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Herrn
München |
P. P.
Wir erfüllen hiemit die
schmerzliche Pflicht, Ihnen mitzutheilen, dass uns unser lieber Sohn und Bruder Die Eltern von Moritz Dürr waren Ludwig Dürr-Heusler, der aus Lenzburg stammte, in Burgdorf aufwuchs und 1862 die Strohhutfabrik Dürr und Neuhaus gründete, sowie Amalie Dürr-Heusler, die Tochter des 1879 verstorbenen Lenzburger Arztes Rudolf Häusler. Es gab zwei ältere Brüder Ernst Dürr-Wirth und Ludwig Theodor Dürr-Willer; sie übernahmen die Strohhutfabrik [Burgerarchiv Burgdorf, https://www.burgerarchiv-burgdorf.findbuch.net/php/main.php?ar_id=3689#5065727320444c]. Die beiden Schwestern waren schon vor Moritz Dürr verstorben.
Wir bitten, den lieben
Dahingeschiedenen in freundlichem Andenken zu behalten Wedekind schuf 30 Jahre später in einem gedruckten Interview ein bleibendes Andenken an den Freund, indem er die Entstehung seiner Tragikomischen Charakterposse „DER SCHNELLMALER oder KUNST UND MAMMON“ (Erstfassung 23.4.1886; Uraufführung 29.7.1916) mit einer halbwahren Geschichte der letzten Monate von Moritz Dürrs Tod verknüpfte: „Der ursprünglichste Entstehungsgedanke meines literarischen Erstlingswerkes ist auf den unglücklichen Kunstschüler Moritz Dürr zurückzuführen. Als mir nämlich mein Freund die Mitteilung machte, er wolle sich aus der Welt schaffen, war natürlich mein erster Gedanke, darüber ein Drama zu schreiben. Dürr nahm lebhaften Anteil an diesem Drama und erklärte, er werde nur noch so lange leben und seinen Selbstmord so lange aufschieben, bis das Drama aufgeführt sei. [...] Schließlich ist aber auch ein Erstlingsdrama nicht von heute auf morgen fertig. Als ein halbes Jahr verstrichen war und das Drama immer noch auf sich warten ließ, wurde meinem Freunde die Sache zu dumm, er ging planmäßig an die Ausführung seines Selbstmordgedankens. Er verkaufte zwischen Neujahr und Weihnachten 1885 seine Habseligkeiten in München, darunter eine sehr wertvolle Violine von Steiner in Bern, und reiste, um die Tat zu verschleiern, in die Schweiz. Das konnte nicht auffallen da Dürr ein ausgezeichneter Alpinist war. An einem Tage in der Zeit zwischen den Jahren ging Dürr auf den großen Mythen, einen Berg hinter Schwyz, von der Form des Matterhorns. Auf den Serpentinen kam mein lebensmüder Freund bis fast zur Spitze, eine Schneewehe hatte den Weg vollständig verdeckt. In seiner Tollkühnheit ging Dürr um die Schneewehe herum, glitt aus und sauste ohne Unterbrechung bis ins Tal hinab. Am nächsten Tage fiel Neuschnee, so daß man acht Tage brauchte, um die Leiche aufzufinden und zu bergen [...]“ [Josef M. Jurinek: Frank Wedekinds literarische Anfänge. Unveröffentlichte Bekenntnisse des Dichters. Neues Wiener Journal, Jg. 24, Nr. 8215, 12.9.1916, S. 5]..
Die
trauernde Familie
Die Beerdigung findet statt:
Dienstag den 27. April, Vormittags 11 Uhr.
Bestehend aus 1 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben
Uhrzeit im Postausgangsstempel Burgdorf „XII [= 12 Uhr]“. Uhrzeit im Posteingangsstempel München „VOR. 7-8 [= 7-8 Uhr]“.
Burgdorf
25. April 1886 (Sonntag)
Sicher
Burgdorf
26. April 1886 (Montag)
Sicher
27. April 1886 (Dienstag)
Sicher
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia
Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13
Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.
Ludwig Dürr-Heusler, Amalia Dürr-Heusler, Ludwig Rudolf Ernst Dürr, Ludwig Theodor Dürr an Frank Wedekind, 25.4.1886. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (08.12.2025).
Anke Lindemann