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Sehr verehrter
Herr!
Vorerst muss ich Dr. phil. Toyoichiro Nogami, Literaturwissenschaftler, Schriftsteller und Übersetzer, der englische (und europäische) Literatur sowie das japanische Nō-Theater an der Kaiserlichen Universität von Tokio studiert hatte [vgl. The Japan Biographical Encyclopedia & Who’s Who. Tokio 1961, S. 1078]; seit 1906 mit der Schriftstellerin Yaeko Nogami (geb. Kotegawa Yae) verheiratet, seit 1908 Dozent an der privaten Hōsei Universität in Tokio.
um Ihre gütigste Entschuldigung bitten, weil ich ohne gehörigen
Empfehlungsbrief von Ihren Bekannten an Sie schreibe. Sie können sich wohl
vorstellen die Schwierigkeit womit man hier einen solchen bekommen kann. Mein
Versuch bei hiesiger deutschen Botschaft ist auch vergeblich geblieben.
Das einzige Ziel
meines Briefes ist um Ihre gütigste Bewilligung zu bitten, dass ich Ihre
wertvolles Werk „ Frühlings Erwachen“ in unsre Muttersprache übersetzen Toyoichiro Nogami hatte bereits mit der japanischen Übersetzung von Wedekind Tragödie „Frühlings Erwachen“ („Haru no mezame“) begonnen und einen Teil bereits im Juli 1912 in der japanischen Literaturzeitschrift „Mozaiku“ publiziert. Die von Wedekind autorisierte Übersetzung erschien im Sommer 1913 als Vorabdruck in Tokio in der auflagenstarken Tageszeitung „Yomiuri“, die Buchausgabe kam 1914 im Verlag der Buchhandlung Higashi in Tokio heraus. Artur Kutscher schrieb: „1913 ist ‚Frühlingserwachen‘ auch ins Japanische übertragen von Dr. Toyo Ichiro Nogami und mit Erklärungen, einigen Bildern und einem biographischen Nachworte gedruckt worden.“ [Kutscher 1, S. 256] darf.
Vor einigen | Jahre, als ich noch in hiesiger kaiserlichen Universität
studierte, bin ich zum ersten Male mit diesem Werke bekannt geworden, zwar
durch eine englische ÜbersetzungFrancis Joseph Zieglers Übersetzung von „Frühlings Erwachen“ ins Englische erschien unter dem Titel „The Awakening of Spring. A Tragedy of Childhood“ (1909) im Verlag Brown Brothers in Philadelphia (Pennsylvania/USA). von Herr F. L. Ziegler. Erst neulich ist es
mir gelungen das Original (Verlag G. Müller)Wedekinds Werke erschienen seit 1910 im Georg Müller Verlag in München. „Frühlings Erwachen“ (1891) wurde dort zuerst in Band 2 der „Gesammelten Werke“ (1912) Wedekinds nachgedruckt, die erst im neuen Jahr als erschienen angezeigt waren [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 80, Nr. 50, 3.3.1913, S. 2347]; diese Fassung der Kindertragödie im Georg Müller Verlag „greift auf die Fassung von 1903 zurück“ [KSA 2, 776], die als 3. Auflage im Albert Langen Verlag erschienen war (die 2. Auflage war 1894 bei Caesar Schmidt in Zürich erschienen, die 1. Auflage bei Jean Groß in Zürich). kennen zu lernen. Dabei ist der
Wunsch in mir rege geworden dieses schöne Werk in Japanisch zu übersetzen.
Unter Ihren Schriften sind schon „Der KammersängerEine japanische Übersetzung von Wedekinds Einakter „Der Kammersänger“ (1899) durch Mori Rintaro ist im Januar 1908 in der Theaterzeitschrift „Kabuki“ erschienen.“ und einige kurzen
ErzählungenFrancis J. Zieglers Übersetzung von Wedekinds Erzählungen „Rabbi Esra“ (1897) und „Das Opferlamm“ (1897) ins Englische erschien unter dem Titel „Rabbi Esra. The Victim. Two Stories“ (1911) bei Brown Brothers in Philadelphia (Pennsylvania/USA). in unsrer literarischen Welt ziemlich bekannt, zwar meistens durch
die englische Übersetzung. In einer höheren Lehranstaltdie Waseda-Universität in Tokio [vgl. Toyoichiro Nogami an Wedekind, 6.6.1913]. in Tokio liest man über
Ihren „So ist das Leben“ vor. Einer meiner Freundeder Germanist Mitsunobu Yamagishi [vgl. Toyoichiro Nogami an Wedekind, 6.6.1913]. bringt | gegenwärtig vor
seinem Katheder einem Kommentar über die im Rede stehende Tragödie. Mein
innigster Wunsch ist es unser literarisches Publikum mit dieser schönster
Kindertragödie bekannt zu machen. Was mich anbetrifft, möchte ich Ihnen
ergebenst mitteilen, dass ich bis jetzt einige Romanenicht ermittelt. geschrieben, und dazu
noch einige europäischen Schriften übersetztToyoichiro Nogami hat unter anderem Werke von William Shakespeare, Jane Austen, George Bernard Shaw und Jonathan Swift ins Japanische übersetzt, sich aber auch mit deutscher und französischer Literatur beschäftigt.. Ich muss aber gestehen das ich
noch niemals eine solche Begeisterung in mir verspürt habe, als ich es
unternommen hatte, Ihr „Frühlings
Das Buche
beabsichtige in tunlichst so auszustatten dass es dem höheren Geschmak passt.
Wenn Sie auch noch so liebenswürdig sein wollen, mich mit Ihrem Bild und
eventuell den Bildern aus der Aufführung dieser Tragödie begünstigen wollen,
möchte ich diese reproduzieren lassen und dem Buche einen erhöhten Glanz
erteilen. |
Indem ich mich
bestens empfehle und auf Ihre wohlwollende Antwort ganz ergebenst warte,
verbleibe ich achtungsvoll.
Ihr Dr. Toyoichirô
Nogami,
[Kuvert:]
AnHerrn Frank WedekindHochwohlgeborenBerlinDeutschland. |
Absender:
Dr. T. Nogami
Tokio, Sugamo
Kami Komagome 334.
Japan.
Bestehend aus 5 Blatt, davon 7 Seiten beschrieben
Der Postausgangsstempel Tokio trägt das Datum „2.3.8.“ (= 8.3.1913); die vorstehende „2“ bezeichnet das zweite Jahr der sogenannten Taishō-Zeit, die 1912 mit der Regentschaft von Kaiser Yoshihito begann. Der an Wedekinds frühere Berliner Wohnung adressierte Brief befand sich den Zustellvermerken zufolge am 26.3.1913 in Berlin und wurde von dort nach München weiterverschickt.
Tokio
7. März 1913 (Freitag)
Sicher
Tokio
8. März 1913 (Samstag)
Sicher
9. März 1913 (Sonntag)
26. März 1913 (Mittwoch)
0
Ermittelt (sicher)
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia
Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13
Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.
Toyoichiro Nogami an Frank Wedekind, 7.3.1913. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (28.10.2025).
Mirko Nottscheid
Ariane Martin