Briefwechsel

von Frank Wedekind und Artur Kutscher

Frank Wedekind schrieb am 26. Februar 1909 in München folgende Widmung
an Artur Kutscher

Dem unerschrockenen tapfren selbstherrlichen Kämpfer

Dem weitblickenden Geist

Meinem lieben langjährigen KameradenWedekind kannte Artur Kutscher seit dem Jahr 1900, wie dieser sich erinnerte: „Kennengelernt habe ich Wedekind gleich nach seiner Festungshaft auf dem Königstein, noch vor der Scharfrichterzeit, in Verbindung mit unserem Akademisch-Dramatischen Verein, bei dem er dann Fühlung suchte“, was am 22.2.1902 zur „Uraufführung von Wedekinds Schauspiel ‚König Nicolo oder So ist das Leben‘ im Schauspielhaus“ (veranstaltet vom Akademisch-Dramatischen Verein) führte und zum gemeinsamen „Kampf um die Moderne“ [Kutscher 1960, S. 37].
Arthur Kutscher
in der Freude gemeinsamen/r/ Wirkens Arbeit
FrW


München im Februar 1909

Frank Wedekind schrieb am 27. Februar 1909 in München folgende Postkarte
an Artur Kutscher

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn Dr. Arthur Kutscher
München
Mauerkircherstrasse 6. |


Sehr geehrter Herr Doctor!

Da Dr. von Jakoby morgen AbendDr. phil. Bernhard von Jacobi, Schauspieler vom Deutschen Theater zu Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1909, S. 285], gab am 28.2.1909 (Sonntag) ein Gastspiel in Henrik Ibsens „Nora“ (er spielte die Rolle des Dr. Rank) am Münchner Residenztheater (in dessen Ensemble er dann bald wechselte) und kam nach der Vorstellung – Ende nach 22 Uhr [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 62, Nr. 98, 28.2.1909, S. 4] – in das Münchner Weinlokal Zur Torggelstube (Platzl 8), wie Wedekind am 28.2.1909 notierte: „Torggelstube mit Jakoby Kutscher Henckell und den Andern.“ [Tb] spielt und nachher in die Torggelstube kommt so kommen Sie vielleicht auch dorthin mit Ihrer verehrten Frau GemahlinArtur Kutscher war seit dem 27.9.1907 mit der Schriftstellerin Gertrud Schaper verheiratet., so daß wir den MontagabendWedekind war dem Tagebuch zufolge am 1.3.1909 (Montag) ebenfalls in der Torggelstube (weitere Personen sind nicht notiert). Er hatte sich wahrscheinlich zuerst für diesen Abend mit Artur Kutscher dort verabredet, in dessen Seminar er am 27.2.1909 als Autor zu Gast war: „Bei Dr. Kutscher im Colleg“ [Tb]. vorderhand morgen (Sonntag) feiern könnten.

Ich schreibe auch an Karl Henckellvgl. Wedekind an Karl Henckell, 27.2.1909.

Mit besten Grüßen
Ihr
Frank Wedekind.


27.2.9.

Artur Kutscher schrieb am 24. Juni 1909 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 27.6.1909 aus München:]


In Erwiderung Ihres ersten Briefes [...]

Artur Kutscher schrieb am 25. Juni 1909 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 27.6.1909 aus München:]


Ihre Zeilen vom 25. [...]

Frank Wedekind schrieb am 27. Juni 1909 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

Lieber Herr Doctor!

In Erwiderung Ihres ersten Briefesnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 24.6.1909. muß ich Ihnen leider mittheilen, daß mich die „Jugend“, an die ich den Stein der Weisen verkauftWedekind hat den Vorabdruck seines Stücks „Der Stein der Weisen“ an die Münchner Zeitschrift „Jugend“ verkauft. Er notierte am 14.6.1909 in sein Kontobuch: „Honorar von der Jugend für Stein der Weisen 500“ [KSA 6, S. 907]. Möglicherweise war er bei seinem „Besuch auf der Jugend“ [Tb] am 15.6.1909 von der Redaktion gebeten worden, vor der Veröffentlichung auf Lesungen zu verzichten. habe, ausdrücklich bat, das Stück vor seiner VeröffentlichungWedekinds Versdrama erschien im Zeitschriftenvorabdruck in der von Georg Hirth herausgegebenen Münchner Illustrierten „Jugend“ [vgl. Frank Wedekind: Der Stein der Weisen. Eine Geisterbeschwörung. In: Jugend, Jg. 14, Nr. 30, 22.7.1909, S. 694-706]; im Heft ist auf der letzten Seite der Redaktionsschluss 20.7.1909 angegeben. nicht mehr vorzulenSchreibversehen, statt: vorzulesen..

Ihre Zeilen vom 25. nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 25.6.1909.| wollte ich gestern nach der ProbeWedekind notierte am 26.6.1909: „Kostümprobe So ist d. Leben.“ [Tb] Das war eine Probe für die Premiere von „So ist das Leben“ am 1.7.1909 zum Auftakt des ersten Wedekind-Zyklus am Münchner Schauspielhaus. Georg Stollberg, Direktor am Münchner Schauspielhaus [vgl. Neuer Theater-Almanach 1909, S. 539], war verreist. schon Stollberg zeigen, er war aber nicht/r/gends mehr zu finden. Ich werde es also morgenWedekind war am 28.6.1909 zur Probe des „Marquis von Keith“ am Münchner Schauspielhaus [vgl. Tb], das zweite Stück, das im Rahmen des dortigen ersten Wedekind-Zyklus Premiere haben sollte. Den Direktor Georg Stollberg traf er wieder nicht an. tun. Ich zweifle nicht daran, daß sich die SacheWedekind wollte sich bei Georg Stollberg wohl für eine Vortragsmöglichkeit für Artur Kutscher am Münchner Schauspielhaus oder für das Theater als repräsentativen Rahmen für einen von Artur Kutschers Autorenabenden einsetzen [vgl. Wedekind an Artur Kutscher, 30.6.1909 (Brief)]. machen lassen wird.

Mit besten Grüßen
Ihr
Wedekind.


[Kuvert:]


Herrn Dr. Arthur Kutscher
München
Kuffsteinerstrasse 4Dr. phil. Artur Kutscher, Privatdozent an der Königlichen Universität in München, wohnte in der Mauerkircherstraße 6 (4. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 315; Teil II, S. 349]. Der Kufsteinerstraße, die wie die Mauerkircherstraße den Kufsteinerplatz kreuzt, war seinerzeit nur ein Haus mit der Hausnummer 2 zugewiesen.

Frank Wedekind schrieb am 30. Juni 1909 in München folgende Postkarte
an Artur Kutscher

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn Privatdozent
Dr. Arthur Kutscher
München Bogenhausen
Kuffsteiner Strasse 4 (oder 5)Dr. phil. Artur Kutscher wohnte in der Mauerkircherstraße 6 (4. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 315]. Der Kufsteinerstraße, die wie die Mauerkircherstraße den Kufsteinerplatz kreuzt, war seinerzeit nur ein Haus mit der Hausnummer 2 zugewiesen. |


Lieber Herr Doctor!

Für die morgige VorstellungDie Premiere von „So ist das Leben“ am 1.7.1909 bildete den Auftakt des ersten Wedekind-Zyklus am Münchner Schauspielhaus. (Donnerstag) liegen zwei gute Plätze für Sie an der Kasse des Schauspielhauses bereit. Das gleiche wird für die folgenden PremierenDer erste Wedekind-Zyklus am Münchner Schauspielhaus bot nach „So ist das Leben“ Premieren von „Marquis von Keith“ (3.7.1909), „Musik“ (13.7.1909), „Erdgeist“ (17.7.1909), „Hidalla“ (22.7.1909) sowie als Doppelpremiere „Die Zensur“ und „Der Kammersänger“ (27.8.1909). der Fall sein. VielleichSchreibversehen, statt: Vielleicht. sehen wir uns nachher in der TorggelstubeWedekind notierte nach der Premiere von „So ist das Leben“ (siehe oben) zum Auftakt des ersten Wedekind-Zyklus am Münchner Schauspielhaus am 1.7.1909 schlicht: „Torggelstube.“ [Tb].

Mit besten Grüßen
Ihr
Wedekind.

Frank Wedekind schrieb am 30. Juni 1909 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

Sehr geehrter Herr Doctor!

Da Stollberg heute erst zurückkamWedekind hatte den Direktor des Münchner Schauspielhauses bereits drei Tage zuvor sprechen wollen [vgl. Wedekind an Artur Kutscher, 27.6.1909]. Georg Stollberg dürfte am 30.6.1909 wieder in München gewesen sein, pünktlich zum Beginn des ersten Wedekind-Zyklus am Münchner Schauspielhaus am 1.7.1909. hatte ich noch keine Gelegenheit, wegen eines Passe partout(frz.) Rahmen. Wedekind wollte sich bei Georg Stollberg wohl für eine Vortragsmöglichkeit für Artur Kutscher am Münchner Schauspielhaus oder für das Theater als repräsentativen Rahmen für einen von Artur Kutschers Autorenabenden einsetzen. Seine zahlreicher gewordenen Vorträge jedenfalls hat Artur Kutscher auch „im Schauspielhaus gehalten“ [Kutscher 1960, S. 70]. für Sie mit ihm zu sprechen. Ich werde das morgen thun. Für die morgige Vorstellungdie Premiere von „So ist das Leben“ am 1.7.1909 zum Auftakt des ersten Wedekind-Zyklus am Münchner Schauspielhaus. ersuche ich Sie schlicht von inliegender Kartenicht überliefert. Die wohl von Georg Stollberg gezeichnete Karte dürfte eine Anweisung enthalten haben, Artur Kutscher die für ihn an der Theaterkasse des Münchner Schauspielhauses hinterlegten zwei Premierenkarten für „So ist das Leben“ auszuhändigen, die Wedekind ihm zugesagt hat [vgl. Wedekind an Artur Kutscher, 30.6.1909 (Postkarte)]. an der Kasse GebrauchUmstellung, zuvor: Gebrauch an der Kasse. zu machen zu wollen.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr
FrWedekind.

Frank Wedekind schrieb am 2. Juli 1909 in München folgende Postkarte
an Artur Kutscher

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn Privatdozent
Dr. Arthur Kutscher
München Bogenhausen
Kuffsteiner Straße 4 oder 5Dr. phil. Artur Kutscher wohnte in der Mauerkircherstraße 6 (4. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 315]. Der Kufsteinerstraße, die wie die Mauerkircherstraße den Kufsteinerplatz kreuzt, war seinerzeit nur ein Haus mit der Hausnummer 2 zugewiesen.. |


Lieber Herr Doctor

für Morgen Samstagder 3.7.1909, an dem „Marquis von Keith“ im Rahmen des ersten Wedekind-Zyklus am Münchner Schauspielhaus Premiere hatte. liegen zwei Plätzezwei Theaterkarten. für Sie an der Kasse

mit besten Grüßen
Ihr
W.

Frank Wedekind schrieb am 12. Juli 1909 in München folgende Postkarte
an Artur Kutscher

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn Privatdozent
Dr. Arthur Kutscher
München Bogenhausen
Kuffsteinerstraße 3 ‒ 5Dr. phil. Artur Kutscher wohnte in der Mauerkircherstraße 6 (4. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 315]. Der Kufsteinerstraße, die wie die Mauerkircherstraße den Kufsteinerplatz kreuzt, war seinerzeit nur ein Haus mit der Hausnummer 2 zugewiesen. |


Verehrter Herr Doctor

für Morgen Donnerstag Dienstagder 13.7.1909, an dem „Musik“ im Rahmen des ersten Wedekind-Zyklus am Münchner Schauspielhaus Premiere hatte., liegen zwei Plätzezwei Theaterkarten. für Sie an der Kasse.

Mit besten Grüßen
Ihr
FrWedekind.


Im Verwendungsfall bitte ich sie bei Zeiten in Empfang zu nehmen

Frank Wedekind schrieb am 23. August 1909 in München folgende Bildpostkarte
an Artur Kutscher

Herrn Privatdozent
Dr. Arthur Kutscher
München Bogenhausen
Kuffsteinerstrasse 4Dr. phil. Artur Kutscher wohnte in der Mauerkircherstraße 6 (4. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 315]. Der Kufsteinerstraße, die wie die Mauerkircherstraße den Kufsteinerplatz kreuzt, war seinerzeit nur ein Haus mit der Hausnummer 2 zugewiesen. Er war allerdings im Spätsommer 1909 für viele Wochen nicht in seiner Wohnung in München erreichbar, da er als Reservist eine „pflichtmäßige Übung [...] in Munster und im Manöver“ [Kutscher 1960, S. 42] in der Lüneburger Heide absolvierte (ablesbar in den Postzustellvermerken der vorliegenden Bildpostkarte)..


Lieber Herr Doctor! Mit großem Genuß habe ich eben „Die Kunst und unser Leben“ gelesen. Ich habe mir vieles darin angestrichen und freue mich sehr darauf mit Ihnen darüber sprechenEs dauerte wohl längere Zeit, bis Wedekind mit Artur Kutscher über dessen Broschüre „Die Kunst und unser Leben. Grundstein zu einer Kritik“ (47 Seiten, erschienen 1909 im Verlag Max Steinebach in München) zu sprechen Gelegenheit hatte. Das nächste Treffen ist erst am 13.11.1909 belegt [vgl. Tb]. zu können. Mit herzlichen Grüßen und besten Wünschen für fröhliche FerientageWedekind war nicht darüber informiert, dass der Privatdozent Dr. phil. Artur Kutscher seine vorlesungsfreie Zeit als Reservist mit einer Militärübung in Norddeutschland verbrachte (dies geht aus den Postzustellvermerken der Bildpostkarte hervor).
Ihr
Frank Wedekind.

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Frank und Tilly Wedekind
i. Rabbi Esra

Frank Wedekind und Tilly Wedekind schrieben am 14. September 1909 in München
an Artur Kutscher , Gertrud Kutscher

Prinzregentenstraße 50 III.


Herr und Frau Frank Wedekind
beehren sich
Herrn und Frau Dr. Arthur Kutscher
zum einer Tasse Thee
auf Samstag den 18ten SeptemberDie Eröffnung der Schackgalerie, jene bedeutende Münchner Kunstsammlung, die in einen repräsentativen Neubau in der Prinzregentenstraße zog [vgl. Neubau der Schackgalerie und der preußischen Gesandtschaft in München. In: Zentralblatt der Bauverwaltung, Jg. 29, Nr. 81, 9.10.1909, S. 533-535; https://digital.zlb.de/viewer/image/14688302_1909/552/], erfolgte am 18.9.1909, an jenem Samstag, an dem Frank und Tilly Wedekind zu diesem Anlass einen Tee in ihrer Wohnung Prinzregentenstraße 50 gaben, um das Geschehen von dort aus mit Gästen zu verfolgen. Wedekind notierte am 14.9.1909, er habe „mit Tilly die Einweihung vorbereitet“ [Tb], durch den Versand von Einladungen wie die an Artur und Gertrud Kutscher, und am 18.9.1909: „Einweihung der Schackgalerie. 35 Personen. Die Familie Hirth, Professor Clemen aus Bonn mit Frau“ [Tb]. Artur Kutscher war nicht unter den Gästen [vgl. Wedekind an Artur Kutscher, 17.9.1909].
um 3 Uhr15 Uhr. Nachmittags ergebenst einzuladen.


U.A.w.g.


[Kuvert:]


Herrn und Frau
Dr. Arthur Kutscher
München
Mauerkirchstrasse 4Dr. phil. Artur Kutscher wohnte in der Mauerkircherstraße 6 (4. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 315]. Er war allerdings im Spätsommer 1909 für viele Wochen nicht in seiner Wohnung in München erreichbar, da er als Reservist eine „pflichtmäßige Übung [...] in Munster und im Manöver“ [Kutscher 1960, S. 42] in der Lüneburger Heide absolvierte (ablesbar an den Postzustellvermerken auf dem Kuvert der vorliegenden Briefkarte)..

Frank Wedekind schrieb am 16. September 1909 in München folgende Postkarte
an Artur Kutscher

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn Dr. Arthur Kutscher
München Bogenhausen
Mauerkirchstrasse 4Dr. phil. Artur Kutscher wohnte in der Mauerkircherstraße 6 (4. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 315]. Er war allerdings im Spätsommer 1909 für viele Wochen nicht in seiner Wohnung in München erreichbar, da er als Reservist eine „pflichtmäßige Übung [...] in Munster und im Manöver“ [Kutscher 1960, S. 42] in der Lüneburger Heide absolvierte (ablesbar an den Postzustellvermerken auf der vorliegenden Postkarte). |


Verehrter Herr Doctor,

Da die Einweisungdie Einweisung der Gäste bei der nachmittäglichen Eröffnungsfeier zum Umzug der Schackgalerie am 18.9.1909, die in der Wohnung Frank und Tilly Wedekinds in der Prinzregentenstraße 50 stattfand und zu der auch Artur und Gertrud Kutscher eingeladen waren [vgl. Frank und Tilly Wedekind an Artur und Gertrud Kutscher, 14.9.1909]. schon um zwei Uhr14 Uhr. beginnt würde ich Sie bitten mit Ihrer verehrten Frau Gemahlin schon um 1 Uhr13 Uhr. bei uns sein zu wollen

Mit besten Grüßen
Ihr
FW.

Artur Kutscher schrieb am 15. Oktober 1909 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 16.10.1909 aus München:]


Sie haben mir eine große Freude durch das Geschenk Ihrer Schillerausgabe bereitet.

Frank Wedekind schrieb am 16. Oktober 1909 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

[1. Briefentwurf:]


Lieber Herr Doctor

Sie haben mir eine große Freude durch das Geschenk Ihrer Schillerausgabe bereitet. Aber Sie haben mir auch ein sehr großes Geschenk gemacht. Ich bin stolz auf das Geschenk, aber ich freue mich doch unvergleichlich mehr über unsere neunjährige Freundschaft der ich mehr als die Ihre Schillerausgabe zu danken habe verdanke. Ein Lob dürfen Sie von mir nicht erwarten, da/der/ ich mich durchaus als Laie fühle als dankbarer Beschenkter meine Unwissenheit als den zu nur bei Ihnen bereichern kann. Aber meine herzlichsten aufrichtigen Glückwünsche zu Ihrer Schillerausgabe Wirksamkeit und jedem noch folgenden Werk sende ich Ihnen im festen Vertrauen auf unsere Ihre aus vollem Herzen

Mit besten Grüßen


[2. Abgesandter Brief:]


Lieber Herr Doctor!

Sie haben mir eine große Freude durch das Geschenk Ihrer SchillerausgabeHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zum Buchgeschenk (oder auf eine Widmung); erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 15.10.1909. Artur Kutscher hat zu Friedrich Schillers 150. Geburtstag am 10.11.1909 eine Volksausgabe „Schillers Werke“ in der Reihe „Goldene Klassiker-Bibliothek“ im Deutschen Verlagshaus Bong & Co. in Berlin herausgegeben – „Auf Grund der Hempelschen Ausgabe neu herausgegeben, mit Biographie, Einleitungen und Anmerkungen versehen von Privatdozent Dr. Arthur Kutscher“ [Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 76, Nr. 230, 4.10.1909, Umschlag]; sie wurde von dem Germanisten und Ordinarius in Halle an der Saale Prof. Dr. Philipp Strauch anerkennend besprochen: „Vor mir liegen in vier stattlichen, geschmackvollen roten Einbänden Schillers Werke in zehn Teilen zu dem außerordentlich niedrigen Preis von 6 M. Die Ausgabe empfiehlt sich [...] durch die Gediegenheit der Bearbeitung, der sich ein jüngerer Fachmann, Dr. A. Kutscher, Privatdozent an der Münchner Universität, unterzogen hat [...]. Der Herausgeber beherrscht und berücksichtigt in seinen Vorbemerkungen und Anmerkungen am Schluß überall die neuere Schillerforschung, behält dabei aber stets im Auge, daß seine Ausgabe im besten Sinn populäre Zwecke verfolgt. [...] Schillers Werke auf Grund der Hempelschen Ausgabe von R. Boxberger und W. v. Maltzahn neu herausgegeben mit Einleitungen und Anmerkungen versehen von Artur Kutscher und Hans Heinrich Zisseler. Berlin- Leipzig-Wien-Stuttgart, Deutsches Verlagshaus Bong & Co.“ [Philipp Strauch: Eine Volksausgabe Schillers. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 62, Nr. 522, 8.11.1909, S. 19] bereitet. Aber Sie haben mir auch ein sehr großes Geschenk gemacht. Ich bin stolz auf Ihr Geschenk, aber ich freue mich doch noch unvergleichlich mehr über unsere neunjährige FreundschaftWedekind kannte Artur Kutscher seit dem Jahr 1900, wie dieser sich erinnerte: „Kennengelernt habe ich Wedekind gleich nach seiner Festungshaft auf dem Königstein, noch vor der Scharfrichterzeit, in Verbindung mit unserem Akademisch-Dramatischen Verein“ [Kutscher 1960, S. 37]., der ich mehr als Ihre Schillerausgabe verdanke. Ein Lob | dürfen Sie von mir nicht erwarten, der ich mich vollkommen als Laie fühle und mich als dankbarer Beschenkter nur bei Ihnen bereichern kann. Aber meine aufrichtigen Glückwünsche zu Ihrer Wirksamkeit und meine besten Wünsche zu jedem folgenden Werk sende ich Ihnen aus vollem Herzen.

Mit besten Grüßen auf baldiges Wiedersehn
Ihr
Frank Wedekind.


16.10.9.


[Kuvert:]


Herrn Privatdozent
Dr. Arthur Kutscher
München
Mauerkirchstrasse 4Dr. phil. Artur Kutscher wohnte in der Mauerkircherstraße 6 (4. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 315]..

Artur Kutscher schrieb am 27. Oktober 1909 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[1. Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 28.10.1909 aus München:]


Besten Dank für Ihre liebenswürdige Einladung.


[2. Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 9.11.1909 aus München:]


[...] Ihre Einladung [...]

Frank Wedekind schrieb am 28. Oktober 1909 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

Lieber Herr Doctor!

Besten Dank für Ihre liebenswürdige Einladungnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 27.10.1909.. Also Montagder 8.11.1909, an dem Wedekind allerdings nicht bei Artur Kutscher erschien [vgl. Wedekind an Artur Kutscher, 9.11.1909]. Abend um 8um 20 Uhr.. WirFrank und Tilly Wedekind. freuen uns sehr darauf.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr
Frank Wedekind.


29Schreibversehen, statt 28. Wedekind hat sich im Datum vertan. Er dürfte dem Datum des Poststempels auf dem Kuvert zufolge ‒ 28.10.1909 ‒ seinen Brief am 28.10.1909 geschrieben haben, nicht am 29.10.1909..10.9.


