 1884 (Dienstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Friedrich Wilhelm

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
  • Wedekind, William
 
 

Inhalt

Schloß Lenzburg, 1. Juli 1884


Meine lieben SöhneDer Brief ist an Frank und William Wedekind adressiert, die sich seit 1.5.1884 eine Wohnung in Lausanne (Chemin de Montchoisy, Villa Mon Caprice) teilten.!

Gestern Mittag haben wir ihn denn der Mutter Erde übergeben, den armen Hans, Deinen, lieber Bebifamilieninterner Kosename für Frank Wedekind., mehrjährigen HausgenossenArmin und Frank Wedekind hatten während ihrer Schuljahre 1879/80 und 1880/81 an der Kantonsschule Aarau zeitweise bei der Familie Rauchenstein (Halden 261) gewohnt., langjährigen trauten Freund, und zuletzt auch für Dich besorgter LehrerHans Rauchenstein studierte Altphilologie und war nach einem ergänzenden Geschichtsstudium seit dem 30.4.1884 Lehrer für Geschichte und klassische Philologie an der Kantonsschule Aarau [vgl. Eduard Leupold: Zur Erinnerung an Professor Dr. Hans Rauchenstein. Separatabdruck aus dem Centralblatt des Zofingervereins, Jg. 25, Nr.1. Genf 1884, S. 7-11]., und Deinen, lieber Willi, guten Bekannten. Obgleich er schon am 29. Mai erkrankt war, brachte Miezefamilieninterner Kosename für Erika Wedekind. uns erst am Samstag vor acht Tagenam 21.6.1884., also nur sechs Tage vor seinem Tod, die erste Nachricht von seinem schweren Kranksein und gleich am nächsten Mittag, Sonntagden 22.6.1884., als die Aargauische Naturforscherversammlungdie 1811 gegründete Aargauische Naturforschende Gesellschaft traf sich am 21.6.1884 in Lenzburg. Die Presse berichtete: „Am letzten Samstag hielt die aargauische naturforschenden Gesellschaft ihre Jahresversammlung im neuen Gemeindesaal in Lenzburg ab. Nach einem kurzen Eröffnungswort des derzeitigen Präsidenten, Herrn Dr. Schmutziger, hielt Herr Professor Dr. Tuchschmid einen längeren Vortrag über elektrische Maschinen und elektrische Beleuchtung. An der Hand von Experimenten suchte er die Zuhörer, unter welchen auch das schöne Geschlecht seine Vertretung aufwies, mit den Fortschritten der Elektro-Technik bekannt zu machen und in die Geheimnisse derselben einzuführen. Alsdann sprach noch Herr Dr. E. Meyer über die Diphteritis. Um 1 ½ Uhr vereinigten sich die Mitglieder der Gesellschaft zum gemeinschaftlichen Mittagessen in der ‚Krone‘, worauf sie einen Spaziergang unternahmen.“ [Der Bund, Jg. 35, Nr. 173, 24.6.1884, S. (3)] hier in Lenzburg tagte, erkundigte ich mich bei meinen Tischnachbarn in der Kronedas im 18. Jahrhundert erbaute Gasthaus Krone in Lenzburg (Kronenplatz 20)., Prof. SuterHeinrich Suter war von 1876 bis 1886 Mathematiklehrer an der Kantonsschule Aarau. und Dr CusterHermann Custer hatte die Gewerbeschule in Aarau besucht und wurde Apotheker, seit 1850 war er Münzwardein und kehrte 1857 nach Aarau zurück als Seidenbandfabrikant, später als Mineralwasserabfüller. Von 1863 bis 1875 war er Präsident der Aargauischen naturforschenden Gesellschaft., nach dem Befinden von Hans, konnte aber keine bestimmte Auskunft erhalten. Am Montagden 23.6.1884. mußte ich nach Zürich und beauftragte Mieze, bei FreysEduard Frey, Pfarrhelfer in Aarau (Kirchgasse 6) [vgl. Adreß-Buch der Stadt Aarau 1884, S. 21], zuvor Klasshelfer und Vikar in Lenzburg und Entfelden, war Hans Rauchensteins Schwager. Er hatte am 28.11.1876 dessen Halbschwester Bertha Luise Rauchenstein geheiratet, ihr erstes gemeinsames Kind, Hermann Frey, wurde am 9.5.1880 geboren. anzufragen, worauf die Antwort ziemlich e schlecht lautete. Am Dienstagden 24.6.1884. Nachmittag fuhr ich dann selber nach Aarau und verbrachte mehr denn eine volle Stunde bei dem unglücklichen VaterJohann Friedrich Rauchenstein, Altphilologe und ehemaliger Lehrer und Rektor an der Kantonsschule Aarau. und war auch mehr als zehn Minuten mit der noch unglücklicheren MutterSophie Rauchenstein (geb. Pfleger), zweite Ehefrau von Johann Friedrich Rauchenstein (seit 8.10.1852). Hans Rauchenstein war das einzige Kind aus dieser Verbindung, aus der ersten Ehe seines Vaters hatte er sechs Halbgeschwister. zusammen. Ersterer erzählte in der ruhigsten Weise den ganzen Hergang der Krankheit: plötzliches Auftreten des acuten Gelenkrheumatismus, starrer RigorMuskelstarre. in allen Gliedern, die er nicht ohne die heftigsten Schmerzen in den Gelenken bewegen konnte, so daß er fortwährend ganz steif und ohne alle Regung im Bette dalag und dabei das heftigste Fieber, so daß die h/B/lutwärme zuweilen bis auf 46° C: stieg, alles das in Folge einer Erkältung bei erhitztem Körper, aber wo wußte man nicht ob im Kasernenhof oder auf dem Schachengroße Grünfläche im Nordwesten von Aarau. beim Exerciren, oder aber in der kalten Kirche zu Brugggemeint ist vermutlich die reformierte Stadtkirche in Brugg (1227 erstmals urkundlich erwähnt)., gelegentlich der Lehrerkonferenz [oder] im eigenen Zimmer, demjenigen, wo Hammifamilieninterner Spitzname für Armin Wedekind. früher wohnte und wo Hans [oft bis] spät in der Nacht bei offenem Fenster arbeitete, während die naßkalte Luft [von der] Aare her herein drang. Gebettet war der Kranke in dem Visitenzimmer [vor] dem seines Vaters und da in beiden die Fenster aufstanden, schien [er wohl] meine Stimme gehört und erkannt zu haben, weshalb der Professor [um jede] Aufregung zu vermeiden, unser Fenster schloß. Meine Frage, [ob ich ihn] | sehen könne, wurde verneint, wie es ebenfalls dem Dr. Leupold Eduard Leupold, der vom Oktober 1879 bis Februar 1883 als Geschichts- und Lateinlehrer an der Kantonsschule Aarau angestellt war und Wedekind in beiden Fächern unterrichtet hatte, war aus gesundheitlichen Gründen im Frühjahr 1883 in seine Vaterstadt Zofingen zurückgekehrt, später Redakteur beim Aargauer Tagblatt. Er war seit 1875 Mitglied im Zofingerverein Basel [vgl. Mitgliederkatalog des Schweizer Zofingervereins, Staatsarchiv Basel, PA 515c A].ergangen war, der kurz vor mir auf eine Stunde beim Professor verweilte. So konnte ich denn nicht aus eigener Anschauung urtheilen und mußte mich auf das Referat des Vaters verlassen. Trotzdem daß Hans an demselben Morgen feierlich, ruhig und mit dem klarsten Bewußtsein mit dem innigsten Danke für das, was sie Gutes an ihm gethan, für hienieden Abschied von seinen Eltern genommen hatte, meinte der Vater dennoch, daß seit Mittag eine Art Krisis(med.) plötzliche Veränderung des Gesundheitszustandes. zum Bessern eingetreten sei und gab die Hoffnung auf Genesung nicht auf. In dieser Hoffnung bestärkte ihn denn auch ich, weil er mir sagte, daß Hans ruhig athme, bald eine Tasse Bouillon, bald ein Glas alten Bordeaux zu sich nehme und auch des Schlafes, allerdings unter Mithülfe von Morphium, nicht ganz entbehre, indem ich meinte, daß die Krankheit nach vier wöchentlicher Dauer mehr oder weniger aus dem acuten in das chronische Stadium übergegangen sei und letzteres zur Heilung doch mehr Zeit lasse. Aber schlimme Complicationen waren schon eingetreten, Affection(med.) Befall. des Herzens, des Brustfells und auch der Lungensubstanz selber, und die eine od. andre konnte ein jähes Ende herbeiführen. Nach