Briefwechsel

von (Zeitung) Berliner Tageblatt und Frank Wedekind

(Zeitung) Berliner Tageblatt schrieb am 2. Juli 1889 in Berlin folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Tagebuch vom 3.7.1889 in Berlin:]


Ich trage mich mit dem Gedanken auf der Redaction des Tagblatt„vermutlich das ‚Berliner Tageblatt‘.“ [KSA 5/I, S. 525] nach meiner Novellenicht ermittelt. „Um welche Novelle es sich handeln könnte, bleibt fraglich.“ [KSA 5/I, S. 525] zu fragen. Komme aber nicht zur Ausführung. Nach Tisch nach Hause kommend find ich sie vor mit einer höflichen gedruckten Ablehnung.

Frank Wedekind schrieb am 18. September 1901 in München folgenden Brief
an (Zeitung) Berliner Tageblatt

Da SieChefredakteur des „Berliner Tageblatt“ war seinerzeit Arthur Levysohn, verantwortlich für das Feuilleton Fritz Engel. vor etwa vierzehn Tagen unter der Marke „Dichter heraus“ die Notizsie lautet: „Was das Ueberbrettl kann, ist schließlich auch den Brettern, die die Welt bedeuten, möglich. Der Versuch, den Dichter am Abend der Erstaufführung seines Stückes vor Beginn der Vorstellung vor die Rampe treten, ihn von sich, von seinem neuen dichterischen Erzeugniß, von seiner Weltanschauung überhaupt plaudern zu lassen und so eine persönliche Verbindung zwischen Publikum und Darbietung herzustellen, soll zuerst in Berlin im Residenz-Theater von Direktor Lautenburg unter Doktor Martin Zickels Leitung gemacht werden. Frank Wedekind wird als erster Dichter, der über sich selbst eine Conference abhält, vor dem Vorhang erscheinen, und zwar bei der noch im Anfang der Saison stattfindenden Premiere seines ‚Marquis von Keith‘. Wedekind wird sicher seine Person zur Geltung bringen. Er läßt gewiß kein Wort unter den Tisch fallen. Auch d’Annunzio wußte sich ins rechte Licht zu stellen. Man muß sowohl dem aufzuführenden Autor wie dem Publikum dringend wünschen, daß diese fragwürdige Neuerung sich nicht durchsetzen möge, – sie kann der Kunst nur Schaden zufügen!“ [Die Dichter heraus! In: Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 439, 30.8.1901, Morgen-Ausgabe, S. (3)] brachten, ich hätte die Absicht, vor der Aufführung meines „Marquis von Keith“ selber eine sogenannte „Conférence“ vor dem Publikum zu halten (eine Geschmacklosigkeit, die keinem Menschen auf dieser Welt ferner liegt als mirIm verschollenen abgesandten Brief folgte hier Wedekinds Abschrift zufolge der Text: „und da ich fürchten muß, daß Sie gegenwärtig mit ähnlichen Notizen über meine Absichten behelligt werden, so erlaube ich mir, mit der Bitte um eventuelle Veröffentlichung“ [Wedekind an Martin Zickel, 21.10.1901].), so erlaube ich mir, mit der Bitte um Veröffentlichung, Sie von folgenden Thatsachen in Kenntniß zu setzen:

Im Laufe dieses Sommers trat Herr Dr. Zickel mit einem Antrag, betreffend mein persönliches Auftreten am Central-Theater, an mich heran. Ich ging auf den Antrag ein unter der einen von mir als unerläßlich geforderten Bedingung, daß Herr Dr. Zickel zu Beginn dieser Saison in Berlin eine Aufführung meines Stückes „Marquis von Keith“ veranstalte. Herr Dr. Zickel stellte mir diese Aufführung auch mit so unverbrüchlicher Sicherheit in Aussicht, daß ich mich herbeiließ, den mir vom Centraltheater angebotenen Kontraktnicht überliefert; Wedekind hat sich empört über den Vertrag geäußert und auch daraus zitiert [vgl. Wedekind an Martin Zickel, 20.5.1901]. zu unterzeichnen. Bald darauf erhielt ich von Herrn Dr. Zickel auch schwarz auf weiß die Benachrichtigung, daß der „Marquis von Keith“ vom Residenztheater zur Aufführung angenommen sei. Dieselbe Nachricht brachte Ihr geehrtes Blatt in der oben erwähnten Notiz „Dichter heraus“. Da sich diese Thatsache nun aber als unrichtig erweist, da mein „Marquis von Keith“ vom Residenztheater nicht zur Aufführung angenommenDie Uraufführung des „Marquis von Keith“ fand unter der Regie von Martin Zickel, Regisseur am Berliner Residenztheater (Direktion: Sigmund Lautenburg) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1902, S. 251], am 11.10.1901 doch im Residenztheater statt; annonciert war: „Marquis von Keith schildert in einer Reihenfolge geistsprühender Szenen eine Schicht der Münchener Gesellschaft. Das Schauspiel ist ein modernes psychologisches Sittenbild voll leidenschaftlich pulsierenden Lebens in allermodernster Form, wie sie von Frank Wedekind erst geschaffen worden ist. Marquis von Keith gelangt am Freitag, den 11. Oktober am Residenztheater zur Erstaufführung.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 513, 9.10.1901, Morgen-Ausgabe, 1. Beiblatt, S. (3)] ist, habe ich die Direktion des Central-TheatersDirektor des Central-Theaters in Berlin war José Ferenczy [vgl. Neuer Theater-Almanach 1902, S. 255], der es als Operettentheater am 14.8.1898 auch eröffnet hat. ersuchtHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an José Ferenczy, 18.9.1901., den durch Vermittelung des Herrn Dr. Zickel mit mir abgeschlossenen Vertrag zu lösenDas „Berliner Tageblatt“ verwies wenige Tage später auf diesen Punkt in Wedekinds Brief: „Wie erinnerlich sein wird, theilte Frank Wedekind in einem Briefe an unsere Redaktion mit, daß er von dem Vertrage mit dem Central-Theater wieder zurückgetreten sei, weil er Werth darauf lege, in Berlin nicht nur mit heiteren Gaben, sondern gleichzeitig auch als ernster Schriftsteller zu Worte zu kommen.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 494, 28.9.1901, Abend-Ausgabe, S. (3)]. Maßgebend ist mir dabei die Thatsache, daß ich zu viel Respekt vor dem Berliner Publikum hege, als daß ich mich ihm lediglich mit meinen „Brettl-Liedern“ präsentiren möchte, wenn mir nicht zugleich auch Gelegenheit geboten ist, mich ihm von meiner künstlerisch sowohl wie moralisch ernsten Seite vorzustellen.

Frank Wedekind schrieb am 14. Oktober 1901 in München folgenden Brief
an (Zeitung) Berliner Tageblatt , Fritz Engel

An die geehrte Redaction des Berliner Tageblattes.


Sehr geehrter HerrFritz Engel, Redakteur des „Berliner Tageblatt“ [vgl. Deutscher Litteratur-Kalender auf das Jahr 1902, Teil II, Sp. 319], war verantwortlich für das Feuilleton (Chefredakteur war Arthur Levysohn); er dürfte angesprochen sein, da Wedekind auf Fritz Engels Besprechung der Uraufführung des „Marquis von Keith“ anspielt (siehe unten).

darf ich Sie höflichst ersuchen, von folgendem Notiz nehmen zu wollen: Herr Dr. OberländerDr. phil. Hans Oberländer, Geschäftsführer der „Theatergesellschaft Schall und Rauch m.b.H.“ [Adreßbuch für Berlin 1902, Teil I, S. 1731] in Berlin (Unter den Linden 44), war zugleich Direktor der Bühne Schall und Rauch (Unter den Linden 44), ein Kabarett, das am 9.10.1901 eröffnet worden ist [vgl. Neuer Theater-Almanach 1902, S. 263]. Fritz Engel hat die Premierenvorstellung kritisch besprochen [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 515, 10.10.1901, Morgen-Ausgabe, S. (2)]. Gemeldet wurde: „Das Programm der […] Eröffnungsvorstellung von ‚Schall und Rauch‘ wurde […] gekürzt und gelangt mit Ausnahme einiger von der Censur nachträglich beanstandeter Stellen unverändert zur täglichen Wiederholung.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 517, 11.10.1901, Morgen-Ausgabe, S. (3)] von der Vereinigung „Schall und Rauch[“] beehrt mich mit der Anfragenicht überliefert: erschlossenes Korrespondenzstück: Hans Oberländer an Wedekind, 10.10.1901. ob ich bereit wäre, nächste Woche in seinen Vorstellungen mitzuwirken. So ehrenvoll mir dieser Antrag ist, glaube ich ihn dennoch ablehnen zu müssen, in der aufrichtigen Befürchtung daß man mich in meinen minderwertigen Productionen mindestens | ebenso verhöhnen wird, wie man meinen Marquis v. Keith“ verhöhntDie Uraufführung des „Marquis von Keith“ am 11.10.1901 (Freitag), im Rahmen des 2. Literarischen Abends im Residenztheater in Berlin unter der Regie von Martin Zickel, fiel bei der Kritik durch. Fritz Engel meinte, der Abend mit diesem Stück sei „kein Sieg“ gewesen, sondern „das Gegenteil“, nämlich „das, was man eine fröhliche Leiche nennt.“ [F.E.: Literatur im Residenztheater. „Marquis von Keith“ von Frank Wedekind. In: Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 519, 12.10.1901, Morgen-Ausgabe, S. (2)] hat |

Erlauben Sie mir bei dieser Gelegenheit noch auf einen eigenthümlichen Widerspruch hinzuweisen. Der eine Theil der Berliner Presse verurtheilt meinen „Marquis v. Keith[“] als das „allerdümmste“ kindlichste, Allereinfältigste“ was dem Berliner Publicum jemals vorgesetzt wurde. Der andere Theil spricht meinem Stück zwar nicht jeden den geistigen Gehalt ab, denunziert dafür aber meine Kunst alsEs folgt ein freies Zitat aus der Besprechung der Uraufführung des „Marquis von Keith“ von Julius Hart am 13.10.1910 in der Berliner Tageszeitung „Der Tag“ (Nr. 453): „Vielleicht giebt’s in der deutsche Literatur nichts, was so gemein ist, einen solchen Caliban-Charakter trägt, wie die Kunst Frank Wedekinds.“ [KSA 4, S. 519f.] „das Allergemeinste, das gegenwärtig in der deutschen Literatur existiert.“ |

Dieser eklatante Widerspruch in den Urtheilen hochstehender Autoritäten muß notwendiger Weise seinen vernünftigen Grund haben und drängt mir angesichts des obenerwähnten Antrages den leisen bescheidenen Zweifel auf: sollte man in Berlin vielleicht thatsächlich keine Würdigung für ‒ ‒ ‒ wirklichen HumorFritz Engel hatte Wedekind zwar an sich „einen wahrhaft revolutionären Humor“ zugeschrieben, was aber für den „Marquis von Keith“ nicht gelte: „Aber den Humor“ habe der Autor hier „verächtlich in den Winkel gestellt“ [F.E.: Literatur im Residenztheater. „Marquis von Keith“ von Frank Wedekind. In: Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 519, 12.10.1901, Morgen-Ausgabe, S. (2)]. besitzen?