[Kuvert:]


Herrn Privatdozent
Dr. Arthur Kutscher
München Bogenhausen
MauerkirchstrasseSchreibversehen, statt: Mauerkircherstrasse. Dr. phil. Artur Kutscher wohnte in der Mauerkircherstraße 6 (4. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 315]. 6.

Frank Wedekind schrieb am 9. November 1909 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

Sehr verehrter Herr Doctor!

WirFrank und Tilly Wedekind. haben gestern, ohne es zu ahnen Ihre Einladungnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 27.10.1909. Wedekind hatte die Einladung angenommen [vgl. Wedekind an Artur Kutscher, 28.10.1909]. versäumt. Das ist lediglich meine Schuld. Ich hatte Ihre Einladung keineswegs vergessen, ich hatte aber vergessen, daß es Montagder 8.11.1909, für den die Einladung (siehe oben) galt. war. Ich kam erst nach acht Uhr20 Uhr. nach Hause nach einer anstrengenden UnterhandlungWedekind war wegen der angestrebten Trennung von seinem Verleger Bruno Cassirer am 8.11.1909 bei dem Rechtsanwalt Wilhelm Rosenthal, wie er notierte: „Setze mit Rosenthal Brief an Cassirer auf.“ [Tb] über sehr unerquickliche DingeWedekinds Auseinandersetzungen mit seinem Verleger Bruno Cassirer.. Dann ging ich sofort nach Tisch wieder weg weil ich mich sehnte an meine ArbeitWedekind schrieb am 8.11.1909 in Münchner Lokalen an seinem Einakter „Mit allen Hunden gehetzt“ [vgl. KSA 7/II, S. 656]: „Arbeite im Heck Hoftheaterrestaurant und Torgelstube.“ [Tb] zu kommen, während ich den ganzen Tag | an andere Dinge hatte denken müssen. Ich bin eben am Ende des zweiten Drittels einer Arbeit, die all meine Kraft in Anspruch nimmt. Ich bitte Sie herzlich, mir das Versehn nicht übel zu nehmen und mich bei ihrer verehrten Frau Gemahlin so gut zu entschuldigen, wie Sie es irgend fertig bringen. Ich hoffe daß Sie mir nicht zürnen und sage: Auf baldiges WiedersehnEin Wiedersehen fand vier Tage später statt, wie Wedekind am 13.11.1909 notierte: „Torggelst. mit [...] Kutscher“ [Tb]..

Mit besten Grüßen und Empfehlungen
Ihr
Frank Wedekind.


9.11.9.


[Kuvert:]


Herrn Privatdozent
Dr. Arthur Kutscher
München-Bogenhausen
MauerkirchstrasseSchreibversehen, statt: Mauerkircherstrasse. Dr. phil. Artur Kutscher wohnte in der Mauerkircherstraße 6 (4. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 315] 6.

Frank Wedekind schrieb am 22. Juni 1910 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

Sehr verehrter Herr Doctor!

Es thut mir ungemein leid, aber ich möchte heute abend nicht gerne im Freien sitzen und auch nicht anhaltend sprechen. „In allen Wassern“, was ich vorzulesen gedachte, würde immerhin eine Stunde in Anspruch nehmen. Ich habe aber heute morgenWedekind war am 22.6.1910 in der „Probe von Keith“ [Tb], die zweite der am Vortag begonnenen Proben für den zweiten Wedekind-Zyklus am Münchner Schauspielhaus, der am 1.7.1910 begann. zwei Stunden ununterbrochen gesprochen und werde morgen VormittagWedekind hatte am 23.6.1910 wiederum eine „Probe von Keith“ [Tb] in Vorbereitung des anstehenden zweiten Wedekind-Zyklus am Münchner Schauspielhaus. ebensoviel zu | thun haben. Ich bitte Sie mich mit der Aufgabe, die ich vor mir haben entschuldigen zu wollen. Es wäre mir das größte Vergnügen gewesen, in Ihrem Seminarvon Artur Kutscher organisierte außeruniversitäre Treffen in der Regel wöchentlich mit Studierenden an wechselnden Orten (längere Zeit im Hotel Union), zu denen Schriftsteller geladen wurden [vgl. Buglioni 2017, S. 164-173 und passim]. Artur Kutschers „literarisches Seminar, das nach und nach zu einer eigenen Brutstätte Schwabinger Geistes wurde“ [Mühsam 2003, S. 138], verstand sich als „kameradschaftlicher Kreis“ [Kutscher 1960, S. 72], die sogenannte „Kutscher-Kneipe“ [Günther 1938, S. 103]. Wedekind war mehrfach als Gastautor in Artur Kutschers Seminar, zuerst am 26.2.1909: „Bei Dr. Kutscher im Colleg.“ [Tb] etwas vorzutragen. Aber dazu fühle ich mir nicht sicher genug. Ich wage es nicht, zumal ich diesen Sommer noch keinen Abend im Freien zugebracht habe.

Wollen Sie bitte, geehrter Herr Doctor, auch Ihren Schülern mein | aufrichtiges Bedauern aussprechen, daß ich Ihrer liebenswürdigen Aufforderung nicht folgen kann. Es liegt nur in dem Zusammentreffen mit den Proben, die bei unserenmSchreibversehen, statt: unserem. letzten ZusammentreffenWedekind hat Artur Kutscher zuletzt am 11.6.1910 in der Torggelstube getroffen: „TSt. mit Kutscher e.ct. mit dem ich nach Haus fahre.“ [Tb] noch nicht festgesetzt waren.

Mit herzlichen Grüßen auch von meiner Frau an Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin
Ihr
Frank Wedekind.


München, 22.6.10.


[Kuvert:]


Herrn Dr. Arthur Kutscher
München-Bogenhausen
Mauerkircherstrasse 6 IV.

Frank Wedekind schrieb am 24. Dezember 1910 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

Sehr geehrter Herr Doktor!

Gestern AbendWedekind hatte am 23.12.1910 (im Tagebuch kein Eintrag dazu) Besuch von dem in München lebenden Schriftsteller Eugen Albu (Kufsteiner Straße 2) [vgl. Adreßbuch für München 1911, Teil I, S. 6], der vom Neuen Verein zunächst wohl eine Zusage für einem Vortragsabend erhalten hatte, die dann offenbar durch Artur Kutscher zurückgenommen wurde. Die Lesung sollte dann doch stattfinden, am 3.3.1911, musste aber verschoben werden: „Der für heute abend 8 Uhr angezeigte Intime Abend, im Gobelinsaale der Vier Jahreszeiten, der eine Vorlesung von Eugen Albu bringen sollte, muß verschoben werden, weil der Vater des Vortragenden plötzlich verstorben ist.“ [Vom Neuen Verein. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 103, 3.3.1911, Vorabendblatt, S. 3] Sie fand am 4.4.1911 statt: „Der vierte Intime Abend bringt am Dienstag, 4. April, im Gobelinsaale der Vier Jahreszeiten abends 8 Uhr eine Vorlesung von Eugen Albu aus eigenen Werken.“ [Vom Neuen Verein. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 147, 3.4.1911, S. 3] war Herr Albu bei mir wegen einer Angelegenheit, die soweit ich sie beurtheilen kann, sich doch vielleicht von zwei verschiedenen Seiten ansehen läßt. Sie haben sicherlich recht darin, daß die intimen AbendeFormat im Veranstaltungsangebot des Neues Vereins: „Intime Abende wurden veranstaltet und haben sich ausgebildet zu einer Institution, zu welcher ein kaum zu bewältigendes Angebot von Autoren erfolgt. Die Abende stehen im Dienste junger oder weniger bekannter Schriftsteller, Rezitatoren, Musiker, denen der Verein zum Vortrage Gelegenheit und Raum gibt. Das Niveau dieser Abende erwirbt die größere Aufmerksamkeit der Presse und erzeugt einen Andrang von Zuhörern, der fast die Intimität der Veranstaltung bedroht.“ [Kutscher 1912, S. 289] des N.V.Der Ende 1903 in Nachfolge des Akademisch-Dramatischen Vereins gegründete Neue Verein e.V. (Vereinslokal: Türkenstraße 28, Geschäftsstelle: Buchhandlung Heinrich Jaffe, 1. Vorsitzender: Dr. Wilhelm Rosenthal [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil III, S. 185]) veranstaltete vor allem geschlossene Vorstellungen neuer Dramen. „Die von der Polizei verbotenen Stücke Wedekinds wurden vom ‚Neuen Verein‘ vor geladenem Publikum gespielt“ [Mühsam 2003, S. 137]. Dem Vorstand gehörte ein Beirat an: „Der Vorstandschaft trat an die Seite ein aus etwa zehn Köpfen bestehender künstlerischer Beirat von Vertretern der Literatur, der bildenden Künste und der Musik.“ [Kutscher 1912, S. 288] Vorstand und Beirat waren am 28.11.1910 neu gewählt worden: „Am Montag abend fand die ordentliche Mitgliederversammlung des Neuen Vereins im Künstlerhaus statt. [...] Bei der darauf erfolgten Wahlhandlung wurden in den Vorstand wiedergewählt: zum ersten Vorsitzenden Rechtsanwalt Dr. W. Rosenthal; zum zweiten Vorsitzenden Schriftsteller Wilhelm Weigand; zum Kassier Direktor Julius Kaufmann; zum Schriftführer Dr. Viktor Mannheimer. In den Beirat wurden wiedergewählt: Professor Fritz Erler, Direktor Georg Fuchs, Schriftsteller Paul L. Fuhrmann, Kunstmaler Georg Ganß, Schriftsteller Karl Henckell, Dr. Georg Hirth, Privatdozent Dr. A. Kutscher, Kunstmaler Leo Pasetti, die Schriftsteller Josef Ruederer, Frank Wedekind und Wilhelm Weigand.“ [Vom Neuen Verein. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 63, Nr. 562, 1.12.1910, Morgenblatt, S. 3] nicht für Experimente daDer Neue Verein war „ein Experimentier-Institut für moderne, gefährliche, dem Zensor unsympathische Aufführungen“ [Mühsam 2003, S. 137] ‒ so die Sicht der durch Neubesetzung seit 1913 wirkenden innovationsoffenen Fraktion des Beirats, zu der Artur Kutscher eher nicht gehörte: „Dr. Kutscher war gewiß kein übertrieben revolutionärer Mann“ [Mühsam 2003, S. 138]. sind. Es fragt sich nur ob Herr Albu durch ein Zurücknehmen der ihm gegebenen Zusage nicht mehr blos gestellt wird, als die Sache werth ist. Ich glaube, wenn sich Herr Albu an den Verein als solchen wendete, müßte der Verein sich auch diese Frage in Berücksichtigung ziehen. Wenn Sie, geehrter Herr Doctor, sich durch einen Albu-|Abend zu sehr zu exponieren glauben, was ich nicht einsehen kann, so wäre es für Sie ja vielleicht ein Leichtes, die Verantwortung auf Karl Henckels und meine SchulternKarl Henckell und Wedekind waren ebenso wie Artur Kutscher Beiratsmitglieder des Neuen Vereins (siehe oben). abzuladen. Auf jeden Fall glaube ich Sie Ihnen auch in Ihrem eigenen Interesse den Vorschlag machen zu müssen, in dieser Angelegenheit nicht weiter entscheiden zu wollen, bevor wir nicht Gelegenheit gefunden uns mündlich darüber auszusprechenDie Aussprache fand wohl erst am 28.3.1911 stand (in der Torggelstube): „T.St. mit Dr. Kutscher und Beyrer“ [Tb]; unklar ist, ob die weitere Person Elisabeth Beyrer-Witting war oder ihr Gatte Eduard Beyrer (siehe unten).. Ich nehme an, und auch Herr Albu hat den Eindruck, daß Ihr BriefArtur Kutschers Brief an Eugen Albu ist nicht überliefert. einer etwas nervösen Stimmung entsprang an der vielleicht die TreibereienAntreiben, Hetzen. Wedekind ging wohl davon aus, dass die Bildhauerin Elisabeth Beyrer (geb. Witting) ihren vermutlich im Neuen Verein aktiven Gatten, den katholischen Münchner Bildhauer Eduard Beyrer (Gaußstraße 12) [vgl. Adreßbuch für München 1911, Teil I, S. 47], gegen Eugen Albu einzunehmen suchte. von der Beirer schuldig waren. Aber in dieser Angelegenheit wäre es meines Erachtens wie gesagt ein leichtes für Sie, die Verantwortung abzulehnen und dadurch Herrn Albu eine völlig unverdiente Beschämung zu ersparen. |

Ihnen, Ihrer verehrten Frau Gemahlin und den Ihrigen senden meine Frau und ich die herzlichsten Wünsche für recht frohe Feiertage.

Mit herzlichemnSchreibversehen, statt: herzlichem. Gruß auf baldiges Wiedersehn
Ihr ergebener
Frank Wedekind.


24.12.10.


[Kuvert:]


Herrn Dr. Arthur Kutscher
München-Bogenhausen
Mauerkirch-StrasseSchreibversehen, statt: Mauerkircherstrasse. Dr. phil. Artur Kutscher wohnte in der Mauerkircherstraße 6 (4. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1911, Teil I, S. 327]. 6. |


Bitte an die Adresse in HannoverArtur Kutschers Mutter, die Witwe Dora Kutscher (geb. Zieseniß), wohnte in Hannover (siehe den Postzustellvermerk auf dem Kuvert): Auf dem Emmerberge 7 [vgl. Adreßbuch der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Hannover 1910, Teil II, S. 71]. Der Sohn war offenbar über Weihnachten zu ihr gefahren. nachzusenden.


Frank Wedekind schrieb am 31. Dezember 1910 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Artur Kutscher

[Hinweis und Zitat in Kutscher 3, S. 31:]


Wedekind [...] las [...] sich in Bücher meist nur soweit ein, bis er Bescheid wußte. So schenkte er mir den schwach angelesenen Emanuel Quint HauptmannsAusgabetermin der Buchausgabe von Gerhart Hauptmanns Roman „Der Narr in Christo Emanuel Quint“ im S. Fischer Verlag in Berlin war der 24.11.1910 [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 77, Nr. 268, 19.11.1910, S. 14199]. mit den Worten: Das muß nur ein Literarhistoriker weiterlesen.

Frank Wedekind schrieb am 16. April 1911 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

Lieber Herr Doctor!

Wollen Sie wirklich an diesem herrlichen Tag in meinen VortragWedekind notierte am 16.4.1911 (Ostersonntag) in München: „Nachmittag Texte durchgelesen. Abends Vortrag im Kl. Theater.“ [Tb] Das geplante Programm des von Emil Meßthaler am Kleinen Theater in München veranstalteten Wedekind-Abends am 16.4.1911 mit Texten und Liedern ist handschriftlich unter dem Titel „Meßthaler Programm“ [KSA 1/IV, S. 1326] erhalten, „wobei wegen möglicher Zensurmaßnahmen gefährdet war, ob alle geplanten Programmpunkte zur Aufführung gebracht werden konnten“ [KSA 1/III, S. 348]; angekündigt war: „Frank Wedekind bringt Ostersonntag und Ostermontag halb 9 Uhr im ‚Kleinen Theater‘ ‚Aufklärungen‘, ‚Rabbi Esra‘ und ‚Stein der Weisen‘, eine Geisterbeschwörung, zum Vortrag.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 180, 16.4.1911, S. 2] Die Veranstaltung um 20.30 Uhr war noch für weitere Tage angekündigt: „Kleines Theater / Oster-Sonntag und -Montag 8½ Uhr sowie 18. u. 19. April 1911 / Wedekind-Abende / Frank Wedekind: Aufklärungen aus: ‚Feuerwerk‘, ‚Stein der Weisen‘, rezitiert vom Autor.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 177, 14.4.1911, General-Anzeiger, S. 2] Der erste Abend scheint konfliktreich verlaufen zu sein, denn Wedekind teilte Emil Meßthaler mit, er werde nicht mehr weiter auftreten [vgl. Wedekind an Emil Meßthaler, 17.4.1911]. kommen. Außerdem werden Sie voraussichtlich gar nichts neues, vielleicht auch gar nichts hören, was irgendjemanden interessieren konnte, da die Polizei Meßthaler und mir alle Schwierigkeiten in den Weg legt, die sie erfinden kann. Platz wird natürlich massenhaft vorhanden sein und Meßthaler | wird sich ebenso freuen wie ich wenn Sie kommen wollen. Inliegend eine KarteBeilage war eine Visitenkarte [vgl. Wedekind an Emil Meßthaler, 16.4.1911].. Wenn ich Meßthaler sehe werde ich es ihm übrigens auch sagen.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr
Frank Wedekind.


16.4.11.

Frank Wedekind schrieb am 12. Mai 1911 in München folgende Widmung
an Artur Kutscher

Was übertrifftDie fünf wohl aus dem Gedächtnis zitierten Verse stammen ‒ im letzten Vers mit einer Variante (siehe unten) ‒ aus Wedekinds Stück „König Nicolo oder So ist das Leben“, 3. Aufzug, 8. Bild [vgl. KSA 4, S. 285]. des Künstlers Brust an Wonnen!
Das Unglück ist ihm reichster Freudenbronnen,
Aus wilden Klagen schöpft er selge Lust. ‒
Wie aber lahmen selber ihm die Schwingen
Im Ungemach! – Und bei des Goldes Klingen
Ist er sich tiefster Menschlichkeitim Stück (siehe oben): „tiefsten Menschentums“ [KSA 4, S. 285]. bewußt.


Frank Wedekind.

12.5.11Wedekind notierte am 12.5.1911 in München: „Vorlesung in Dr. Kutschers Seminar von Totentanz.“ [Tb].

Frank Wedekind schrieb am 26. Mai 1911 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

Lieber Herr Doctor!

Die Pannummerdas Heft der von Wilhelm Herzog und Paul Cassirer herausgegebenen Zeitschrift „Pan“ mit Wedekinds Beitrag „Autobiographisches“ [Pan, Jg. 1, Heft 5, 1.1.1911, S. 147-149], wie aus einem Brief an einen der Herausgeber hervorgeht [vgl. Wedekind an Wilhelm Herzog, 26.5.1911]. kann ich zu meinem Bedauern nicht mehr finden und habe infolge dessen an die Redaktion in Berlin geschriebenvgl. Wedekind an Wilhelm Herzog, 26.5.1911. mit der Bitte, sie Ihnen zu senden. In einer ruhelosen NachtFrank Wedekinds Tochter Pamela Wedekind war krank; nach dieser Nacht notierte er am 26.4.1911 den Hausarztbesuch und eine Besserung: „Hauschild kommt. Annapamela fieberfrei und munter.“ [Tb] Dr. med. Johannes Hauschildt musste abends aber nochmals kommen, da es Pamela Wedekind wieder schlechter ging. die ich hinter mir habe und deren UrsachSchreibversehen, statt: Ursache. Gott sei Dank so gut wie gehoben scheint las ich noch einmal Ihre Schillerbiographiedas „Lebensbild“ in Band 1 von Artur Kutschers Edition „Schillers Werke“ (1909), die er Wedekind geschenkt hatte [vgl. Wedekind an Artur Kutscher, 16.10.1909]. durch mit ungetheiltem Genuß. Dann lernte ich auch den WarbeckFriedrich Schillers Dramenfragment „Warbeck“ ist in Teil 14 („Dramatische Fragmente“) von Artur Kutschers Edition „Schillers Werke“ (siehe oben) abgedruckt. kennen, von dessen Größe ich noch keine Ahnung hatte.

Herzlichste Grüße von uns beidenFrank und Tilly Wedekind. an Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin
Ihr
Frank Wedekind.


26.5.11.


[Kuvert:]


Herrn Privatdozent
Dr. Arthur Kutscher
München
MauerkirchstrasseSchreibversehen, statt: Mauerkircherstrasse. Dr. phil. Artur Kutscher wohnte in der Mauerkircherstraße 6 (4. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1911, Teil I, S. 327]. 6.

Frank Wedekind schrieb am 9. Juli 1911 in München folgende Postkarte
an Artur Kutscher

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn Privatdozent
Dr. Artur Kutscher
München Bogenhausen
MauerkirchstrasseSchreibversehen, statt: Mauerkircherstrasse. Dr. phil. Artur Kutscher wohnte in der Mauerkircherstraße 6 (4. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1911, Teil I, S. 327]. 4 oder 6. |


Lieber Herr Doctor! Ich bat Direktor Stollberg darum, Ihnen für das ganze Gastspielder dritte Wedekind-Zyklus am Münchner Schauspielhaus (Direktion: Georg Stollberg) [vgl. NeuerTheater-Almanach 1912, S. 560] vom 8. bis 31.7.1911; er hatte am 8.7.1911 mit der Premiere von „König Nicolo“ begonnen, es folgten die Premieren von „Marquis von Keith“ (10.7.1911), „Erdgeist“ (13.7.1911), „Musik“ (16.7.1911), „Hidalla“ (22.7.1911) sowie als Doppelpremiere „Die Zensur“ und „Der Kammersänger“ (26.7.1911). Eintritt zu gewähren. Er hat an der Kasse dem entsprechend Weisung gegeben. Wenn Sie also nur morgen Abendam 10.7.1911 die „Marquis von Keith“-Premiere im Rahmen des dritten Wedekind-Zyklus am Münchner Schauspielhaus (siehe oben), die Artur Kutscher besuchte und anschließend mit Frank und Tilly Wedekind sowie mit Gustav Werner Peters und dessen Gattin in der Torggelstube war, wie Wedekind am 10.7.1911 notierte: „Keithvorstellung Nachher T.St. mit Tilly. Kutscher, Peters und Frau.“ [Tb] kommen wollen würden Sie jedenfalls einen Platz reserviert finden.

Mit herzlichem Gruß
Ihr
Frank Wedekind.

Frank Wedekind schrieb am 9. Februar 1912 in München folgende Widmung
an Artur Kutscher

In der StundeDer Zweizeiler ist wörtlich so [vgl. J. A. Stargardt: Katalog 606 (1975), Nr. 386] auf einer nur sekundär überlieferten undatierten und namentlich signierten Postkarte Wedekinds überliefert [vgl. KSA 1/II, S. 1724]; er ist auch in einem Dialogentwurf zu „Oaha“ [vgl. KSA 8, S. 112] notiert: „Im ersten Theil des Faust sagt Göthe bekanntlich: / In der Stunde da der Mensch sich sicher fühlt / Hat er schon so gut wie ausgespielt.“ [KSA 1/II, S. 1725], da der Mensch sich sicher fühlt,
Hat er schon so gut wie ausgespielt.


Frank Wedekind.

Frank Wedekind schrieb am 4. April 1912 in München
an Artur Kutscher

Herrn Privatdozent
Dr. Artur Kutscher
München-Bogenhausen
Mauerkircherstrasse 4. od. 6.Dr. phil. Artur Kutscher wohnte in der Mauerkircherstraße 6 (4. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1912, Teil I, S. 340].

