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Sehr geehrter Herr,
Ich goutiere Ihre Werke ‒ und besonders „ Frühlings Erwachen“, den „Erdgeist“
und vieles aus der „Fürstin Russalka“ ‒ als allerfeinste litterarische Delikatessen und habe die Absicht,
Ist es Ihnen eine Freude, zu hören, daß man sich
auf Studentenbuden in Berlin N. bei Whisky und
Cigaretten Gedichte Wedekinds unter dem Titel „Die Jahreszeiten“ im Sammelband „Die Fürstin Russalka“ (1897) veröffentlichte Gedichtsammlung, später „Die vier Jahreszeiten“ (1905) [vgl. KSA 1/I, S. 808-811]. aus der „Fürstin Russalka“ vorliest, dass man diese
erlesenen Leckerbissen mit Gourmand-MienenFeinschmecker-Mienen ‒ nach ‚gourmand‘ (frz.) = Feinschmecker, Leckermaul, Naschkatze; mit weniger gieriger Komponente ‚gourmet‘ (frz.) = Feinschmecker. schlürft, sie diskutiert und ‒ componiert, daß man sich Ihre Bücher gekauft hat
und Sie ‒ pardon! ‒ sogar ein bischen lieb hat? ‒
Ich habe Sie in der Leipziger „ Litterarischen
Gesellschaft“ einen Prolog zum „Erdgeist“ sprechen hören Wedekind hat den Prolog zum „Erdgeist“ (die Tragödie wurde am 25.2.1898 uraufgeführt) erstmals bei der 8. Vorstellung von Carl Heines „Erdgeist“-Inszenierung des Ibsen-Theaters durch die Literarische Gesellschaft am 24.6.1898 in Leipzig gesprochen ‒ ihr „geht ein vom Dichter verfaßter und gesprochener Prolog voraus.“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 92, Nr. 314, 24.6.1898, Morgen-Ausgabe, 1. Beilage, S. 4804] Der Prolog wurde in der 9. Vorstellung am 27.6.1898 ‒ „Dem Stücke geht auch diesmal der originelle vom Dichter verfaßte und gesprochene Prolog voraus“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 92, Nr. 319, 27.6.1898, Morgen-Ausgabe, Beilage, S. 4892] ‒ und in der 10. Vorstellung am 29.6.1998 wiederholt: „Eingeleitet wird das Stück wieder durch den Prolog des Dichters.“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 92, Nr. 323, 29.6.1898, Morgen-Ausgabe, 1. Beilage, S. 4935] Ferdinand Hardekopf hat da noch in Leipzig studiert; welche „Erdgeist“-Vorstellung er besuchte, ist unklar.. Damals gab Waldemar
den Dr. SchönArthur Waldemar, Schauspieler im Ensemble des Theaters der Literarischen Gesellschaft in Leipzig [vgl. Neuer Theater-Almanach 1899, S. 408], spielte bei der Leipziger „Erdgeist“-Inszenierung von Carl Heine ab der Vorstellung vom 24.6.1898 (siehe oben) die männliche Hauptrolle, wie die Presse meldete: „Den Dr. Schön spielt jetzt Arthur Waldemar“ [Ibsen-Theater. In: Leipziger Tageblatt, Jg. 92, Nr. 314, 24.6.1898, Morgen-Ausgabe, 1. Beilage, S. 4804]. Bei der Uraufführung des „Erdgeist“ im Kristallpalast in Leipzig am 25.2.1898 und nachfolgenden Vorstellungen spielte Wedekind die Rolle des Dr. Schön [vgl. KSA 3/II, S. 1216-1218]., Fräulein Taliansky die LuluLeonie Taliansky, Schauspielerin im Ensemble des Theaters der Literarischen Gesellschaft in Leipzig [vgl. Neuer Theater-Almanach 1899, S. 408], spielte bei der Uraufführung des „Erdgeist“ im Kristallpalast in Leipzig am 25.2.1898 und weiteren Vorstellungen (siehe oben) die Rolle der Lulu.. ‒ Ich habe in den Berliner FeuilletonsFerdinand Hardekopf hat in der „linksliberal“ [Echte 2015, S. 170] eingestellten „Eisenacher Tagespost“ jeweils „Berliner Brief“ überschriebene Feuilletons über die Kultur in der Reichshauptstadt Berlin veröffentlicht, insgesamt 29 Beiträge (den ersten am 23.4.1899, den letzten am 25.12.1902), von denen 24 Beiträge nachgedruckt vorliegen [vgl. Echte 2015, S. 173]., die ich für ein Eisenacher Blatt
