Briefwechsel

von Mary Irber und Frank Wedekind

Mary Irber schrieb am 27. März 1905 in München folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Carte postale – Postkarte – Correspondenzkarte [...].


Herrn
Frank Wedekind
Nürnberg
Intimes TheaterAm 23.3.1905 war Wedekind zu einem Gastspiel nach Nürnberg gereist, wo er in Emil Meßthalers Intimen Theater am 25., 26., 28., 29. und 30.3.1905 den Hetmann in „Hidalla“ spielte und damit 351 Mark einnahm. Am 31.3.1905 kehrte er nach München zurück [vgl. Tb].. |

Meinen süßen LieblingDen Klarname seiner geschätzten Kollegin Mary Irber, mit der er eine Liaison hatte [vgl. KSA 5/I, S. 275], erwähnt Wedekind im Tagebuch erstmals am 23.1.1905: „Besuch bei Mary Irber.“ Am 10.2.1905 schrieb Wedekind sein Gedicht: „An Mary“ [KSA 1/I, S. 533], das am 20.3.1905 in der Münchner Zeitschrift „Strandgut“ erschien und unter dem Titel „Meiner entzückenden Kollegin Mary I.“ in die Sammlung „Die vier Jahreszeiten“ aufgenommen wurde [vgl. KSA 1/II, S. 1879-1881]. Bekannt war sein Lied „An Mary Irber“ [KSA 1/III, S. 162f., 423f.].

herzlichen Gruß u. Kuß
Mary.

Mary Irber schrieb am 25. April 1905 in Ulm folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Postkarte.


Herrn
FranckSchreibversehen, statt: Frank. Wedekind
München
Franz Josephstr. 42/ II. |


Hôtel zum Gold. Hirsch, Ulm (Theaterbühne des Festsaals).


UlmMary Irber dürfte sich mit dem Münchner Intimen Theater zum Gastspiel im Hôtel zum Goldenen Hirsch (in der Hirschstrasse 14) in Ulm aufgehalten haben. 25, April 1905


Viele Grüße sendet
Mary Irber.

Mary Irber und Béla Laszky schrieben am 6. Mai 1905 in Nürnberg folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Postkarte.

Herrn
Frank Wedekind
München
Franz Josephstr. 42/ II. |

Lug ins Land, Kaiserstallung und fünfeckiger Turm.


Nürnberg.


herzlichen GrußMary Irber und Béla Laszky vom Münchner Intimen Theater dürften sich zum Gastspiel in Nürnberg aufgehalten haben, wie auch Presseberichte nahelegen: „Das Intime Theater hat in Herrn L. Heiter eine neue Direktion erhalten. Das frühere Ensemble steht größtenteils als beurlaubt am Zettel, d. h. es hat eine Gastspielreise angetreten [Allgemeine Zeitung, Jg. 108, Nr. 204, 4.5.1905, Münchener Stadt-Anzeiger, S. 10].

sendet

Mary Irber


[Am rechten oberen Rand um 90 Grad gedreht:]


A Béla Laszky.

Mary Irber schrieb am 15. Mai 1905 in Nürnberg folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Postkarte.


Herrn
Frank Wedekind
München
Franz Josephstr. 42/ II. |


Nürnberg. Färberthor und Färberstrasse.


herzlichen GrußMary Irber befand sich auf einer mehrmonatigen Gastspielreise für das Intime Theater [vgl. auch Mary Irber und A Béla Laszky an Wedekind, 6.5.1905]. Anlässlich ihrer Münchner Abschiedsvorstellung am 30.4.1905 hatte die Presse, ihren Weggang bedauernd: „Mary Irber, die uns bedauerlicherweise auch verlassen will“, ihr alles Gute für die künstlerische Zukunft gewünscht: „Möge die junge Künstlerin mit ihrem herzig-schalkhaften Talent in ihrer ferneren Laufbahn viel Glück finden.“ [Allgemeine Zeitung, Jg. 108, Nr. 198, 30.4.1905, Münchener Stadt-Anzeiger, S. 10] sendet Mary Irber


[Am oberen Rand:]


Adreßedie Anschrift des Intimen Theaters (Theatergasse) in Nürnberg, mit dessen Besitzer Emil Meßthaler Mary Irber ebenso wie mit Wedekind zeitweise eine Liaison unterhielt [vgl. KSA 5/I, S. 275]. Dass die Ensemble-Mitglieder des Münchner Intimen Theaters, die sich mit Mary Irber auf Gastspielreise in Nürnberg aufhielten, in dem ehemaligen Varietetheater spielten, belegt ein Pressebericht, in dem es heißt: „Das Ensemble, das sein ständiges Heim im Kaimsaal in München hat, absolvierte jetzt ein erfolgreiches Gastspiel im Intimen Theater Nürnberg“ [Badische Presse, General-Anzeiger der Residenzstadt Karlsruhe und des Großh. Baden, Jg. 21, Nr. 143, 21.6.1905, Abendausgabe, S. 1].: Intimes Theater.