Frank Wedekind schrieb am 11. Juli 1912 in München folgende Postkarte
an Artur Kutscher

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn Privatdozent
Dr. Artur Kutscher
München Bogenhausen
Mauerkircherstrasse 5Dr. phil. Artur Kutscher wohnte in der Mauerkircherstraße 6 (4. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1912, Teil I, S. 340]..


Lieber Artur!

MorgenWedekind las am 12.7.1912 (Freitag) um 21 Uhr als Gastautor in Artur Kutschers Seminar (siehe seine Widmung [vgl. Wedekind an Artur Kutscher, 12.7.1912] im Gästebuch) im Hotel Union sein Stück „Musik“, wie er am 12.7.1912 notierte und dabei einen früheren Besuch vergegenwärtigte: „Abends lese ich Musik in Kutschers Seminar. Nachher mit ihm und Fräulein Helbig in der T.St. Er hat ein Verhältnis mit ihr, begonnen nach der Franziska-Vorlesung in seinem Seminar.“ [Tb] Mit Fräulein Helbig ist Helly Steglich gemeint. Die Lesung aus „Franziska“ (Wedekind trug auch „Das Lied vom armen Kinde“ und „Galathea“ vor) hat am 9.2.1912 stattgefunden: „Kutscher Seminar. Franziska 4. Akt. Das arme Kind Galathea T.St. mit Kutscher Albus und einer Kunststudentin aus Stettin.“ [Tb] Mit der Kunststudentin ist wiederum Helly Steglich gemeint, die ihren Namen unmittelbar vor Wedekinds Widmung in Artur Kutschers Gästebuch eingetragen hat., Freitag, 9 Uhr21 Uhr. werde ich mich also mit „Musikim Hotel | UnionDie Autorenabende in Artur Kutschers Seminar fanden längere Zeit im Münchner Hotel Union (Barerstraße 7) statt, „jede Woche [...]; die Teilnehmerzahl konnte 40, manchmal sogar 50 Studierende erreichen“ [Buglioni 2017, S. 164]. einfinden. Ich freue mich sehr darauf, einmal wieder einen ganzen Abend mit Dir zusammen zu sein. Dein Ausbleiben am MontagArtur Kutscher war am 8.7.1912 nicht in der Krokodil genannten Stammtischrunde im Münchner Ratskeller erschienen, wie Wedekind notiert hat: „Abend im Krokodil. Kutscher nicht anwesend. In d. T.St. erzählt Mühsam daß seine Stellung an der Universität erschüttert sei.“ [Tb] Artur Kutschers Lehrveranstaltungen über Wedekind hatten dem Privatdozenten Schwierigkeiten mit der Fakultät eingetragen. war mir sehr bedauerlich.

Mit der Bitte, mich Frau Doctorwohl nicht die erste Ehefrau Gertrud Kutscher (geb. Schaper), die in der vorangehenden Korrespondenz Wedekinds mit Artur Kutscher stets als Gemahlin bezeichnet ist, sondern die Geliebte Helly Steglich, eine promovierte Kunsthistorikerin, die am 12.7.1912 bei Wedekinds Lesung dabei war (siehe oben). bestens zu empfehlen und
herzlichem Gruß
Dein
Frank

Frank Wedekind schrieb am 12. Juli 1912 in München folgende Widmung
an Artur Kutscher

Frank Wedekind.

Frank Wedekind schrieb am 6. Dezember 1912 in München folgende Widmung
an Artur Kutscher

Zum WeiberfeindDie vier wohl aus dem Gedächtnis zitierten Verse stammen ‒ mit Varianten vor allem in Groß- und Kleinschreibung sowie in der Interpunktion ‒ aus Wedekinds Einakter „Der Stein der Weisen oder Laute, Armbrust und Peitsche. Eine Geisterbeschwörung“, 6. Auftritt [vgl. KSA 6, S. 264]. laß ich mich nichtim Stück (siehe oben): „bin ich nicht zu“ [KSA 6, S. 264]. bekehren,
Fehlts mir zum Weiberknecht doch anim Stück (siehe oben): „am“ [KSA 6, S. 264]. Geschick:
Lernst Du der Weiber Dienste nur entbehren,
Dann spenden sie dir lautres Sinnenglück.


Frank Wedekind.

6.12.12Wedekind notierte am 6.12.1912 in München: „In Kutschers Seminar lese ich Brand von Egliswyl und Rabbi Esra.“ [Tb].

Frank Wedekind, Joachim Friedenthal, Ludwig Streit, Walter Netto, Erich Mühsam, Karl Henckell und Hubert Wilm schrieben am 17. Dezember 1912 in München folgende Postkarte
an Artur Kutscher

Königreich Bayern

Postkarte


Herrn Privatdocent
Dr. Artur Kutscher
Förderer des schönen Kunstes

Pertisau (Tirol)

bei Herrn Josef WenterArtur Kutscher war in Pertisau am Ammersee zu Besuch bei dem aus Tirol stammenden Schriftsteller Josef Wenter, der in München studiert hatte..


Lieber Freund! Das KrokodilStammtischrunde, von Artur Kutscher mitinitiiert: „Im April 1911 gründeten Karl Henckell, Hubert Wilm und ich das ‚Junge Krokodil‘, das ein künstlerisch bedeutendes Zentrum wurde“, eine „Gelegenheit zu regelmäßigen, ungezwungenen Zusammenkünften mit Gleichgesinnten“; die Treffen fanden im Münchner Ratskeller statt, „dienstags, später montags von 8½ bis mindestens zur letzten Trambahn“, also von 20.30 Uhr bis tief in die Nacht; Frauen waren im Grunde ausgeschlossen: „Damen waren nur ausnahmsweise geduldet, etwa nach einem Theaterabend“ [Kutscher 1960, S. 67-69]. sendet Dir schönste Grüße
Dein Frank.

Ludwig Streit.

Walter Netto.

Jener Erich Mühsam

Karl Henckell

Herzlichen Gruss Hubert Wilm |

Mit den schönsten Grüßen und Wünschen für gute Erholung
Ihr Joachim Friedenthal

Frank Wedekind schrieb am 9. Mai 1913 in München folgende Widmung
an Artur Kutscher

Frank Wedekind.

Artur Kutscher schrieb am 9. Juli 1913 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Bildpostkarte an Artur Kutscher vom 11.7.1913 aus Rom:]


Mit herzlichem Dank für die liebe Karte [...]

Frank Wedekind schrieb am 11. Juli 1913 in Rom folgende Bildpostkarte
an Artur Kutscher

Herrn Privatdozent
Dr. Artur Kutscher
München
Mauerkircherstrasse 6.


Lieber Artur!

Mit herzlichem Dank für die liebe Kartenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 9.7.1913. sende ich Dir die schönsten Grüße aus dem herrlichen RomWedekind war am 19.6.1913 von München nach Rom abgereist. Die Bildpostkarte schrieb er am Tag seiner Abreise von Rom nach Lenzburg am 11.7.1913: „Abfahrt von Rom. Arbeite im Zug.“ [Tb].

Auf baldiges WiedersehnWedekind war am 16.7.1913 zurück in München; ein Treffen mit Artur Kutscher ist erst am 6.10.1913 notiert [vgl. Tb].
Dein
Frank. |


ROMAFontana di Trevi
(Arch. Nicolò Salvi)

Frank Wedekind schrieb am 14. November 1913 in München folgende Widmung
an Artur Kutscher

Wenn schamlosDie zitierten Verse stammen aus „Simson oder Scham und Eifersucht. Dramatisches Gedicht in drei Akten“, 2. Akt, 4. Auftritt [vgl. KSA 7/I, S. 530], aus dem Versdrama, das Wedekind am 14.11.1913 in Artur Kutschers Seminar vorgetragen hat (siehe unten).
ich mich gezeigt, geschah es/das/, meine Kunst,
Gefallen zu erwecken, die Ih ihr lästert,
In ihrer vollsten Macht euch zu beweisen


Frank Wedekind.

14.11.13Wedekind notierte am 14.11.1913 in München: „Am Abend Vortrag von Simson in Kutschers Seminar“ [Tb]..

Frank Wedekind schrieb am 13. Februar 1914 in München folgende Widmung
an Artur Kutscher

einverstandenWedekind bezieht sich auf den unmittelbar vorangehenden Eintrag von Max Pirker, der ein Wort des österreichischen Schriftstellers Peter Rosegger zitierte: „‚Der Dichter kann nit dumm gnua sein‘ Peter Rosegger zu Max Pirker. München, 13. Febr. 1914“ [Mü, ArK D 32 I]. Frank Wedekind.

Artur Kutscher schrieb am 25. April 1914 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 26.4.1914 aus München:]


[...] Deine freundliche Aufforderung [...] Deiner Einladung [...]

Frank Wedekind schrieb am 26. April 1914 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

Lieber Artur!

Mit herzlichem Dank für Deine freundliche Aufforderungnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 25.4.1914. muß ich Dir leider mitteilen daß ich lieber nicht folge leiste aus dem einfachen Grunde weil ich finde daß ich bei dieser Gelegenheit überflüssig bin und nichts vernünftiges dabei zu tun habe. Offen gesagt finde ich es auch nicht ganz richtig, daß Du eine Damenicht identifiziert; eine wohl neue Freundin Artur Kutschers, der 1912 und 1913 (vor seiner Scheidung von seiner ersten Ehefrau Gertrud Kutscher, geb. Schaper) mit mindestens zwei anderen Frauen liiert war. mit andern Herrn zusammenführstArtur Kutscher hat Wedekind offenbar zu einem Abend in der Stammtischrunde Krokodil eingeladen (vermutlich für Montag, den 27.4.1914), bei der er ihm und weiteren Herren wohl seine neue Freundin (siehe oben) vorstellen wollte. Beim Krokodil waren Frauen im Grunde ausgeschlossen: „Damen waren nur ausnahmsweise geduldet, etwa nach einem Theaterabend“ [Kutscher 1960, S. 69]. Die Treffen des Krokodils fanden im Münchner Ratskeller statt. Wedekind hatte Artur Kutscher dort zuletzt am 23.4.1914 getroffen: „RK mit Lewin Martens Kutscher Walter und Aretin“ [Tb]); er war dann am 27.4.1914 wieder dort, nicht aber Artur Kutscher: „Krokodil. ohne Kutscher Mit Lewin allein“ [Tb]. | solange Dir die Dame nicht die Gefälligkeit erweist, Dich mit anderen Damen zusammenzuführen. Sobald das der Fall ist werde ich Deiner Einladung mit umso größerem Vergnügen folgen.

Mit schönsten Grüßen
Dein alter getreuer
Frank Wedekind.


München 26.4.14.


[Kuvert:]


Herrn Privatdozent
Dr. Arthur Kutscher
München
Helmtrudenstrasse 5Dr. phil. Artur Kutscher war inzwischen, vermutlich im Zusammenhang seiner Scheidung im Vorjahr, innerhalb Münchens von der Mauerkircherstraße 6 (4. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1913, Teil I, S. 352] in die Helmtrudenstraße 5 (3. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 368] umgezogen..

Frank Wedekind schrieb am 18. Juni 1914 in München
an Artur Kutscher

FRANK WEDEKIND BANKETTDas am 24.6.1914 von Wedekind notierte „50 Geburtstagsbankett“ [Tb] im Hotel Bayerischer Hof in München (Promenadeplatz 19) aus Anlass seines 50. Geburtstags am 24.7.1914 hatte ein kleinerer Freundeskreis organisiert, darunter Kurt Martens und Joachim Friedenthal, der dem Autor als Ehrengabe das „Wedekindbuch“ übereichte, nachdem schon eine Reihe Reden gehalten waren. Einer der Festredner war Artur Kutscher; er „erinnerte [...] an Frau Tilly, die Mitkämpferin“ [Kutscher 3, S. 178]. Erhalten ist ein Foto, auf dem von den rund 120 Gästen über 40 Personen zu sehen sind (ein „Festessen zu Frank Wedekinds 50. Geburtstag im Bayerischen Hof“ betitelter Abzug befindet sich im Thomas-Mann-Archiv der ETH-Bibliothek Zürich [Signatur: TMA_0055] und ist online zugänglich: https://tma.e-pics.ethz.ch/#1597852696489_0).
im Hotel Bayerischer Hof
München / am Mittwoch den 24. Juni 1914

‒‒


MENU


Verschiedene Vorspeisen

Mock-turtle-Suppeunechte Schildkrötensuppe (statt Schildkrötenfleisch in der Regel Verwendung von Kalbfleisch).

Plattensee-FogasZander aus dem Plattensee (Balaton) in Ungarn. in Butter gebraten

Rehbraten auf Hubertus-ArtZubereitung mit Pilzen und Zwiebeln.

Königin-Charlotteüppige Süßspeise in zylindrischer Form (außen Biskuit, innen eine Creme), angeblich nach der englischen Königin Charlotte, Gemahlin Georgs III., benannt.

Feinbäckereien


Dr. Artur Kutscher

Artur Kutscher, Friedrich Strindberg und Erich Mühsam schrieben am 11. Juli 1914 - 12. Juli 1914 in Salzburg folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Herr Frank Wedekind

München

Prinzregentenstr. 50 |


Salzburg 11–12 VII.14.


Lieber Frank von fröhlicher Tafelrunde nach Aufführung vom KyklopenArtur Kutscher hatte mit Studierenden seines Seminars von der Universität München am 11.7.1914 auf der Felsenbühne des Steintheaters im Park des Schlosses Hellbrunn bei Salzburg das antike Satyrspiel „Der Kyklop“ (Zyklop) von Euripides aufgeführt (in der Übersetzung von Adolf Wilbrandt). Einen Theaterzettel der Aufführung klebte er in sein Gästebuch [vgl. Mü, Nachlass Artur Kutscher, ArK D 32 I] des Euripides senden wir dir als Zeichen unseres Gedenkens herzliche Grüße dein Artur Kutscher

Ihre Pariser AdresseWedekind hielt sich vom 2. bis 13.7.1914 in Paris auf und wohnte dort im Grand Hotel [vgl. Tb]. ist nicht zu ermitteln. Aber in Erinnrung an die Clauserie de LilasDas 1883 eröffnete „La Closerie des Lilas“ ist ein bekanntes Pariser Künstlercafé im Quartier Montparnasse. Wedekind besuchte das Lokal am 9.7.1914: „Spaziergang in den Champs Elisee Nachmittag Mont Parnasse Closerie des Lila“ [Tb]. und unter dem Eindruck der famosen Leistung des KutscherseminarsDie Presse lobte die Aufführung: „Die Anregung zu dieser wirkungsvollen Vorstellung hatte Dr. Artur Kutscher gegeben, der auch die Regie führte.“ [Wiener Abendpost. Beilage zur Wiener Zeitung, Nr. 159, 14.7.1914, S. 3] „Die Darbietung war entgegen allen skeptischen Erwartungen, die man zu haben geneigt war, in den Einzelleistungen, vor allem aber in der Regieführung und in den Bewegungsmotiven der Chöre von einer erstaunlichen Höhe. Die Vertreter aus Berlin und andern Städten des Deutschen Reiches sowie die Gäste aus Wien und das Salzburger Publikum waren seltsam gepackt und standen im Banne eines ganz ungewöhnlichen künstlerischen Erlebnisses“ [Aus dem Naturtheater in Hellbrunn. In: Neues Wiener Abendblatt, Jg. 48, Nr. 193, 15.7.1914, S. 5]. grüßt Sie Ihr Erich Mühsam.

Herzliche Grüße sendet Dir in treuem Gedenken der schönen Tage, die wir mitsammen verlebt
FriedrichWedekinds Sohn Friedrich Strindberg hatte offenbar die Aufführung des „Kyklopen“ besucht und schloss sich hinterher der „Tafelrunde“ an. Erich Mühsam kannte er von seinem Weihnachtsbesuch 1913 bei Wedekind in München persönlich [vgl. Tb]. In Artur Kutschers Gästebuch findet sich neben dem eingeklebten Theaterzettel ein Eintrag Friedrich Strindbergs: „Wenn der Mensch voll ist, geht er unter die Schweine. Ist er nicht immer voll?“ [Mü, Nachlass Artur Kutscher, ArK D 32 I] Der darauffolgende Eintrag von Bernhart Rehse ist datiert mit: „Salzburg, 11. Juli 1914.“ Das Treffen mit Artur Kutscher und Erich Mühsam führte in der Folge zu Gesprächen der beiden mit Wedekind, der im Mai den Kontakt zu seinem Sohn abgebrochen hatte, nachdem er einen Erpresserbrief erhalten hatte, den er auf die literarischen Aktivitäten Friedrichs und dessen Drama „Menschenrecht“ zurückführte [vgl. Wedekind an Friedrich Strindberg, 8.5.1914]: „Gespräch mit Mühsam über Friedrich Strindberg Menschenrecht.“ [Tb, 18.7.1914] „Mit Kutscher Gespräch über Fritz Strindberg. Schlaflose Nacht“ [Tb, 20.7.1914].

Frank Wedekind schrieb am 15. Juli 1914 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

Lieber Artur!

Von ganzem Herzen beglückwünsche ich Dich zu dem großen und offenbar durch schönste künstlerische Arbeit reichlich verdienten Erfolg Deines Kyklopen in HellbrunnArtur Kutscher hat am 11.7.1914 im Steintheater (die älteste erhaltene antike Freiluftbühne nördlich der Alpen) im Schlosspark des Schlosses Hellbrunn in Salzburg mit achtzig Studierenden seines Seminars von der Universität München das antike Satyrspiel „Der Kyklop“ (Zyklop) von Euripides aufgeführt (in der Übersetzung von Adolf Wilbrandt). Die Presse lobte: „Die Anregung zu dieser wirkungsvollen Vorstellung hatte Dr. Artur Kutscher gegeben, der auch die Regie führte.“ [Wiener Abendpost. Beilage zur Wiener Zeitung, Nr. 159, 14.71914, S. 3] „Die Darbietung war entgegen allen skeptischen Erwartungen, die man zu haben geneigt war, in den Einzelleistungen, vor allem aber in der Regieführung und in den Bewegungsmotiven der Chöre von einer erstaunlichen Höhe. Die Vertreter aus Berlin und andern Städten des Deutschen Reiches sowie die Gäste aus Wien und das Salzburger Publikum waren seltsam gepackt und standen im Banne eines ganz ungewöhnlichen künstlerischen Erlebnisses“ [Aus dem Naturtheater in Hellbrunn. In: Neues Wiener Abendblatt, Jg. 48, Nr. 193, 15.7.1914, S. 5].. | Hoffentlich erzählst Du mir recht baldWedekind traf Artur Kutscher gleich am Tag darauf, am 16.7.1914 im Hoftheaterrestaurant [vgl. Tb]. Er war dann am 17.7.1914 für eine Lesung zu Gast in „Kutschers Seminar“ und feierte anschließend „mit Kutscher Mühsam Friedenthal Dr. Blümner und Dr. v. Jakobi“ ein „Gelage“ [Tb] in der Torggelstube. ausführlicher darüber.

Mit schönsten Grüßen
Dein alter
Frank Wedekind.


15.7.14.


[Kuvert:]


Herrn Privatdozent
Dr. Artur Kutscher
München
Helmtrudenstrasse 5.

Frank Wedekind schrieb am 17. Juli 1914 in München folgende Widmung
an Artur Kutscher

Kann manDie wohl aus dem Gedächtnis zitierte Passage stammt ‒ mit kleinen Varianten, auch in der Interpunktion ‒ aus Wedekinds Erzählung „Rabbi Esra“ [vgl. KSA 5/I, S. 217], einer der beiden Erzähltexte, die der Autor am 17.7.1914 in Artur Kutschers Seminar vorgetragen hat (siehe unten). unglücklich sein mit einer halben Million aber kann man nicht unglücklich sein mit der Erkenntnis, daß die fleischliche Liebe nicht ist Satansdienst wenn der Mensch die Wegein der Erzählung (siehe oben): „Pfade“ [KSA 5/I, S. 217]. wandelt, die ihm der Herr gewiesen, weil er zwei Menschen hat für einander geschaffen außen und innen, an Leib und an Seelein der Erzählung (siehe oben): „und Seele“ [KSA 5/I, S. 217].

An Artur Kutschers Geburtstag den 17. Juli 1914Wedekind notierte am 17.7.1914 in München: „In Kutschers Seminar lesse ich Brand von Egliswyl und Rabbi Esra.“ [Tb]
Frank Wedekind.

Artur Kutscher schrieb am 3. September 1914 in Nesles folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 13.9.1914 aus München:]


Herzinnigen Dank für Deine liebe Karte vom 3. September, die ich heute erhielt.

Frank Wedekind schrieb am 13. September 1914 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

Sonntag, den 13. September 1914.


Lieber Artur!