Indem ich Sie ersuche, geehrter Herr, den Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochschätzung entgegenzunehmen
ergebenst.

Frank Wedekind schrieb am 5. Juni 1907 in Berlin folgenden Brief
an (Zeitung) Berliner Tageblatt , Theodor Wolff

[1. Briefentwurf:]


An die tit. Redaktion des Berliner Tageblattes


Sehr geehrter HerrTheodor Wolff war Redakteur am „Berliner Tageblatt“ [vgl. Kürschners Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1907, Teil II, Sp.1766] – innoffiziell Chefredakteur (in Vertretung von Arthur Levysohn, der krank war).

Sie gaben in No 279Der redaktionelle Beitrag in dieser Nummer [vgl. KSA 5/III, S. 50] zu Wedekinds Gastspielpremiere am Kleinen Theater lautet: „Frank Wedekind, der Liebhaber der ‚Ausnahmsweisen‘ hat von jeher so etwas wie Ehrgeiz verspürt, sich möglichst oft auch als darstellerischer Interpret seiner Dichtungen der Menge zu zeigen. Es soll hier nicht kritisch untersucht werden, inwieweit sich in diesem Falle Unternehmungsgeist und Ausführungsvermögen decken – wir wollen uns mit der Konstatierung der Tatsache begnügen, daß sich der Dichter des ‚Erdgeist‘ und von ‚Frühlingserwachen‘ in zwei seiner kleineren Stücke wieder als sein eigener Darsteller vor dem Berliner Theaterpublikum zu Worte kommen lassen will. Wie uns das Bureau des Kleinen Theaters mitteilt, wird Frank Wedekind auf dieser Bühne am Montag, den 10. d. Mts. mit seiner Gattin, Frau Tilly-Newes-Wedekind, zuerst wieder auftreten, und zwar in dem Dialog ‚Rabbi Esra‘ und in der Komödie ‚Der Kammersänger‘, in der er zum ersten Male in Berlin selbst die Titelrolle spielen wird.“ [Frank Wedekind als Schauspieler. In: Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 279, 5.6.1907, Morgen-Ausgabe, S. (3)] Ihres geehrten Blattes Ihrem Befremden über mein Unterfangen Ausdruck, in der TitelrolleWedekind spielte in der ungekürzten Inszenierung seines Einakters „Der Kammersänger“, der im Rahmen seines Gastspiels am Kleinen Theater in Berlin zusammen mit der Szene „Rabbi Esra“ am 10.6.1907 Premiere hatte, die Hauptrolle des Gerardo. meines Einakters „Der Kammersängeraufzutreten. Wollen Sie mir daher gestatten darauf hinzuweisen, daß in allen bisher in Berlin stattgefundenen Aufführungen dieses Stückes„Der Kammersänger“ hatte in Berlin nach der Uraufführung am 10.12.1899 im Rahmen der Eröffnungsmatinee der Sezessionsbühne am Neuen Theater eine weitere Premiere am 31.8.1901 im Residenztheater sowie am 30.9.1903 im Neuen Theater, eine Inszenierung, bei der Max Reinhardt eine zusammengestrichene Fassung präsentiert hatte, mit der Wedekind gar nicht einverstanden war [vgl. KSA 4, S. 393]. mindestens der dritte Theil der Titelrolle gestrichen war. Ich möchte nun mit Ihrer Erlaubnis nur den bescheidenen Versuch wagen, ob es nicht vielleicht möglich wäre, die Rolle ungestrichen zu spielen.

Mit der Bitte den Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochschätzung entgegenzunehmen
ergebenst
Frank Wedekind


Berlin 5 Juni 1907.

Kurfürstenstraße 125.


[2. Druck imBerliner Tageblatt“:]


Sie geben in Nummer 279 Ihres geehrten Blattes Ihrem Befremden über mein Unterfangen Ausdruck, in der Titelrolle meines Einakters „Der Kammersänger“ aufzutreten. Wollen Sie mir daher gestatten, darauf hinzuweisen, daß in allen bisher in Berlin stattgefundenen Aufführungen dieses Stückes mindestens der dritte Teil der Titelrolle gestrichen war. Ich möchte nun nur den bescheidenen Versuch wagen, ob es nicht vielleicht möglich wäre, die Rolle ungestrichen zu spielen.

Frank Wedekind schrieb am 11. Juni 1907 in Berlin folgenden Brief
an (Zeitung) Berliner Tageblatt

In seiner Besprechung der Kammersänger-AufführungWedekinds Einakter „Der Kammersänger“ hatte zusammen mit der Szene „Rabbi Esra“ am 10.6.1907 im Rahmen seines Gastspiels am Kleinen Theater in Berlin (Direktion: Victor Barnowsky) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 262] Premiere; der Einakter wurde ungekürzt gespielt – mit Wedekind in der Hauptrolle des Gerardo. nennt Ihr geehrter Herr ReferentMonty Jacobs, seit 1905 als Theaterkritiker für das „Berliner Tageblatt“ tätig, hat die Premiere des Einakters „Der Kammersänger“ (siehe oben) besprochen [vgl. M.J.: Kleines Theater. Gastspiel Frank Wedekind. In: Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 290, 11.6.1907, Morgen-Ausgabe, S. (3)]. In der Nachbemerkung zu Wedekinds offenem Brief ist er als „unser Referent“ [Ein Brief Frank Wedekinds. In: Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 294, 13.6.1907, Morgen-Ausgabe, S. (2)] bezeichnet. den Einakter meine „geschlossenste BühnenschöpfungZitat aus der Besprechung von Monty Jacobs, in der es heißt, Wedekind sei „einer unserer interessantesten Autoren und einer unserer mittelmäßigsten Schauspieler […]. Der ‚Kammersänger‘, Wedekinds geschlossenste Bühnenschöpfung, kann auch in unzulänglicher Verkörperung die Wirksamkeit seiner verblüffenden Einfälle nicht einbüßen. Gestern schien er freilich seltsam verwandelt, keine Farce mehr, sondern ein Trauerspiel mit Exzentrik-Einlagen. Zweifellos entspricht diese Wirkung den Absichten seines Schöpfers, der um jeden Preis ernstgenommen sein will, und der zum Leitmotiv die Dissonanz gewählt hat. Je mehr sich der Darsteller des Kontraktsklaven vor Mätzchen hütet, desto sicherer wird er sein Publikum überrumpeln. Aber Frank Wedekinds schauspielerische Zurückhaltung erscheint leider nicht wie ein freiwilliger Entschluß, sondern wie das Resultat technischer Hilflosigkeit. Eine ängstliche Starrheit des Mienenspiels und ein ruckweis herausgestoßenes Sprechen machen den Zuschauer nervös. Nüancen fehlen völlig, es sei denn, daß man den Wechsel von Weste und Hose in den Entkleidungsszenen dafür ansieht.“ [M.J.: Kleines Theater. Gastspiel Frank Wedekind. In: Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 290, 11.6.1907, Morgen-Ausgabe, S. (3)]“. Wie es sich bis jetzt um die Geschlossenheit dieser Bühnenschöpfung verhielt, dafür habe ich leider den drastischsten Beweis darin erhalten, daß sich die Direktion des Deutschen TheatersMax Reinhardt, Direktor des Deutschen Theaters zu Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 258], seinerzeit Direktor des Neuen Theaters [vgl. Neuer Theater-Almanach 1904, S. 245], wo er den „Kammersänger“ inszenierte (Premiere: 30.9.1903). seinerzeit genötigt gesehen hat, den SchlußBei der „Kammersänger“-Inszenierung, die am 30.9.1903 am Neuen Theater in Berlin Premiere hatte, strich Max Reinhardt den Text nicht nur stark zusammen, sondern variierte den „als ‚Berliner Schluß‘ bekannt“ gewordenen Ausgang so, „daß das Stück im einheitlichen Stil der Komödie gespielt werden konnte […]. In dieser Fassung täuscht Helene ihren Selbstmord nur vor, um den Abgang Gerardos mit den Worten zu kommentieren: ‚Nicht einmal darauf reagiert dieser Dummkopf!‘“ [KSA 4, S. 393] des Stückes in sein entgegengesetztes Gegenteil umzukehren, und daß, um die Aufführung zu ermöglichen, mehr als ein Dritteil des vorhandenen Textes gestrichen werden mußte. Aus diesem dramatischen Wechselbalg, dessen Darstellung so gewaltsame Korrekturen erforderte, ist nun auf einmal – nach dem schmeichelhaften Ausdruck Ihres Herrn Referenten − meine geschlossenste Bühnenschöpfung geworden. Nach Feststellung dieser Tatsache glaube ich das Urteil darüber, ob meine Verkörperung der Titelrolle wirklich so himmelweit hinter der bisherigen Darstellungsweise zurücksteht, ruhig dem geehrten Leser überlassen zu dürfen.