vier Uhr verabschiedete ich mich und fuhr heim; am Mittwoch und Donnerstagden 25. und 26.6.1884. berichtete Mieze, daß der Zustand derselbe sei und am Freitagden 27.6.1884. Mittag sagte mir noch der Pfarrer LandoltRudolf Landolt, ehemaliger Lehrer, Klasshelfer und von 1855 bis 1892 Pfarrgehilfe in Lenzburg., der grad von Aarau und von Professors kam und dem ich bei der Post begegnete, daß Hans sich etwas besser befände. Am Samstag Mittag aber um 1 Uhr kam Mieze heim und als ich sie sofort nach Hans fragte, erhielten wir zu unser aller Schrecken die zögernde Antwort: [„]er ist gestorben, gestern Abend um [Textverlust], nachdem man ihn noch drei Stunden vorher gebadet“. Das continirlicheSchreibversehen, statt: continuirliche., heftige Fieber hatte alle seine Lebenskraft erschöpft. Sofort fuhr Mama nach [Aarau und] erkundigte sich bei Freys, ging dann ins Trauerhaus und sah den Todten [dort] aufgebahrt, zwar bleich aber ohne alle Entstellung, mit ruhigen Zügen. Nachdem [sie in der] Stadt noch einen Kranz gekauft u mit der Etiquette: „Von seinen treuen [Freunden ein] letztes Lebewohl“ versehen und dem Fräul. Pfleger Emma Pfleger (Halden 261) [vgl. Adreß-Buch der Stadt Aarau 1884, S. 38], vermutlich eine Verwandte von Sophie Rauchenstein (geb. Pfleger), die im gleichen Haus wie die Rauchensteins wohnte.übergeben hatte, [fuhr sie, ohne] die Eltern gesehen zu haben, zurück. Gesternam 30.6.1884. Mittag nun um | 11 Uhr drängte sich nach und nach in dem Dir wohlbekannten Straßenviertel ein zahlreiches Geleite zusammen und unterließ auch ich nicht, gleich vielen andern, in dem engen Hausgange an dem überaus reich mit Palmen und Kränzen bedeckten Sarge vorübergehend zu den betrübten Angehörigen hinaufzusteigen und ihnen die Hand zu drücken. Bald darauf setzte sich unter dem Geläute der Glocken der lange Zug in Bewegung, an den Seiten des Sarges gl/d/ie besten Freunde des Verstorbenen, gleich hinter den selben der Vater, der Pfarrer von MandachFriedrich Rauchenstein, Halbbruder von Hans Rauchenstein, hatte von 1866 bis 1901 das Pfarramt in dem rund 30 km von Aarau entfernten Mandach inne [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 40]., TraugottTraugott Rauchenstein, ein Halbbruder von Hans Rauchenstein. u. der Pf. FreyPfarrhelfer Eduard Frey (s. o.)., dann die Professoren der Kantonss. und die Lehrer der übrigen Schulen und hinter diesen die ältern Freunde der Familie, denen auch ich mich mit den Pfarrern BrinerEduard Briner aus Möriken bei Wildegg, von 1848 bis 1903 Pfarrer in Holderbank, dessen Sohn Karl Briner ein Mitschüler Hans Rauchensteins an der Kantonsschule Aarau war [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule 1878, S. 6]. und MerzRudolf Merz aus Menziken, von 1858 bis 1897 Pfarrer in Ammerswyl, zuvor Vikar in Ryken, ehemaliger Klassenkamerad von Hans Rauchenstein [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule 1878, S. 8]. aus Ammerswyl angeschlossen hatte. Darauf folgten die ZofingerMitglieder der nichtschlagenden Schüler- und Studentenverbindung Zofingia, in der Hans Rauchenstein von 1878 bis 1882 Mitglied in den Sektionen Lausanne, Basel und Zürich war, außerdem ab 1880 für ein Jahr Centralactuar und Leiter des Centralblatts der Zofingia [vgl. Eduard Leupold: Zur Erinnerung an Professor Dr. Hans Rauchenstein. Separatabdruck aus dem Centralblatt des Zofingervereins, Jg. 25, Nr.1. Genf 1884, S. 4-6]., etwa 20 an der Zahl, darunter 16 von Zürich und nach ihnen die militärischen KameradenSeinen Militärdienst absolvierte Hans Rauchenstein im Sommer 1882 in Freiburg und Aarau beim Bataillon 58 [vgl. Eduard Leupold: Zur Erinnerung an Professor Dr. Hans Rauchenstein. Separatabdruck aus dem Centralblatt des Zofingervereins, Jg. 25, Nr.1. Genf 1884, S. 9 u. 12]. von Hans, Arnold DürstArnold Dürst aus Lenzburg war Mitschüler von Hans Rauchenstein an der Kantonsschule Aarau [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule 1878, S. 8]., der jüngere LeupoldRudolf Leupold, Bruder von Eduard Leupold (s. o.), Anwalt und Gerichtsschreiber (Laurenzvorstadt 410) [vgl. Adreß-Buch der Stadt Aarau 1884, S.33], besuchte vom 9.6. bis 12.8.1884 die Rekrutenschule II, später Major. und andre in Uniform; darauf sämmtliche Kantonsschüler und zum Schluß eine Anzahl Aarauer Bürger. In der Abdankungshalle gruppirten sich unter BurgkmeiersDer Musiker und Sänger Josef Burgmeier war Gesangslehrer am Lehrerinnenseminar in Aarau [vgl. Adreß-Buch der Stadt Aarau 1884, S. 78]. Leitung die Sänger der Kantonsschule im Halbkreise vor der Rednerbühne und sangen ein „Ruheliedvermutlich Carl Friedrich Zelters Lied „Ruhe (Wanderers Nachtlied)“ (1814) nach dem Text von Johann Wolfgang Goethe, der allerdings auch von anderen Komponisten vertont worden war; möglicherweise auch das „Ruhelied“ von Gustav Eduard Ahner [in: Ders.: Christliche Lieder und Sonette. Eilenburg 1848, S. 29].“, wo ein kräftiges „Integer vitaeStudentenlied nach einem Text von Horaz („Integer vitae scelerisque purus“), zu Beginn des 19. Jahrhunderts vertont von Friedrich Ferdinand Fleming. etc.“, wie bei Augustin Kellerder im Jahr zuvor in Lenzburg verstorbene aargauische Lehrer und Politiker Augustin Keller. wohl passender und eindrucksvoller gewesen wäre. Darauf las der Pfarrer WernliRudolf Wernly war seit 1882 Stadtpfarrer von Aarau und zugleich Hebräischlehrer an der Kantonsschule. eine Trauerrede ab, nicht so mager und stereotyp, wie es hier immer der Fall ist, sondern gediegenen Inhalts und voller Gefühl, indem er zunächst den herben Verlust, den die alternden Eltern durch den Tod ihres jungen und hoffnungsvollen Sohnes, als auch die zahlreichen Freunde desselben erlitten, in ergreifenden Worten schilderte und dann den Lebensgang des Verstorbenen und seinen gediegenen Charakter besprach, alles das unterwoben mit manchen poesiereichen Bildern. Nun ging es hinaus zur Grabesstätte, wo der Rektor MaierKarl Maier, Lehrer für alte Sprachen, seit 1870 an der Kantonsschule Aarau, war von 1879 bis 1888 ihr Rektor. eine kurze Ansprache hielt, wohlgemeint, aber ein wenig trocken, zunächst vom Standpunkte als Lehrer des Hingeschiedenen aus und dann als sein College, den/r/ er gerade vor zwei Monaten, am 30 Apr. geworden. Ihm folgte zum Schluß der Zofinger Stud. theolog. EpprechtRobert Epprecht aus Zürich, Theologiestudent und Zofingia-Mitglied seit 1881, ab 1887 Pfarrer in Sternenberg, später in Illnau [vgl. Mitgliederkatalog des Schweizer Zofingervereins, Staatsarchiv Basel, PA 515c A]. aus Zürich Namens der Zofingia mit einer Rede so frisch und frei, so kräftig und hell, daß sie mehr als alles andere bisher Gehörte die Umstehenden ergriff und ihrer manchen zu Thränen rührte. Dem alten, wie du weißt etwas tauben Vater, welcher unmittelbar neben dem Redner stand, ist sicherlich kein Wort diesem herrlichen, von innigem Gefühl beseelten, ganz freien Vortrage entgangen | und als der Sprecher endlich für sich und sämmtliche Mitglieder der Zofingia dem vor ihm im Sarge liegenden, ihm durch den unerbittlichen Tod entrissenen Commilitonen ein letztes Lebewohl zurief und dabei das Zofinger Band auf den Sarg niederwarf, da ging es Vielen wie ein unwillkührliches Zucken durch das Herz und fragte dieser und jener seinen Nachbar: „wer werSchreibversehen (Wortwiederholung), statt: wer. ist denn der junge Mann, der so schön gesprochen hat?