Herzinnigen Dank für Deine liebe Karte vom 3. Septembernicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 3.9.1914., die ich heute erhielt. Wir waren hier schon alle einigermaßen besorgt um Dich da niemand etwas von Dir gehört hatte. Vor drei Tagen holte ich mir bei Deiner Hauswirtinnicht identifiziert. Die Hauswirtin wohnte in München offenbar in der Adelgundenstraße, während Artur Kutscher zuletzt in der Helmtrudenstraße 5 (3. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 368] gewohnt hat. in der Adelgundenstraße Deine Adresse, von der mir Fred aber gestern AbendWedekind verbrachte den Abend des 12.9.1914 „mit Fred“ [Tb], dem Schriftsteller W. Fred (Alfred Wechsler), im Hoftheaterrestaurant. noch sagte, daß sie nicht ausreiche. Der Himmel schütze Dich und | behüte Dich uns allen und Deinen lieben Angehörigen. Hier herrscht die gedrückte Stimmung des Abwartenmüssens, nur unterbrochen von der fieberhaften Spannung, mit der wir Eure SiegeAnspielung auf die in der Presse breit bejubelten Erfolge des deutschen Heeres an der Westfront. verfolgen. Dr. von Jakobi hat eine leichte Verwundung am FußWedekind dürfte schon einige Tage über die Kriegsverletzung von Dr. phil. Bernhard von Jacobi, Münchner Hoftheaterschauspieler [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 559], informiert gewesen sein ‒ wie Erich Mühsam, der am 8.9.1914 notierte: „Bernhard v. Jacoby ist verwundet. Er liegt mit einer Schußwunde im Fuß in Tübingen [...]. Es scheint also keine allzu gefährliche Blessur zu sein, und der Invalide wird wohl in einigen Tagen in München eintreffen“ [Tb Mühsam], was dann am 16.9.1914 der Fall war: „Jacobi ist in München angelangt“ [Tb Mühsam]. Wedekind hat Bernhard von Jacobi nachweislich zuletzt nach seinem Autorenabend in Artur Kutschers Seminar am 17.7.1914 bei einem „Gelage“ [Tb] gesehen. Artur Kutscher unternahm mit Bernhard von Jacobi kurz vor Kriegsbeginn am 25.7.1914 eine Reise nach Tirol, die Anfang August abgebrochen wurde [vgl. Kutscher 1960, S. 103-106; Kutscher 1915, S. 1-5] ‒ für beide ging es danach an die Front. erhalten, die ihn in einigen Tagen nach München bringen soll. Heute steht zum ersten Mal etwas von einem schüchternen FriedensvermittlungsversuchDie deutschsprachigen Pressemeldungen beriefen sich auf Berichte in englischen, französischen, russischen und amerikanischen Zeitungen [vgl. Angebliche Versuche des Präsidenten Wilson zur Friedensvermittlung. In: Neue Freie Presse, Nr. 17979, 13.9.1914, Morgenblatt, S. 6; Eine Friedensaktion des Präsidenten Wilson. In: Neues Wiener Journal, Jg. 22, Nr. 7501, 13.9.1914, S. 1; Wilsons Vermittlungsabsichten. In: Prager Tagblatt, Jg. 39, Nr. 251, 13.9.1914, Abend-Ausgabe, S. 1]. des amerikanischen Präsidenten in den Blättern. Der hartnäckigste Widerstand | scheint in GalizienAnspielung auf die am 23.8.1914 begonnene sogenannte Schlacht in Galizien (eigentlich mehrere Schlachten), bei der es den russischen Truppen bis zum 2.9.1914 gelang, weite Teile Galiziens mit dem Großteil der Bukowina zu besetzen, ein Rückschlag für Österreich. zu bestehen, während in OstpreußenAnspielung auf die Schlacht von Tannenberg vom 26. bis 30.8.1914, die mit einem bedeutenden (später propagandistisch überhöhten) Sieg der deutschen über die russischen Truppen endete, ein großer Erfolg an der Ostfront für die deutsche Seite. sich offenbar alles zum Guten gewandt hat. Gerhart Hauptmann hat eine ZeitungsfehdeNach Gerhart Hauptmanns Artikel „Gegen Unwahrheit“ am 26.8.1914 im „Berliner Tageblatt“ [Jg. 43, Nr. 431, Morgen-Ausgabe, S. (2-3)], in dem er sich gegen Zuschreibungen wandte, die Deutschen seien ‚Barbaren‘, und dabei namentlich Maurice Maeterlinck angriff (der „verblendete Gallomanne Maeterlinck“ habe von „Barbaren“ gesprochen, aber „bei uns seinen Ruhm und sein Gold gewonnen“), publizierte Romain Rolland einen auf den 29.8.1914 datierten offenen Brief an Gerhart Hauptmann im „Journal de Genève“ [Jg. 85, Nr. 241, 2.9.1914, S. 1], der andernorts mit einem anders lautenden Auftakt gedruckt wurde, welcher sich direkt auf die Polemik gegen Maurice Maeterlinck bezog: „Gerhart Hauptmann a écrit un article violent contre Maeterlinck“ [Une lettre de Romain Rolland. In: Gazette de Lausanne, Nr. 240, 2.9.1914, S. (2)]. Romain Rollands offener Brief aus dem „Journal de Genève“ wurde übersetzt am 10.9.1914 zusammen mit Gerhart Hauptmanns Antwort in der „Vossische Zeitung“ abgedruckt [vgl. Romain Rolland und Gerhart Hauptmann. Ein Briefwechsel. In: Vossische Zeitung, Nr. 640, Abend-Ausgabe, S. (2-3)]. Gerhart Hauptmanns Artikel „Gegen Unwahrheit“ war eine Quelle für Wedekinds Kriegsrede (siehe unten) in den Münchner Kammerspielen [vgl. KSA 5/III, S. 506]. mit Maeterlink und Romain Rolland ausgefochten. Die Gesellschaft, die ich hier treffe, besteht aus Halbe Mühsam Friedenthal Martens und Fred. Man erzählte, daß Du sicherlich gleich an den ersten Kämpfen theilgenommen habest, mehr hatte bis jetzt niemand über Dich erfahren. Halbe sprach einen sehr schönen Prolog zu seiner ,,FreiheitMax Halbe sprach sein kriegsbegeistertes Gedicht „Krieg!“ am Vorabend der Vorstellung seines Historiendramas „Freiheit. Ein Schauspiel von 1812“ am 23.8.1914 am Münchner Schauspielhaus (am 22.8.1914 stand nichts auf dem Spielplan), worauf auch die redaktionelle Vormerkung zum Erstdruck von Max Halbes Gedicht Bezug nimmt: „Die folgenden Verse wurden als Prolog zu Max Halbes Schauspiel ‚Freiheit‘ in München am 22. August 1914 gesprochen.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 452, 6.9.1914, Morgen-Ausgabe, 2. Beiblatt, S. (1)] Max Halbes Gedicht zählt zu den Quellen für Wedekinds Kriegsrede (siehe unten) in den Münchner Kammerspielen [vgl. KSA 5/III, S. 506f.]. die im Schauspielhaus aufgeführt wurde. | Nächsten Freitag soll ein patriotischer AbendWedekind hielt zu seinem am 18.9.1914 in den Münchner Kammerspielen gehaltenen Kriegsvortrag fest: „Patriotischer Abend in den Kammerspielen. Ich spreche die Einleitung“ [Tb]. Die Veranstaltung fand in der Presse eine Wedekinds Ausführungen durchaus lobende Resonanz [vgl. KSA 5/III, S. 508f., 518f.]. Sein handschriftlich nur in Entwürfen erhaltener Vortrag ist in unterschiedlichen Druckfassungen überliefert, als „Kriegsworte Frank Wedekinds (Vortrag des Dichters, gehalten in der Vaterländischen Feier der Münchner Kammerspiele)“ und als „Deutschland bringt die Freiheit“ [KSA 5/II, S. 520-529] am 21. und 27.9.1914 in Berliner Zeitungen gedruckt [vgl. KSA 5/III, S. 496-506]. in den Kammerspielen stattfinden, den ich voraussichtlich mit einigen Worten über den Krieg einleiten werde. Den Ort Zonaque oder JonanneDer französische Ortsname war in Artur Kutschers verschollener Postkarte vom 3.9.1914 (siehe oben) offenbar schwer leserlich; der gemeinte Ort ist nach Kutschers „Kriegstagebuch“ nicht zu identifizieren. finde ich ers im Register meines Atlas, aber nicht auf der Karte. Offenbar liegt er westlich von Paris. Dann hättest Du also den weitesten Weg mitgemacht den unsere Truppen bis jetzt zurückgelegt. Hoffentlich treffen Dich diese Zeilen gesund und wohl. Ich warte nicht auf Antwort, um Dir wieder Nachricht zu geben. In einigen Tagen erhältst Du eine Cartevgl. Wedekind an Artur Kutscher, 22.9.1914.. Bleib gesund und frohen Mutes. Mit treuen Wünschen und herzlichsten Grüßen auch von meiner Frau
Dein treuer
Frank Wedekind.


[Kuvert:]


Feldpostbrief


An den Leutnant und KompanieführerArtur Kutscher wurde am 1.9.1914 „zum Kompanieführer der 8. Kompanie ernannt“ [Kutscher 1915, S. 77]. Dr. Artur Kutscher
Bayer. II Armee korps.
19. Reserve .... Division
8. Reserve Infant. Regiment Nr. 92
Bataillon Nr.

Abteilung Nr. Kompanie Nr. Eskadron Batterie

Kolonne Nr.

Die Angabe eines Bestimmungsorts unterbleibt, wenn der Empfänger zu den Truppen gehört, die infolge von Marschbewegungen den Standort wechseln. (5. 13) |


Absender Name Frank Wedekind
Wohnung in München Prinzregenten Straße Nr. 50

Frank Wedekind, Max Halbe, Bernhard von Jacobi, Joachim Friedenthal, Albert Goldschmidt, Wilhelm Herzog, Carl Georg von Maassen, Heinrich Mann, Erich Mühsam, Jodocus Schmitz, Albert Steinrück und Lucy von Jacobi schrieben am 19. September 1914 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Artur Kutscher

[Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 21.10.1914 aus München:]


Eine Karte schrieben wir, Halbe, Jacobi e.ct aus der Torggelstube.

Frank Wedekind schrieb am 22. September 1914 in München folgende Postkarte
an Artur Kutscher

Feldpostkarte


An den Leutnant und Kompanieführer Dr. Artur Kutscher
Bayer. II. Armee korps.
19. Reserve Division
Infanterie Regiment Nr. 92.
III Bataillon Nr.

Abteilung Nr.

Kompanie Nr.

Eskadron

Batterie

Kolonne Nr.


Absender Name
Wohnung in   Straße Nr. |


Lieber Artur!

Hoffentlich trifft Dich diese Karte gesund und munter. Hier ist gar nichts los. Jakobi war am SamstagDer verwundet von der Westfront zurückgekehrte Hoftheaterschauspieler Bernhard von Jacobi war in geselliger Runde mit Wedekind am 19.9.1914 in der Torggelstube und zwar im Keller, im Raum von Max Halbes Kegelgesellschaft Unterströmung, wie Wedekind sarkastisch vermerkte: „T.St. Bernhardt von Jacoby mit Halbe und seiner Gesellschaft in den Bombensichern Katakomben.“ [Tb] Dort wurde eine Gruppenpostkarte an Artur Kutscher geschrieben [vgl. Wedekind, Joachim Friedenthal, Albert Goldschmidt, Bernhard von Jacobi, Lucy von Jacobi, Max Halbe, Wilhelm Herzog, Carl Georg von Maaßen, Heinrich Mann, Erich Mühsam, Jodocus Schmitz, Albert Steinrück an Artur Kutscher, 19.9.1914]. mit uns in der Torggelstube und zwar unten in der Kegelbahn, da sonst alle Lokale um 12 Uhrum 24 Uhr, die kriegsbedingte Sperrstunde in den Münchner Lokalen. geschlossen werden. Übermorgenam 24.9.1914, an dem Rudolf Eucken seinen Vortrag im Münchner Hotel Vier Jahreszeiten (Maximilianstraße 4) hielt, wie angekündigt war: „‚Unsere gerechte Sache‘. Ueber dieses Thema wird auf Einladung der Gesellschaft für ethische Kultur Geheimrat Rudolf Eucken aus Jena am Donnerstag, 24. September, im Konzertsaal der Vier Jahreszeiten einen Vortrag halten. Der mit dem Nobel-Preis gekrönte Gelehrte war als Austauschprofessor in Amerika tätig und stand vor Ausbruch des Krieges gerade im Begriff, eine Reise nach Japan anzutreten, um dort für das deutsche Geistesleben Interesse zu erwecken. Der Reinertrag des Vortrages wird dem Wohlfahrtsausschuß der Stadt München überwiesen.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 482, 20.9.1914, Vorabendblatt, S. 3] Wedekind notierte am 24.9.1914: „Vortrag von Rudolf Eucken in Vier Jahreszeiten“ [Tb]. hält Prof. Eucken aus Jena einen Vortrag in den Jahreszeiten. Voraussichtlich folgt eine Zusammenkunft Nach dem Besuch von Rudolf Euckens Vortrag am 24.9.1914 im Hotel Vier Jahreszeiten ging Wedekind zunächst „mit Friedenthal“ [Tb] ins Hoftheaterrestaurant und anschließend mit Joachim Friedenthal, Albert Steinrück, Eugen Albu und Erich Mühsam in die Torggelstube: „TSt. mit Friedth Steinrück Albu Mühsam“ [Tb].darauf. Ich denke jetzt auf einige Tage in die SchweizWedekind reiste am 4.10.1914 ab nach Zürich [vgl. Tb], von dort am 6.10.1914 nach Lenzburg, wo seine Mutter wohnte und seine Schwester ihn am Bahnhof abholte: „Mati erwartet mich am Bahnhof. Abend mit Mama und Mati.“ [Tb] Er kehrte am 19.10.1914 aus der Schweiz zurück nach München [vgl. Tb]. zu gehen, meine alte Mutter und meine Schwester aus Paris besuchen. Mit äußerster Spannung erwarten wir den Ausgang der Schlacht bei ReimsDie Schlacht an der Aisne vom 12. bis 20.9.1914 und 25. bis 29.9.1914 markiert den Beginn des Stellungskrieges an der Westfront, wo Artur Kutscher stationiert war.. Laß es Dir gut gehn! Herzlichste Grüße auch von meiner Frau. Dein alter Frank Wedekind

Artur Kutscher schrieb am 4. Oktober 1914 in Epoye folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 21.10.1914 aus München:]


[...] Deine liebe Karte vom 4.10 [...]

Frank Wedekind schrieb am 21. Oktober 1914 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

München, 21. Oktober 1914.


Mein lieber Artur!

Nimm den herzlichsten Dank für Deine liebe Karte vom 4.10nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 4.10.1914., die mir eine große Freude war. Jeder Satz darauf ist mir ein Labsal, ich habe die Karte schon mehr als zehn Mal gelesen. Daß Du wohl und munter bist, (hoffentlich treffen Dich diese Zeilen ebenso an!) daß Du zwei PferdeDas Privileg stand im Zusammenhang mit der Funktion des Kompanieführers: „Am 1. September [1914] wurde ich Führer der 240 Mann starken Kompanie und bekam meine zwei Pferde“ [Kutscher 1960, S. 106]. Im „Kriegstagebuch“ notierte Kutscher: „Ich bekomme zwei Burschen und zwei Pferde“ [Kutscher 1915, S. 78]. zur Erholung hast und vor allem das Eiserne KreuzNach dem Angriff auf Reims bekam Artur Kutscher Mitte September 1914 diesen aus der Zeit der Befreiungskriege 1813 stammenden und oft verliehenen Orden (erneuert 1870 zu Beginn des Deutsch-Französischen Krieges sowie zu Beginn des Ersten Weltkriegs von Wilhelm II. wiederum erneuert): „Der Oberstleutnant kommt zu unserem Lagerplatz und bringt jedem Offizier ‒ wir sind sechs ‒ das Eiserne Kreuz.“ [Kutscher 1915, S. 109]. Artur Kutscher war sehr stolz darauf und trug ihn nach seiner Rückkehr ins Zivilleben als Dozent, wie Ernst Toller sich 1933 in seiner Autobiografie erinnerte: „Ich vergnüge mich im literaturgeschichtlichen Seminar des Professor Kutscher. In Hauptmannsuniform, das Eiserne Kreuz auf der Brust, [...] steht er auf dem Katheder, schmuck und ein Freund der Modernen“ [Ernst Toller: Eine Jugend in Deutschland. Reinbek bei Hamburg 1979, S. 54f.]., zu dem ich Dich von ganzem Herzen beglückwünsche. Um unsere Sache kann es wohl nicht besser stehen, als daß unser Land vom Feinde frei ist und in Österreich der Feind zurückgeht. Sicherlich hast Du bis jetzt den schwersten und interessantesten Theil | des Feldzuges mitgemacht. Seit meinem Briefvgl. Wedekind an Artur Kutscher, 13.9.1914. den Du erhalten hast habe ich Dir zwei oder drei Kartennicht überliefert; nur eine der Postkarten ist konkret erschließbar (die nachfolgend erschlossene Gruppenkarte). geschrieben. Eine Kartenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind, Joachim Friedenthal, Albert Goldschmidt, Bernhard von Jacobi, Lucy von Jacobi, Max Halbe, Wilhelm Herzog, Carl Georg von Maaßen, Heinrich Mann, Erich Mühsam, Jodocus Schmitz, Albert Steinrück an Artur Kutscher, 19.9.1914. schrieben wir, Halbe, Jacobi e.ct aus der TorggelstubeWedekind notierte am 19.9.1914 zur Torggelstube, dem Schreibort der Gruppenpostkarte (siehe oben): „T.St. Bernhardt von Jacoby mit Halbe und seiner Gesellschaft“ [Tb]. Erich Mühsam hielt zu dem Abend des 19.9.1914 am 20.9.1914 fest: „‚Was bedeuten gewonnene Schlachten? Sieg und Niederlage sind Begriffe. Wie kann ein Volk siegen, das in der ganzen Welt gehaßt wird?‘ Das sind Worte, die mir gestern abend Heinrich Mann sagte. Wedekind saß am Tisch und Halbe, B. v. Jacobi und Frau, v. Maaßen, Schmitz, Steinrück, Herzog, Dr. Goldschmidt und Friedenthal. Mann sagte seine sehr herben Dinge nur zu mir. Es hätte sich auch trotz des neutralen Raumes (die Kegelbahn unter der Torggelstube) wenig empfohlen, sie laut zu sagen.“ [Tb Mühsam]. Seitdem war ich einige Tage in SalzburgWedekind reiste am 26.9.1914 nach Salzburg und traf dort seinen inzwischen 17jährigen unehelichen Sohn aus der Beziehung mit Frida Strindberg: „Fahrt nach Salzburg. Hotel d l’Europe. Treffe Friedrich Strindberg bei Tisch“ [Tb]. Er reiste am Tag darauf abends bereits zurück, notierte an diesem 27.9.1914 aber noch zu seinem Sohn, mit dem er wohl noch den Tag verbrachte: „Friedrich weckt mich Frühstück im Hotel“ [Tb]., erzählte Friedrich Strindberg von Dir, der mich bat, Dir einen Gruß zu bestellen, und bis gesternam 20.10.1914. Wedekind traf allerdings bereits am 19.10.1914 wieder in München ein (siehe unten). 14 TageWedekind war vom 4. bis 19.10.1914 in der Schweiz, überwiegend in Lenzburg, mit Aufenthalten in Zürich [vgl. Tb]. in der Schweiz, in Lenzburg, wo ich kurz vor der Abreise Deine Karte erhielt. Am SonntagWedekinds Neffe Armin Wedekind (Sohn seines gleichnamigen Bruders in Zürich) besuchte mit seiner Schwester Lili seinen schon fast im Aufbruch befindlichen Onkel am 18.10.1914 in Lenzburg: „Armin jun und Lili kommen“ [Tb]. las ich Deine Karte Armin Wedekind vor, der mich gleichfalls bittet, Dich zu grüßen. Er steht unter den Schweizern an der Französischen GrenzeDie Schweiz hatte zur Sicherung ihrer Neutralität eine sogenannte Grenzbesetzung durch Soldaten eingerichtet, einer davon der seinen Militärdienst leistende Neffe Wedekinds.. Seit meiner Rückkehr habe ich hier noch niemanden gesehen, werde aber Deine Grüße bei der nächsten Gelegenheit bestellen und bin sicher, allen, eine große Freude damit zu bereiten. An Deine liebe FrauGertrud Kutscher (geb. Schaper) war inzwischen von Artur Kutscher geschieden (Scheidung am 10.12.1913), das Paar hatte zu Kriegsbeginn aber offenbar eine versöhnliche Aussprache, wie er im „Kriegstagebuch“, ohne ihren Namen zu nennen (er sprach formalhaft von „Frau und Kind“), andeutete: „Wir können uns dann doch auch noch aussprechen.“ [Kutscher 1915, S. 6] schreibe ich heute nochHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Gertrud Kutscher, 21.10.1914. und frage an, ob ich mir Dein TagebuchArtur Kutscher hatte gleich Ende Juli 1914 bei der Generalmobilmachung begonnen, ein dann weitgehend veröffentlichtes „Kriegstagebuch“ zu schreiben [vgl. Kutscher 1960, S. 104], worüber er Wedekind informiert haben muss. Das bisher fertiggestellte Manuskript lag in München bei der Schriftstellerin Gertrud Kutscher (geb. Schaper), der geschiedenen ersten Ehefrau Artur Kutschers (siehe oben). bei ihr abholen | kann. Die Stimmung hier in München ist zuversichtlich aber eher gedrückt als gehoben. Das Theaterleben schleppt sich mühselig fort. Von sämmtlichen Künstlern, Schriftstellern, Malern, Musikern hört man, daß es ihnen furchtbar schwer wird, ja ganz unmöglich ist, etwas zu arbeiten. Ich meinerseits beschäftige mich seit Ausbruch des Krieges mit dem Studium der DiplomatieLektüren in Vorbereitung des „Bismarck“-Dramas [vgl. KSA 8, S. 657f., 697-711].. Bei einer patriotischen FeierWedekind hielt zu seinem am 18.9.1914 in den Münchner Kammerspielen gehaltenen Kriegsvortrag fest: „Patriotischer Abend in den Kammerspielen. Ich spreche die Einleitung“ [Tb]; angekündigt war: „Die Münchner Kammerspiele bereiten für Ende nächster Woche eine Vaterländische Feier vor, die hauptsächlich älteren und jüngeren Vertretern der modernen zeitgenössischen Kunst gewidmet sein wird. Frank Wedekind wird den Abend mit einer Ansprache eröffnen.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 463, 10.9.1914, Vorabendblatt, S. 3]. Im Programm hieß es: „Münchener Kammerspiele. Freitag, den 18. September / Vaterländische Feier. (Der gesamte Reingewinn wird der Sammlung Ostpreußen überwiesen.) Einleitende Worte: ‚Vom deutschen Vaterlandsstolz‘ – ‚Deutschland bringt die Freiheit‘. (Frank Wedekind).“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 4479, 18.9.1914, General-Anzeiger, S. 2] Nach Wedekind sprachen auf der Veranstaltung am 18.9.1914 (von 19.30 Uhr bis gegen 22 Uhr) Detlev von Liliencron, Erich Ziegel, Richard Dehmel, Cäsar Flaischlen, Peter Scher, Katharina Botsky, Johannes R. Becher und Ludwig Thoma; nach einer Gesangseinlage wurde Klabunds Einakter „Rußland marschiert“ uraufgeführt, es folgten musikalisch gerahmte Gedichtvorträge. in den Kammerspielen hielt ich einen einleitenden Vortrag, den ich Dir hier beilegeDie Beilage ist nicht überliefert. Es dürfte sich um den Durchschlag eines nicht erhaltenen Typoskripts [vgl. KSA 5/III, S. 496] von Wedekinds Vortrag (siehe oben) gehandelt haben. Artur Kutscher vermerkte den Erhalt in seinem „Kriegstagebuch“ („Frank Wedekind schickt mir einen prächtigen Aufsatz mit dem Titel: ‚Deutschland bringt die Freiheit‘“), zitierte den Text durch Auslassungen gekürzt und fügte eine Schlussbemerkung an: „Ich habe diesen Ausführungen nichts hinzuzufügen, ich habe sie selbst erlebt und betätigt.“ [Kutscher 1915, S. 163f.] Wedekinds Vortrag erschien am selben Tag, an dem er den vorliegenden Brief schrieb, als „Kriegsworte Frank Wedekinds (Vortrag des Dichters, gehalten in der Vaterländischen Feier der Münchner Kammerspiele)“ im „Berliner Börsen-Courier“, dann am 27.9.1914 im „Berliner Tageblatt“ in abweichender Fassung unter dem Titel „Deutschland bringt die Freiheit“ [vgl. KSA 5/III, S. 496f.], unter dem auch Artur Kutscher den Text erhalten hat.. Seit drei Wochen haben wir hier das herrlichste sonnigste Wetter, während ich mit tiefer Betrübnis höre, daß bei Euch schwere Regengüsse fallen. Als einziges Literarisches Ereignis in München ist die Premieredie Uraufführung von Hermann Bahrs Komödie „Der Querulant“ am 16.10.1914 um 19.30 Uhr im Münchner Schauspielhaus: „Uraufführung: Der Querulant. Komödie in 4 Aufzügen von H. Bahr.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 531, 16.10.1914, General-Anzeiger, S. 2] Wedekind besuchte die Vorstellung vom 5.11.1914: „Mit Tilly in Querulant von Bahr.“ [Tb] von ,,Der Querulant“ von Hermann Bahr zu verzeichnen, die vor wenigen Tagen im Schauspielhaus stattfand. Daneben hat Alfred Henschke mit Kriegsein|akternmit den drei Einaktern „Rußland marschiert. Eine russische Scene“, „Der feiste Kapaun. Ein französischer Schwank“ und „Tommy Atkins. Eine englische Komödie“ des von Artur Kutscher geförderten Schriftstellers Klabund (Alfred Henschke), die sich über die Kriegsgegner Russland, Frankreich und England lustig machten und unter dem Gesamttitel „Kleines Kaliber. Drei Komödien vom Feinde“ am 10.10.1914 in den Münchner Kammerspielen zusammen uraufgeführt wurden [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 520, 10.10.1914, General-Anzeiger, S. 2]. Wedekind kann sie nicht gesehen haben, da er in der Schweiz war und dem Tagebuch vom 19. und 20.10.1914 zufolge zuhause geblieben ist. Gesehen hat sie dagegen Erich Mühsam [vgl. Tb Mühsam, 11.10.1914]. in den Kammerspielen sehr wohlverdiente Erfolge. Aber über allen Veranstaltungen liegt eine bleierne Schwere.