Frank Wedekind schrieb am 23. Juli 1907 in München folgenden Brief
an Theodor Wolff , (Zeitung) Berliner Tageblatt

Sehr verehrter Herr WolffTheodor Wolff, Chefredakteur des „Berliner Tageblatt“ [vgl. Kürschners Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1908, Teil II, Sp. 1865], Vetter des Verlegers Rudolf Mosse, zu dessen Zeitungsimperium das auflagenstarke „Berliner Tageblatt“ gehörte; seit 1887 in der Redaktion tätig, dort seit 1907 zuerst innoffiziell Chefredakteur (in Vertretung von Arthur Levysohn, der krank war), dann seit dem 12.4.1908 offiziell (an diesem Tag erstmals auf der Titelseite des „Berliner Tageblatt“ als Chefredakteur genannt). Wedekind dachte an die Zeitung, als er ihm schrieb, wie er am notierte 23.7.1907 notierte: „Brief für Langheinrich ans Berliner Tageblatt.“ [Tb],

Mein Freund, der Münchner Architekt Max Langheinrich hatte die aus einer Conkurrenzein am 12.3.1906 für den Museumsneubau (siehe unten) ausgeschriebener Architektur-Wettbewerb: „Das Deutsche Museum hat heute einen weiteren Schritt vorwärts getan. Heute erfolgte die endgültige Festlegung des Preisausschreibens betreffend die Errichtung eines Gebäudes für das Museum, das bekanntlich auf dem von der Stadt München überlassenen südlichen Teile der Kohleninsel seine Stätte finden soll. Der öffentliche Wettbewerb gilt für deutsche Architekten einschließlich der Deutsch-Oesterreicher und Deutsch-Schweizer. Drei Preise sind ausgesetzt: zu 15,000 M, 10,000 M und 5000 M. Das Deutsche Museum behält sich die Wahl des mit der Ausarbeitung des endgültigen Projektes sowie mit der Bauleitung zu betrauenden Architekten vor. [...] Die Entwürfe sind bis 20. September 1906 an das Deutsche Museum einzusenden. Das Preisrichterkollegium wird gebildet aus 22 Mitgliedern, von denen 10 dem Vorstand, dem Vorstandsrate und der Baukommission des Museums angehören. 2 von der Stadt München, gleichfalls 2 vom Reichskanzler und die übrigen von den Staatsregierungen von Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Braunschweig, Hamburg und Elsaß-Lothringen ernannt sind.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 59, Nr. 119, 12.3.1906, S. 4] Sieger war der Münchner Architekt Gabriel von Seidl, gewählt vom Verein Deutsches Museum (gegründet am 5.5.1903 in München); dessen Vorsitzender, der Baurat Oskar von Miller, „teilte mit, daß 130 Architekten aus Deutschland, Oesterreich und der Schweiz sich die Bedingungen für die Teilnahme an der Konkurrenz für den Museumsneubau kommen ließen, daß aber nur 31 Entwürfe (24 von München und sieben aus anderen Städten) einliefen. Der Vorstandsrat habe einstimmig beschlossen, daß bei Ausführung des Neubaues die Pläne Gabriel von Seidls zu Grunde gelegt werden sollen.“ [Vom deutschen Museum. Sitzung des Ausschusses vom Deutschen Museum in der Akademie der Wissenschaften. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 59, Nr. 530, 13.11.1906, Morgenblatt, S. 2] hervorgegangenen Pläne zum Deutschen MuseumPläne für das 1903 gegründete und 1906 provisorisch eröffnete Deutsche Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik in München und zwar für dessen „Neubau, Museumsinsel. (Im Entstehen.)“ [Adreßbuch für München 1914, Teil III, S. 141] Bis der Neubau fertig war, waren die Sammlungen in der Abteilung I des Deutschen Museums (Maximilianstraße 26) und in der Abteilung II (Zweibrückenstraße 12) untergebracht. Das Richtfest des Museumsneubaus, entworfen von Gabriel von Seidl (er starb am 27.4.1913), der 1906 die Ausschreibung für den Museumsneubau gewonnen hatte (siehe oben), fand 1911, die Grundsteinlegung 1912 statt; die Eröffnung war zunächst für 1915 geplant, wurde dann kriegsbedingt weiter verschoben und erst 1925 realisiert. in München in der Allgemeinen Zeitung einer KritikDer von Max Langheinrich in der Rubrik „Aus Stadt und Land“ der Münchner „Allgemeinen Zeitung“ (Redaktion: Bayerstraße 57) veröffentlichte Artikel, datiert auf München, den 22.7.1907, macht vor allem auf sicherheitstechnische Mängel aufmerksam, außerdem auf die voraussichtlich mangelhafte Beleuchtung des geplanten Bauwerks, auf schlechte Lüftungsmöglichkeiten und auf andere Mängel in der Bauplanung, die den repräsentativ angelegten Museumsbau wenig benutzerfreundlich gestalten würden [vgl. Max Langheinrich: Das Deutsche Museum in München. In: Allgemeine Zeitung, Jg. 110, Nr. 286, 23.6.1907, S. 3-4]. Das Blatt brachte dazu eine Leserzuschrift: „In Ihrer geschätzten Zeitung Nr. 286 vom 23. Juni erschien ein Artikel über ‚Das Deutsche Museum in München‘ aus der Feder des Architekten Langheinrich, der in technischen Kreisen vielfach lebhaft besprochen wurde. In den sehr sachlich gehaltenen Ausführungen wurden an dem Museumsprojekt des Professors Gabriel v. Seidl mannigfache Ausstellungen in praktischer Hinsicht gemacht. Teilweise sind die Beanstandungen sehr schwerer Natur; so wird unter anderem der Vorwurf erhoben, daß die projektierte Bauanlage keine genügende Sicherheit gegen Feuersgefahr biete. Dieser einzige Punkt würde schon, falls er sich als begründet erweisen würde, genügen, in die weitesten Kreise Beunruhigung zu tragen. Die Vorstandschaft des ‚Deutschen Museums‘, die sich aus anerkannten Koryphäen der Wissenschaft und Technik zusammensetzt, würde bei dem großen Interesse, das dem für München so bedeutsamen Werke entgegengebracht wird, sich allgemeinen Dank vieler erwerben, wenn sie die in dem Langheinrichschen Artikel erhobenen Vorwürfe doch in der Öffentlichkeit entkräften wollte.“ [Das Deutsche Museum in München. In: Allgemeine Zeitung, Jg. 110, Nr. 308, 6.7.1907, Vorabendblatt, S. 4]. unterworfen. Der Inhalt seiner Kritik wurde von der Baukommission bei der daraufhin vorgenommenen Abänderung der Pläne ausgenutzt, der Autor aber wurde der Öffentlichkeit gegenüber systematisch totgeschwiegen. Herr Langheinrich setzte diesen Thatbestand in einem sachlich gehaltenen Referat auseinander, das er wiederum in einer/m/ Münchner Blatte zu veröffentlichen wollte/gedachte/. Ich riet ihm aber, da das Deutsche Museum in München doch in erster Linie/ein in erster/ | eine/Linie/ Deutsches Unternehmung/en/ ist, sich an ein Blatt von allgemein deutscher BedeutungAnspielung auf offizielle Verlautbarungen zur Grundsteinlegung wie zum Beispiel: „Das Deutsche Museum hat den Zweck, als ein Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik die historische Entwicklung der naturwissenschaftlichen Forschung, der Technik und der Industrie in ihrer Wechselwirkung darzustellen und ihre wichtigsten Stufen insbesondere durch hervorragende und typische Meisterwerke zu veranschaulichen. Es ist eine deutsche Nationalanstalt, bestimmt, dem gesamten deutschen Volke zu Ehr’ und Vorbild zu dienen.“ [Das Deutsche Museum. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 59, Nr. 524, 9.11.1906, Morgenblatt, S. 2] zu wenden und empfahl ihm zu aller erst das „Berliner Tageblatt“ um gastliche Aufnahme zu bitten. Herr Langheinrich bat bittet mich darauf nun, für den Fall daß ich persönliche BeziehungenWedekind kannte den späteren Chefredakteur des „Berliner Tageblatt“ seit seiner Zeit in den 1890er Jahren in Paris, was Theodor Wolff unmittelbar nach Wedekinds Tod an versteckter Stelle – ein Nachruf ohne entsprechende Überschrift (unter der Verfassersigle „T.W.“ bildet er den Rahmen eines ansonsten zeitpolitischen Leitartikels) – publik machte [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 47, Nr. 128, 11.3.1918, Montags-Ausgabe, S. (1)]. Wedekind hat Theodor Wolff dem Tagebuch zufolge zuletzt am 12.4.1907 in Berlin gesehen („bei Steinert mit [...] Theodor Wolff“), dann wieder am 28.7.1908 („Mit [...] Theodor Wolff [...] bei Steinert“). zu einem der Herrn Redakteure des „Berliner Tageblattes“ hätte habe, ihm einige empfehlende Worte der Empfehlung mitzugeben. Indem ich diese Bitte erfülle hoffe ich meine „persönlichen Beziehungen“ damit nicht zu überschätzen auch wenn das Berliner Tageblatt aus irgendwelchem Grunde nicht in der Lage ist, den Artikel aufzunehmenEin Artikel von Max Langheinrich im „Berliner Tageblatt“ ist nicht ermittelt. Nachweisbar sind lediglich kleine redaktionelle Meldungen zum Bauprojekt des Deutschen Museums in München..

Ich freue mich sehr darauf, geehrter Herr Wolff, im kommenden Winter | vielleicht öfter Gelegenheit zu haben, in Ihrer Gesellschaft die gegenwärtigen und kommenden Fügungen, die uns das Leben interessant machen, erörtern zu hören

Mit ergebenstem Gruß
Ihr
Frank Wedekind.

Frank Wedekind schrieb am 8. Dezember 1907 in Berlin folgenden Brief
an Theodor Wolff , (Zeitung) Berliner Tageblatt

[1. Abgesandter Brief:]


Sehr geehrter Herrder Chefredakteur des „Berliner Tageblatt“ – de facto war das Theodor Wolff, nominell allerdings noch immer der erkrankte Arthur Levysohn (er stand seinerzeit als Chefredakteur auf dem Titelblatt); kaum als Adressat in Frage kommt der Redakteur, der im „Berliner Tageblatt“ zuständig war „für die Inserate: Robert Franke“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 625, 9.12.1907, Abend-Ausgabe, S. (4)].!