Frank Wedekind schrieb am 16. Mai 1905 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Mary Irber

[Hinweis in Mary Irbers Bildpostkarte an Frank Wedekind vom 23.5.1905 aus München:]


Besten Dank für Deinen lieben Brief [...]

Mary Irber schrieb am 23. Mai 1905 in München folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn Frank Wedekind
München
Franz Josephstr. 42/II.


Lieber Frank! Besten Dank für Deinen lieben Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Mary Irber, 16.5.1905.; hat mich richtig gefreut, daß Du noch an mich denkst. Auf frohes WiedersehenEin Treffen zwischen Wedekind und Mary Irber, deren Münchner Anschrift – Franz Josephstraße 34 (Parterre) – nur wenige Schritte von Wedekinds Wohnung – Franz Josephstraße 42 (2. Stock) – entfernt lag, ist für die folgenden Tage nicht belegt. Vom 26.5. bis 31.5.1905 reiste Wedekind nach Wien, wo er in „Die Büchse der Pandora“ auftrat: „Vorstellung. Büchse der Pandora. Ich spiele Jack“ [Tb, 29.5.1905], und täglich seine Verlobte Berthe Marie Denk traf [vgl. Tb]. mit herzlichem Gruß und Kuß
Mary

Mary Irber schrieb am 19. Juni 1905 in Stuttgart folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn Frank Wedekind
München
Franz Josephstr. 42/ II.


ab 20ten KarlsruheDas war der nächste Spielort auf Mary Irbers Gastspielreise, wie aus einer Mitteilung in der Karlsruher Presse hervorgeht: „COLOSSEUM 21., 22., 23., und 25., Juni 1905. Gastspiel des Münchener Künstler-Cabaret vom Intimen Theater (Kaimsaal) München mit Mary Irber als Gast. Anfang 8.30 Uhr.“ [Badische Landes-Zeitung, Jg. 64, Nr. 281, 20.6.1905, Mittagsblatt, S. 4] Das Colosseum (Waldstraße 16-18) war ein Varietétheater, das 1891 auf einem ehemaligen Brauereigelände eröffnet worden war. Hotel GermaniaDas Hotel Germania (Karl-Friedrich-Straße 34/Ecke Lindenstraße), in der Nähe des Bahnhofs gelegen, dürfte die Wohnadresse Mary Irbers in Karlsruhe gewesen sein [vgl. https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:ins-0278, zuletzt abgerufen 9.12.2021].

ab 1ten JuliVom 1.7. bis 16.7.1905 trat das Münchner Intime Theater in Bad Kissingen (Apollotheater) auf [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 34, Nr. 329, 1.7.1905, 2. Beiblatt, S. (12)] – Nach dem telegraphisch mitgeteilten Rücktritt des Theaterdirektors Ludwig Heiter in München, brach Mary Irber die Gastspielreise in Bad Kissingen ab, um ein neues Programm im Intimen Theater im Kaimsaal (München) zu organisieren, wo Wedekind sie am 3.7.1905 überraschend antraf: „Ich gehe ins Intime Theater um Reßner zu treffen. Statt seiner treffe ich Mary Irber. Sie lädt mich auf morgen zu ihrem Lever ein.“ [Tb; vgl. auch die beiden Briefe Mary Irbers an Wedekind vom 5.7.1905 aus München]. Bad Kissingen

Viele herzliche GrüßeIn Stuttgart, wo die Bildpostkarte abgestempelt war, gastierte das Münchner Intime Theater Pressemeldungen zufolge nach seinem Gastspiel am Intimen Theater in Nürnberg: „Das Ensemble, das sein ständiges Heim im Kaimsaal in München hat, absolvierte jetzt ein erfolgreiches Gastspiel im Intimen Theater Nürnberg und im Kgl. Wilhelmstheater Stuttgart.“ [Badische Presse, Jg. 21, Nr. 143, 21.6.1905, Abendausgabe, S. 1].

