Hamburg,
d. 5.11.99.
Mein lieber Freund ‒ das war aber eine Ueberraschung! Lassen Sie sich
von ganzem Herzen danken, für Ihre lieben Zeilenein Begleitbrief zu einem Geburtstagsgeschenk, einem Handspiegel [vgl. Wedekind an Beate Heine, 2.11.1899]. und den geradezu berückenden
Spiegel. Ich habe wirklich noch kaum etwas so wunderbar Hübsches u.
Geschmackvolles gesehn! Ich werde ihn mit Freude
brauchen ‒ Ihr Gedenken und daß Sie
sich für mich wirkliche Mühe gegeben haben, um mir so etwas Schönes zu
schenken, | das hat mich tief gerührt und im tiefsten Herzen gefreut. Also,
nochmals 1000 Dank! ‒ ‒ Wir haben die letzte Woche des Oktober in Berlin
verlebt ‒ aber: der Aufenthalt wurde
sehr traurig ‒ meine Tante
Peterseneine Schwester von Beate Heines Mutter (siehe unten); ihr Tod ist in der Presse unter „Sterbefälle“ angezeigt: „Frau Anna Petersen geb. Weimann (Berlin).“ [Berliner Tageblatt, Jg. 28, Nr. 554, 30.12.1899, Abend-Ausgabe, S. (4)] die schwer gelitten, starb während unseres Dortseins, und, wenn sie
mir auch persönlich nicht so nahe stand, so doch im Andenken an meine MutterBeate Heine war in jungen Jahren öfters gemeinsam mit ihrer Mutter ‒ Franziska Wüerst (geb. Weimann), am 22.10.1888 in Berlin gestorben ‒ als Konzertsängerin aufgetreten, die wie sie auch Gesangslehrerin gewesen ist und mit der sie seinerzeit in einer Wohnung zusammenlebte. ‒ u. im Hinblick auf ihre älteste
Tochter, meine Cousine FrankaFranziska Petersen, viereinhalb Jahre älter als Beate Heine, als Gesangslehrerin tätig., mit der ich sehr schwesterlich stehe. Ach, und,
wissen Sie, Sterben | ist an sich etwas so Furchtbares, daß einem der Sterbende
garnicht mal nahe zu stehn braucht, um einem im tiefsten Innern zu erschüttern. ‒ Wir haben natürlich doch zuerst einige Kunst gesehen ‒ z.B. das FriedensfestGerhart Hauptmanns Schauspiel „Das Friedensfest. Eine Familienkatastrophe“ (1890) hatte am 14.10.1899 am Deutschen Theater (Direktion: Otto Brahm) in Berlin Premiere. In Hauptrollen spielten: Luise von Pöllnitz (Frau Scholz), Emanuel Reicher (Robert), Rudolf Rittner (Wilhelm), in weiteren Rollen: Louise Dumont, Hans Fischer, Gisela Jurberg, Max Reinhardt, Annie Trenner. Die nächsten Vorstellungen fanden am 21. und 22. sowie am 26.10.1899 statt. im Deutschen Theater.
Rittner als Wilhelm wundervoll ‒ auch die Pöllnitz
als Mutter ‒ aber
Reicher war als Robert im ersten Akt nicht sehr gut, u. die Uebrigen recht mittel ‒ aber das
Ensemble ausgezeichnet. ‒ Ich muß
jetzt schließen ‒ ich
schreibe Ihnen aber bald mehr ‒ ich | wollte
meinen Dank nur nicht kalt werden lassen. Vielleicht theile ich Ihnen da schon
irgend eine Entscheidung über Carls Anstellung mit. Ich könnte den BergerAlfred von Berger wurde Direktor am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, das nach der Grundsteinlegung am 12.8.1899 schließlich am 15.9.1900 eröffnet wurde [vgl. Neuer Theater-Almanach 1901, S. 366]. Carl Heine hoffte auf eine Anstellung als Regisseur in dem neuen Theater und wartete seit Wochen auf die Entscheidung des designierten Direktors.
erwürgen, daß er sich nicht entschließen kann!!
Carl grüßt Sie mit mir!!
Bald mehr v. Ihrer
getreuen
Beate Heine.