Darf ich Sie höflichst ersuchen, Ihren geehrten Lesern mittheilen zu wollen, daß der für heute, den 9.Ein Vortrag Wedekinds war für den 9.12.1907 um 20 Uhr im Blüthner-Saal in Berlin angekündigt als der erste Vortrag der „Vorträge der Wochenschrift ‚Morgen‘ [...] Frank Wedekind über Kunst und Moral.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 597, 24.11.1907, Sonntags-Ausgabe, 6. Beiblatt, S. (1)] Die Anzeige mit der Angabe des Vortragstitels „Kunst und Moral“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 610, 1.12.1907, Sonntags-Ausgabe, 7. Beiblatt, S. (2)] wurde mehrfach wiederholt: „Blüthnersaal, Montag, 9. Dezember, 8 Uhr: Erster Vortrag der Wochenschrift ‚Morgen‘ Frank Wedekind ‚Kunst und Moral‘.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 617, 5.12.1907, Morgen-Ausgabe, 4. Beiblatt, S. (4)] angekündigte Vortrag über „Kunst und Moral“ nicht stattfinden wirdWedekinds Lesung am 9.12.1907 fand gleichwohl statt – der Autor las sein neues Stück „Musik“ (Vorabdruck in Fortsetzungen vom 26.6.1907 bis 19.7.1907 in der Zeitschrift „Morgen“). Er notierte am 8.12.1907: „Ich richte Musik zur Vorlesung ein“ [Tb], am 9.12.1907: „Vorlesung von Musik“ [Tb]. Das „Berliner Tageblatt“ drückte seine Verwunderung darüber aus: „Frank Wedekind hat, was die ganze Oeffentlichkeit sehr überraschen muß, gestern abend 8 Uhr seine Vorlesung im Blüthner-Saal nun doch gehalten. Ein paar Stunden vorher hatte er sie mit einem starken Worte, das wir unterdrückten, abgemeldet. [...] Es ist bedauerlich, daß dieser durch seine Improvisation dem Publikum und sich selbst einen Schaden zugefügt hat.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 627, 10.12.1907, Abend-Ausgabe, S. (3)]. Ich habe den Veranstalter„Morgen. Wochenschrift für Kultur“ (begründet und herausgegeben von Werner Sombart, Richard Strauß, Georg Brandes, Richard Muther, unter Mitwirkung von Hugo von Hofmannsthal), Redaktion: Artur Landsberger (Berlin), mit dem Wedekind zuletzt am 4.12.1907 den Abend verbrachte: „Abends mit Landsberger bei Frederich und Weihenstephan.“ [Tb] Der „Morgen“ hat erstmals am 11.10.1907 auf Wedekinds Vortrag aufmerksam gemacht – „Für die Abonnenten des ‚Morgen‘ werden im Winter außer Frank Wedekind [...] u.a. unentgeltlich Vorträge halten [...]. Im ersten Winter wird sich die Vortragsserie voraussichtlich auf Berlin beschränken“ [An unsere Leser. In: Morgen, Jg. 1, Nr. 18, 11.10.1907, nicht paginiert der Nummer mit einem separaten Titelblatt vorgeheftet] – und am 15.11.1907 definitiv angekündigt: „Am 9. Dezember spricht Frank Wedekind im Blüther-Saal über ‚Kunst und Moral‘ [...]. Für die Abonnenten sind diese Vorträge kostenlos, doch müssen bis zum [...] 21. November bei der Geschäftsstelle des ‚Morgen‘, W. 50, Eislebenerstr. 14, unter Berufung auf den betr. Buchhändler oder Einsendung der Abonnementsquittung die zum Besuch der Vorträge berechtigenden Karten verlangt werden. Die bis zum 21. d. M. neu hinzutretenden Abonnenten wollen sich unter denselben Bedingungen um Ueberlassung einer Freikarte zu den Vorträgen bemühen.“ [Notiz. In: Morgen, Jg. 1, Nr. 23, 15.11.1907, S. 746] Der „Morgen“ hat in seinen Heften keine weiteren Anzeigen zu seinem Vortragsprogramm abgedruckt. Das „Berliner Tageblatt“ bemerkte in seiner redaktionellen Nachbemerkung zu dem offenen Brief Wedekinds: „Die Differenz zwischen Wedekind und den Veranstaltern des Vortrags, der Redaktion der Zeitschrift ‚Morgen‘ ist dadurch entstanden, daß nach wie vor eine Vorlesung über ‚Kunst und Moral‘ angekündigt wurde, während Wedekind sich inzwischen entschlossen hatte, sein neues Bühnenwerk ‚Musik‘ vorzulesen. Der Titel der Vorlesung wurde aufrechterhalten, weil ‒ so hieß es ‒ in dem Drama ‚Kunst und Moral aufeinanderplatzen.‘“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 625, 9.12.1907, Abend-Ausgabe, S. (3)] Es meinte dann dazu: „Die Redaktion des ‚Morgen‘ kann feststellen, daß sie die Aenderung der Ankündigung, um die Herr Wedekind ‚sie vierzehn Tage vergeblich gebeten‘ zu haben erklärt, auch in Plakaten vollzogen hatte. Der ominöse Satz von dem ‚Aufeinanderplatzen von Kunst mit Moral‘ war nach der Behauptung des ‚Morgen‘ mit Herrn Wedekind vereinbart.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 627, 10.12.1907, Abend-Ausgabe, S. (3)] seit vierzehn Tagen vergeblich gebeten die Ankündigungen zu ändernDas „Berliner Tageblatt“ änderte seine Ankündigung kurzfristig. Während es am 8.12.1907 in ein und derselben Ausgabe an einer Stelle im Referat des aktuellen „Wochenplan der Konzertdirektion Julius Sachs“ die alte Formulierung wiederholte: „Montag, 8 Uhr, Blüthner-Saal: Vortrag: Frank Wedekind ‚Kunst und Moral‘“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 623, 8.12.1907, Sonntags-Ausgabe, 2. Beiblatt, S. (2)], war sie bei den Veranstaltungsanzeigen durch eine neue ersetzt: „VORTRÄGE DER WOCHENSCHRIFT ‚MORGEN‘ MONTAG: 9. Dezember, abends 8 Uhr BLÜTHNER-SAAL FRANK WEDEKIND ‚EIGENE DICHTUNG‘“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 623, 8.12.1907, Sonntags-Ausgabe, 7. Beiblatt, S. (2)] Diese Anzeige mit der neuen Formulierung – „FRANK WEDEKIND ‚eigene Dichtung‘“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 624, 9.12.1907, Montags-Ausgabe, 1. Beiblatt, S. (2)] – erschien auch am Tag darauf, an dessen Abend Wedekinds Lesung stattfand. und möchte mich ohne mein Verschulden nicht gern öffentlich als Betrüger hinstellen lassen.

In vorzüglicher Hochschätzung
Frank Wedekind.


8/9/Wedekind, der hier das Tagesdatum 8.12.1907 in das Tagesdatum 9.12.1907 korrigierte, hat allerdings am 8.12.1907 abends notiert: „Schreibe eine Notiz an die Zeitungen.“ [Tb] Die Zeitungen – das waren das „Berliner Tageblatt“ und wahrscheinlich die Wochenschrift „Morgen“ (Redaktion: Artur Landsberger)..12.7.


[2. Druck im „Berliner Tageblatt“:]


Darf ich Sie höflichst ersuchen, Ihren geehrten Lesern mitteilen zu wollen, daß der für heute, den 9. angekündigte Vortrag über „Kunst und Moral“ nicht stattfinden wird. Ich habe den Veranstalter seit vierzehn Tagen vergeblich gebeten, die Ankündigungen zu ändern.

Frank Wedekind schrieb am 2. November 1908 in München folgenden Brief
an (Zeitung) Berliner Tageblatt , Theodor Wolff

[1. Briefentwurf:]


An die tit. geehrte Redaktion des Berliner Tageblattes


Sehr geehrter HerrTheodor Wolff – auf dem Titelblatt vermerkt: „Chef-Redakteur: Theodor Wolff in Berlin.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 37, Nr. 558, 1.11.1908, Sonntags-Ausgabe, S. (1)] Der Chefredakteur dürfte der Adressat gewesen sein – nicht Fritz Engel, Feuilletonredakteur des „Berliner Tageblatt“, auf dessen Besprechung der Berliner Premiere von „Musik“ Wedekind sich im vorliegenden Brief zwar bezieht, ohne ihn aber dezidiert als Rezensenten anzusprechen.