Mary Irber schrieb am 5. Juli 1905 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

M. I.


Mein lieber Frank;

War heute schon bei Diran Frank Wedekinds Wohnung in der Franz-Josefstraße 42 (2. Stock)., hab Dich aber nicht angetroffen. Sei so liebenswürdig u komm auf einen Moment zu mirMary Irbers Wohnung in der Franz-Josefstraße 34 (Parterre).

heißen Kuß
Mary

Mary Irber schrieb am 5. Juli 1905 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

Mein lieber Frank!

Sei so liebenswürdig u. sage meiner Zofevermutlich Grete Lossos, die schon einmal mit Wedekind im Auftrag Mary Irbers korrespondiert hatte [vgl. Grete Lossos an Wedekind, 23.1.1905] und die die Briefkarte persönlich überbracht haben dürfte. Mary Irber wohnte in der Franz-Josefstraße 34, Wedekind nur wenige Häuser weiter, in der Nummer 42 [vgl. ebd.]. ob Du morgenam 6.7.1905; an diesem Tag eröffnete das Intime Theater, nachdem Ludwig Heiters seinen Direktorposten Hals über Kopf niedergelegt hatte, unter neuem Direktorat, wie die Presse mitteilte: „Intimes Theater. Von den Mitgliedern wird uns mitgeteilt, daß trotz des Austritts des Herrn Heiter die Gründer J. Vallé, S. Stein, H. Wagner, I. Schäffer, H. Dorbé. A. Béla Laszky und M. Irber ungeschwächt das Unternehmen fortführen; von heute Donnerstag, 6. Juli, ab finden Vorstellungen statt mit Frank Wedekind als Gast und der beliebten Mary Irber im Münchener Künstlerkabarett (Intimes Theater, Parterre-Kaim-Saal).“ [Münchner neueste Nachrichten, Jg. 58, Nr. 313, 7.7.1905, Generalanzeiger, S. 3] bei uns spielst; da Valle Reklame machenDas Intime Theater, das zweimal täglich annoncierte, warb fast zeitgleich noch für das mittlerweile veraltete Programm (ohne Wedekind und Mary Irber) – „Intimes Theater. (Münchner Künstler-Kabarett.) (Parterre Kaimsaal.) Täglich 8 ¼ Uhr Vorstellung. Direktion: L. Heiter. Musik. Leitung: B. Laszky. Regie: Herm. Wagner. Gastspiel: Franz Rößner. – Solisten: Herren: Wagner, Stein, Margreiter. Götz, Weber, Wild. Damen: Nelson, Jakobs, Schreiner, Breuer. – Am Flügel: Barneck. – Stücke: Der Gast. – Zwischen zwei Betten.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 58, Nr. 310, 6.7.1905, Vorabendblatt, S. 5] – und für das neue Programm (mit Wedekind und Mary Irber): „Intimes Theater. (Münchner Künstler-Kabarett.) (Parterre Kaimsaal.) Täglich 8 ¼ Uhr Vorstellung Musik. Leitung. B. Laszky. Regie: Herm. Wagner. Gastspiel: Frank Wedekind. Solisten: Damen: Marie Irber, Jakobs, Bertineti, Nelson, Fröhlich. – Herren: Götz, Dornbusch, Vallé. Wild, Wagner. Stücke: Brautnacht von Reymund Rey. – Nora, Parodie.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 58, Nr. 311. 6.7.1905, General-Anzeiger, S. 3]. muß; War heute ½ 11 Uhr bei Dirin Wedekinds Wohnung in der Franz-Josefstraße 42 (2. Stock)..

Anbei das BildDer Briefkarte liegt kein Bild mehr bei. u. einen
heißen Kuß
Mary

Mary Irber schrieb am 6. Juli 1905 in München
an Frank Wedekind

Wagner’s 1. Süddeutsche Theater- & Concert-Agentur

Inhaber: H. M. WAGNER. Geschäftsführer: JOS. VALLE.

Telegramm_Adresse: Theaterbureau Fortuna München.

–––

Telefonruf 5663.

–––

Bühnen-Verlag.

–––

Die Agentur vermittelt Engagements für:

Berlin: Wintergarten.

Breslau: Liebig-Victoriatheater.

Dresden: Centraltheater.

Frankfurt a M.: Orpheum.

Graz: Orpheum.

Hamburg: Hansatheater.

München: Deutsches Theater.

Nürnberg: Apollotheater.