[“] Der Pfarrer von Mandach war der erste, der eine Scholle Erde ins Grab warf, dann Traugott, dann der Pfarrer Frey und nun erst der bekümmerte Vater, dem es sichtlich am härtesten ankam, nach ihm noch der Rektor May/i/er u zu letzt der General HerzogHans Herzog, schweizerischer General aus Aarau, Artillerie-Inspekteur und Mitglied der Aargauischen Naturforschenden Gesellschaft., worauf die Todtengräber die Gruft vollends schlossen u das Geleite sich wieder der Stadt zuwandte. Mit den Pfarrern Briner u Merz ging ich zum WildenmannGasthof im Haus zum Wildenmann (Vordere Vorstadt 667) [vgl. Adreß-Buch der Stadt Aarau 1884, S. 86] in Aarau, laut Reiseführer „Ganz einfach aber ordentlich“ [Iwan von Tschudi: Der Turist in der Schweiz. 27. Aufl. St. Gallen 1885, S. 41]. zum Essen, in Begleitung von Lutzvermutlich der Theologiestudent August Lutz, seit 1882 Mitglied der Zofingia St. Gallen, später in den Sektionen Basel und Zürich, seit 1890 Pfarrer in Wildhaus, ab 1899 in Gossau [vgl. Mitgliederkatalog des Schweizer Zofingervereins, Staatsarchiv Basel, PA 515c A]., der m/s/ich unterwegs schon bei mir nach Hammi erkundigt hatte und gleich darauf stellten sich auch die übrigen Zofinger ein, darunter Finslereiner der beiden Theologiestudenten Georg oder Rudolf Finsler aus Zürich [vgl. Matrikeledition der Universität Zürich: https://www.matrikel.uzh.ch], beide in den Sektionen Basel und Zürich der Zofingia aktiv. Rudolf Finsler wurde 1885 Pfarrer in Hausen am Albis, 1899 dann in der Nachfolge seines Vaters am Grossmünster in Zürich. Georg Finsler (23.1.1860–19.11.1920) war von 1884 bis 1900 Pfarrer in Hombrechtikon, dann Religionslehrer in Basel [vgl. Mitgliederkatalog des Schweizer Zofingervereins, Staatsarchiv Basel, PA 515c A]., Epprecht, der Präses Bachmannder seit 1881 in Zürich an der philosophischen Fakultät eingeschriebene Student Albert Bachmann war im Sommersemester 1884 Praeses der Zürcher Zofingia-Sektion [vgl. Matrikeledition der Universität Zürich: https://www.matrikel.uzh.ch], später schweizerischer Dialektologe und Professor für Germanistik, seit 1896 Chefredakteur des „Schweizerischen Idiotikons“ [vgl. Mitgliederkatalog des Schweizer Zofingervereins, Staatsarchiv Basel, PA 515c A]., BuhoferRudolf Buhofer aus Boniswil, seit 1881 Mitglied der Zofingia Basel, später der Sektion Zürich [vgl. Mitgliederkatalog des Schweizer Zofingervereins, Staatsarchiv Basel, PA 515c A], seit 1883 in Zürich als Theologiestudent eingeschrieben [vgl. Matrikeledition der Universität Zürich: https://www.matrikel.uzh.ch], ehemaliger Klassenkamerad Armin Wedekinds an der Kantonsschule Aarau [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule 1878, S. 7] und später Pfarrer in Uerkheim., LeuchGottfried Leuch aus Walzenhausen, seit 1881 Mitglied der Zofingia in St. Gallen [vgl. Mitgliederkatalog des Schweizer Zofingervereins, Staatsarchiv Basel, PA 515c A], seit 1884 in Zürich eingeschriebener Medizinstudent [vgl. Matrikeledition der Universität Zürich: https://www.matrikel.uzh.ch], später Stadtarzt und Sanitätsrat in Zürich., dessen Schwestern mit Mieze die Schule besuchen (aus Appenzell), Grafvermutlich Konrad Graf, seit 1878 Mitglied der Zofingia Basel, von 1881 bis 1882 in Zürich; Theologiestudent in Basel, Jena und Zürich, später Pfarrer in Rheinfelden (Aargau); möglicherweise aber auch stud. phil. Fritz Graf aus Zofingen, der seit 1882 Sektionsmitglied der Zofingia Zürich war, später Lehrer in Moudon [vgl. Mitgliederkatalog des Schweizer Zofingervereins, Staatsarchiv Basel, PA 515c A]. und die beiden Leupolddie Brüder Eduard und Rudolf Leupold aus Zofingen (s. o.).. Sie waren sehr freundlich gegen mich und luden mich nach dem Essen ein, mit ihnen allen nach dem Kreuzdas Gasthaus zum Kreuz (Jenseits der Aare 298) [vgl. Adreß-Buch der Stadt Aarau 1884, S. 86]. zu gehen, was ich aber ablehnte, um um 4 Uhr wieder hier obenauf Schloss Lenzburg. sein und noch einen Briefder Brief Friedrich Wilhelm Wedekinds an Armin Wedekind ist nicht überliefert. über die Trauerfeier an Hammi schreiben können, damit er heute in aller Frühe abgehe, was denn auch geschehen ist. Hammi war durch den Vater von Hans von der Krankheit dieses unterrichtet, in zweimaligen BriefenDie Korrespondenz zwischen der Familie Rauchenstein und Armin Wedekind ist nicht überliefert., und hat selbst dem Hans wiederholt geschrieben, nicht nur von Weimar aus, als er ihm erzählte, daß er tags zuvor das Zimmer, worin Hans wohnte, in JenaHans Rauchenstein war zur Promotion 1881 nach Jena gegangen, die er dort im Frühjahr mit der Arbeit „Der Feldzug Caesars gegen die Helvetier. Eine kritische Untersuchung mit einer vorausgehenden Abhandlung über die Glaubwürdigkeit der Commentarien“ 1882 erlangte [vgl. Eduard Leupold: Zur Erinnerung an Professor Dr. Hans Rauchenstein. Separatabdruck aus dem Centralblatt des Zofingervereins, Jg. 25, Nr.1. Genf 1884, S. 7-9]. inspicirte, ja am Tage vor dem Tode soll noch ein Brief von Hammi eingelaufen sein und Hans der Vorlesung desselben noch zugehört haben. Im Ganzen ist es mir doch lieb, daß Hammi nicht hier war, es würde ihn zu sehr angegriffen haben, und wie oft habe ich dieser Tage Gott gedankt, daß Du und er [in] Rauchensteins Hause so gut ohne Krankheit davon gekommen seid, wenn nicht vielleicht auch du den Keim zu der DeinigenBezug unklar. in demselben erhalten hast. Eine StiefschwesterHans Rauchensteins Halbschwester Anna Maria Elisabeth Rauchenstein aus der ersten Ehe seines Vaters starb am 5.11.1855 im Alter von 11 Jahren. von Hans ist vor Zeiten im Alter von sechszehnSchreibversehen, statt: sechzehn. Jahren ganz an der selben Krankheit gestorben und wenn ich nicht irre später auch ein Pensionairnicht identifiziert.. – Hr. SpilkerDer Apotheker Adolf Spilker aus Vilsen bei Hannover war vermutlich seit Herbst 1883 in der Lenzburger Löwenapotheke der verwitweten Bertha Jahn als Provisor tätig. hat für den 1. Oct. eine Stelle in Oldenburg angenommen, um näher bei seinem kranken Vater zu sein. Heute beraten wir die Reparatur des Giebels des Landvogthausesspätgotisches Gebäude mit Staffelgiebel im Lenzburger Schloss, das seit 1444 Sitz der bernischen Landvögte gewesen war.. Mit der Wäsche erhaltet Ihr Briefe von HammiEs dürften sich um Briefe an die Eltern gehandelt haben, die Armin Wedekind nach Lenzburg geschickt hatte und die der Vater nun, um Porto zu sparen, mit der Wäschesendung an die Brüder in Lausanne zur Lektüre weiterleitete, später aber wieder zurückerbat [vgl. Friedrich Wilhelm Wedekind an William Wedekind, 24.7.1884; Mü FW B 312]. Die Korrespondenz ist nicht überliefert., seine Thüringer ReiseÜber Armin Wedekinds Reise durch Thüringen ist nichts bekannt. Er studierte seit dem Wintersemester 1883/84 Medizin in Göttingen. betreffend. Jetzt gehabt Euch beide wohl u lernt fleißig. Mit besten Grüßen von Allen Euer treuer Papa.