in seiner Besprechung vom 1 November 1908Fritz Engel besprach unter Verfassersigle [vgl. F.E.: Wedekinds „Musik“. Erste Aufführung im „Kleinen Theater“. In: Berliner Tageblatt, Jg. 37, Nr. 558, 1.11.1908, Sonntags-Ausgabe, S. (2)] die Premiere von Wedekinds „Musik“ am 31.10.1908 im Kleinen Theater in Berlin (Direktion: Victor Barnowsky) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1909, S. 289] unter der Regie von Victor Barnowsky [vgl. KSA 6, S. 802]. wirfSchreibversehen, statt: wirft. mir das Berliner Tageblatt mein Drama SittengemähldeGattungsbezeichnung im Untertitel der Erstausgabe von Wedekinds Stück: „Musik. Sittengemälde in vier Bildern“ (1907, vordatiert auf 1908).Musikvor die FüßeZitat aus Fritz Engels Besprechung, in der es über „Musik“ heißt: „Es ist ein schlechtes Stück […]. Nein, Herr Frank Wedekind! Wer in Ihnen einen der originalsten Köpfe unserer Zeit, einen Schrittmacher neuer Anschauungen, einen Gestalter kühner Probleme, mit einem Worte den Dichter von ‚Frühlingserwachen‘ sieht, gerade wer Sie größer sieht als die anderen, muß Ihnen dieses Stück und Stücke wie jenes ‚Oaha‘ vor die Füße werfen. Annahme verweigert.“ [F.E.: Wedekinds „Musik“. Erste Aufführung im „Kleinen Theater“. In: Berliner Tageblatt, Jg. 37, Nr. 558, 1.11.1908, Sonntags-Ausgabe, S. (2)] Wedekind hat die Formulierung in einer „BT“ überschriebenen Notiz aufgegriffen: „Vor die Füße werfen = eine lausbubenhafte Unverschämtheit.“ [Nb 56, Blatt 65r] Gleich darunter notierte er: „Die Fälschung und Vergiftung der Öffentlichen Meinung.“ [Nb 56, Blatt 65r] In einer anderen „BT“ überschriebenen Notiz [Nb 58, Blatt 65r] aus den „Varianten und Paralipomena“ zur Vorrede von „Oaha“ notierte Wedekind unter anderem das Stichwort: „Ein Stück vor die Füße werfen“ [KSA 5/III, S. 596]. und behauptet, dabei umgekehrt zu verfahren als wie es mit meiner Kindertragödie Frlgs Erw. verfahren ist. Das ist unrichtig. Mein Drama Frlgs Erw. wurde vom Berliner Tageblatt 15 Jahre lang totgeschwiegenWedekind wiederholte diesen Vorwurf [vgl. Wedekind an Berliner Tageblatt, 4.11.1908], als er im „Berliner Tageblatt“ im Kommentar zu seinem offenen Brief nicht nur las, sein Brief sei „in tiefem Groll“ verfasst ein Ausdruck von „Riesenkatzenjammer“ eines „durchgefallenen Autors“, sondern auch, dem „schönen ‚Frühlingserwachen‘“ sei „in unserem Blatte die wärmste Anerkennung gezollt worden“ [F.E.: Frank Wedekind zürnt. In: Berliner Tageblatt, Berlin, Jg. 37, Nr. 562, 3.11.1908, Abend-Ausgabe, S. (2-3)]. Anerkennung hat „Frühlings Erwachen“ im „Berliner Tageblatt“ erst ab 1906 seit der erfolgreichen Uraufführung gefunden, die Monty Jacobs rezensierte [vgl. Monty Jacobs: „Frühlings Erwachen.“ Zur Aufführung in den Kammerspielen. In: Berliner Tageblatt, Jg. 35, Nr. 596, 23.11.1906, Abend-Ausgabe, S. (1-2)], die Erstausgabe von 1891 oder spätere Ausgaben des Stücks wurden im „Berliner Tageblatt“ nicht rezensiert.. Eine literarische Arbeit 15 Jahrevon 1891 bis 1906; „Frühlings Erwachen“ (1891) wurde 1906 von Max Reinhard in den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin mit großem Erfolg inszeniert und hatte seitdem breite Anerkennung auch bei der Kritik gefunden. lang totzuschweigen ist aber jedenfalls MindestensSchreibversehen, statt: mindestens. ebensowenig liebenswürdig als wie sie dem Verfasser zwei Jahre nach ihrem Erscheinen vor die Füße zu werfen. Nun könnte das B.T. einwenden, daß es sich mit dramatischen Arbeiten nicht eher beschäftigt als bis sie auf der Bühne erschienen sind. Das Das wäre aber wiederum unrichtig. Denn in der Besprechung über Musik schimpftFritz Engel hat „Oaha“ nur an einer Stelle erwähnt, als er schrieb, man müsse Wedekind „Stücke wie jenes ‚Oaha‘ vor die Füße werfen.“ [F.E.: Wedekinds „Musik“. Erste Aufführung im „Kleinen Theater“. In: Berliner Tageblatt, Jg. 37, Nr. 558, 1.11.1908, Sonntags-Ausgabe, S. (2)] das B.T. schon in den stärksten Ausdrücken über mein Stück Oaha das noch gar nicht gespielt wurde und in den nächsten Jahren voraussichtlich auch nicht gespielt werden wird. In seiner blinden Wuth | unterschlägt das B.T. seinen Lesern vollständig die AufnahmeDie Theaterkritik äußerte sich über das in Berlin inszenierte Stück „Musik“ überwiegend ablehnend [vgl. KSA 6, S. 803-806]. die mein Stück Musik beim Publikum gefunden hat. Diese Thatsachen zusammengenommen drängen mir die Frage auf ob sich ein Schriftsteller in Deutschland nicht vielleicht auch trotz des Berliner Tageblattes, in vollkommenem Gegensatze zum B. Tageblatt entwickeln kann, eine Frage, die mir wichtig genug scheint, um mit Ernst und Gründlichkeit erwogen zu werden. Gegen eine entstellte wahrheitswidrige oder gekürzte Wiedergabe dieser wenigen Zeilen bin ich bereit mich nachdrücklich zu verwahren.

Hochachtungsvoll ergebenst
FrW.


[2. Druck im „Berliner Tageblatt“:]


Sehr geehrter Herr!

In seiner Besprechung vom 1. November 1908 wirft mir das „Berliner Tageblatt“ mein Sittengemälde „Musik“ vor die Füße und behauptet, dabei umgekehrt zu verfahren, als wie es mit meiner Kindertragödie „Frühlingserwachen“ verfahren ist. Das ist unrichtig. Mein Drama „Frühlingserwachen“ wurde vom „Berliner Tageblatt“ fünfzehn Jahre lang totgeschwiegen. Eine literarische Arbeit fünfzehn Jahre lang totzuschweigen, ist aber jedenfalls mindestens ebensowenig liebenswürdig, als wie sie dem Verfasser zwei Jahre nach ihrem Erscheinen vor die Füße zu werfen. Nun könnte das „Berliner Tageblatt“ einwenden, daß es sich mit dramatischen Arbeiten nicht eher befaßt, als bis sie auf der Bühne erschienen sind. Das wäre aber wiederum unrichtig. Denn in der Besprechung über „Musik“ urteilt das „Berliner Tageblatt“ schon in den schärfsten Ausdrücken über mein Stück „Oaha“, das noch gar nicht gespielt wurde und in den nächsten Jahren voraussichtlich auch nicht gespielt werden wird.

In seiner blinden Wut unterschlägt das „Berliner Tageblatt“ seinen Lesern überdies vollständig die Aufnahme, die mein Stück „Musik“ beim Publikum gefunden hat. Diese Tatsachen zusammen genommen drängen mir die Frage auf, ob sich ein Schriftsteller in Deutschland nicht vielleicht auch trotz des „Berliner Tageblattes“ in vollkommenem Gegensatz zum „Berliner Tageblatt“, entwickeln kann, eine Frage, die mir wichtig genug scheint, um mit Ernst und Gründlichkeit erwogen zu werden. Gegen entstellte oder gekürzte Wiedergabe dieser wenigen Zeilen bin ich bereit, mich ausdrücklich zu verwahren.

Hochachtungsvoll
ergebenst
Frank Wedekind.

Frank Wedekind schrieb am 4. November 1908 in München folgenden Brief
an (Zeitung) Berliner Tageblatt , Theodor Wolff

EueSchreibversehen, statt: Euer. HochwohlgeborenTheodor Wolff, Chefredakteur des „Berliner Tageblatt“, der wahrscheinliche Adressat, bewusst ehrerbietig angesprochen.! ersuchedavor nicht eindeutig zu interpretierendes Umstellungszeichen; „ersuche“ sollte wohl vor „Euer Hochwohlgeboren“ stehen. ich ergebenst um A/g/efälligen Abdruck beiliegender Erklärung.

Hochachtungsvoll
FrW. |


Ich behaupte und sage daß ein großes außergewöhnliches Maß von Schamlosigkeit dazu gehört wenn sich das Berliner Tageblatt zur HerabwürdigungWedekind bezieht sich auf den Verriss seines Sittendramas „Musik“ durch Fritz Engel [vgl. F.E.: Wedekinds „Musik“. Erste Aufführung im „Kleinen Theater“. In: Berliner Tageblatt, Jg. 37, Nr. 558, 1.11.1908, Sonntags-Ausgabe, S. (2)], gegen den er sich brieflich empört hatte [vgl. Wedekind an Berliner Tageblatt, 2.11.1908]. In den „Varianten und Paralipomena“ zur Vorrede von „Oaha“ aus einem Notizbuch [Nb 58, Blatt 65r] notierte Wedekind unter anderem das Stichwort „Riesenkatzenjammer“ [KSA 5/III, S. 596], das aus Fritz Engels Nachbemerkung zu seinem Brief [vgl. Wedekind an Berliner Tageblatt, 2.11.1908] stammt – „Riesenkatzenjammer“ [F.E.: Frank Wedekind zürnt. In: Berliner Tageblatt, Berlin, Jg. 37, Nr. 562, 3.11.1908, Abend-Ausgabe, S. (3)] – und schrieb dazu: „Ich frage das B.T. nun wie es [gestrichen: zur Verbreitung] sich zur Herumträgerin solch gehässiger Unwahrheiten erniedrigen kann“ [KSA 5/III, S. 596]. meiner andern Arbeiten auf seine Anerkennung meiner KindertragödieFritz Engel hat, als er den Verfasser von „Musik“ abkanzelte, nebenbei wohlwollend „den Dichter von ‚Frühlingserwachen‘“ [F.E.: Wedekinds „Musik“. Erste Aufführung im „Kleinen Theater“. In: Berliner Tageblatt, Jg. 37, Nr. 558, 1.11.1908, Sonntags-Ausgabe, S. (2)] erwähnt, ebenso im Kommentar zu Wedekinds offenem Brief [vgl. Wedekind an Berliner Tageblatt, 2.11.1908] nebenbei bemerkt, dem „schönen ‚Frühlingserwachen‘“ sei „in unserem Blatte die wärmste Anerkennung gezollt worden“ [F.E.: Frank Wedekind zürnt. In: Berliner Tageblatt, Berlin, Jg. 37, Nr. 562, 3.11.1908, Abend-Ausgabe, S. (2-3)]. „Frühli Frlgs Erw beruft, deren Vorhandensein dasselbe Berliner Tageblatt fünfzehn Jahre hindurch mit unerschütterlicher Beharrlichkeit tod geschwiegenSchreibversehen, statt: totgeschwiegen. hat.

_________________________

Ich sage und behaupte und bin erkläre mich bereit diese Behauptung vor dem Richter zu vertreten, daß ein außergewöhnliches Maß von Schamlosigkeit dazu gehört, wenn sich das „Berliner Tageblatt“, um mir eine andre noch nicht aufgeführte ArbeitenAnspielung auf „Oaha“ [vgl. Wedekind an Berliner Tageblatt, 2.11.1908], das noch nicht uraufgeführt worden war.vor die Füße zu werfenZitat aus Fritz Engels Besprechung von „Musik“; er müsse Wedekind „dieses Stück und Stücke wie jenes ‚Oaha‘ vor die Füße werfen.“ [F.E.: Wedekinds „Musik“. Erste Aufführung im „Kleinen Theater“. In: Berliner Tageblatt, Jg. 37, Nr. 558, 1.11.1908, Sonntags-Ausgabe, S. (2)]“ auf seine Anerkennung | meiner Kindertragödie „Frlgs Erw.“ beruft stützt, deren Vorhandensein dasselbe Berliner Tageblatt fünfzehn Jahre hindurch mit unerschütterlicher Beharrlichkeit totgeschwiegen hat.