Regensburg: Velodrom.

Wien: Apollotheater.

etc. etc.

–––

München, den 6.VII.05


Fraunhoferstrasse 6a/IIIn der Fraunhoferstraße 6a (2. Stock) wohnte der Schauspieler Hermann Maximilian Wagner, der dort auch seine Theateragentur und Schauspielschule betrieb [vgl. Adreßbuch für München 1905, Teil II, S. 138]..


Hierdurch bestätige Herrn Frank Wedekind, daß Derselbe für seine vom 6ten bis incl. 23ten Juli1905 zu absolvierendenden GastspieleWedekind, der vom 6.7.1905 an täglich im Intimen Theater auftrat, notierte die täglichen Einnahmen aus seinen Auftritten im Tagebuch. nach Abzug von 33 1/3 % = 25 (Fünfundzwanzig) % von der Brutto-Einnahme erhält. Dieser Anteil wird mit Mk. 25.– (Fünfundzwanzig) pro Tag gerechnet garantiert.

Mary IrberMary Irber, die ihr Gastspiel in Bad Kissingen abgebrochen hatte [vgl. Mary Irber an Wedekind, 19.6.1905], unterschreibt hier als Direktorin, nach dem Weggang des früheren Direktors Ludwig Heiter. Das Intime Theater brachte dazu eine ausführliche Erklärung, in der es heißt: „Herr Heiter ist also seinen, durch einen Vertrag festgelegten Verpflichtungen absolut nicht nachgekommen und hat einfach, sehr gelinde ausgedrückt, die Mitglieder sitzen lassen. Dem Reiseensemble hat Heiter nicht nur keine Zuwendungen gemacht, sondern vielmehr von diesem Gelder bezogen. Dessenungeachtet führen die Gründer, J. Vallé, S. Stein, H. Wagner, I. Schäfer, H. Dorbé, A. Béla Laszky und M. Irber, selbstverständlich ungeschwächt das Unternehmen fort und werden ab heute, Donnerstag, den 6. Juli, die Vorstellungen mit Frank Wedekind als Gast und der beliebten Mary Irber im Münchener Künstler-Cabaret (Intimes Theater, Parterre Kaim-Saal) weiter stattfinden.“ [Allgemeine Zeitung. Jg. 108, Nr. 4305, 7.7.1905, Münchener Stadt-Anzeiger, S. 10]

Mary Irber schrieb am 18. Juli 1905 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

Telegramm. [...]


frank wedekind muenchn
intimes theater


Königlich Bayer. Telegraphenanstalt München.


Aufgegeben in Karlsbad [...]


= wuerdest du noch laenģer bei uns ģastiren wie langeWedekind verlängerte seinen Gastspielvertrag beim Intimen Theater [vgl. Mary Irber an Wedekind, 6.7.1905] bis zum 31.7.1905. Er spielte vom 6.7. bis 31.7.1905 jeden Tag und verzeichnete täglich die Einnahmen in seinem Tagebuch. komme frejtaģder 21.7.1905; Wedekind notierte an diesem Tag im Tagebuch: „Mary Irber tritt wieder auf“ [Tb 21.7.1905]. kusz drahtantwort = mary hotel wienerhof

Mary Irber schrieb am 19. Juli 1905 in Karlsbad folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Correspondenz-Karte.


Herrn
Frank Wedekind
München
Franz Josephstr. 42/ II. |


Karlsbad. Blick von der Panoramastrasse.


Mein süßer Strolch; Viele GrüßeMary Irber hielt sich zum Gastspiel in Karlsbad auf. Am 21.7.1905 war sie wieder in München für das Intime Theater aktiv: „Mary Irber tritt wieder auf“ [vgl. Tb]. u. innige heiße Küsse
sendet Dir
Deine Mary

Mary Irber schrieb am 2. September 1905 in München
an Frank Wedekind

München, den 2. Septbre 1905.

Telephonnachricht.

Warum läßt Du nichts von Dir hörenWedekind besuchte dem Tagebuch zufolge Mary Irber am 4.9.1905: „Besuch bei Mary Irber, treffe an Marys Krankenbett mit Vallé zusammen.“?

Deine kranke MaryMary Irber gesundete erst nach vielen Wochen, wie die Presse meldete: „Mary Irber, die endlich wieder genesen ist“ [Allgemeine Zeitung. Jg. 108, Nr. 482, 20.10.1905, Münchener Stadt-Anzeiger, S. 9].