schreiben darf, ein paar Bemerkungen über | SieIn Ferdinand Hardekopfs am 7.5.1899 veröffentlichtem „Berliner Brief“ (siehe oben) heißt es: „Und es ist vor allem ein Dichter, dessen bizarres und dekadentes Talent zur Variétékunst in ihrer feinsten Blüthe geradezu geschaffen scheint: Frank Wedekind. Diesem merkwürdigen Litteraten, Schauspieler und Weltmann ist die ganze Welt und die halbe Welt ein einziges Variété, ein zugleich blendendes und langweilendes, trauriges und lächerliches Durcheinanderwirbeln menschlicher Artisten und Specialitäten, mögen es nun Journalisten, Theaterdirektoren, Kammersänger, Tänzerinnen oder russische Gräfinnen sein.“ [Echte 2015, S. 16] Wedekind ist dann noch als Figur in Otto Julius Bierbaums Roman „Stilpe“ (1897) im Zusammenhang mit der dort geschilderten Varieté-Gründung erwähnt: „der ‚Zungenschnalzer‘ Wedekind ist der Einzige, der brauchbare Beiträge liefert“ [Echte 2015, S. 17]. Im „Berliner Brief“ vom 23.7.1899 ist im Zusammenhang mit Zensurmaßnahmen von ihm die Rede: „Herr Frank Wedekind, sitzt zu Leipzig in Untersuchungshaft!“ [Echte 2015, S. 32] Im „Berliner Brief“ vom 28.11.1899 ist wiederum „der geistreich-tolle Tingeltangel- und Circusdichter Frank Wedekind“ genannt, außerdem der Dramatiker: „Schon hört man, daß man seinen ‚Kammersänger‘ aufführen will. Warum nicht lieber [...] die Variété-Tragikomödie ‚Der Erdgeist‘, dies capriciöse Werk, in dem die tiefsten Fragen der Menschheit zwischen Revolverknallen und Barrisonmusik erörtert werden?“ [Echte 2015, S. 46] gemacht, soweit die heilige
Rücksicht auf ein wohlerzogenes Provinzpublikum mir das erlaubte. Diese Artikel
übersende ich IhnenFerdinand Hardekopfs dem Brief beigelegte Feuilletons aus der „Eisenacher Tagespost“ sind verschollen. Bis zum Schreibdatum des vorliegenden Briefs lagen den „Berliner Brief“ enthaltende Ausgaben vom 23.4.1899, 7.5.1899, 11.6.1899, 11.7.1899, 23.7.1899, 13.8.1899 (ein Feuilleton „zur Finkenschaft der Berliner Studenten und ihren Plan eines Musenalmanachs“ [Echte 2015, S. 173]; nicht bei Echte 2015 nachgedruckt), 19.9.1899 und 28.11.1899 vor. Ferdinand Hardekopf dürfte Wedekind den am 7.5.1899, 23.7.1899 und 28.11.1899 erschienenen „Berliner Brief“ übersandt haben, da Wedekind in diesen Beiträgen namentlich erwähnt ist (siehe oben), vielleicht auch den am 13.8.1899 veröffentlichten „Berliner Brief“. gleichzeitig mit diesen Zeilen.
Sie würden mich, wenn Sie meine Bitte gütigst
erfüllen wollten, zu herzlichem Dank verpflichten.
Mit vorzüglicher Hochachtung
ergebenst
Ferd. Hardekopf
Journalist
vom 20. Dezember an:
Berlin- Charlottenburg,
Bestehend aus 2 Blatt, davon 3 Seiten beschrieben
Dresden
17. Dezember 1899 (Sonntag)
Sicher
Dresden
Datum unbekannt
Datum unbekannt
Historisches Museum Schloss Lenzburg
CH-5600 Lenzburg
Schweiz
Schloss Lenzburg
Wir danken dem Historischen Museum Schloss Lenzburg für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.
Ferdinand Hardekopf an Frank Wedekind, 17.12.1899. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (18.11.2025).
Ariane Martin