deren Vorhandensein von demselben „Berliner Tageblattfünfzehn Jahre hindurch mit unerschütterlicher Beharrlichkeit totgeschwiegen wurdeDas „Berliner Tageblatt“ reagierte auf den Vorwurf, es habe „Frühlings Erwachen“ bis zum Erfolg der Uraufführung von 1906 totgeschwiegen, mit einem Beitrag von Fritz Engel, der dazu einen Brief an die Redaktion von Paul Block präsentiert. Es heißt darin: „Wedekind [....] erhebt auch jetzt noch die Anklage, die im übrigen gar keine wäre, daß wir uns fünfzehn Jahre lang um sein ‚Frühlings Erwachen‘ nicht gekümmert hätten. Wir können demgegenüber ihm nur unsererseits den Vorwurf machen, daß er nicht weiß, was in der Öffentlichkeit, über die er sich gelegentlich in so dreister Weise erregt, über ihn und seine Werke geschrieben wird. Wir wollen ihm also zu Hilfe kommen und ihm mitteilen, was unser jetzt in Paris wirkender Mitarbeiter, Herr Paul Block uns schreibt: / Sehr geehrte Redaktion! / Herr Frank Wedekind irrt, wenn er sagt, das ‚Berliner Tageblatt‘ habe sein ‚Frühlings Erwachen‘ totgeschwiegen. Lange vor der Eröffnung der Kammerspiele, in der Rezension über Wedekinds ‚Erdgeist‘ wurde auf ‚Frühlings Erwachen‘ hingewiesen. Es soll nicht behauptet werden, daß diese Erwähnung den späteren Direktor des Deutschen Theaters auf das Werk aufmerksam machte. Aber die Tatsache besteht, daß gerade im ‚Berliner Tageblatt‘ lange vor der Darstellung von ‚Frühlings Erwachen‘ der Dichter und sein Werk anerkannt wurden. Da die Rezension zufällig von mir ist, blieb mir der Fall in Erinnerung.“ [fe: Herr Wedekind irrt. In: Berliner Tageblatt, Jg. 37, Nr. 571, 8.11.1908, Sonntags-Ausgabe, S. (3)] Paul Block hatte seinerzeit zum Schluss seiner Besprechung der Berliner „Erdgeist“-Premiere am Kleinen Theater geschrieben: „Dennoch ist mir der junge Wedekind, der ‚Frühlingserwachen‘ schrieb, lieber.“ [P.B.: Erdgeist. Tragödie von Frank Wedekind. In: Berliner Tageblatt, Jg. 31, Nr. 641, 18.12.1902, Morgen-Ausgabe, S. (2)].

Frank Wedekind schrieb am 4. Dezember 1908 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an (Zeitung) Berliner Tageblatt

[Hinweis in Wedekinds Tagebuch vom 4.12.1908 in München:]


Brief an das Berliner Tageblatt.

Frank Wedekind schrieb am 28. Januar 1909 in München folgenden Brief
an (Zeitung) Berliner Tageblatt

An die RedaktionChefredakteur war Theodor Wolff, um diese Zeit verantwortlich für das Feuilleton Hans Fischer (Pseudonym: Kurt Aram), der Feuilletonredakteur Fritz Engel war derjenige, der den Streit mit Wedekind ausgelöst hatte (siehe die vorangehende Korrespondenz Wedekinds mit dem „Berliner Tageblatt“). des Berliner Tageblattes
Berlin.


Den hier beigelegten offenen Briefvgl. Wedekind an Akademische Bühne Berlin, 28.1.1909. schickte ich an die hauptsächlichsten Berliner Tagesblätterdarunter der „Berliner Börsen-Courier“ (weitere Berliner Zeitungen, denen Wedekind den offenen Brief zukommen ließ, sind bisher nicht nachzuweisen), der den offenen Brief an die Akademische Bühne [vgl. Wedekind Akademische Bühne Berlin, 28.1.1909] gekürzt abdruckte und in seiner redaktionellen Vormerkung schrieb: „Frank Wedekind zieht seine Komödie ‚Die junge Welt‘ durch einen offenen Brief an den Vorstand des Vereins ‚Akademische Bühne‘ in Berlin von der Aufführung zurück. Dieser offene Brief enthält eine ziemlich scharfe Selbstkritik, eine viel schärfere Kritik aber an einem hiesigen Blatte. Es würde gegen die Pflicht alter freundnachbarlicher Kollegialität verstoßen, wenn wir durch Abdruck der betreffenden Stellen in den Streit uns mischten zwischen dem trefflichen Autor und einem Kritiker, der es sicherlich mit der Sache aufrichtig und ehrlich meinte, auch wenn er etwas, es ist uns dies nicht bekannt, zu scharfe Worte wählte. Das tut hier Herr Wedekind nun ebenfalls in ausgiebigem Maße. Unter Fortlassung der betreffenden Stellen möge der Brief folgen“ [Berliner Börsen-Courier, Jg. 42, Nr. 49, 30.1.1909, Morgen-Ausgabe, S. 6]. Darauf reagierte Fritz Engel vom „Berliner Tageblatt“: „Im ‚Berliner Börsenkurier‘ lesen wir, daß Herr Frank Wedekind seine dem Verein ‚Akademische Bühne‘ überlassene Komödie ‚Die junge Welt‘ im Hinblick auf das ‚Berliner Tageblatt‘ zurückgezogen habe. [...] Uns läßt das sehr kalt, wie uns auch die Briefe kalt gelassen haben, die Wedekind im Laufe der letzten Monate direkt an uns gerichtet hat.“ [fe.: Frank Wedekind und die „Akademische Bühne“. In: Berliner Tageblatt, Jg. 38, Nr. 54, 30.1.1909, Abend-Ausgabe, S. (3)] und an mehrere Privatpersonendarunter wohl jener Albert Dornblatt [vgl. Wedekind an Albert Dornblatt, 28.1.1909] (weitere Personen, denen Wedekind den offenen Brief zukommen ließ, sind bisher nicht nachzuweisen)..

Frank Wedekind schrieb am 1. August 1909 in München folgenden Brief
an (Zeitung) Berliner Tageblatt , Theodor Wolff

An die RedaktionChefredakteur des „Berliner Tageblatt“ war Theodor Wolff, zur fraglichen Zeit (vom 1.7.1909 bis Mitte August 1909) verantwortlich für das Feuilleton Hans Fischer (Pseudonym: Kurt Aram). des
Berliner Tageblatt


Sehr geehrterrecte: geehrter (die Streichung des „r“ bezog sich auf die dann gestrichene „Redaktion“). Herrzunächst gestrichen, durch Unterpunktung wiederhergestellt. – Wedekind schwankte, ob er den Redakteur oder Chefredakteur (siehe oben) oder aber die Redaktion ansprechen sollte, wobei für ihn die Zeitung wesentlich war (in diesem Fall das „Berliner Tageblatt“, die auflagenstärkste überregionale Tageszeitung), wie er zwei Seiten vor dem vorliegenden Briefentwurf im Aphorismus „Kritik“ notierte [Nb 58, Blatt 34r]: „Bei der Tageskritik kommt es niemals darauf an, wer sie schreibt; es kommt lediglich darauf an, wer sie druckt. Die große Masse des Publicums, auf die die Kritik ihre Wirkung ausübt, fragt niemals nach dem Kritiker, sondern immer nur nach der Zeitung.“ [KSA 5/II, S. 325] Redaktion

Während meines mehrwöchigen Gastspielsder erste Wedekind-Zyklus am Münchner Schauspielhaus (Direktion: Georg Stollberg) vom 1. bis 30.7.1909., das vor kurzem am Münchner Schauspielhausumgestellt, zuvor: Gastspiels am Münchner Schauspielhaus. stattfand, erwiesen Sie mir die große Wohlthatirrtümlich unvollständige Streichung aufgrund von Zeilenumbruch nach Silbentrennung („Wohl-that“). Auszeichnung mich in ihrem Blattirrtümlich nicht gestrichen (oder als alternative Formulierung stehengelassen). im BT meiner Wirksamkeitumgestellt, zuvor: meiner Wirksamkeit in ihrem Blatt. Thätigkeit in keiner Weise ErwähnungWedekind hat übersehen, dass der Münchner Korrespondent des „Berliner Tageblatt“ den Wedekind-Zyklus (siehe oben) in seiner Kurzrezension der Uraufführung des Einakters „Die Zensur“ am 27.7.1909 im Münchner Schauspielhaus erwähnte: „Während seines vierwöchigen Gastspiels hat Frank Wedekind als Autor, Regisseur und Darsteller (der Schauspieler Wedekind ist reifer und reicher geworden) anscheinend das Münchner Publikum zu der neuen Technik des Hinhörens erzogen. Diese Sommergemeinde horchte mit gespannten Nerven und bereitete in tiefer Ergriffenheit der Uraufführung des Einakters einen unbestrittenen Erfolg“ [„Die Zensur“. In: Berliner Tageblatt, Jg. 38, Nr. 380, 29.7.1909, Abend-Ausgabe, S. (3)]. zu thun. Ich kann mir die Genugthuung nicht versagen Ihnen für diese Wohltat Auszeichnung öffentlich meinen aufrichtigen tiefempfundenen Dank auszusprechen. Gleichzeitig gebe ich mich der innigen Hoffnung hin daß Sie sich auch für alle Zukunft die Mühe ersparen möchtenirrtümlich nicht gestrichen (oder als alternative Formulierung stehengelassen). werden, meine Bücher, Theateraufführungen oder Vorträge in ihrem Blattirrtümlich nicht gestrichen (oder als alternative Formulierung stehengelassen). im BT zu besprechen. Ich würdeirrtümlich nicht gestrichen (oder als alternative Formulierung stehengelassen). werde es als ein uneingeschränktes Glück betrachtenirrtümlich nicht gestrichen (oder als alternative Formulierung stehengelassen). empfinden wenn mein Name zu meinen Lebzeiten (und), wenn möglich auch darüber hinaus (mein Name) in Ihrem Blatteirrtümlich nicht gestrichen (oder als alternative Formulierung stehengelassen). im BT nicht mehr gedruckt zu lesen sein würde wäre ist

Ich wäre Ihnen zu größtem Dank verpflichtet

Hochachtungsvoll ergeben
FrW |


Verhalten nachschlagen

öffentlich

Gleichzeitig richte ich die Bitte an Sie, auch in Zukunft meine Bücher, Theateraufführungen und Vorträge im Berliner Tageblatt nicht mehr besprechen zu wollen.

Gleichzeitig gebe ich mich der traurigen Hoffnung hin, daß das B.T. seinem Verhalten mir gegenüber mir auch für alle Zukunft treu bleiben wird.

Ich möchte es als ein uneingeschränktes Glück empfinden wenn mein Name zu meinen Lebzeiten, wenn möglich auch darüber hinaus im B.T. nicht mehr gedruckt zu lesen wäre.