Der Himmel gebe, daß Dich diese Zeilen so frisch und munter treffen wie Du mir Deine letzte Karte schriebst. Meine Frau geht diesen Nachmittag (22.) Deine liebe Frau aufzusuchenTilly Wedekind traf Gertrud Kutscher am 22.10.1914 nicht an [vgl. Wedekind an Artur Kutscher, 9.11.1914].. Von Friedensaussichten zeigt sich bis jetzt leider noch nichts am Horizont, was zu ernsten Hoffnungen berechtigte. Alles deutet jetzt darauf hin als sollte die Entscheidung auf Englischem Boden gesucht werden. Das würde Euch in Frankreich wol auch etwas entlasten.

Nun sei herzlich gegrüßt. Mit den besten Wünschen für Dein Glück und Wohlergehen von meiner Frau und mir
Dein alter getreuer
Frank Wedekind.

Artur Kutscher schrieb am 29. Oktober 1914 in Cernay-lès-Reims folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 9.11.1914 aus München:]


[...] Deine liebe Karte vom 29 Oktober.

Artur Kutscher schrieb am 5. November 1914 in Cernay-lès-Reims folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[1. Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 27.11.1914 aus München:]


[...] herzlichsten Dank für Deine beiden ausführlichen Briefe. Seit dem ersten vom 5. November [...]


[2. Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 16.1.1915 aus München:]


Deinen ausführlichen Brief vom 5.XI habe ich wohl schon beantwortet.

Frank Wedekind schrieb am 9. November 1914 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

München 9. November 1914.


Lieber Artur!

Von Herzen danke ich Dir für Deine liebe Karte vom 29 Oktobernicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 29.10.1914.. Gleich nach Deiner vorigen Nachrichtnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 4.10.1914. hatte meine Frau Deine Gattin aufgesuchtTilly Wedekind unternahm am 22.10.1914 den Versuch, die Schriftstellerin Gertrud Kutscher (geb. Schaper), von Artur Kutscher geschieden, aber in gutem Einvernehmen mit ihm, zu besuchen [vgl. Wedekind an Artur Kutscher, 21.10.1914], traf sie dem vorliegenden Brief zufolge aber nicht an., leider nicht getroffen. Vorgestern SamstagGertrud Kutscher hat in Begleitung ihrer Tochter Rotraut am 7.11.1914 Frank und Tilly Wedekind in der Prinzregentenstraße 50 besucht und von Artur Kutschers „Kriegstagebuch“ berichtet: „Besuch von Frau Dr. Kutscher wegen Kriegstagebuch.“ [Tb] waren Deine Gattin und Rotraut bei uns. Rotraut ist ein entzückend schönes Mädchen und scheint mir vollkommen Dein Naturell zu haben. Deine liebe Frau erzählte von Deinem Kriegstagebuch, das sie eben in die Maschine diktiert. Ich riet mit dem Diktat gleich zwei Durchschläge herstellen zu lassen. Müller habe ich seit Wochen nicht gesehen da er viel verreist ist und die Geschäfte gänzlich stocken. Von Deinem Kriegstagebuch erzähle ich ihm bei erster Gelegenheit, wäre aber natürlich froh | und hielte es für gut wenn ich ihm dann gleich wenigstens eine Probe vorlegenWedekind hat dann bei seinem Verleger angefragt, ob er ihm das Manuskript von Kutschers „Kriegstagebuch“ zur Einsicht schicken soll [vgl. Georg Müller an Wedekind, 16.2.1915]. könnte. Dagegen kann ich Dir jetzt schon mittheilen, daß sich Friedenthal sehr für Dein Tagebuch interessiert und es gerne fürs Berliner Tageblatt erwerbenArtur Kutscher „Kriegstagebuch“ erschien nicht im „Berliner Tageblatt“, trotz der Bemühungen von dessen Münchner Korrespondenten Joachim Friedenthal. würde. Ich glaube nicht, daß die Buchausgabe dadurch geschädigt würde. Im Gegentheil. Aber vielleicht bist Du anderer Ansicht darüber. Laß mich bitte wissen wie Du darüber denkst. Von ganzem Herzen beglückwünsche ich Dich zu der bedeutenden verantwortungsvollen StellungArtur Kutscher war Kompanieführer., die Du Dir erkämpft hast. Offenbar ist ja vor kurzem wieder in Eurer Gegendin der Gegend von Reims an der Westfront. gekämpft worden, aber zu den furchtbaren Anstrengungen der ersten Kriegswochen wird es ja voraussichtlich nicht mehr kommen. Über ein eventuelles Kriegsende erfährt man hier nichts als daß Deutschland seine | Friedensbedingungen in London und Paris bekannt gegeben hat. Auch nach den Schweizer Blättern, die ich zuweilen lese, stehen unsere Angelegenheiten besonders durch das Eingreifen der TürkeiSchweizer Presse hat über den Kriegseintritt der Türkei berichtet, darunter auch über eine „Sympathiekundgebung für die Türkei in Berlin“ [Neue Zürcher Nachrichten, Jg. 10, Nr. 302, 2.11.1914, Morgenblatt, S. (2)], und die Einschätzung vertreten: „In Petersburg, London und Paris gibt man sich den Anschein, den Eintritt der Türkei in den Krieg auf die leichte Achsel zu nehmen. In Wirklichkeit ist man in hellem Entsetzen darüber.“ [Neue Zürcher Nachrichten, Jg. 10, Nr. 303, 2.11.1914, Abendblatt, S. (1)] Das „Eingreifen der Türkei in den Krieg“ [Tb Mühsam, 19.10.1914 und 31.10.1914] wurde im Kreis um Max Halbe diskutiert, der „überglücklich wegen des Eingreifens der Türkei“ [Tb Mühsam, 1.11.1014] gewesen sei. so gut wie nur irgend möglich.

Hier in München findet man sich immer seltener zusammen. Letzten Donnerstag war ich mit Martens, Friedenthal und Schmidtbonn im Ratskeller und las ihnen Deine Karte vor. Sie lassen Dich herzlich grüßen und senden Dir die besten Wünsche für Dein Wohlergehen. Heute früh wurde Dr. von Jacobi zur letzten Ruhe geleitet. Max Halbe hielt eine Ansprache. Das andauernd milde Wetter hier erfreut mich in der Voraussetzung, daß es Euch ebenfalls zugute kommt. Vor einigen Tagen sah ich hier im Schauspielhaus Hermann Bahrs neues Drama: Der Querulant, meiner Ansicht nach ein ausgezeichnetes Stück | mit weitem ethischen Horizont, künstlerisch gedrungen, als Lustspiel ebenso wohlthuend wie als Volksstück. Sonst ist das Leben hier trüb und gedrückt, ohne indes sonst im geringsten beschwerlich zu sein, bis jetzt. Wir rechnen aber mit allen möglichen Zuständen, die der Winter bringen kann. Jeder Gedanke an Unzufriedenheit ist natürlich Angesichts Eurer Entbehrungen und der Schrecknisse, die Andere über sich ergehen lassen müssen ausgeschlossen. Hoffentlich finden Dich diese Zeilen ebenso munter und wohlauf wie Du mir Deine Karte schriebst. Der Himmel behüte Dich! Und gebe uns baldigen Frieden!

Mit herzlichen Grüßen und besten Wünschen von meiner Frau und mir
in alter Freundschaft
Dein
Frank Wedekind.

Artur Kutscher schrieb am 19. November 1914 in Cernay-lès-Reims folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[1. Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 21.11.1914 aus München:]


[...] Deine beiden ausführlichen Briefeder hier erschlossene Brief und ein früherer nicht überlieferter Brief [vgl. Artur Kutscher an Wedekind, 5.11.1914]..


[2. Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 16.1.1915 aus München:]


Herzlichen Dank für die ausführliche Schilderung Deiner Lebensumstände, die Du mir am 19 November schicktest.

Frank Wedekind, Joachim Friedenthal, Max Halbe, Jodocus Schmitz, Carl Georg von Maassen, Erich Mühsam, Wilhelm Stücklen und August Weigert schrieben am 21. November 1914 in München folgende Postkarte
an Artur Kutscher

Feldpostkarte


An den Leutnant und Kompanieführer
Herrn Professor Dr. Artur Kutscher
Bayer. II Armee korps.
19. Reserve Division
8. Res. Inf. Regiment Nr. 92.
Bataillon Nr.

Abteilung Nr.
Kompanie Nr.
Eskadron
Batterie

Kolonne Nr.

Absender Name
Wohnung in    Straße Nr. |

Lieber Artur! Herzlichsten Dank für Deinen lieben Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 19.11.1914., den ich nächster Tage beantworte. Einstweilen schönste Grüße aus der TorggelstubeDer Abend am 21.11.1914 in der Torggelstube fand in den im Keller gelegenen Räumlichkeiten von Max Halbes Kegelgesellschaft statt, die Wedekind ironisch charakterisierte: „Bombensichere Gewölbe mit Halbe.“ [Tb] Die Gespräche über den Krieg sind später am Abend eskaliert, als der kriegsbegeisterte Max Halbe dem Schriftsteller W. Fred (Alfred Wechsler) eine kriegskritische Haltung unterstellte und dieser ihn dann wegen Beleidigung verklagte. Wedekind notierte am 22.11.1914 sein Gespräch darüber im Hoftheaterrestaurant: „HTR mit Fred [...]. Halbeskandal erörtert.“ [Tb]:


L. Dr. Kutscher! Ich wünsche Ihnen von Herzen, daß es Ihnen weiter gut geht. Viele herzl Grüße Ihr Joachim Friedenthal


Allerbestes Ihnen in’s Feld hinaus! Ihr Max Halbe


Herzlichst Jodocus Schmitz. C. G. v Maassen.


Man soll ja jetzt in allen Weltenzonen
im Schützengraben teils u teils in Zelten wohnen. Prost! Ihr
Erich Mühsam

Herzlichst grüsst Ihr Stücklen, Kriegsfrw. im 7. F.-R.


Allerherzlichste Grüße
von
Aug. Weigert.


[Am rechten Rand um 90 Grad gedreht:] Herzlichste Wünsche Dein Frank.


Frank Wedekind schrieb am 27. November 1914 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

München, 27 November 1914.


Lieber Artur!

Nimm den herzlichsten Dank für Deine beiden ausführlichen Briefenicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Artur Kutscher an Wedekind, 5.11.1914 und 19.11.1914.. Seit dem ersten vom 5. November hat sich der politische Horizont durch das Eingreifen der Türkei gewaltig geändert. England muß sich nach allen Seiten wehren und gegen Rußland stand unsere Sache seit Beginn des Krieges noch nie so gut, wenn auch die Entscheidung noch aussteht. Frankreich scheint mir dadurch beträchtlich erleichtert. Nach dem Kriege wird es von England und Deutschland gleich freundlich umworben werden. Deutschland könnte mit seinen bisherigen Erfolgen vollkommen zufrieden sein, wenn es nicht für den Österreichischen Bruder eintreten müßte und die Gegner den Kampf aufgeben wollten. | Englands Weltmachtstellung scheint mir derart erschüttert, daß eine Landung in England nicht mehr unbedingt nötig wäre, wenn wir nur Belgien behaupten können.

Die Schilderung, die Du von Deinem Schützengraben giebst, erfüllt mich mit geteilten Empfindungen wenn ich denke wie furchtbar Dich dieses Leben anstrengen muß und welche Resignation nötig ist um es zu ertragen. Vor acht Tagen kam Waldau aus dem Feld zurück mit einem Anfall von SkorbutWedekind hat Gustav Waldau, Münchner Hoftheaterschauspieler [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1915, S. 503], dem Tagebuch zufolge zwar nicht getroffen, dafür traf ihn aber bei einem „Frühschoppen“ Erich Mühsam, der bestätigt: „Er hat wegen Skorbut einen Kriegsurlaub“ [Tb Mühsam, 18.11.1914]., der es ihm hoffentlich erspart noch einmal hinaus zu müssen. Es heißt, er werde vielleicht demnächst wieder auftreten. Auf Dein Tagebuch freue ich mich ganz außerordentlich und werde es sofort zu Müller bringenWedekind fragte zunächst bei seinem Verleger an, ob er ihm das Manuskript von Artur Kutschers „Kriegstagebuch“ zur Einsicht schicken dürfe [vgl. Georg Müller an Wedekind, 16.2.1915].. Ich glaube unsere DamenTilly Wedekind und Gertrud Kutscher (geb. Schaper), Artur Kutschers erste Ehefrau, von der er geschieden war. haben wieder einen Thee ins Auge gefaßt. Die letzten acht TageWedekind notierte am 18.11.1914 die Ankunft seines Schwagers Dagobert (Bertl) Newes: „Bertl kommt von Graz. Er geht am Stock, zeigt mir seine Wunde. Schuß durchs Knie.“ [Tb] war mein Schwager aus Graz hier mit einem Schuß durchs | Knie aus der Schlacht von Lublin, aber keine ohne Lähmung sodaß er voraussichtlich wieder an die Front muß. Die Münchner Geselligkeit wird immer spärlicher. Ich gehe abends kaum mehr aus und suche etwas historisches auf die Beine zu stellenWedekind hatte mit der Arbeit an seinem „Bismarck“-Drama begonnen [vgl. KSA 8, S. 657-659]., was mir allerdings große Mühe macht. Friedensgerüchte, die während der letzten Wochen lautbar wurden, verstummen jetzt wieder, offenbar infolge des Türkischen Eingreifens und unserer letzten Errungenschaften in Polen. Und doch ist der Gedanke kaum auszudenken, daß Ihr den ganzen Winter durch in den Schützengräben stehen sollt. Vergeblich suche ich den Horizont nach einer Möglichkeit ab, die eine baldige Wendung herbeiführt. Heute ziehen wieder den ganzen Tag Truppen durch die Straßen, immer noch mit Gesang trotz der kalten Witterung. Die Wirthschaftliche Lage soll immer noch | glänzend sein, so daß der Krieg nur durch die Menschenmassen verlängert wird. Glaub übrigens nicht daß ich etwa klagen will. Es schmerzt mich nur daß ich Dir so wenig tröstliches über Friedensaussichten schreiben kann. Trotz 21/12/ Uhr-PolizeistundeWedekind hat einen Zahlendreher korrigiert („21“ in „12“), womit er 12 Uhr nachts meinte, die kriegsbedingte Sperrstunde um 24 Uhr. werden übrigens hier wieder Literatur-StreitigkeitenFritz Strich erläuterte hier: „Prozess Halbe – Fred. Der Schriftsteller Fred hatte Halbe wegen Beleidigung verklagt, weil dieser seine vaterländische Gesinnung in Zweifel gezogen hatte. Halbe wurde zu einer Geldstrafe verurteilt.“ [GB 2, S. 372] Ein Streit zwischen Max Halbe und dem Schriftsteller W. Fred (Alfred Wechsler) war am Abend des 21.11.1914 eskaliert, Wedekind hat am 22.11.1914 mit W. Fred den „Halbeskandal erörtert“ [Tb], eine Streitigkeit, die vor Gericht landete (Max Halbe wurde am 26.1.1915 zu einer Geldstrafe von 50 Mark verurteilt). vor Gericht verhandelt. Gott sei Dank habe ich nichts damit zu tun. Vor einigen Tagen sah ich eine herrliche AufführungWedekind notierte am 20.11.1914 seinen Besuch von Herbert Eulenbergs Stück „Der natürliche Vater“ in den Münchner Kammerspielen: „Der Natürliche Vater in den Kammerspielen“ [Tb]. von EulenbergsDer natürliche Vater“ in den Kammerspielen, überhaupt die beste Eulenbergaufführung die ich bis jetzt erlebt habe, mit Erich Ziegel ist in der Titelrolle, alles duftig, leichtfüßig und tief wie Wozzek oder Leonce und LenaWedekind schätzte die beiden Stücke Georg Büchners sehr. Das Lustspiel „Leonce und Lena“ (1838) hat er am 31.5.1913 in den Münchner Kammerspielen gesehen (ein Gastspiel des Düsseldorfer Schauspielhauses) und die Uraufführung des „Woyzeck“ (1879 als „Wozzeck“) am 11.11.1913 am Münchner Residenztheater [vgl. Tb]. Beide Stücke hat er bereits 1894 in einem Notizbuch unter seinen „Arcana“ [Nb 1, Blatt 63v] notiert..

Mit herzlichsten Wünschen für Dein Wohlergehen und besten Grüßen von meiner Frau und mir
Dein alter
Frank Wedekind.


[Kuvert:]


Feldpostbrief

An den Leutnant und Kompanieführer
Herrn Dr. Artur Kutscher
8. Res. Inf. Regiment No 92.
II Armee 19. Reserve Division

Artur Kutscher schrieb am 16. Dezember 1914 in Berru folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 16.1.1915 aus München:]


Dann erhielt ich noch eine Karte vom 16 Dezember [...]

Frank Wedekind schrieb am 16. Januar 1915 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

München 16. Januar 1915.


Lieber Artur!

Du wirst wohl etwas ungehalten sein, seit 7 Wochen keine Nachricht von mirvgl. Wedekind an Artur Kutscher, 27.11.1914. erhalten zu haben. Ich bin heuteWedekind notierte am 16.1.1915: „Premiere M. v. Keith im Residenztheater“ [Tb], die unter der Regie von Albert Steinrück [vgl. Albert Steinrück an Wedekind, 10.1.1915] am Königlichen Residenztheater (Generalintendant: Clemens von Franckenstein) in München stattfand [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 68, Nr. 28, 16.1.1915, Generalanzeiger, S. 2]; den Besuch einer Vorstellung dieser Inszenierung vermerkte er am 4.2.1915: „Im Residenztheater in M. von Keith. Tilly begleitet mich hin und holt mich ab.“ [Tb] zum ersten Mal auf, nachdem ich 6 Wochen lang das Bett hüten mußte wegen einer komplizierten Blinddarmangelegenheit. In den ersten 4 Wochen wurde ich von den Ärzten stets auf baldige Heilung | vertröstet, damit ich nicht auf Operation drang die damals sehr gefährlich gewesen wäre. Das ist der Grund, weshalb ich Dir kein Wort schrieb weil ich von Tag zu Tag auf rasche Besserung hoffte. Vor drei WochenWedekind wurde am 29.12.1914 in der Chirurgischen Privatheilanstalt (Werneckstraße 16) von Dr. med. Friedrich Scanzoni von Lichtenfels [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 590] erstmals am Blinddarm operiert: „Werde mit dem Sanitätswagen in die Klinik gebracht und operiert.“ [Tb] Er wurde am 9.1.1915 wieder aus der Klinik entlassen: „Mit dem Sanitätswagen nach Hause gebracht.“ [Tb] war ich dann zur Operation reif und seitdem erhole ich mich ganz allmälig. Aber nun genug von mir. Du hast schwereres zu tragen, eine Thatsache mit der ich auch immer von den Ärzten zu Ruhe gewiesen wurde. Deinen ausführlichen | Brief vom 5.XInicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 5.11.1914. habe ich wohl schon beantwortetvgl. Wedekind an Artur Kutscher, 27.11.1914.. Herzlichen Dank für die ausführliche Schilderung Deiner Lebensumstände, die Du mir am 19 November schicktestHinweis auf einen nicht überlieferten Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 19.11.1914.. Dann erhielt ich noch eine Karte vom 16 Dezembernicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 16.12.1914. und zuletzt die entzückende Photographie Deines Schützengrabensnicht überliefert., auf der ich Dich sofort in der Mitte der Linie erkannte. Auf der Karte schreibst Du mir noch daß es augenblicklich nicht viel für Euch zu tun gäbe. Das hat sich seitdem wohl gewaltig geändert. Die jüngstvergangenen heftigen ZuckungenArtur Kutscher griff die Formulierung „heftigen Zuckungen des gefesselten Frankreichs“ in seinem „Kriegstagebuch“ auf: „Die Angriffe der letzten Zeit, die Wedekind als die heftigen Zuckungen des gefesselten Frankreichs bezeichnet, geschahen dem geringen Mut der französischen Infanterie entsprechend fast überall nachts.“ [Kutscher 1915, S. 223] des | gefesselten Frankreichs haben Euch sicher viel ruhelose Nächte und ermüdende Tage gekostet. Und diese Kämpfe sind wohl noch lange nicht vorbei. Ich kann mir denken, wie furchtbar Du manchmal unter Zwang, Anstrengung und geistiger und körperlicher Entbehrung leiden mußt. Bei Rußland wird hier augenblicklich eine starke Friedenssehnsucht vorausgesetzt, infolge innerer Unruhen und Mangel an ausgebildeten Truppen. Man munkelt von Separat-Friedensverhandlungen mit Rußland, die in Schweden | geführt werden sollen. Leider scheinen für unsere westlichen Feinde aber noch starke Schläge nötig zu sein, bevor sie sich zum Nachgeben verstehen. Es schmerzt mich, daß ich Dir in dieser Hinsicht nicht mehr tröstliches berichten kann.