[um 180 Grad gedreht am Kopf der Seite 4:]


Eure BriefeÜberliefert sind Frank Wedekinds Brief an seine Mutter [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 26.6.1884] und das Briefgedicht an seine Schwester [vgl. Frank Wedekind an Emilie (Mati) Wedekind, 26.6.1884]. mit der Wäsche sind zu Handen und läßt Mati sich vielmals bei Dir, Bebi, bedanken für das schöne Gedicht auf Rosapapier. Tante Sophie hat es auch gelesen und Fräul. Hächlervermutlich Anna Hächler, Lehrerin in Lenzburg [vgl. Schweizerische Lehrerinnen-Zeitung, Jg. 20, Nr. 5, 15.2.1916, S. 114]. wird es abschreiben. Frau Baueckerinnicht näher identifiziert; Lesung unsicher. hat eine Buben, Sänger+[Textverlust] gehörnten


[um 180 Grad gedreht am Kopf der Seite 3:]


Beste Grüße an Mons. RuffieuxDer Versicherungsagent und Kaufmann Emile Ruffieux in Lausanne, bei dem William Wedekind seine Ausbildung absolvierte. und die Familie GrosDer Tierarzt Emile Daniel Gros und seine Frau Hortense mit vier Kindern, bei denen Frank und William Wedekind in Lausanne wohnten (Chemin de Montchoisy, Villa Mon Caprice)., die auch vielleicht bald größer wird. Schreibt mir auch einmal was neues von dort, Hr. Fritz Eichmöglicherweise der Kaufmann Friedrich Eich, der in Lenzburg seit 1883 „Fabrikation und Handel von gezogenen und gesponnenen Pferdehaaren, Borsten etc.“ [Schweizerisches Handelsamtblatt, Nr. 108, II. Teil, 27.7.1883, S. 867] betrieb. brachte nur einen Gruß. Mit den


[um 180 Grad gedreht am Kopf der Seite 2:]


Amerikanern steht es wieder schlecht, am 24. Juni ist eine neue KriseNach der Bankenkrise von 1873 erlebten die USA in den Jahren 1882 bis 1885 erneut eine Wirtschaftskrise, die sich seit Mai 1884, nach dem Bankrott mehrerer Nationalbanken und der dadurch ausgelösten Panik auf den Finanzmärkten, zuspitzte, was Wedekinds Vater, der einen Großteil seines Vermögens in Wertpapieren angelegt hatte, beunruhigte [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 42]. An seinen Sohn William schrieb er zunächst, er habe „aus der Frankfurter Zeitung erfahren […], daß in Folge der Newyorker Panik meine Bonds nur um 1-2 Proc. heruntergegangen sind, welcher Rückgang wohl schon in den nächsten Tagen wieder ausgeglichen sein wird“ [Friedrich Wilhelm Wedekind an William Wedekind, 20.6.1884; Mü FW B 312]. Zu dem genannten Datum konnte er in der gleichen Zeitung dann aber lesen: „Newyorker Börse. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß die Wunden, welche die letzte Panik an der Newyorker Börse geschlagen hat, noch keineswegs vernarbt sind, daß im Gegentheil nicht allein die Nachwehen mitunter noch ziemlich heftig hervortreten, sondern, wie die neuesten Berichte aus Newyork leider vermuthen lassen, daß man sich auch auf neue Erschütterungen vorbereiten muß. Sicher ist, daß seit einigen Tagen wieder eine hochgradige Mißstimmung und Vertrauenslosigkeit Platz gegriffen hat, die nicht allein in weiteren scharfen Coursrückgängen der Fonds zum Ausdruck gekommen sind, sondern sich auch neuerdings auf den Wechselmarkt, der in unserem Kabelbericht des Morgenblattes als demoralisirt bezeichnet wird, erstreckt haben. [...] Allein die panikartige Tendenz der gestrigen Börse läßt darauf schließen, daß doch noch ernstere Dinge im Anzuge sind, die vielleicht auch theilweise mit Befürchtungen wegen des nahe bevorstehenden Juli-Coupon-Termins im Zusammenhang stehen dürften.“ [Frankfurter Zeitung, Jg. 28, Nr. 176, 24.6.1884, Abendblatt, S. 3] ausgebrochen und so komme ich nicht aus den Sorgen heraus; im Weinberge geht es bislang noch gut, noch keine bes [Textverlust]

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Rautiertes Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 21,5 x 27 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Textverlust durch Papierausriss in der unteren rechten Ecke auf Seite 1 und entsprechend auf Seite 2 sowie am oberen Rand.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 1.7.1884 ist als Ankerdatum gesetzt – der Tag nach der Beerdigung von Hans Rauchenstein am 30.6.1884.

  • Schreibort

    Lenzburg
    1. Juli 1884 (Dienstag)
    Ermittelt (sicher)

  • Absendeort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lausanne
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefwechsel mit den Eltern 1868‒1915. Band 1: Briefe

(Band 1)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2021
Seitenangabe:
35-40
Briefnummer:
14
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 312
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Friedrich Wilhelm Wedekind an Frank Wedekind, William Wedekind, 1.7.1884. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (12.03.2025).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

27.02.2025 13:25
Kennung: 5665

Lenzburg, 1. Juli 1884 (Dienstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Friedrich Wilhelm

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
  • Wedekind, William
 
 

Inhalt

Schloß Lenzburg, 1. Juli 1884


Meine lieben SöhneDer Brief ist an Frank und William Wedekind adressiert, die sich seit 1.5.1884 eine Wohnung in Lausanne (Chemin de Montchoisy, Villa Mon Caprice) teilten.!