Frank Wedekind schrieb am 14. Januar 1910 in München folgenden Brief
an (Zeitung) Berliner Tageblatt , Theodor Wolff

An die RedaktionChefredakteur des „Berliner Tageblatt“ war Theodor Wolff, verantwortlicher Redakteur für das Feuilleton war Hans Fischer (Kurt Aram). Wedekind notierte am 14.1.1910: „Ich konzipiere einen Brief an das BT Umfrage betreffend.“ [Tb] Der am 16.1.1910 abgesandte Brief (ihm liegt ein anderer Entwurf zugrunde) hat einen von diesem Konzept deutlich abweichenden Wortlaut [vgl. Wedekind an Berliner Tageblatt, 16.1.1910]. des Berliner Tageblattes
Berlin


Sehr geehrter Herr

Wollen Sie mir freundlichst gestatten, Ihnen eine Bitte vorzutragen:

Seit Jahren bemühe ich mich, diejenigen meiner dramatischen Arbeiten, die von Seiten der Schauspieler gar keine oder nur die allergeringsteoberflächlichste Beachtung finden

Seit dem Jahre 1898seit der Uraufführung des „Erdgeist“ durch Carl Heines Ibsen-Theater am 25.2.1898 im Kristallpalast in Leipzig, in der Wedekind die Rolle des Dr. Schön spielte [vgl. KSA 3/II, S. 1215-1218]. trete ich in denjenigen meiner dramatischen Arbeiten, die von Seiten der Schauspieler gar keine oder nur die alleroberflächlichste Beachtung fanden, als Darsteller auf, um dadurch das Publikum von der/ie/ Darstellungsmöglichkeit und Bühnenwirksamkeit dieser Arbeiten zu überzeugen zu beerweisen und den Vorwurf der Unbeholfenheit und Geschmacklosigkeit zu entkräften, der immer | und immer wieder gegen meine schriftstellerische Produktion erhoben wird. Obschon ich mich hierbei nun in einer augenfälligen Zwangslage befinde und einzig und allein unter dem Antrieb meiner literarischen Bestrebungen Ziele handle muß ich mir seit Jahren bei jedem auch dem erfolgreichsten öffentlichen Auftreten und regelmäßig immer wieder den Vorwurf des eitler selbstgefälliger Aufdringlichkeit und des blutigsten unmöglichsten Dilettantismus machen lassen. Ich sage mir nun daß der einzige der über diese Fragen ein richtig begründetes Urtheil hat wol der Schauspieler selbst ist./,/ da er allein außer der Qualität des Gebotenen auch die Schwierigkeit der Aufgabe kennt. Aus diesem Grunde wäre ich Ihnen zu großem und aufrichtigem Dank verpflichtet, wenn Sie an diejenigen deutschen Schauspieler, die Ihrem/r/ geschätzten Urtheil Ansicht nach am höchsten in ihrem Beruf stehen, die FrageDie dann folgende Frage „Wie denken Sie über Frank Wedekind als Schauspieler?“ hat Wedekind so formuliert in den abgesandten Brief aufgenommen [vgl. Wedekind an Berliner Tageblatt, 16.1.1910] und in dieser Formulierung als Vorschlag für eine Umfrage unter Schauspielern dann auch dem „Berliner Lokal-Anzeiger“ unterbreitet [vgl. Wedekind an Alfred Holzbock, 21.1.1910]. Weder im „Berliner Tageblatt“ noch im „Berliner Lokal-Anzeiger“ ist eine solche Umfrage „Wie denken Sie über Frank Wedekind als Schauspieler?“ bisher nachgewiesen. richten wollten: |

Was halten Sie von

Wie denken Sie über Frank Wedekind als Schauspieler?

Wenn Sie meinem künstlerischen, in erster Linie letzten Grunde durchaus stets nur literarischen schriftstellerischen Bestrebungen diese wie ich mir wohl bewußt bin außerordentliche Förderung zutheil werden lassen wollten, dann würde möchte ich es durchauszuerst gestrichen, durch Unterpunktung wiederhergestellt. aus in Ihrem Gutdünken Fürgutfinden anheimstellen, ob Sie das aus die Stellung der Frage eventuel durch Mittheilung dieser (an Sie gerichteten) Zeilen zu motivieren. Aus der unzähligen Menge von Beweisen für das oben Gesagte lege ich hier nur ein einziges durchaus charakteristisches BeispielWedekind legte dem dann abgesandten Brief einen nicht ermittelten Zeitungsausschnitt bei, eine ihn als Schauspieler beurteilende „Besprechung“ oder „Notiz“ [Wedekind an Berliner Tageblatt, 16.1.1910]. Da Wedekind in seinen Stücken als Schauspieler agierte, hat die Theaterkritik das entsprechend thematisiert und oft bekrittelt, was wiederum Wedekind dazu veranlasste, die Umfrage „Wie denken Sie über Frank Wedekind als Schauspieler?“ vorzuschlagen und damit publizistisch auf die Urteile der Theaterkritik zu reagieren. Im „Berliner Tageblatt“ hatte zuletzt dessen Wiener Korrespondent Stefan Großmann in einer Besprechung von Wedekinds Gastspiel am Lustspieltheater in Wien (15. bis 19.12.1909) Wedekind als Schauspieler kommentiert: „Wedekind interessierte in Wien, weil er auch Schauspieler ist. Eine Stadt, in der sich die künstlerischen Interessen nie um ein Werk, stets nur um einen Darsteller drehen, ist der richtige Boden für einen Dichter, der auch als Schriftsteller stets ein vermummter Herr ist. Um hier populär zu werden, müßte Wedekind freilich unabhängiger von seinem Text, ein bißchen mehr Stegreifdichter werden.“ [St. Gr.: Wiener Theater. (Von unserem Korrespondenten.) In: Berliner Tageblatt, Jg. 38, Nr. 657, 28.12.1909, Morgen-Ausgabe, S. (2)] bei.

Indem ich Sie bitte ersuche den Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochschätzung entgegenzunehmen
ergebenst
FrW.

Frank Wedekind schrieb am 16. Januar 1910 in München folgenden Brief
an (Zeitung) Berliner Tageblatt , Theodor Wolff

[1. Briefentwurf:]


Bei der Lektüre der hier beigelegten Besprechungim abgesandten Brief als „Notiz“ bezeichnet (siehe unten). drängte sich mir der Gedanke auf – würde eine Redaktion einer Zeitung nicht vielleicht einmal aber ausschließlich an SchauspielerWedekind entwarf im Notizbuch [Nb 18, Blatt 87v, 87r, 86v] etwa gleichzeitig mit dem vorliegenden Briefentwurf einen thematisch entsprechenden Brief vom 15.1.1910 an Schauspieler und zwar an Gustav Maran, Paul Wiecke, Arthur Bauer, Mathieu Lützenkirchen, Arthur Kraußneck, Josef Klein, Paul Wegener, Hermann Nissen, Max Marx, Oscar Sauer, Josef Kainz, Reinhold Gollbach (alle im Notizbuch [Nb 18, Blatt 81r, 81v] als Adressaten notiert)., nicht an Schriftsteller die Frage richten.

[Absatz mit Tinte komplett gestrichen:] Ich bemerke au erlaube mir ausdrücklich zu bemerken, daß das Berliner T. die erste ich Ihnen diesen Einfall zuerst mittheileWedekind hat seinen Einfall für eine Umfrage „Wie denken Sie über Frank Wedekind als Schauspieler?“ (siehe unten) einige Tage später auch dem „Berliner Lokal-Anzeiger“ mitgeteilt [vgl. Wedekind an Alfred Holzbock, 21.1.1910]. Weder im „Berliner Tageblatt“ noch im „Berliner Lokal-Anzeiger“ ist eine solche Umfrage bisher nachgewiesen. Ob er sie noch weiteren Zeitungen vorschlug, ist nicht bekannt..


[2. Abgesandter Brief:]


An die tit. Redaktion des
Berliner Tageblattes“.


Sehr geehrter HerrChefredakteur des „Berliner Tageblatt“ war Theodor Wolff, verantwortlicher Redakteur für das Feuilleton war Hans Fischer (Kurt Aram).!

Bei der Lektüre der hier beigelegten Notiznicht überliefert. Es dürfte sich um einen Zeitungsausschnitt mit einer Wedekind als Schauspieler beurteilenden Kurzbesprechung gehandelt haben (nicht ermittelt). Da Wedekind in seinen Stücken als Schauspieler agierte, hat die Theaterkritik das entsprechend thematisiert und oft bekrittelt, was wiederum Wedekind dazu veranlasste, die Umfrage „Wie denken Sie über Frank Wedekind als Schauspieler?“ vorzuschlagen und damit publizistisch auf die Urteile der Theaterkritik zu reagieren. Im „Berliner Tageblatt“ hatte zuletzt dessen Wiener Korrespondent Stefan Großmann in einer Besprechung von Wedekinds Gastspiel am Lustspieltheater in Wien (15. bis 19.12.1909) Wedekind als Schauspieler kommentiert: „Wedekind interessierte in Wien, weil er auch Schauspieler ist. Eine Stadt, in der sich die künstlerischen Interessen nie um ein Werk, stets nur um einen Darsteller drehen, ist der richtige Boden für einen Dichter, der auch als Schriftsteller stets ein vermummter Herr ist. Um hier populär zu werden, müßte Wedekind freilich unabhängiger von seinem Text, ein bißchen mehr Stegreifdichter werden.“ [St. Gr.: Wiener Theater. (Von unserem Korrespondenten.) In: Berliner Tageblatt, Jg. 38, Nr. 657, 28.12.1909, Morgen-Ausgabe, S. (2)] drängte sich mir der Gedanke auf: Würde die Redaktion einer Zeitung nicht vielleicht einmal, aber ausschließlich an Schauspieler, die FrageDie dann folgende Frage „Wie denken Sie über Frank Wedekind als Schauspieler?“ hat Wedekind bereits im ersten Briefentwurf so formuliert [vgl. Wedekind an Berliner Tageblatt, 14.1.1910] und sie einige Tage später als Umfrage auch dem „Berliner Lokal-Anzeiger“ vorgeschlagen (siehe oben). richten: Wie denken Sie über Frank Wedekind als Schauspieler?

Die Frage an Theaterleiter zu | richten, schiene mir im Interesse einer sachlichen Erhebung nicht richtig, da die eine oder andere Aussage vielleicht unwillkürlich zu meinen Gunsten gefärbt sein könnte.

Sollten Sie sich zur Stellung der Frage nicht entschließen können, dann dürfte ich Sie wol höflichst ersuchen, mir die Notiz in beigelegtem Kuvert zurückschicken zu wollen.