Aus dem Münchner Leben weiß ich infolge meiner Krankheit natürlich wenig neues. Ich hatte in den 6 Wochen drei BesucheWedekind hat im Tagebuch nur zwei der Besuche notiert ‒ am 9.1.1915 („Halbe meldet sich an und besucht mich“) und am 14.1.1915 („Zum Thee kommt Friedenthal“).: Martens, Halbe und Friedenthal. Allerdings sehne ich mich auch jetzt noch nicht sehr nach Menschen, da auf einen Tag um den andern der Arzt kommtWedekind wurde von Dr. med. Friedrich Scanzoni von Lichtenfels (siehe oben) dem Tagebuch zufolge fast täglich verbunden, zuletzt etwa am 15.1.1915 („Dann kommt Skanzoni und verbindet mich“), dann wieder am 17.1.1915 („Dr. von Skanzoni verbindet mich“)., um mich zu verbinden. Meine Frau hatte | es während der Zeit gleichfalls nicht leicht. Vor meiner Operation wurden die Kinder und dann sie von Influenza befallen und wenige Tage später bekam sie die Nachricht, daß ihre Mutter in Graz an Herzlähmung gestorbenWedekind, noch in der Klinik, notierte am 7.1.1915: „Tillys Mutter in Graz an Herzlähmung gestorben.“ [Tb] Erfahren hat er vom Tod seiner Schwiegermutter Mathilde Newes erst am Tag darauf, wie er am 8.1.1915 festhielt: „Tilly theilt mir den Tod ihrer Mutter mit.“ [Tb] sei, worauf man allerdings seit Jahren Monaten gefaßt war.

Hoffentlich treffen Dich diese Zeilen gesund und frischen Muthes! Meine Frau traf heute Mittag Frau Weißgerber, die ihr erzählte, daß es ihrem Mann, der in | FlandernAlbert Weisgerber, Maler und Grafiker aus München (Ansbacherstraße 4, Atelier: Theresienstraße 75, Rückgebäude) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 773], seit dem 2.3.1907 mit der Malerin Margarete (Grete) Weisgerber (geb. Pohl) verheiratet, fiel dann am 10.5.1915 bei Fromelles im französischen Flandern. steht, ebenfalls gut geht. Gustav Waldau soll nach Lager LechfeldLagerlechfeld war der Truppenübungsplatz für das 1. Armeekorps der bayerischen Armee, zugleich ein Militärflugplatz und ein Gefangenenlager für Kriegsgefangene. Dorthin war zuerst Albert Weisgerber (siehe oben) einberufen worden, nicht aber Gustav Waldau, Schauspieler am Münchner Hoftheater [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1915, S. 503]. kommandiert sein.

Nun leb wohl, lieber Artur! Laß es Dir ferner gut gehen. Das eine Gute wird der Krieg wenn er uns zum Siege verhilft, sicher bringen, daß unsere innerpolitischen Verhältnisse um vieles freiheitlicher werden. Bis jetzt wenigstens zeigt die Regierung bei jeder Gelegenheit, daß es ihr Ernst mit ihren Versprechungen war. Wir sehen | jetzt einem deutschen Vorstoß von SoissonsIn der Schlacht bei Soissons vom 8. bis 14.1.1915 gelang es den deutschen Truppen, Angriffe der französische Truppen zurückzuschlagen und die Frontlinie zu begradigen. Artur Kutscher schrieb in seinem „Kriegstagebuch“ dazu: „Der Sieg bei Soissons erfüllt uns mit großer Freude.“ [Kutscher 1915, S. 219] gegen Paris entgegen. Wenn der gelingt, dann könnte Frankreichs Stolz g vielleicht geknickt sein, so daß es sich zu Verhandlungen verstände. Eure Entbehrungen müssen doch endlich einmal ein Ende haben. Ihr müßt doch endlich dazu gelangen, Euch all der Aufopferungen freuen zu können. So oft ich Deiner gedenke, wiederhole ich diese sehnlichsten Wünsche.

Herzliche Grüße und auf baldiges Wiedersehn.
Dein alter
Frank Wedekind

Artur Kutscher schrieb am 30. Januar 1915 in Cernay-lès-Reims folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 22.2.1915 aus München:]


Für Deinen lieben Brief vom 30 I danke ich Dir herzlich.

Frank Wedekind schrieb am 22. Februar 1915 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

München 22.II.15


Lieber Artur!

Schon vor einigen Tagen habe ich Dein KriegstagebuchWedekind habe, so Artur Kutscher, der sich später auf den vorliegenden Brief berief und fast unverändert eine Passage („Die ersten hundert Seiten“ bis „echt und groß“) daraus zitierte [vgl. Kutscher 1960, S. 113f.], „die ersten Abschnitte meines Kriegstagebuches in Maschinenschrift gelesen“ [Kutscher 1960, S. 113] und ihm darüber geschrieben. Wedekinds eigene Lektüre dieses Manuskripts, das ihm für den ersten Band wohl vollständig vorlag, ist durch seine Notiz vom 8.2.1915 belegt: „Kutschers Kriegstagebuch gelesen.“ [Tb] Die Lektüre seiner Frau, die ihm aus dem Manuskript vorgelesen hat, notierte er am 13.2.1915: „Tilly liest Kutschers Kriegstagebuch.“ [Tb] fertig gelesen und es zu Müller gebrachtWedekinds Tagebuch enthält dazu keinen Eintrag. Wedekind dürfte das Manuskript von Artur Kutschers „Kriegstagebuch“ seinem Verleger Georg Müller bald nach dem letzten von ihm erhaltenen Brief [vgl. Wedekind an Georg Müller, 16.2.1915] zur Ansicht vorgelegt haben (es erschien nicht in dessen Verlag)., dem ich meinen Eindruck mittheilte. Die ersten hundert Seiten verschlang ich auf einen Sitz. Das übrige einschließlich der Weihnachtsfeier las mir meine Frau in zwei Abenden vor. Wir beide waren aufs höchste gefesselt aber darüber hinaus | machte das Tagebuch einen ganz gewaltigen Eindruck auf mich, zumal die seelische Entwicklung, die sich in Dir selber vollzieht, sodann die vielen Schönheiten in der Darstellung. Müller versprachvgl. Georg Müller an Wedekind, 16.2.1915., das Manuskript so rasch als möglich zu lesen. Da ich Dir das rasch mittheilen möchte, wirst Du heute keine Einzelheiten über Dein Tagebuch erwarten. Nur das Eine, daß ich nichts daran verändertDas war nicht der Fall, auch wenn Artur Kutscher die Eingriffe in das Manuskript seines „Kriegstagebuchs“ für die Drucklegung später herunterspielte: „Die Verhandlungen mit dem Zensuroffizier des Großen Hauptquartiers, der persönlich zu mir an die Front kam, beschränkten sich hauptsächlich auf Streichung von Ortsnamen und die Milderung einiger Ausdrücke.“ [Kutscher 1960, S. 106] oder gekürzt sehen möchte. In seiner jetzigen Form ist es echt und groß und ich sehe nichts | darin, woran jemand Ärgernis nehmen könnte.

Für Deinen lieben Brief vom 30 Inicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 30.1.1915. danke ich Dir herzlich. Du schreibst daß Ihr am 3 Februar eine neue Stellung Artur Kutschers Kompanie brach am 3.2.1915 aus der Gegend um Reims auf: „Am 3. Februar früh um 8 marschieren wir ab.“ [Kutscher 1915, S. 230] Es ging in die neue „Stellung in der Sandgrube von Perthes“ [Kutscher 1960, S. 108] in der Champagne, in Schützengräben bei dem Dorf Perthes (Souain-Perthes-lès-Hurlus).einnehmen werdet, wahrscheinlich hast Du also wieder allerhand Gefahren und Anstrengungen hinter Dir. Über Deine Ernennung zum ProfessorArtur Kutscher war am 2.2.1915 zum außerordentlichen Professor der Universität München ernannt worden [vgl. Kutscher 1960, S. 111]. Die Nachricht wurde ihm an die Front übermittelt und erreichte ihn am 12./13.2.1915. Im „Kriegstagebuch“ schließt eine Bemerkung dazu an Schilderungen von Kämpfen im Schützengraben an: „Ich bekomme die Nachricht, daß ich Professor geworden bin. O mei!“ [Kutscher 1915, S. 250] habe ich mich mehr gefreut als Du selber, nach dem Tagebuch zu urteilen. Begreiflich ist es ja wie klein Dir so etwas bei Einsetzung des Lebens erscheinen muß. Der Friede | scheint mir durch unsere Siege in Rußland um vieles nähergerückt. Auch im Elsaß gehen die Franzosen täglich zurück.

Was mich betrifft, so geht die SacheWedekinds andauernde gesundheitliche Probleme nach der ersten Blinddarmoperation am 29.12.1914. langsam vorwärts. Ich gehe täglich spaziren und arbeite fleißigWedekind arbeitete an seinem „Bismarck“-Drama [vgl. KSA 8, S. 657-659]. aber unternehmen kann ich noch nichts.

Ich hoffe, daß Dich diese Zeilen gesund und munter finden. Sobald ich Nachricht von Müller bekomme, teile ich sie Dir mit. Diese Zeilen begleiten die herzlichsten Wünsche für Dein Wohlergehen von meiner Frau und mir. Auf recht baldiges Wiedersehen mit herzlichsten Grüßen
Dein alter
Frank


[Kuvert:]


Feldpostbrief

An den Kompanieführer ‒ Leutnant
Herrn Professor Dr.
Artur Kutscher
Bayer. X Reserve Armee korps.
XIX Division
Reserve Infant. Regiment Nr. 92
Bataillon Nr. II

Abteilung Nr.
Kompanie Nr.
8
Eskadron
Batterie
Kolonne Nr.


Die Angabe eines Bestimmungsorts unterbleibt, wenn der Empfänger zu den Truppen gehört, die infolge von Marschbewegungen den Standort wechseln. (5. 13) |


Absender Name Frank Wedekind
Wohnung in München Prinzregenten Straße Nr. 50

Artur Kutscher schrieb am 30. September 1915 in Mülhausen folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 11.11.1915 aus München:]


[...] aus der Schweiz zurückgekehrt fand ich Deinen lieben Brief vor, der mir [...] verkündete daß Du nicht mehr mitten im Feuer stehst. Hoffentlich dauert für Dich der Auffenthalt in Mühlhausen [...] noch fort.

Frank Wedekind schrieb am 11. November 1915 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

München, den 11 November 1915.


Lieber Artur!

Vor vierzehn Tagenam 28.10.1915. Wedekind war aber nicht zwei, sondern sechs Wochen zuvor aus der Schweiz zurück nach München gekommen, am 30.9.1915 [vgl. Tb]. aus der Schweiz zurückgekehrt fah/n/d ich Deinen lieben Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 30.9.1915. Artur Kutscher dürfte Wedekind unter anderem geschrieben haben, dass er nun in Mülhausen an der Grenze zur Schweiz stationiert sei. vor, der mir die Freudennachricht verkündete daß Du nicht mehr mitten im Feuer stehst. Hoffentlich dauert für Dich der AuffenthaltSchreibversehen, statt: Aufenthalt. in Mühlhausen oder an der Neutralitätsgrenze noch fort. Über meine Krankheit bin ich immer noch nicht | ganz hinaus. Ich habe noch drei allerdings sehr kleine Löcher im LeibFolgen der zweiten Blinddarmoperation vom 15.4.1915. Wedekind musste einen medizinischen Gürtel tragen und die Wunde ständig neu verbinden., die kaum mehr etwas absondern, die mich aber hindern etwas zu unternehmen. Mein Bismarck wird seit vierzehn Tagen gedruckt, aber so langsam geht das vor sich, daß vor Weihnachten kaum Exemplare zu erwarten sind. In der SchweizWedekinds Aufenthalt in Lenzburg und Umgebung mit Besuchen in Zürich vom 30.8.1915 bis 30.9.1915 [vgl. Tb]. habe ich mich weidlich gepflegt. Es waren idyllische Tage in Lenzburg mit den Spaziergängen auf die Schlösser der Umgebung. Bei meiner Mutter die eine fanatische Gottfried Keller Schwärmerin ist habe ich | die vollendete klassische Sprache seiner Novellen von neuem bewundern gelernt, aber als Mensch konnte er mir nicht viel neues bieten. Außerdem ist meine Mutter eine begeisterte Kriegsfanatikerin, natürlich für Deutschland, worin wir übereinstimmten. Aber ihre Kriegsbegeisterung lieferte die konstante Reibungsfläche, die viel Erfrischendes mit sich brachte. Hier in München sehe ich außer Martens und FriedenthalWedekinds Tagebuch dokumentiert die häufigen Treffen mit Kurt Martens und Joachim Friedenthal, vor allem im Café Luitpold. kaum einen Menschen. Im Theater hören meine Frau und ich uns die alten guten Opern wieder an, Figaro und FidelioFrank und Tilly Wedekind dürften am 5.11.1915 Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Figaros Hochzeit“ unter der musikalischen Leitung von Bruno Walter im Residenztheater [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 68, Nr. 566, 5.11.1915, General-Anzeiger, S. 2] besucht haben, am 6.11.1915 Ludwig van Beethovens Oper „Fidelio“ unter der musikalischen Leitung von Otto Heß im Hoftheater [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 68, Nr. 568, 6.11.1915, General-Anzeiger, S. 2], deren Besuch notiert ist: „Mit Tilly in Fidelio.“ [Tb], bei denen | man die Schwere der Zeit auf einige Stunden vergißt. Sehr gespannt bin ich auf d/D/eine Schilderungen der Kämpfe am Reichsackerkopf und LingerkopfDie Kämpfe am Reichsackerkopf, eine Gebirgsformation in unmittelbarer Nähe der elsässischen Stadt Münster, zogen sich von März bis Juli 1915 hin, die am Lingekopf vom 20.7.1915 bis 15.10.1915, mit großen Verlusten besonders in einer Schlacht am 4./5.8.1915. „Auf dem Reichsackerkopf [...] bezogen wir neu Wochen lang Stellung“, erinnerte sich Artur Kutscher, dann kam es zum „Einsatz am Lingekopf“ [Kutscher 1960, S. 114]. Artur Kutscher schilderte die „Vogesenkämpfe“ im danach benannten zweiten Teil seines „Kriegstagebuchs“ [vgl. Kutscher 1916, S. 39-100]., die hoffentlich bald erscheinen. Zu Deiner Auszeichnung mit dem MilitärverdienstordenArtur Kutscher erinnerte sich: „Für den Einsatz am Lingekopf erhielt ich als einziger Kompanieführer des Regiments den Bayerischen Militärverdienstorden.“ [Kutscher 1960, S. 114] meinen herzlichsten Glückwunsch. Ich/In/ acht TagenMaximilian Harden aus Berlin hielt am 20.11.1915 um 20 Uhr in München einen Vortrag; angekündigt war: „Samstag abends 8 Uhr findet in der Tonhalle der Kriegsvortrag von Maximilian Harden statt.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 68, Nr. 593, 20.11.1915, Vorabendblatt, S. 3] Wedekind notierte am 20.11.1915: „Hardens Kriegsvortrag.“ [Tb] Hedwig Pringsheim sprach vom „glänzend besuchten Hardenvortrag, der vortrefflich verlief.“ [Pringsheim Tb, 20.11.1915] hält Harden wieder einen Vortrag, ich zweifle aber noch daran ob er diesmal etwas neues zu sagen weiß. In einigen Tagen erhältst Du eine BalladeWedekind widmete Artur Kutscher das Manuskript seiner Ballade „Pharo“ [vgl. Wedekind an Artur Kutscher, 12.11.1915]. Er hatte sie dem Tagebuch zufolge wenige Tage zuvor geschrieben, am 6.11.1915 („beginne zu Hause das Gedicht Pharo“), 7.11.1915 („An Pharo geschrieben“) und 8.11.1915 („Pharo fertig geschrieben“). Bei seiner „Unterredung mit Tilly über Pharo“ [Tb] am 10.11.1915 dürfte es auch darum gegangen sein, Artur Kutscher das „Pharo“-Manuskript zu schenken, in dessen Nachlass es erhalten ist [vgl. KSA 1/II, S. 1961]. von mir, nur zur Erheiterung, nicht etwa als Zeichen leichtfertiger Stimmung. Mit herzlichen Grüßen von meiner Frau und mir und besten Wünschen für Dein WohlergehenWedekind erfuhr womöglich erst am 15.11.1915 von Artur Kutschers Heimaturlaub, wie er an diesem Tag registrierte: „Kutscher kommt auf 3 Wochen Urlaub.“ [Tb] Dein alter
Frank Wedekind.


[Kuvert:]


Feldpostbrief

An den Leutnant und Kompanieführer
Herrn Professor Dr. Artur Kutscher
8. Reserv. Inf. Regim. 92
II Armee 19. Res. Division |


Absender Frank Wedekind
Prinzregentenstr 50 München.

Frank Wedekind schrieb am 12. November 1915 in München folgende Widmung
an Artur Kutscher

Meinem lieben Freunde Professor Dr. Artur Kutscher trotz dem furchtbaren Ernst der ZeitAnspielung auf den Ersten Weltkrieg. und ernster Arbeit ein leichtes IntermezzoZwischenspiel; die Ballade „Pharo“ (Titel nach dem französische Kartenspiel), die Wedekind später in „Überfürchtenichts“ integrierte [vgl. KSA 8, S. 306-309].

FrWedekind.


Pharo
von
Frank Wedekind.

[...]

Frank Wedekind schrieb am 1. Dezember 1915 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

Mittwochder 1.12.1915, da die hier maßgeblichen Zusammenhänge sich sinnvoll auf dieses Datum beziehen lassen (ein alternatives Schreibdatum ist nicht plausibel zu identifizieren). Mittag


Lieber Artur!

Eben fällt mir zu meinem Bedauern ein, daß meine Frau und ich für morgen Abend schon seit acht Tagen einer Gesellschaft zugesagtFrank und Tilly Wedekind waren am 2.12.1915 (Donnerstag) bei dem befreundeten Schriftsteller Dr. phil. Ludwig Pariser und dessen Frau Erna Pariser (Georgenstraße 30) zu Gast (Gäste außer ihnen waren Kurt und Mary Martens, Ernst Reinhardt und Bruno Frank): „Gesellschaft bei Pariser Martens und Frau Verleger Reinhardt Bruno Franck“ [Tb]. haben, der wir nicht mehr absagen können. Würdest Du mir daher ge/Be/scheid geben, ob es Dir heute Abend um 9 Uhr im Hoftheater|restaurant j/p/assen würde oder Freitag Abendam 3.12.1915 (Freitag), an dem Wedekind sich mit dem Freund im Hoftheater-Restaurant traf: „Mit Kutscher im HTR“ [Tb].. Es wäre mir schmerzlich auf unser Zusammensein verzichten zu müssen. In Gesellschaft werden wir uns ja voraussichtlich am Sonnabendam 4.12.1915 (Samstag), an dem ein Treffen in der Torggelstube in größerer Runde stattfand: „T.St. große Gesellschaft. Verabschiede mich von Kutscher“ [Tb]. Artur Kutscher war auf Heimaturlaub – Wedekind hatte am 15.11.1915 notiert: „Kutscher kommt auf 3 Wochen Urlaub“ [Tb] – und musste nun zurück an die Front. in der Torggelstube noch treffen. Aber darauf kommt es ja wol weniger an, wenigstens was mich betrifft. | Bitte also entweder um umgehenden Bescheid oder, wenn dich diese Zeilen nicht antreffen um eine Telephonnachricht.

Mit herzlichsten Grüßen
Dein alter
FrWedekind.

Artur Kutscher schrieb am 31. Dezember 1915 in Riedisheim folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 29.1.1916 aus München:]


Von meinem [...] Gastspiel [...] zurückgekehrt, fand ich [...] in München Deine lieben Glückwünsche.

Frank Wedekind schrieb am 27. Januar 1916 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Artur Kutscher

[1. Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 29.1.1916 aus München:]


Vorgestern schickte ich Dir Bismarck [...]


[2. Hinweis in Wedekinds Tagebuch vom 27.1.1916 in München:]


Expediere Bismarkbücher [...]

Frank Wedekind schrieb am 29. Januar 1916 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

München den 29 Januar 1916


Lieber Artur!