Gestern Mittag haben wir ihn denn der Mutter Erde übergeben, den armen Hans, Deinen, lieber Bebifamilieninterner Kosename für Frank Wedekind., mehrjährigen HausgenossenArmin und Frank Wedekind hatten während ihrer Schuljahre 1879/80 und 1880/81 an der Kantonsschule Aarau zeitweise bei der Familie Rauchenstein (Halden 261) gewohnt., langjährigen trauten Freund, und zuletzt auch für Dich besorgter LehrerHans Rauchenstein studierte Altphilologie und war nach einem ergänzenden Geschichtsstudium seit dem 30.4.1884 Lehrer für Geschichte und klassische Philologie an der Kantonsschule Aarau [vgl. Eduard Leupold: Zur Erinnerung an Professor Dr. Hans Rauchenstein. Separatabdruck aus dem Centralblatt des Zofingervereins, Jg. 25, Nr.1. Genf 1884, S. 7-11]., und Deinen, lieber Willi, guten Bekannten. Obgleich er schon am 29. Mai erkrankt war, brachte Miezefamilieninterner Kosename für Erika Wedekind. uns erst am Samstag vor acht Tagenam 21.6.1884., also nur sechs Tage vor seinem Tod, die erste Nachricht von seinem schweren Kranksein und gleich am nächsten Mittag, Sonntagden 22.6.1884., als die Aargauische Naturforscherversammlungdie 1811 gegründete Aargauische Naturforschende Gesellschaft traf sich am 21.6.1884 in Lenzburg. Die Presse berichtete: „Am letzten Samstag hielt die aargauische naturforschenden Gesellschaft ihre Jahresversammlung im neuen Gemeindesaal in Lenzburg ab. Nach einem kurzen Eröffnungswort des derzeitigen Präsidenten, Herrn Dr. Schmutziger, hielt Herr Professor Dr. Tuchschmid einen längeren Vortrag über elektrische Maschinen und elektrische Beleuchtung. An der Hand von Experimenten suchte er die Zuhörer, unter welchen auch das schöne Geschlecht seine Vertretung aufwies, mit den Fortschritten der Elektro-Technik bekannt zu machen und in die Geheimnisse derselben einzuführen. Alsdann sprach noch Herr Dr. E. Meyer über die Diphteritis. Um 1 ½ Uhr vereinigten sich die Mitglieder der Gesellschaft zum gemeinschaftlichen Mittagessen in der ‚Krone‘, worauf sie einen Spaziergang unternahmen.“ [Der Bund, Jg. 35, Nr. 173, 24.6.1884, S. (3)] hier in Lenzburg tagte, erkundigte ich mich bei meinen Tischnachbarn in der Kronedas im 18. Jahrhundert erbaute Gasthaus Krone in Lenzburg (Kronenplatz 20)., Prof. SuterHeinrich Suter war von 1876 bis 1886 Mathematiklehrer an der Kantonsschule Aarau. und Dr CusterHermann Custer hatte die Gewerbeschule in Aarau besucht und wurde Apotheker, seit 1850 war er Münzwardein und kehrte 1857 nach Aarau zurück als Seidenbandfabrikant, später als Mineralwasserabfüller. Von 1863 bis 1875 war er Präsident der Aargauischen naturforschenden Gesellschaft., nach dem Befinden von Hans, konnte aber keine bestimmte Auskunft erhalten. Am Montagden 23.6.1884. mußte ich nach Zürich und beauftragte Mieze, bei FreysEduard Frey, Pfarrhelfer in Aarau (Kirchgasse 6) [vgl. Adreß-Buch der Stadt Aarau 1884, S. 21], zuvor Klasshelfer und Vikar in Lenzburg und Entfelden, war Hans Rauchensteins Schwager. Er hatte am 28.11.1876 dessen Halbschwester Bertha Luise Rauchenstein geheiratet, ihr erstes gemeinsames Kind, Hermann Frey, wurde am 9.5.1880 geboren. anzufragen, worauf die Antwort ziemlich e schlecht lautete. Am Dienstagden 24.6.1884. Nachmittag fuhr ich dann selber nach Aarau und verbrachte mehr denn eine volle Stunde bei dem unglücklichen VaterJohann Friedrich Rauchenstein, Altphilologe und ehemaliger Lehrer und Rektor an der Kantonsschule Aarau. und war auch mehr als zehn Minuten mit der noch unglücklicheren MutterSophie Rauchenstein (geb. Pfleger), zweite Ehefrau von Johann Friedrich Rauchenstein (seit 8.10.1852). Hans Rauchenstein war das einzige Kind aus dieser Verbindung, aus der ersten Ehe seines Vaters hatte er sechs Halbgeschwister. zusammen. Ersterer erzählte in der ruhigsten Weise den ganzen Hergang der Krankheit: plötzliches Auftreten des acuten Gelenkrheumatismus, starrer RigorMuskelstarre. in allen Gliedern, die er nicht ohne die heftigsten Schmerzen in den Gelenken bewegen konnte, so daß er fortwährend ganz steif und ohne alle Regung im Bette dalag und dabei das heftigste Fieber, so daß die h/B/lutwärme zuweilen bis auf 46° C: stieg, alles das in Folge einer Erkältung bei erhitztem Körper, aber wo wußte man nicht ob im Kasernenhof oder auf dem Schachengroße Grünfläche im Nordwesten von Aarau. beim Exerciren, oder aber in der kalten Kirche zu Brugggemeint ist vermutlich die reformierte Stadtkirche in Brugg (1227 erstmals urkundlich erwähnt)., gelegentlich der Lehrerkonferenz [oder] im eigenen Zimmer, demjenigen, wo Hammifamilieninterner Spitzname für Armin Wedekind. früher wohnte und wo Hans [oft bis] spät in der Nacht bei offenem Fenster arbeitete, während die naßkalte Luft [von der] Aare her herein drang. Gebettet war der Kranke in dem Visitenzimmer [vor] dem seines Vaters und da in beiden die Fenster aufstanden, schien [er wohl] meine Stimme gehört und erkannt zu haben, weshalb der Professor [um jede] Aufregung zu vermeiden, unser Fenster schloß. Meine Frage, [ob ich ihn] | sehen könne, wurde verneint, wie es ebenfalls dem Dr. Leupold Eduard Leupold, der vom Oktober 1879 bis Februar 1883 als Geschichts- und Lateinlehrer an der Kantonsschule Aarau angestellt war und Wedekind in beiden Fächern unterrichtet hatte, war aus gesundheitlichen Gründen im Frühjahr 1883 in seine Vaterstadt Zofingen zurückgekehrt, später Redakteur beim Aargauer Tagblatt. Er war seit 1875 Mitglied im Zofingerverein Basel [vgl. Mitgliederkatalog des Schweizer Zofingervereins, Staatsarchiv Basel, PA 515c A].ergangen war, der kurz vor mir auf eine Stunde beim Professor verweilte. So konnte ich denn nicht aus eigener Anschauung urtheilen und mußte mich auf das Referat des Vaters verlassen. Trotzdem daß Hans an demselben Morgen feierlich, ruhig und mit dem klarsten Bewußtsein mit dem innigsten Danke für das, was sie Gutes an ihm gethan, für hienieden Abschied von seinen Eltern genommen hatte, meinte der Vater dennoch, daß seit Mittag eine Art Krisis(med.) plötzliche Veränderung des Gesundheitszustandes. zum Bessern eingetreten sei und gab die Hoffnung auf Genesung nicht auf. In dieser Hoffnung bestärkte ihn denn auch ich, weil er mir sagte, daß Hans ruhig athme, bald eine Tasse Bouillon, bald ein Glas alten Bordeaux zu sich nehme und auch des Schlafes, allerdings unter Mithülfe von Morphium, nicht ganz entbehre, indem ich meinte, daß die Krankheit nach vier wöchentlicher Dauer mehr oder weniger aus dem acuten in das chronische Stadium übergegangen sei und letzteres zur Heilung doch mehr Zeit lasse. Aber schlimme Complicationen waren schon eingetreten, Affection(med.) Befall. des Herzens, des Brustfells und auch der Lungensubstanz selber, und die eine od. andre konnte ein jähes Ende herbeiführen. Nach vier Uhr verabschiedete ich mich und fuhr heim; am Mittwoch und Donnerstagden 25. und 26.6.1884. berichtete Mieze, daß der Zustand derselbe sei und am Freitagden 27.6.1884. Mittag sagte mir noch der Pfarrer LandoltRudolf Landolt, ehemaliger