Von meinem ersten Gastspiel vor acht Tagen zurückgekehrt, fand ich auf der DurchreiseWedekind traf am 18.1.1916 früh mit dem Nachtzug in München ein (Rückkehr von seinem Gastspielaufenthalt in Budapest vom 29.12.1915 bis 17.1.1916) und reiste am 19.1.1916 von München wieder ab (zu seinem Gastspielaufenthalt in Mannheim vom 19. bis 25.1.1916) [vgl. Tb]. in München Deine lieben Glückwünschenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 31.12.1915. Es dürfte sich um Neujahrsgrüße gehandelt haben.. Aus Budapest und Mannheim hätte ich Dir schon geschrieben wenn ich Deine Adresse zur Hand gehabt hätte, aber die ZahlenWedekind meint die diversen Ziffern in Artur Kutschers Feldpostadresse (siehe die Beschriftung des Kuverts). bleiben mir nicht im Kopf. Jetzt habe ich sie im NotizbuchDas Notizbuch mit Artur Kutschers Feldpostadresse ist nicht erhalten. bei mir. Ich freue mich sehr über Dein Wohlergehen und Deinen frischen Mut. In Mannheim erzählte ich PetersWedekind traf Gustav Werner Peters, Feuilletonredakteur der „Neuen Badischen Landeszeitung“ [vgl. Kürschners Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1916, Teil II, Sp. 1283] und seit langem mit Wedekind bekannt, während seines Aufenthalts in Mannheim dreimal, wie er im Tagebuch festhielt: am 20.1.1916 („Werner Peters und Frau“), am 21.1.1916 („Durlacher Hof mit Peters“) und am 23.1.1916 („Zum Thee bei Peters“). schon, daß die FortsetzungDer zweite Teil „Vogesenkämpfe“ von Artur Kutschers „Kriegstagebuch“ war dem Vorwort zufolge am 20.2.1916 im Manuskript abgeschlossen. Vorabdrucke waren schon früher erschienen, etwa ein Auszug mit dem Hinweis: „Aus dem zweiten Teil des ‚Kriegstagebuches‘, welches demnächst im Verlage von Beck in München erscheinen soll“ [Artur Kutscher: Angriff am Reichsackerkopf in den Vogesen. In: Allgemeine Zeitung, Jg. 110, Nr. 2, 8.1.1916, S. 20] oder davor schon der Auszug mit dem gleichlautenden Hinweis: „Aus dem zweiten Theile des ‚Kriegstagebuches‘, welches demnächst im Verlage Beck in München erscheinen soll.“ [Artur Kutscher: Wieder in der Champagne. In: Allgemeine Zeitung, Jg. 110, Nr. 1, 1.1.1916, S. 8] Deines Tagebuches demnächst erscheint. Peters hatte eben eine sehr vorteilhafte lobende Besprechung des Tagebuches gelesen | und wollte auch selber darüber schreiben. Heute NachmittagWedekind traf Joachim Friedenthal, Münchner Korrespondent des „Berliner Tageblatt“ [vgl. Kürschners Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1916, Teil II, Sp. 468], im Café Luitpold, wie er am 29.1.1916 notierte: „C.L. mit Martens und Friedenthal. Heinrich Mann“ [Tb]. Joachim Friedental dürfte im „Berliner Tageblatt“ einen Beitrag von Artur Kutscher („im Felde“) lanciert haben, der mit der Vorbemerkung erschien: „Der Papa, der den folgenden Brief aus dem Schützengraben an seine kleine Tochter geschrieben hat, ist der Universitätsprofessor Dr. Arthur Kutscher aus München. Das Schreiben beweist, daß ein Schützengraben auch anders geschildert werden kann, als wir ihn sonst aus Berichten kennen gelernt haben. Die Redaktion.“ [Artur Kutscher: Brief an mein Töchterchen. In: Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 66, 5.2.1916, Abend-Ausgabe, S. (2)] komme ich mit Friedenthal zusammen und werde versuchen ob sich die Notiz lanzierenSchreibversehen, statt: lancieren. läßt. Vorgestern schickte ich DirHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur Buchsendung (oder eine Widmung in der Buchausgabe von „Bismarck“); erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 27.1.1916. Bismarck, der hoffentlich in Deine Hände gelangt. Mit der AufführungWedekinds Drama „Bismarck“ (1915) wurde zu seinen Lebzeiten nicht als ganzes Stück aufgeführt [vgl. KSA 8, S. 860-868]. hat es noch gute Weile da die Berliner ZensurWedekind notierte am 27.1.1916: „Bismarck-Erlaubnis in Berlin zurückgenommen.“ [Tb] Ob eine solche Erlaubnis zuvor erteilt wurde, darf bezweifelt werden [vgl. KSA 8, S. 861]. Das Deutsche Theater (Direktion: Max Reinhardt) in Berlin hatte am 8.12.1915 bei dem Berliner Polizeipräsidenten Curt von Glasenapp eine Genehmigung zur Aufführung von „Bismarck“ erbeten, die in einem Schreiben vom 7.1.1916 vorläufig verweigert wurde [vgl. KSA 8, S. 863]. aus politischen Gründen begreiflicherweise wieder BedenkenZitat aus dem Brief des Berliner Polizeipräsidenten Curt von Glasenapp vom 7.1.1916 an das Deutsche Theater in Berlin (er dürfte Wedekind vorgelegen haben): „Die unter dem 8. Dezember 1915 erbetene Genehmigung zur Aufführung von Frank Wedekinds Schauspiel ‚Bismarck‘ während des Krieges zu erteilen, trage ich erhebliche Bedenken, weil in dem Schauspiel die Vorgeschichte unseres Krieges gegen Österreich und in großen Zügen der Verlauf dieses Krieges dargestellt ist. Sofern daher das Stück nicht für die Kriegsdauer zurückgezogen wird, würde ich die angegebenen Bedenken in einem Berichte an das Oberkommando in den Marken zum Ausdruck bringen und dessen Entscheidung einholen müssen.“ [KSA 8, S. 863] hat. In Budapest„Der Kammersänger“ mit Frank und Tilly Wedekind in den Hauptrollen wurde in Budapest allabendlich vom 1. bis 15.1.1916 mit großem Erfolg gespielt (15 Vorstellungen). Die Presse berichtete: „Der durchschlagende Erfolg Wedekinds im Kristallpalaste übertrifft alle Erwartungen.“ [Pester Lloyd, Jg. 63, Nr. 5, 5.1.1916, Morgenblatt, S. 15] spielten wir vierzehn Tage lang Kammersänger im Kristallpalast, eine schöne Zeit in einem Mährchen- und Schlaraffenlande, wo Milch und Honig fließtbiblische Redewendung (2. Buch Mose) für das gelobte Land, im übertragenen Sinn für einen Ort des sorgenfreien Überflusses. und die Fleischtöpfe der | fleischlosen Tage zur dauernden Erinnerung werden. Von dort fuhren wir direkt nach Mannheim und spielten am HoftheaterFrank und Tilly Wedekind spielten am Großherzoglichen Hof- und Nationaltheater (Intendant: Carl Hagemann) in Mannheim [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 490] am 22.1.1916 „König Nicolo oder So ist das Leben“, am 24.1.1916 „Erdgeist“ [vgl. Tb]. König Nicolo und Erdgeist je einmal unter Carl Hagemann, der die Stücke ausgezeichnet vorbereitet hatte. Jetzt sitzen wir wieder in dem ruhigen München, auf Café und Theater angewiesen. Ich will das weiß Gott nicht als Märtyrertum hinstellen, aber der Abstand zwischen Budapest und hier läßt sich nicht beschreiben. Die Worte in den Zeitungen aus denen sich irgend etwas für die Zukunft er/sch/ließen | läßt, werden jeden Tag spärlicher. Mit lebhafter Unruhe verfolgte ich die Ereignisse am HartmannsweilerkopfDie Bergkuppe in den Südvogesen war Schauplatz erbitterter Stellungskämpfe.. Hoffentlich warst Du der Gefahr nicht nahe. Hier erzählt man, im Juni werde Frieden gemacht, bis dahin könnten allerdings noch große Opfer nötig werden. Dagegen sei der Kaiser selbst gegen ein Blutvergießen das nicht vom Feinde erzwungen werde. Bleib gesund und munter. Auf baldiges Wiedersehn.

Mit herzlichen Grüßen von meiner Frau und mir
Dein alter
Frank Wedekind.


[Kuvert:]


Feldpost

An den Leutnant und Kompanieführer
Herrn Dr. Artur Kutscher
Kgl. Bayr. Universitätsprofessor
Res. Inf. Regiment 92.
II Armee
19. Reserve Division
II Batallion 8. Kompanie.

Frank Wedekind schrieb am 6. Februar 1916 in München folgende Bildpostkarte
an Artur Kutscher

Wiedemann’s KÜNSTLERKARTE

München, Kgl. Hof- und Nationaltheater.


Feldpost.

An den Leutnant Kompanieführer
Herrn Prof. Dr. Artur Kutscher
II Armee
Res. Inf. Reg. 92
19 Res. Division
II Batallion 8 Kompanie


Lieber Artur!

Deinen schönen Brief an RotrautArtur Kutschers am Vorabend im „Berliner Tageblatt“ abgedruckter offener „Brief an mein Töchterchen“ (ein betont naiv als Traum und Märchen ausgegebener Text über die Situation der Soldaten an der Front), geschrieben „im Felde“, Anrede: „Mein liebes Trauteli!“, Grußformel: „Dein Papa.“ [Artur Kutscher: Brief an mein Töchterchen. In: Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 66, 5.2.1916, Abend-Ausgabe, S. (2)] Wedekinds neunjährige Tochter Pamela hat ihren Eltern den offenen Brief Artur Kutschers an seine siebenjährige Tochter Rotraut aus der Zeitung vorgelesen. hat uns eben Anna Pamela vorgelesen. Wir senden Dir alle herzlichen Dank dafür nebst schönen Grüßen und freuen uns daß es Dir wohlgeht
Dein alter
Frank Wedekind.

Artur Kutscher schrieb am 13. März 1916 in Riedisheim folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 18.3.1916 aus München:]


Eine Freude war mir auch was Du über Bismarck schreibst.

Frank Wedekind schrieb am 18. März 1916 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

München 18. März 1916.


Lieber Artur!

Die atemlose Spannung mit der wir den Ausgang von VerdunDie Schlacht um Verdun, begonnen am 21.2.1916 durch eine Offensive des deutschen Heeres, um an der Westfront eine Entscheidung des Krieges herbeizuführen, endete ohne diese Entscheidung erst am 21.2.1916. Die Schlacht gilt als sinnbildlich für die Schrecken des Ersten Weltkriegs. Der nahe Mülhausen stationierte Artur Kutscher wurde am 14.3.1916 „dorthin verladen.“ [Kutscher 1960, S. 115] erwarten läßt uns kaum mehr zur Besinnung kommen. Trotz des prachtvollen Frühlingswetters ein ununterbrochener schwerer Druck unter dem man sich mühsam hinschleppt. ZusammenkünfteWedekinds Tagebuch dokumentiert die häufigen Treffen mit Kurt Martens, Joachim Friedenthal und Heinrich Mann, vor allem im Café Luitpold. mit Martens, Friedenthal, Heinrich Mann Meyrink sind die kurzen Unterbrechungen, meist im Café | Luitpold. Die beiden BilderArtur Kutscher hat Wedekind offenbar Fotos von sich als Soldat geschickt, wohl als Beilage zum verschollenen Brief vom 13.3.1916 (siehe unten). haben mir große Freude gemacht. Ich denke daran das eine auf dem Du die Mitte hältst so vergrößern zu lassen, daß man es aufhängen kann. Eine Freude war mir auch was Du über Bismarck schreibstHinweis auf einen nicht überlieferten Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 13.3.1916.. Ich weiß mit wie großem Wohlwollen Du meine Arbeiten aufnimmst. Der Zensor in Berlin hat seine Freigabe wieder zurückgezogenWedekind notierte am 27.1.1916: „Bismarck-Erlaubnis in Berlin zurückgenommen.“ [Tb] Ob das Schauspiel zuvor freigegeben wurde, darf bezweifelt werden [vgl. KSA 8, S. 861]. Das Deutsche Theater (Direktion: Max Reinhardt) in Berlin hatte am 8.12.1915 bei dem Berliner Polizeipräsidenten Curt von Glasenapp eine Genehmigung zur Aufführung von „Bismarck“ erbeten, die in einem Schreiben vom 7.1.1916 vorläufig verweigert wurde und das Theater das Genehmigungsgesuch daraufhin am 28.1.1916 zurückzog [vgl. KSA 8, S. 863]. Wedekind hat die Zensurmaßnahme gegen sein Stück in einem früheren Brief bereits angesprochen [vgl. Wedekind an Artur Kutscher, 29.1.1916].. Aber so lang man noch zu leben hat, ist das in dieser Zeit | ja auch beinah gleichgültig. Mit Friedenthal habe ich längst über Dein Kriegstagebuch gesprochen. Er sagt, Felix Lorenz habe die Besprechung für das Berliner Tageblatt übernommen. Ich habe bis jetzt aber noch nichts im B. T. gelesen. Wenn ich etwas finde schicke ich es Dir sofort. Meine Frau und ich haben eben ein Gastspiel von 20 VorstellungenIm Rahmen des Wedekind-Zyklus an den Münchner Kammerspielen vom 12.2.1916 bis 11.3.1916 [vgl. Tb] stand zuerst „Marquis von Keith“ auf dem Programm (neun Vorstellungen am 12., 13., 16., 17., 22. und 24.2.1916 sowie am 2., 5. und 8.3.1916), es folgte „Hidalla“ (sechs Vorstellungen am 19., 20., 23., 25. und 29.2.1916 sowie am 9.3.1916) und „Erdgeist“ (fünf Vorstellungen am 26. und 27.2.1916 sowie am 1., 4. und 11.3.1916). an den Kammerspielen hier in München absolviert. Davon bin ich noch etwas abgespannt. Auch über die beabsichtigte Notiz über die FortsetzungDer zweite Teil von Artur Kutschers „Kriegstagebuch“ – „Vogesenkämpfe“ – lag im Sommer 1916 gedruckt vor [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 83, Nr. 151, 3.7.1916, S. 4382]. Deines | Tagebuches sprach ich mit FriedenthalWedekind hat Joachim Friedenthal, Münchner Korrespondent des „Berliner Tageblatt“ [vgl. Kürschners Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1916, Teil II, Sp. 468], zuletzt am 16.3.1916 im Café Luitpold gesprochen: „C.L. Mit Friedenthal“ [Tb], davor täglich vom 13. bis 15.3.1916.. Als genauer Kenner der Dinge ist er nicht der richtige Mann. Ich werde nächstens mit Jurinek sprechenWedekind wurde von Josef M. Jurinek, Redakteur und Schriftsteller in München (Landwehrstraße 58), Münchner Korrespondent der Berliner Tageszeitung „Tägliche Rundschau“ [vgl. Adreßbuch für München 1916, Teil I, S. 316] und Mitarbeiter zahlreicher anderer Zeitungen, öfters interviewt – zuletzt am 21.3.1915: „Jurinek interviewt mich“ [Tb] – und durch Pressebeiträge gewürdigt. Er hat im Zusammenhang mit der vom Drei Masken Verlag herausgebrachten Broschüre „Frank Wedekind und das Theater“ (1915), die einen Originalbeitrag „Wedekind-Statistik“ von Josef M. Jurinek enthält, mit dem Journalisten zusammengearbeitet, wie er am 20.10.1915 notierte: „Arbeite mit Jurinek an Broschüre 3. Maskenverlag“ [Tb]. Ein Gespräch mit ihm bald nach dem 18.3.1916 hat Wedekind nicht notiert; die nächste Begegnung ist erst am 28.12.1916 festgehalten: „Jurinek kommt am Abend zu mir“ [Tb]. wie in Mannheim mit PetersWedekind hat mit Gustav Werner Peters, Feuilletonredakteur der „Neuen Badischen Landeszeitung“ [vgl. Kürschners Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1916, Teil II, Sp. 1283], während seines Gastspielaufenthalts in Mannheim vom 19. bis 25.1.1916 gesprochen, wie er in einem früheren Brief bereits angedeutet hat [vgl. Wedekind an Artur Kutscher, 29.1.1916], dem Tagebuch zufolge am 20.1.1916 („Werner Peters und Frau“), am 21.1.1916 („Durlacher Hof mit Peters“) und am 23.1.1916 („Zum Thee bei Peters“)., hoffentlich mit mehr Erfolg. Ob Du für Deine Liedersammlung einen VerlegerDer im Jahr darauf angekündigte Band „Das richtige Soldatenlied. Verse und Singweisen mit Gitarrebegleitung im Felde gesammelt von Artur Kutscher“ (1917) erschien in der G. Grote’schen Verlagsbuchhandlung in Berlin [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 84, Nr. 54, 6.3.1917, S. 1613]. Dieser 1849 von Carl Müller-Grote gegründete Verlag hatte seinen Sitz seit 1877 in Berlin und wurde seit 1905 von Gustav Müller-Grote geführt. gefunden würde mich sehr interessieren. Ich freue mich sehr auf das Werk.

Hoffentlich befindest Du Dich wohl und munter. Es heißt jetzt allgemein, in einem halben Jahr werde das Ziel erreicht sein. Auf frohes Wiedersehn mit herzlichen Grüßen von meiner Frau und mir
Dein alter
Frank Wedekind.


[Kuvert:]


Feldpostbrief.

An den Leutnant und Kompanieführer
Professor Dr. Artur Kutscher
II Armee
Res. Inf. Regiment 92
19. Res. Division
II Bataillon 8 Kompanie. |


Absender: Wedekind
München Prinzregentenstraße

Artur Kutscher schrieb am 8. April 1916 in Nürnberg folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 12.4.1916 aus Berlin:]


Herzlichen Dank für Deine Nachricht. Hoffe Dich nächster Tage in München zu sehen. Was ich bei der Nachricht Deiner Verwundung alles empfunden, läßt sich nicht in Worte fassen.

Frank Wedekind schrieb am 12. April 1916 in Berlin folgende Postkarte
an Artur Kutscher

Feld-Postkarte


An den Leutnant und Kompanieführer
Prof. Dr. Artur Kutscher
II Armee Res. Inf. Reg. 92
19 Res. Divis. II Batallion
8. Kompanie.


Lieber Artur! Herzlichen Dank für Deine Nachrichtnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 8.4.1916.. Hoffe Dich nächster Tage in MünchenWann genau Artur Kutscher in München eintraf, ist unklar. Er war am 19.4.1916 noch in Nürnberg [vgl. Kutscher 1960, S. 117], kam bald von dort in ein Lazarett in München „am Rotkreuzplatz“ und durfte nach „acht Tagen“ in seine „Wohnung zurück“, musste sich aber „täglich in der Klinik in der Lazarettstraße vorstellen.“ [Kutscher 1960, S. 118] Wedekind sah Artur Kutscher in München erst am 3.5.1916 wieder: „zum Abendessen Kutscher“ [Tb]. zu sehen. Was ich bei der Nachricht Deiner Verwundung„Anfangs April“ 1916 zog Artur Kutscher sich an der Westfront nach einem Sturz beim Marsch mit schwerem Gepäck eine schwere Knieverletzung zu und wurde „am nächsten Tag [...] nach Nürnberg überführt“ in „das St.-Sebastian-Spital“ [Kutscher 1960, S. 116f.]. alles empfun|den, läßt sich nicht in Worte fassen. Friedenthal sagte mirWedekind hat Joachim Friedenthal, Münchner Korrespondent des „Berliner Tageblatt“ [vgl. Kürschners Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1916, Teil II, Sp. 468], zuletzt am 8.4.1916 in München gesehen, davor am 3. und 4.4.1916 [vgl. Tb]., Du müßtest ihm das Erscheinen der TagebuchfortsetzungDer zweite Teil von Artur Kutschers „Kriegstagebuch“ – „Vogesenkämpfe“ – lag im Sommer 1916 gedruckt vor [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 83, Nr. 151, 3.7.1916, S. 4382]. bei BeckDer erste und zweite Teil (siehe oben) von Artur Kutschers „Kriegstagebuch“ ist in der C. H. Beck’schen Verlagsbuchhandlung Oskar Beck in München erschienen. brieflich so anzeigen wie Du ihm das Tagebuch selbst angezeigt hast. Durch einen solchen Brief gedeckt wolle er die Verbreitung der Nachricht gern übernehmen. Auf die Franziska Vorstellung in NürnbergDie „Franziska“-Inszenierung am Intimen Theater (Direktion: Hanns Schindler) in Nürnberg [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1916, S. 518] mit Marietta Olly in der Titelrolle, Franz Scharwenka in der Rolle des Veit Kunz und Hanns Schindler in der Rolle des Herzogs von Rotenburg [vgl. KSA 7/II, S. 1243] hatte am 15.4.1916 Premiere [vgl. KSA 7/II, S. 1244]; Wedekind, der vom 10. bis 24.4.1916 in Berlin und dann wieder in München war [vgl. Tb], hat sie nicht gesehen. In Artur Kutschers verschollenem Schreiben vom 8.4.1916 (siehe oben) dürfte von der anstehenden Nürnberger Inszenierung die Rede gewesen sein. bin ich höchst gespannt, werde sie mir auf jeden Fall ansehen. Mit herzlichen Grüßen und besten Wünschen
Dein alter
Frank Wedekind.

Frank Wedekind schrieb am 25. Mai 1916 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

München 25 Mai 1916.


Lieber Artur!

Zu Deiner VerlobungArtur Kutscher hatte am 1.5.1916 in München Betti Pachtner kennengelernt, die seine zweite Ehefrau wurde. Das Paar ließ sich am 10.6.1916 in München „kriegstrauen“ [Kutscher 1960, S. 119]. Wedekind lernte Artur Kutschers Verlobte am 30.5.1916 persönlich kennen: „Mit Tilly in Kutschers Kriegsvortrag. Kutschers Braut.“ [Tb] senden Dir und Deiner verehrten Braut meine Frau und ich herzliche aufrichtige Glückwünsche. Möge der Krieg zum Friedenbringer werden und Dir recht viel Glück und reichsten Ertrag aus Deiner rastlosen Arbeit eintragen! In den letzten | Nächten las ich mit größtem Genuß in Deinem prächtigen zweiten Tagebuch. Der Frühling im ElsaßWedekind war mit der Lektüre des zweiten Teils von Artur Kutschers „Kriegstagebuch“ noch nicht sehr weit vorangekommen, erst bis zu der Passage, die den Kolumnentitel „Frühling im Elsaß“ trägt [vgl. Kutscher 1916, S. 33-38]. war mir dichterisch und menschlich eine wahre Erquickung. Wenn die Tagesereignisse nicht soviel andere Lektüre unumgänglich notwendig machten, wäre ich längst damit zu Ende. So freue ich mich aber immer darauf zu Deinem | Tagebuch zurückzukehren. In diesem Augenblick winkt uns von jenseits des Ozeansaus den USA; gemeint sind die Bemühungen des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson um Frieden in Europa. die erste wirkliche Friedensaussicht und da Dein und Deiner verehrten Braut Glück mit dem bevorstehenden Friedenschluß wohl aufs innigste verknüpft ist, wünsche ich daß beides Hand in Hand möglichst bald zustande kommt.

In herzlicher Freundschaft
mit besten Grüßen
Dein alter
Frank Wedekind.


[Kuvert:]


S.H.
Herrn Professor
Dr. Artur Kutscher
München
Helmtrudenstrasse 5.

Frank Wedekind schrieb am 4. November 1916 in München folgende Bildpostkarte
an Artur Kutscher

Herrn Professor
Dr. Artur Kutscher
München
Kaulbachstrasse 77


Lieber Artur! Würdest Du und Deine verehrte Gemahlin unsFrank und Tilly Wedekind. die Freude machen, Dienstagder 7.11.1916. Artur Kutscher und seine zweite Ehefrau Betti Kutscher (geb. Pachtner) haben Wedekinds Einladung zum Tee in seiner Wohnung (Prinzregentenstraße 50) abgesagt [vgl. Wedekind an Artur Kutscher, 6.11.1916]. Es kamen als Gäste Wilhelm Herzog, Erna Morena, Heinrich Mann, Mimi Mann, Joachim Friedenthal, ein nicht identifizierter Herr Ismeth und Lida Baronin von Wedell, wie Wedekind am 7.11.1916 notierte: „Zum Thee bei uns Herzog und Frau Heinrich Mann und Frau Friedenthal Exz. Ismeth Baronin Wedel.“ [Tb] Nachmittag um 5 Uhr17 Uhr. zum Thee zu uns zu kommen. Nur im Falle Du verhindert sein solltest, würde ich bitten, es uns telephonisch wissen zu lassen. Anderfalls freuen wir uns sehr darauf Euch bei uns zu sehen. Mit besten Grüßen und Empfehlungen dein alter
Frank Wedekind |


4191. München – Friedens-Denkmal. – FR. Phot.

Frank Wedekind schrieb am 6. November 1916 in München folgende Bildpostkarte
an Artur Kutscher

Wohlfahrtskarte


Herrn Professor
Dr. Artur Kutscher
München
Kaulbachstrasse 77


Lieber Artur! Das ist ja recht schade, daß IhrArtur und Betti Kutscher, die Wedekind auf seine Einladung hin ihr Kommen wohl telefonisch abgesagt haben [vgl. Wedekind an Artur Kutscher, 4.11.1916]. morgenDie Absage von Artur und Betti Kutscher betraf eine Einladung Wedekinds zum Tee am 7.11.1916 in seiner Wohnung (Prinzregentenstraße 50), zu der als Gäste Wilhelm Herzog, Erna Morena, Heinrich Mann, Mimi Mann, Joachim Friedenthal, ein nicht identifizierter Herr Ismeth und Lida Baronin von Wedell kamen, wie Wedekind notierte: „Zum Thee bei uns Herzog und Frau Heinrich Mann und Frau Friedenthal Exz. Ismeth Baronin Wedel.“ [Tb] nicht kommen könnt. Dürfen wirFrank und Tilly Wedekind. Euch vielleicht nächsten Sonntagder 12.11.1916. Artur und Betti Kutscher nahmen die hier ausgesprochene Einladung an. Sie kamen zu Frank und Tilly Wedekind in der Prinzregentenstraße 50 zum Teebesuch, außerdem Kurt und Mary Martens sowie Lida Baronin von Wedell, wie Frank Wedekind am 12.11.1916 festhielt: „Martens Kutscher mit Frauen Baronin Wedel zum Thee.“ [Tb] Nachmittag um 5 Uhr17 Uhr. erwarten. Abends bin ich leider meist mit einer ArbeitWedekind arbeitete am „Herakles“ [vgl. KSA 8, S. 870]. beschäftigt.

Beste Grüße von Haus zu Haus
Dein Frank |


C. Röchling

Frank Wedekind schrieb am 15. November 1916 in München folgende Postkarte
an Artur Kutscher

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn Professor
Dr. Artur Kutscher
München
Kaulbachstrasse 77 |


Lieber Artur! Freitag AbendWedekind reiste am 17.11.1916 (Freitag) abends von München ab: „Fahrt nach Berlin schlaflose Nacht“ [Tb]. Er traf am 18.11.1916 morgens in Berlin ein und blieb bis zum 21.11.1916: „Sehr schöne Rückfahrt von Berlin“ [Tb]. fahre ich auf zwei Tage nach Berlin. Leider ist es mir daher nicht möglich in Deinem SeminarArtur Kutscher hatte bereits als Privatdozent an der Münchner Universität etwa seit 1910 außeruniversitäre Treffen in der Regel wöchentlich mit Studierenden an wechselnden Orten organisiert, längere Zeit im Hotel Union (Barerstraße 7), und dazu Schriftsteller geladen [vgl. Buglioni 2017, S. 164-173 und passim]. „Er gründete neben seiner eigentlichen Lehrtätigkeit noch ein literarisches Seminar, das nach und nach zu einer eigenen Brutstätte Schwabinger Geistes wurde.“ [Mühsam 2003, S. 138] Das war „ein kameradschaftlicher Kreis“ [Kutscher 1960, S. 72] und „in der sogenannten Kutscher-Kneipe“ [Günther 1938, S. 103] verkehrte öfters auch Wedekind und bestritt Autorenabende. zu lesen, dagegen bin ich ein ander malGut drei Wochen später war ein neuer Termin gefunden, am 8.12.1916: „Vorlesung [...] in Kutschers Seminar“ [Tb]. Wedekind las sein Schauspiel „Bismarck“ (siehe auch Wedekinds Widmung [vgl. Wedekind an Artur Kutscher, 8.12.1916] in Artur Kutschers Gästebuch). gern dazu bereit. Mit gleicher Post erhältst Du den Till EulenspiegelArtur Kutscher erhielt die soeben erschienene Buchausgabe von „Till Eulenspiegel. Komödie in vier Aufzügen“ [KSA 8, S. 93-152], eine durch die Zeitumstände begründete Neufassung von „Oaha“ (1908), da sich „ein neuer Aspekt der ‚Satire der Satire‘“ ergeben hatte, als „der ‚Simplicissimus‘ in den nationalistischen Kriegstaumel geriet“ [KSA 8, S. 398]. Sie war als „vollständig umgearbeitete Ausgabe von Oaha“ [Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr. 215, 15.9.1916, S. 5943] angekündigt gewesen..

Mit besten Grüßen von Haus zu Haus
Dein
Frank Wedekind.

Frank Wedekind schrieb am 8. Dezember 1916 in München folgende Widmung
an Artur Kutscher

Der ZweckDer zitierte Satz stammt aus Wedekinds Schauspiel „Bismarck“ (1915), 5. Akt, 8. Bild, 2. Szene (die letzte im Stück) [vgl. KSA 8, S. 232]; es handelt sich um Personenrede der Titelfigur. des Daseins ist die Steigerung der Kraft, zu deren Erhaltung der Kampf mit dem Bösen unentbehrlich ist.

Zur Erinnerung an die Vorlesung aus „Bismarck“ den 8. Dezember 1916Wedekind notierte am 8.12.1916 in München: „Vorlesung von Bismark in Kutschers Seminar“ [Tb].
Frank Wedekind.

Frank Wedekind schrieb am 30. Dezember 1916 in München folgende Visitenkarte
an Artur Kutscher

Mit schönsten Grüßen


Frank Wedekind

Prinzregentenstr. 50.

Frank Wedekind schrieb am 26. Mai 1917 in Zürich folgende Bildpostkarte
an Artur Kutscher

Herrn Professor
Dr. Artur Kutscher
Kaulbachstrasse 77

München


Zürich City Hotel 26.5.17.


Lieber Artur!

Nach vier VorstellungenFrank und Tilly Wedekinds „Erdgeist“-Gastspiele am Künstlertheater in Zürich (Premiere am 19.5.1917 und zwei weitere Vorstellungen am 20. und 21.5.1917) sowie am Stadttheater in Basel (Vorstellung am 23.5.1917). Sie waren am 25.5.1917 zurück in Zürich [vgl. Tb]. in Basel und Zürich senden Euch meine Frau und ich die schönsten Grüße. Das Publicum ist liebenswürdig. Für Dein Kriegstagebuch finde ich hier größte Schätzung bei Prof. ErmatingerDr. phil. Emil Ermatinger, Professor in Zürich (Plattenstraße 32) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für 1917, Teil I, S. 128], der sich für das „Kriegstagebuch“ und für die Liedersammlung „Das richtige Soldatenlied“ des außerordentlichen Professors Dr. phil. Artur Kutscher an der Universität München interessierte, war seit 1912 außerordentlicher Professor für deutsche Literaturgeschichte an der Universität Zürich. Wedekind begegnete ihm in Zürich am 12.5.1917 bei einem Restaurantbesuch, in der Kronenhalle, wie er notierte: „Hock in der Kronenhalle mit Prof. Ermattinger und Direktor Lehman vom Landesmuseum.“ [Tb] und manchen Anderen. Ich erzählte ihm vom richtigen Soldatenlied. Herzlichst
Dein Frank |


Zürich.

Artur Kutscher schrieb am 20. Juni 1917 in München
an Frank Wedekind

[Hinweis und Zitat in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 26.6.1917 aus Zürich:]


Deine freundlichen Zeilen [...] waren mir eine herzliche Freude. [...] Von den freundlichen Worten, die Du über Herakles schreibst berührten mich am stärksten die „unreinen Gewalten seiner Heldentaten.“

Frank Wedekind schrieb am 26. Juni 1917 in Zürich folgenden Brief
an Artur Kutscher

BELLEVUE AU LAC
ZURICH


Zürich Schönbühlstraße 14.

26.6.17Wedekind notierte am 26.6.1917 in Zürich den vorliegenden Brief: „Brief an Kutscher.“ [Tb].


Lieber Artur!

Deine freundlichen Zeilennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 20.6.1917., aus denen ein so großes Wohlwollen redet, waren mir eine herzliche Freude. Auch die Vorlesung hier in ZürichWedekind notierte am 13.6.1917: „Abends Vorlesung von Herakles in den Kaufleuten.“ [Tb] Das war die „Herakles“-Lesung um 20 Uhr im Saal zur Kaufleuten (Pelikanstraße 18) des Künstlertheaters in Zürich, angekündigt: „Im Winter 1916/17 arbeitete Wedekind in München an einem neuen Werk – er nennt es ein dramatisches Gedicht – ‚Herakles‘. Diese Arbeit, die in diesen Tagen bei Georg Müller in München als Buch erscheinen wird, wird Frank Wedekind heute abend 8 Uhr im Künstlertheater vorlesen; sie darf des Interesses der Literaturfreunde zum voraus gewiß sein.“ [Vorlesung Frank Wedekind. In: Neue Zürcher Zeitung, Jg. 138, Nr. 1072, 13.6.1917, 2. Abendblatt, S. (3)] bestätigte, daß die Arbeit wirktWedekinds „Herakles“-Lesung am 13.6.1917 im Künstlertheater in Zürich (siehe oben) fand in der Presse eine positive Resonanz [vgl. KSA 8, S. 919-220]. Die „Vorlesung von ‚Herakles‘ im Saal zur Kaufleuten [...] hinterließ einen ungewöhnlichen, bleibenden Eindruck. [...] Der Dichter fesselte die begeistert Lauschenden bis zum Schluß“ [Zürcher Wochen-Chronik, Nr. 25, 23.6.1917, S. 227], „deutlich ist schon jetzt der Eindruck, daß Wedekinds ‚Herakles‘ groß im Wurf ist“ [J.H.: Frank Wedekinds „Herakles“. In: Neue Zürcher Zeitung, Jg. 138, Nr. 1091, 16.6.1917, 2. Mittagblatt, S. (1)] – diese Besprechung hat Wedekind am 16.6.1917 notiert: „Kritik über Herakles in der N.Z.Z.“ [Tb]. Ob sie Gewicht hat, ist eine andere Frage. Jedenfalls werde | ich nicht überrascht sein, wenn sie sich schließlich als Kitsch entpuppt. Daß es Dir und Deinen Lieben gut geht freute mich sehr zu hören. Hoffentlich genießt Ihr die herrlichen Sommertage in vollstem Maße. Das schöne Isartal giebt ja reichlich Gelegenheit dazu. Weil unsere GastspieleFrank und Tilly Wedekind hatten „Erdgeist“-Gastspiele am Künstlertheater in Zürich (19. bis 21.5.1917), am Stadttheater in Basel (23.5.1917), wieder in Zürich (3.6.1917), in Davos (6.6.1917) und zuletzt am Kurtheater in Baden bei Zürich (23.6.1917). noch fortgesetzt werden sollen haben wir uns für die nächsten drei Monate in Zürich eingemietet, zufällig in derselben Wohnung in der | ich vor 30 Jahren als ZimmerherrWedekind hätte demnach 1887 in Zürich schon einmal in der Schönbühlstraße 14 (3. Stock) gewohnt; belegt ist allerdings die Wohnadresse Schönbühlstraße 10 für die Jahre 1887 [vgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 25.9.1887] und 1888 [vgl. Wedekind an Sophie Haemmerli-Marti, 23.1.1888]. wohnte, in der Gerhard Hauptmann seinen unvollendet gebliebenen RomanGerhart Hauptmann, der 1888 bis „Mitte des Sommers“ [Hauptmann 1937, S. 448] bei seinem Bruder Carl Hauptmann in Zürich zu Besuch war und dort „Frank Wedekind“ [Hauptmann 1937, S. 412] kennenlernte, arbeitete seinerzeit an einem Roman, „der, glaube ich, Lorenz Lubota heißen sollte.“ [Hauptmann 1937, S. 448] „Hauptmann liest Wedekind aus dem Manuskript eines ‚Lorenz Lubota‘ betitelten autobiographischen Romans vor, der von den sexuellen Nöten der Kindheit handelt und als verloren gilt.“ [Leppmann 1989, S. 116] und ich ihm meinen Schnellmaler vorlas1888 las „Wedekind das Stück in Zürich bei einem Treffen der Freitagabendgesellschaft im Freundeskreis vor. Da Gerhart Hauptmann, der bei dieser Lesung anwesend ist, sich vom Januar bis Herbst 1888 in Zürich aufhält, muß der Vortrag des ‚Schnellmalers‘ [...] innerhalb dieses Zeitraumes stattgefunden haben“ [KSA 2, S. 618]. In einem Interview, das Wedekind dem Journalisten Josef M. Jurinek gab, erzählte er, „daß die Vorlesung des ‚Schnellmalers‘ einen fast empörenden Eindruck auf Gerhart Hauptmann gemacht hat, dem für den Sinn der Vorlesung, der doch in angenehmem Zeitvertreib bestand, jede Schätzung fehlte.“ [Josef M. Jurinek: Frank Wedekinds literarische Anfänge. Unveröffentlichte Bekenntnisse des Dichters. In: Neues Wiener Journal, Jg. 24, Nr. 8215, 12.9.1916, S. 6] Bei Artur Kutscher konnte Wedekind Interesse für das Stück voraussetzen. Artur Kutscher hatte den „Schnellmaler“ 1914 im „Wedekindbuch“ als einen „Schwank voll Situations- und Dialogkomik“ gewürdigt, dessen Hauptfigur „ein frühes Stadium des ‚Marquis von Keith‘ genannt werden kann.“ [Friedenthal 1914, S. 194-195]. An geselligem Leben fehlt es hier durchaus nicht. Reinhardt wurde zum Abschied eine nächtliche Dampferfahrt nach der Halbinsel AuWedekind hielt zur Verabschiedung Max Reinhardts aus Zürich am 16.6.1917 fest (die Fahrt war mitorganisiert vom Hottinger Lesezirkel): „Nach dem Theater mährchenhafte Dampferfahrt nach der Au, zu Ehren Reinhardts veranstaltet vom Hot. Lesezirkel und Theatergesellschaft. Trage Brigitte B vor“ [Tb]. Die in der Mitte des Zürichsees gelegene Halbinsel Au hatte Klopstock im Jahr 1850 besucht, die ihn zu der Ode inspirierte, die Wedekind gleich darauf zitiert (siehe unten). Seine eigene auf der Au vorgetragene Ballade „Brigitte B.“ erwähnt er Artur Kutscher gegenüber dagegen nicht. veranstaltet mit Feuerwerk, Musik, Gesang und Tanz, bei der alle literarischen Erinnerungen Zürichs auflebten und die Rezitation von „Schön ist Mutter NaturZitat des erstens Verses von Friedrich Gottlieb Klopstocks Ode „Der Zürchersee“ („Von der Fahrt auf der Zürcher-See“, 1750): „Schön ist, Mutter Natur, Deiner Erfindung Pracht“ [Klopstocks Oden. Bd. 1. Leipzig 1798, S. 83]. Deiner Erfindung Pracht“ eine | Bedeutung gewann, als wäre die Ode eben erst entstanden. Grüße bitte Martens und Friedenthal wenn Du mit ihnen zusammentriffst. Von den freundlichen Wortendas nicht überlieferte Schreiben Artur Kutschers vom 20.6.1917 (siehe oben), in dem er sich über „Herakles“ geäußert hat und Wedekind einige Worte aus dem Schreiben („unreinen Gewalten seiner Heldentaten“) zitierend aufgreift., die Du über Herakles schreibst berührten mich am stärksten die „unreinen Gewalten seiner Heldentaten.“ Hoffen wir daß das Glück endlich wieder zur Menschheit zurückkehrt und uns im HerbstWedekind kehrte am 7.10.1917 zurück nach München, wie er notierte: „Reise von Zürich nach München.“ [Tb] ein frohes Wiedersehn feiern läßt. Mit den herzlichsten Grüßen an Dich und Deine liebe Frau von uns beiden
Dein alter
Frank Wedekind.


[Kuvert:]


BELLEVUE AU LAC
ZURICH


Herrn Professor
Dr. Artur Kutscher
München
Kaulbachstrasse 77. |


Absender:
Frank Wedekind
Zürich Schönbühlstraße 14.

Frank Wedekind schrieb am 25. Oktober 1917 in München folgende Postkarte
an Artur Kutscher

Lieber Artur! Wäre es Dir recht wenn wir übermorgenWedekind las am 27.10.1917 (Samstag) in Artur Kutschers Seminar aus „Herakles“ (siehe Wedekinds Widmung [vgl. Wedekind an Artur Kutscher, 27.10.1917] in Artur Kutschers Gästebuch), die Lesung, die Bertolt Brecht besucht und am 12.3.1918 in den „Augsburger Neuesten Nachrichten“ daran erinnert hat: „Als er uns diesen Herbst in kleinem Kreis sein letztes Werk, den ‚Herakles‘, vorlas, staunte ich über seine eherne Energie. Er las zweieinhalb Stunden“ [KSA 8, S. 931]; der kleine Kreis war Artur Kutschers Seminar. Ob das Beisammensein mit Artur Kutscher und dessen zweiter Ehefrau Betti Kutscher (geb. Pachtner) im Anschluss an die Lesung in Wedekinds Wohnung stattfand, ist unklar (kein Eintrag im Tagebuch)., nach der Vorlesung, Deine Frau, Du und ich zusammen zu mir nach Hause zu einem Glas Wein gehen? Wenn wir keinen BescheidtSchreibversehen, statt: Bescheid. bekommen setze ich Dein Einverständnis voraus. Meine Frau ist für den Abend zu Parisers geladen, würden uns dann aber zuhause | erwarten. Mit schönsten Grüßen von Haus zu Haus
Dein treuer
Frank Wedekind.


Königreich Bayern
Postkarte


Herrn Professor
Dr. Artur Kutscher
München
Kaulbachstrasse 77.

Frank Wedekind schrieb am 27. Oktober 1917 in München folgende Widmung
an Artur Kutscher

Dank sei dirDer wohl aus dem Gedächtnis zitierte Satz stammt ‒ leicht variiert ‒ aus „Herakles. Dramatisches Gedicht in drei Akten“, 3. Akt, Szene XI („Poias“), dort Figurenrede des sterbenden Titelhelden in zwei Versen: „Dank dir, o Zeus! / Für des Herakles Ringen mit Herakles.“ [KSA 8, S. 294] Wedekind dürfte in Artur Kutschers Seminar am 27.10.1917 in München aus seinem Versdrama „Herakles“ (1917) gelesen haben, aus dem er dann kurz darauf, am 5.11.1917 [vgl. Tb], in Zürich las. Zeus für das Ringen des Herakles mit Herakles

Frank Wedekind.

Artur Kutscher schrieb am 11. Dezember 1917 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 12.12.1917 aus München:]


[...] Deiner freundlichen Karte.

Frank Wedekind schrieb am 11. Dezember 1917 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Artur Kutscher

[Hinweis in Wedekinds Brief an Artur Kutscher vom 12.12.1917 aus München:]


Mein Telegramm von gestern [...]

Frank Wedekind schrieb am 12. Dezember 1917 in München folgenden Brief
an Artur Kutscher

Mittwoch Abend! 12.12.17.


Lieber Artur! Mein Telegramm von gesternnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Artur Kutscher, 11.12.1917. beruhte auf einem MißverständnisArtur Kutscher dürfte Wedekind auf der nicht überlieferten Postkarte (siehe unten) ein Treffen für Donnerstag (13.12.1917) vorgeschlagen haben, was Wedekind mit Dienstag (11.12.1917) verwechselt zu haben scheint und insofern in dem nicht überlieferten Telegramm (siehe oben) reagierte, da er annahm, der Vorschlag betreffe den Dienstagabend, an dem er schon mit Heinrich Mann bei Joachim Friedenthal verabredet war; er notierte am 11.12.1917: „Abends zum Thee mit Heinrich Mann bei Friedenthal.“ [Tb] Deiner freundlichen Kartenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 11.12.1917.. Ich erwarte Dich also morgen Donnerstagder 13.12.1917; ob das Treffen zustande kam, ist unklar (kein Eintrag im Tagebuch). Abend sobald Du frei bist. Martens und FriedenthalWedekind notierte am 12.12.1917 seine Besuche bei Kurt Martens – „Nachmittags zum Thee bei Martens“ [Tb] – und dann „bei Friedenthal.“ [Tb] Er dürfte mit ihnen über ein mögliches gemeinsames Treffen mit ihm und Artur Kutscher am 13.12.1917 (siehe oben) gesprochen haben. kommen | wahrscheinlich auch.

Mit der Bitte Deine verehrte Frau von mir zu grüßen
Herzlichst
Dein Frank


[Kuvert:]


Herrn Professor
Dr. Artur Kutscher
München
Kaulbachstrasse 77.

Artur Kutscher schrieb am 27. Dezember 1917 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Postkarte an Artur Kutscher vom 28.12.1917 aus München:]


Herzlichen Dank für Deine freundliche Aufforderung.

Frank Wedekind schrieb am 28. Dezember 1917 in München folgende Postkarte
an Artur Kutscher

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn Professor
Dr. Artur Kutscher
München
Kaulbachstrasse 77 |


Lieber Artur! Herzlichen Dank für Deine freundliche Aufforderungnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 27.12.1917.. Ich komme also sehr gern Samstag AbendWedekind war am 29.12.1917 (Samstag) vermutlich bei Artur Kutscher und dessen zweiter Ehefrau Betti Kutscher (geb. Pachtner) eingeladen, möglicherweise aber auch zu einer Veranstaltung oder einem geselligen Beisammensein andernorts. gegen 9 Uhr21 Uhr.. Mit der Bitte mich Frau Professor ergebenst zu empfehlen mit schönstem Gruß
Dein alter
Frank

Frank Wedekind schrieb am 22. Januar 1918 in München folgende Postkarte
an Artur Kutscher

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn Professor
Dr. Artur Kutscher
München
Kaulbachstrasse 77. |


Lieber Artur! Hättest Du Zeit und Interesse am DonnerstagWedekinds Lautenliedervortrag in der Münchner Kleinkunstbühne Bonbonniere (Neuturmstraße 5) fand am 24.1.1918 (Donnerstag) statt, um 16.30 Uhr, wie angekündigt war: „Am nächsten der ‚Intimen Nachmittage‘ am Donnerstag 4½ Uhr in der Bonbonnière wird Frank Wedekind Lieder zur Laute singen.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 71, Nr. 38, 22.1.1916, Morgen-Ausgabe, S. 2] meinem Lautenvortrag in der Bonbonniére beizuwohnen? Wenn ja dann bitte ich dich es mich heute, MittwochWedekind schrieb die Postkarte zwar spät abends am Dienstag, dem 22.1.1918 (belegt durch den Poststempel), er antizipierte aber den Empfang der Postkarte am nächsten Tag, Mittwoch, den 23.1.1918 („heute“). telephonisch wissen zu lassen. Ich würde Dir dann zwei Karten senden.

Mit besten Grüßen an Dich und Frau Professor
Dein alter
Frank