Lehrer, Klasshelfer und von 1855 bis 1892 Pfarrgehilfe in Lenzburg., der grad von Aarau und von Professors kam und dem ich bei der Post begegnete, daß Hans sich etwas besser befände. Am Samstag Mittag aber um 1 Uhr kam Mieze heim und als ich sie sofort nach Hans fragte, erhielten wir zu unser aller Schrecken die zögernde Antwort: [„]er ist gestorben, gestern Abend um [Textverlust], nachdem man ihn noch drei Stunden vorher gebadet“. Das continirlicheSchreibversehen, statt: continuirliche., heftige Fieber hatte alle seine Lebenskraft erschöpft. Sofort fuhr Mama nach [Aarau und] erkundigte sich bei Freys, ging dann ins Trauerhaus und sah den Todten [dort] aufgebahrt, zwar bleich aber ohne alle Entstellung, mit ruhigen Zügen. Nachdem [sie in der] Stadt noch einen Kranz gekauft u mit der Etiquette: „Von seinen treuen [Freunden ein] letztes Lebewohl“ versehen und dem Fräul. Pfleger Emma Pfleger (Halden 261) [vgl. Adreß-Buch der Stadt Aarau 1884, S. 38], vermutlich eine Verwandte von Sophie Rauchenstein (geb. Pfleger), die im gleichen Haus wie die Rauchensteins wohnte.übergeben hatte, [fuhr sie, ohne] die Eltern gesehen zu haben, zurück. Gesternam 30.6.1884. Mittag nun um | 11 Uhr drängte sich nach und nach in dem Dir wohlbekannten Straßenviertel ein zahlreiches Geleite zusammen und unterließ auch ich nicht, gleich vielen andern, in dem engen Hausgange an dem überaus reich mit Palmen und Kränzen bedeckten Sarge vorübergehend zu den betrübten Angehörigen hinaufzusteigen und ihnen die Hand zu drücken. Bald darauf setzte sich unter dem Geläute der Glocken der lange Zug in Bewegung, an den Seiten des Sarges gl/d/ie besten Freunde des Verstorbenen, gleich hinter den selben der Vater, der Pfarrer von MandachFriedrich Rauchenstein, Halbbruder von Hans Rauchenstein, hatte von 1866 bis 1901 das Pfarramt in dem rund 30 km von Aarau entfernten Mandach inne [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 40]., TraugottTraugott Rauchenstein, ein Halbbruder von Hans Rauchenstein. u. der Pf. FreyPfarrhelfer Eduard Frey (s. o.)., dann die Professoren der Kantonss. und die Lehrer der übrigen Schulen und hinter diesen die ältern Freunde der Familie, denen auch ich mich mit den Pfarrern BrinerEduard Briner aus Möriken bei Wildegg, von 1848 bis 1903 Pfarrer in Holderbank, dessen Sohn Karl Briner ein Mitschüler Hans Rauchensteins an der Kantonsschule Aarau war [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule 1878, S. 6]. und MerzRudolf Merz aus Menziken, von 1858 bis 1897 Pfarrer in Ammerswyl, zuvor Vikar in Ryken, ehemaliger Klassenkamerad von Hans Rauchenstein [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule 1878, S. 8]. aus Ammerswyl angeschlossen hatte. Darauf folgten die ZofingerMitglieder der nichtschlagenden Schüler- und Studentenverbindung Zofingia, in der Hans Rauchenstein von 1878 bis 1882 Mitglied in den Sektionen Lausanne, Basel und Zürich war, außerdem ab 1880 für ein Jahr Centralactuar und Leiter des Centralblatts der Zofingia [vgl. Eduard Leupold: Zur Erinnerung an Professor Dr. Hans Rauchenstein. Separatabdruck aus dem Centralblatt des Zofingervereins, Jg. 25, Nr.1. Genf 1884, S. 4-6]., etwa 20 an der Zahl, darunter 16 von Zürich und nach ihnen die militärischen KameradenSeinen Militärdienst absolvierte Hans Rauchenstein im Sommer 1882 in Freiburg und Aarau beim Bataillon 58 [vgl. Eduard Leupold: Zur Erinnerung an Professor Dr. Hans Rauchenstein. Separatabdruck aus dem Centralblatt des Zofingervereins, Jg. 25, Nr.1. Genf 1884, S. 9 u. 12]. von Hans, Arnold DürstArnold Dürst aus Lenzburg war Mitschüler von Hans Rauchenstein an der Kantonsschule Aarau [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule 1878, S. 8]., der jüngere LeupoldRudolf Leupold, Bruder von Eduard Leupold (s. o.), Anwalt und Gerichtsschreiber (Laurenzvorstadt 410) [vgl. Adreß-Buch der Stadt Aarau 1884, S.33], besuchte vom 9.6. bis 12.8.1884 die Rekrutenschule II, später Major. und andre in Uniform; darauf sämmtliche Kantonsschüler und zum Schluß eine Anzahl Aarauer Bürger. In der Abdankungshalle gruppirten sich unter BurgkmeiersDer Musiker und Sänger Josef Burgmeier war Gesangslehrer am Lehrerinnenseminar in Aarau [vgl. Adreß-Buch der Stadt Aarau 1884, S. 78]. Leitung die Sänger der Kantonsschule im Halbkreise vor der Rednerbühne und sangen ein „Ruheliedvermutlich Carl Friedrich Zelters Lied „Ruhe (Wanderers Nachtlied)“ (1814) nach dem Text von Johann Wolfgang Goethe, der allerdings auch von anderen Komponisten vertont worden war; möglicherweise auch das „Ruhelied“ von Gustav Eduard Ahner [in: Ders.: Christliche Lieder und Sonette. Eilenburg 1848, S. 29].“, wo ein kräftiges „Integer vitaeStudentenlied nach einem Text von Horaz („Integer vitae scelerisque purus“), zu Beginn des 19. Jahrhunderts vertont von Friedrich Ferdinand Fleming. etc.“, wie bei Augustin Kellerder im Jahr zuvor in Lenzburg verstorbene aargauische Lehrer und Politiker Augustin Keller. wohl passender und eindrucksvoller gewesen wäre. Darauf las der Pfarrer WernliRudolf Wernly war seit 1882 Stadtpfarrer von Aarau und zugleich Hebräischlehrer an der Kantonsschule. eine Trauerrede ab, nicht so mager und stereotyp, wie es hier immer der Fall ist, sondern gediegenen Inhalts und voller Gefühl, indem er zunächst den herben Verlust, den die alternden Eltern durch den Tod ihres jungen und hoffnungsvollen Sohnes, als auch die zahlreichen Freunde desselben erlitten, in ergreifenden Worten schilderte und dann den Lebensgang des Verstorbenen und seinen gediegenen Charakter besprach, alles das unterwoben mit manchen poesiereichen Bildern. Nun ging es hinaus zur Grabesstätte, wo der Rektor MaierKarl Maier, Lehrer für alte Sprachen, seit 1870 an der Kantonsschule Aarau, war von 1879 bis 1888 ihr Rektor. eine kurze Ansprache hielt, wohlgemeint, aber ein wenig trocken, zunächst vom Standpunkte als Lehrer des Hingeschiedenen aus und dann als sein College, den/r/ er gerade vor zwei Monaten, am 30 Apr. geworden. Ihm folgte zum Schluß der Zofinger Stud. theolog. EpprechtRobert Epprecht aus Zürich, Theologiestudent und Zofingia-Mitglied seit 1881, ab 1887 Pfarrer in Sternenberg, später in Illnau [vgl. Mitgliederkatalog des Schweizer Zofingervereins, Staatsarchiv Basel, PA 515c A]. aus Zürich Namens der Zofingia mit einer Rede so frisch und frei, so kräftig und hell, daß sie mehr als alles andere bisher Gehörte die Umstehenden ergriff und ihrer manchen zu Thränen rührte. Dem alten, wie du weißt etwas tauben Vater, welcher unmittelbar neben dem Redner stand, ist sicherlich kein Wort diesem herrlichen, von innigem Gefühl beseelten, ganz freien Vortrage entgangen | und als der Sprecher endlich für sich und sämmtliche Mitglieder der Zofingia dem vor ihm im Sarge liegenden, ihm durch den unerbittlichen Tod entrissenen Commilitonen ein letztes Lebewohl zurief und dabei das Zofinger Band auf den Sarg niederwarf, da ging es Vielen wie ein unwillkührliches Zucken durch das Herz und fragte dieser und jener seinen Nachbar: „wer werSchreibversehen (Wortwiederholung), statt: wer. ist denn der junge Mann, der so schön gesprochen hat?[“] Der Pfarrer von Mandach war der erste, der eine Scholle Erde ins Grab warf, dann Traugott, dann der Pfarrer Frey und nun erst der bekümmerte Vater, dem es sichtlich am härtesten ankam, nach ihm noch der Rektor May/i/er u zu letzt der General HerzogHans Herzog, schweizerischer General aus Aarau, Artillerie-Inspekteur und Mitglied der Aargauischen Naturforschenden Gesellschaft., worauf die Todtengräber die Gruft vollends schlossen u das Geleite sich wieder der Stadt zuwandte. Mit den Pfarrern Briner u Merz ging ich zum WildenmannGasthof im Haus zum Wildenmann (Vordere Vorstadt 667) [vgl. Adreß-Buch der Stadt Aarau 1884, S. 86] in Aarau, laut Reiseführer „Ganz einfach aber ordentlich“ [Iwan von Tschudi: Der Turist in der Schweiz. 27. Aufl. St. Gallen 1885, S. 41]. zum Essen, in Begleitung von Lutzvermutlich der Theologiestudent August Lutz, seit 1882 Mitglied der Zofingia St. Gallen, später in den Sektionen Basel und Zürich, seit 1890 Pfarrer in Wildhaus, ab 1899 in Gossau [vgl. Mitgliederkatalog des Schweizer Zofingervereins, Staatsarchiv Basel, PA 515c A]., der m/s/ich unterwegs schon bei mir nach Hammi erkundigt hatte und gleich darauf stellten sich auch die übrigen Zofinger ein, darunter Finslereiner der beiden Theologiestudenten Georg oder Rudolf Finsler aus Zürich [vgl. Matrikeledition der Universität Zürich: https://www.matrikel.uzh.ch], beide in den Sektionen Basel und Zürich der Zofingia aktiv. Rudolf Finsler wurde 1885 Pfarrer in Hausen am Albis, 1899 dann in der Nachfolge seines Vaters am Grossmünster in Zürich. Georg Finsler (23.1.1860–19.11.1920) war von 1884 bis 1900 Pfarrer in Hombrechtikon, dann Religionslehrer in Basel [vgl. Mitgliederkatalog des Schweizer Zofingervereins, Staatsarchiv Basel, PA 515c A]., Epprecht, der Präses Bachmannder seit 1881 in Zürich an der philosophischen Fakultät eingeschriebene Student Albert Bachmann war im Sommersemester 1884 Praeses der Zürcher Zofingia-Sektion [vgl. Matrikeledition der Universität Zürich: https://www.matrikel.uzh.ch], später schweizerischer Dialektologe und Professor für Germanistik, seit 1896 Chefredakteur des „Schweizerischen Idiotikons“ [vgl. Mitgliederkatalog des Schweizer Zofingervereins, Staatsarchiv Basel, PA 515c A]., BuhoferRudolf Buhofer aus Boniswil, seit 1881 Mitglied der Zofingia Basel, später der Sektion Zürich [vgl. Mitgliederkatalog des Schweizer Zofingervereins, Staatsarchiv Basel, PA 515c A], seit 1883 in Zürich als Theologiestudent eingeschrieben [vgl. Matrikeledition der Universität Zürich: https://www.matrikel.uzh.ch], ehemaliger Klassenkamerad Armin Wedekinds an der Kantonsschule Aarau [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule 1878, S. 7] und später Pfarrer in Uerkheim., LeuchGottfried Leuch aus Walzenhausen, seit 1881 Mitglied der Zofingia in St. Gallen [vgl. Mitgliederkatalog des Schweizer Zofingervereins, Staatsarchiv Basel, PA 515c A], seit 1884 in Zürich eingeschriebener Medizinstudent [vgl. Matrikeledition der Universität Zürich: https://www.matrikel.uzh.ch], später Stadtarzt und Sanitätsrat in Zürich., dessen Schwestern mit Mieze die Schule besuchen (aus Appenzell), Grafvermutlich Konrad Graf, seit 1878 Mitglied der Zofingia Basel, von 1881 bis 1882 in Zürich; Theologiestudent in Basel, Jena und Zürich, später Pfarrer in Rheinfelden (Aargau); möglicherweise aber auch stud. phil. Fritz Graf aus Zofingen, der seit 1882 Sektionsmitglied der Zofingia Zürich war, später Lehrer in Moudon [vgl. Mitgliederkatalog des Schweizer Zofingervereins, Staatsarchiv Basel, PA 515c A]. und die beiden Leupolddie Brüder Eduard und Rudolf Leupold aus Zofingen (s. o.).. Sie waren sehr freundlich gegen mich und luden mich nach dem Essen ein, mit ihnen allen nach dem Kreuzdas Gasthaus zum Kreuz (Jenseits der Aare 298) [vgl. Adreß-Buch der Stadt Aarau 1884, S. 86]. zu gehen, was ich aber ablehnte, um um 4 Uhr wieder hier obenauf Schloss Lenzburg. sein und noch einen Briefder Brief Friedrich Wilhelm Wedekinds an Armin Wedekind ist nicht überliefert. über die Trauerfeier an Hammi schreiben können, damit er heute in aller Frühe abgehe, was denn auch geschehen ist. Hammi war durch den Vater von Hans von der Krankheit dieses unterrichtet, in zweimaligen BriefenDie Korrespondenz zwischen der Familie Rauchenstein und Armin Wedekind ist nicht überliefert., und hat selbst dem Hans wiederholt geschrieben, nicht nur von Weimar aus, als er ihm erzählte, daß er tags zuvor das Zimmer, worin Hans wohnte, in JenaHans Rauchenstein war zur Promotion 1881 nach Jena gegangen, die er dort im Frühjahr mit der Arbeit „Der Feldzug Caesars gegen die Helvetier. Eine kritische Untersuchung mit einer vorausgehenden Abhandlung über die Glaubwürdigkeit der Commentarien“ 1882 erlangte [vgl. Eduard Leupold: Zur Erinnerung an Professor Dr. Hans Rauchenstein. Separatabdruck aus dem Centralblatt des Zofingervereins, Jg. 25, Nr.1. Genf 1884, S. 7-9]. inspicirte, ja am Tage vor dem Tode soll noch ein Brief von Hammi eingelaufen sein und Hans der Vorlesung desselben noch zugehört haben. Im Ganzen ist es mir doch lieb, daß Hammi nicht hier war, es würde ihn zu sehr angegriffen haben, und wie oft habe ich dieser Tage Gott gedankt, daß Du und er [in] Rauchensteins Hause so gut ohne Krankheit davon gekommen seid, wenn nicht vielleicht auch du den Keim zu der DeinigenBezug unklar. in demselben erhalten hast. Eine StiefschwesterHans Rauchensteins Halbschwester Anna Maria Elisabeth Rauchenstein aus der ersten Ehe seines Vaters starb am 5.11.1855 im Alter von 11 Jahren. von Hans ist vor Zeiten im Alter von sechszehnSchreibversehen, statt: sechzehn. Jahren ganz an der selben Krankheit gestorben und wenn ich nicht irre später auch ein Pensionairnicht identifiziert.. – Hr. SpilkerDer Apotheker Adolf Spilker aus Vilsen bei Hannover war vermutlich seit Herbst 1883 in der Lenzburger Löwenapotheke der verwitweten Bertha Jahn als Provisor tätig. hat für den 1. Oct. eine Stelle in Oldenburg angenommen, um näher bei seinem kranken Vater zu sein. Heute beraten wir die Reparatur des Giebels des Landvogthausesspätgotisches Gebäude mit Staffelgiebel im Lenzburger Schloss, das seit 1444 Sitz der bernischen Landvögte gewesen war.. Mit der Wäsche erhaltet Ihr Briefe von HammiEs dürften sich um Briefe an die Eltern gehandelt haben, die Armin Wedekind nach Lenzburg geschickt hatte und die der Vater nun, um Porto zu sparen, mit der Wäschesendung an die Brüder in Lausanne zur Lektüre weiterleitete, später aber wieder zurückerbat [vgl. Friedrich Wilhelm Wedekind an William Wedekind, 24.7.1884; Mü FW B 312]. Die Korrespondenz ist nicht überliefert., seine Thüringer ReiseÜber Armin Wedekinds Reise durch Thüringen ist nichts bekannt. Er studierte seit dem Wintersemester 1883/84 Medizin in Göttingen. betreffend. Jetzt gehabt Euch beide wohl u lernt fleißig. Mit besten Grüßen von Allen Euer treuer Papa.


[um 180 Grad gedreht am Kopf der Seite 4:]


Eure BriefeÜberliefert sind Frank Wedekinds Brief an seine Mutter [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 26.6.1884] und das Briefgedicht an seine Schwester [vgl. Frank Wedekind an Emilie (Mati) Wedekind, 26.6.1884]. mit der Wäsche sind zu Handen und läßt Mati sich vielmals bei Dir, Bebi, bedanken für das schöne Gedicht auf Rosapapier. Tante Sophie hat es auch gelesen und Fräul. Hächlervermutlich Anna Hächler, Lehrerin in Lenzburg [vgl. Schweizerische Lehrerinnen-Zeitung, Jg. 20, Nr. 5, 15.2.1916, S. 114]. wird es abschreiben. Frau Baueckerinnicht näher identifiziert; Lesung unsicher. hat eine Buben, Sänger+[Textverlust] gehörnten


[um 180 Grad gedreht am Kopf der Seite 3:]


Beste Grüße an Mons. RuffieuxDer Versicherungsagent und Kaufmann Emile Ruffieux in Lausanne, bei dem William Wedekind seine Ausbildung absolvierte. und die Familie GrosDer Tierarzt Emile Daniel Gros und seine Frau Hortense mit vier Kindern, bei denen Frank und William Wedekind in Lausanne wohnten (Chemin de Montchoisy, Villa Mon Caprice)., die auch vielleicht bald größer wird. Schreibt mir auch einmal was neues von dort, Hr. Fritz Eichmöglicherweise der Kaufmann Friedrich Eich, der in Lenzburg seit 1883 „Fabrikation und Handel von gezogenen und gesponnenen Pferdehaaren, Borsten etc.“ [Schweizerisches Handelsamtblatt, Nr. 108, II. Teil, 27.7.1883, S. 867] betrieb. brachte nur einen Gruß. Mit den


[um 180 Grad gedreht am Kopf der Seite 2:]


Amerikanern steht es wieder schlecht, am 24. Juni ist eine neue KriseNach der Bankenkrise von 1873 erlebten die USA in den Jahren 1882 bis 1885 erneut eine Wirtschaftskrise, die sich seit Mai 1884, nach dem Bankrott mehrerer Nationalbanken und der dadurch ausgelösten Panik auf den Finanzmärkten, zuspitzte, was Wedekinds Vater, der einen Großteil seines Vermögens in Wertpapieren angelegt hatte, beunruhigte [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 42]. An seinen Sohn William schrieb er zunächst, er habe „aus der Frankfurter Zeitung erfahren […], daß in Folge der Newyorker Panik meine Bonds nur um 1-2 Proc. heruntergegangen sind, welcher Rückgang wohl schon in den nächsten Tagen wieder ausgeglichen sein wird“ [Friedrich Wilhelm Wedekind an William Wedekind, 20.6.1884; Mü FW B 312]. Zu dem genannten Datum konnte er in der gleichen Zeitung dann aber lesen: „Newyorker Börse. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß die Wunden, welche die letzte Panik an der Newyorker Börse geschlagen hat, noch keineswegs vernarbt sind, daß im Gegentheil nicht allein die Nachwehen mitunter noch ziemlich heftig hervortreten, sondern, wie die neuesten Berichte aus Newyork leider vermuthen lassen, daß man sich auch auf neue Erschütterungen vorbereiten muß. Sicher ist, daß seit einigen Tagen wieder eine hochgradige Mißstimmung und Vertrauenslosigkeit Platz gegriffen hat, die nicht allein in weiteren scharfen Coursrückgängen der Fonds zum Ausdruck gekommen sind, sondern sich auch neuerdings auf den Wechselmarkt, der in unserem Kabelbericht des Morgenblattes als demoralisirt bezeichnet wird, erstreckt haben. [...] Allein die panikartige Tendenz der gestrigen Börse läßt darauf schließen, daß doch noch ernstere Dinge im Anzuge sind, die vielleicht auch theilweise mit Befürchtungen wegen des nahe bevorstehenden Juli-Coupon-Termins im Zusammenhang stehen dürften.“ [Frankfurter Zeitung, Jg. 28, Nr. 176, 24.6.1884, Abendblatt, S. 3] ausgebrochen und so komme ich nicht aus den Sorgen heraus; im Weinberge geht es bislang noch gut, noch keine bes [Textverlust]

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Rautiertes Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 21,5 x 27 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Textverlust durch Papierausriss in der unteren rechten Ecke auf Seite 1 und entsprechend auf Seite 2 sowie am oberen Rand.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 1.7.1884 ist als Ankerdatum gesetzt – der Tag nach der Beerdigung von Hans Rauchenstein am 30.6.1884.

  • Schreibort

    Lenzburg
    1. Juli 1884 (Dienstag)
    Ermittelt (sicher)

  • Absendeort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lausanne
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefwechsel mit den Eltern 1868‒1915. Band 1: Briefe

(Band 1)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2021
Seitenangabe:
35-40
Briefnummer:
14
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 312
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Friedrich Wilhelm Wedekind an Frank Wedekind, William Wedekind, 1.7.1884. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (12.03.2025).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

27.02.2025 13:25