Mit der Bitte den Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochschätzung entgegen zu nehmen
ergebenst
Frank Wedekind.


München 16.1.10Wedekind notierte am 16.1.1910: „Brief an Berliner Tageblatt. Wie denken Sie über FW als Schauspieler“ [Tb]..

Frank Wedekind schrieb am 12. Dezember 1910 in Kassel folgenden Brief
an (Zeitung) Berliner Tageblatt

Sehr verehrliche RedaktionChefredakteur des „Berliner Tageblatt“ war Theodor Wolff, verantwortlich für das Feuilleton war Hans Fischer (Kurt Aram).

In Ihrer Betrachtungdie Besprechung Paul Schlenthers (Theaterkritiker des „Berliner Tageblatt“) von Max Reinhardts „Othello“- Inszenierung am Deutschen Theater in Berlin (siehe unten) [vgl. Paul Schlenther: „Othello“ im Deutschen Theater. In: Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 629, 12.12.1910, Montags-Ausgabe, S. (1-2)], aus der Wedekind zitiert (siehe unten). der Othello Vorstellungdie Premiere der Inszenierung von William Shakespeares Tragödie „Othello“ unter der Regie von Max Reinhardt am 10.12.1910 am Deutschen Theater (Direktion: Max Reinhardt) in Berlin (Bühnenbild und Kostüme: Ernst Stern). Es folgten 33 Vorstellungen, die letzte am 6.6.1911. im Deutschen Theater lese ich den Vorschlag, einmal das Forum Mark AntonsZitat aus Paul Schlenthers Besprechung der Berliner „Othello“-Premiere (siehe oben), in der es heißt: „Man sollte mit der Betonung des Lokalkolorits bei Shakespeare enthaltsam sein […]: erst jüngst erwog ich mit einem hervorragenden Archäologen, der das Unhistorische an Shakespeares ‚Julius Cäsar‘ berührte, die Möglichkeit, daß ein so wagelustiger Mann, wie der Direktor des Deutschen Theaters, einmal das Forum Mark Antons nach London lege und die falschen Römer der Republik zu echten Engländern der Shakespearezeit mache: der Archäologe war beinahe dafür.“ [Paul Schlenther: „Othello“ im Deutschen Theater. In: Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 629, 12.12.1910, Montags-Ausgabe, S. (1)] nach London zu verlegen und die falschen Römer der Republik zu echten Engländern der Schäkspearzeit zu machen.

Voraussetzung dazu wäre wohl | daß die echten Engländer der Schäkspearzeit in den Renaissancekostümen auftreten müßten wie sie uns Rubens überliefert hat.

Für das Theater hätte das den Vortheil, daß man die beiden Aufführungen auf einandertreffen lassen könnte. Heute Römisches | Kostüm auf dem Forum Mark Antons Morgen Renaissance Kostüm vor der St. Paulskirche in London Sollte diese Combination ihre Wirkung eingebüßt haben, dann böte sich sofort die andere dar: heute Renaissancekostüm auf dem Forum Mark Antons und morgen | römisches Kostüm vor der St. Paulskirche in London. Ich glaube daß sich bei dieser Einrichtung solcher Abwechselung die Darsteller der HauptrollenDie Hauptrollen in der Berliner „Othello“-Premiere (siehe oben) spielten Albert Bassermann (Othello), Else Heims (Desdemona), Paul Wegener (Jago), Jakob Tiedtke (Cassio), Paul Biensfeldt (Roderigo). nicht mehr der rigorosen BeurtheilungPaul Schlenther zufolge gab Albert Bassermann bei der Berliner „Othello“-Premiere (siehe oben) in der Titelrolle „statt des Mauren einen etwas pudelhaften Neger: da er ihn mit dem kurz wiehernden Negergurgellaut viel lachen ließ, […] so blieb mein Grundeindruck lange der: Black bleckt die Zähne. Da weder der große Kriegsmann, noch der leidenschaftlich Liebende recht zum Ausdruck kommen wollte, so war mein Endeindruck: der arme Nigger tut mir leid!“ Verfehlt habe er die „Menschengröße des Othello, dessen Natur ihm fehlt.“ Else Heims als Desdemona sei „ein nettes Desdemönchen“ und über Paul Wegeners Darstellung des Jago heißt es: „es fehlt ihm ein unentbehrliches Stück dieser Natur: der Humor“, über Jakob Tiedtke (namentlich nicht genannt) als Cassio: „Ganz schwach […] war der Darsteller der herrlichen Rolle des jungen Leutnants Cassio“, schließlich über Jakob Tiedtke als Roderigo: „Der blöde, weibische Rodrigo des Herrn Biensfeld […] hat mich nicht gestört, weil er komisch war; aber an dieses starre, tote Gesicht würde Jago kaum so viel Worte verschwendet haben, die der Tropf gar nicht zu hören scheint.“ [Paul Schlenther: „Othello“ im Deutschen Theater. In: Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 629, 12.12.1910, Montags-Ausgabe, S. (1-2)] aussetzen werden mit der Sie diese gänzlich schuldlos, im Grund genommen durchaus gutwilligen Künstler in Ihrer Besprechung (zur Verantwortung ziehen) ans Messer liefern

Frank Wedekind schrieb am 14. Juni 1911 in München folgenden Brief
an (Zeitung) Berliner Tageblatt , Theodor Wolff

An die tit. Redaktion des „Berliner Tageblattes
Berlin.


Sehr geehrter HerrChefredakteur des „Berliner Tageblatt“ war Theodor Wolff (auf der Titelseite der Zeitung angegeben), den Wedekind hier angesprochen haben dürfte. Der für das Feuilleton verantwortliche Redakteur war für den Zeitraum, in dem die Ausgaben des „Berliner Tageblatt“ vom 8. und 13.6.1911 erschienen sind, auf die Wedekind sich im vorliegenden Brief beruft, Victor Auburtin (er vertrat vom 6.6.1911 bis 6.7.1911 den eigentlichen Feuilletonredakteur Artur Fürst), für die Ausgabe vom 7.10.1910, auf die sich Wedekind ebenfalls bezieht, Hans Fischer (Kurt Aram).!

Ihre überaus wohlwollende und freundliche Notiz, die Sie dem Aufruf meiner Freunde Den in Berlin zuerst vom „Berliner Tageblatt“ veröffentlichten Aufruf [vgl. Eine Aktion für Wedekind. In: Berliner Tageblatt, Jg. 40, Nr. 287, 8.6.1911, Abend-Ausgabe, S. (3)] hat Wedekind selbst verfasst [vgl. KSA 5/II, S. 410f.], einer Notiz zufolge am 10.6.1911: „Schreibe Aufruf.“ [Tb] Er richtet sich gegen die Zensur. Der Georg Müller Verlag unternahm es, die Unterzeichnungen und den Versand an die Presse zu organisieren [vgl. KSA 5/III, S. 316f.]. Das „Berliner Tageblatt“ nannte als Unterzeichner Hermann Bahr, Friedrich Basil, Michael Georg Conrad, Lovis Corinth, Oskar Fried, Ludwig Ganghofer, Carl Hagemann, Max Halbe, Karl Henckell, Georg Hirth, Leopold Jeßner, Alfred Kerr, Max Liebermann, Heinrich Mann, Thomas Mann, Adolf Paul, Hans Pfitzner, Max Reinhardt, Arthur Schnitzler, Max Slevogt, Richard Strauss und Felix Weingartner. In den „Münchner Neuesten Nachrichten“ sind darüber hinaus noch Artur Kutscher, Gustav Meyrink, Wilhelm Rosenthal und Georg Stollberg genannt. Unterschrieben hat auch Herbert Eulenberg.folgen liessen, schließt mit den Worten:Das folgende Zitat stammt aus der Notiz (ohne Verfasserangabe), in der es heißt es: „Zu dem Aufruf für Frank Wedekind, den wir vor einigen Tagen veröffentlicht haben, werden wir gebeten, […] mitzuteilen, daß es sich um eine rein ideelle Sache handele und keineswegs um irgendeine materielle Unterstützung des Dichters. […] ‚Vielmehr‘ ‒ so heißt es in der uns zugehenden Mitteilung, ‚handelt es sich nur darum, einmal die Namen derjenigen zu erfahren, die sich dem Schaffen Wedekinds befreundet fühlen […].‘ Wir geben diese Information wieder und möchten hinzufügen, daß uns ein Kampf für die polizeiliche Freigabe der jetzt verbotenen Wedekindschen Werke, oder wenigstens der meisten von ihnen, ziemlich aussichtslos erscheint. Vielleicht aber können die Freunde des Dichters ihm selbst und seiner Sache dienen, indem sie geschlossenen literarischen Vereinen ihre Unterstützung bei der Wiedergabe seiner Werke leihen. Denn darin stimmen wir ganz mit dem neulich veröffentlichten Aufruf überein, daß ein Dichter wie Wedekind nicht dauernd totgeschwiegen werden darf.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 40, Nr. 296, 13.6.1911, Abend-Ausgabe, S. (3)] „... daß ein Dichter wie W. nicht dauernd totgeschwiegen werden darf.“ Erlauben Sie mir, Ihnen für diese WortenSchreibversehen, statt: Worte. sowie dafür, daß das „Berliner Tageblatt“ meines Wissens unter allen Berliner Blättern das einzige war, das den Aufruf unverkürzt und ohne | einschränkende Bemerkung abdruckte, meinen aufrichtigen herzlichen Dank auszusprechen.

Ihrer Ansicht von dem „Nicht totschweigen dürfen“ gaben Sie ja auch schon in Ihrer eingehenden, ausführlichen Würdigung meines EinaktersDie recht kritische Besprechung der Premiere von „Die Zensur“ (zusammen mit „Der Liebestrank“) am 6.10.1910 im Kleinen Theater in Berlin (Regie: Victor Barnowsky), ein Gastspiel Wedekinds, stammt von Paul Schlenther [vgl. P.S.: Kleines Theater. Zum ersten Male: „Die Zensur.“ Theodizee in einem Akt. Hierauf: „Der Liebestrank.“ Schwank in drei Akten. Beides von Frank Wedekind. In: Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 509, 7.10.1910, Morgen-Ausgabe, S. (2)]. Die recht kritische Besprechung der Premiere von „Die Zensur“ (zusammen mit „Der Liebestrank“) am 6.10.1910 im Kleinen Theater in Berlin (Regie: Victor Barnowsky), ein Gastspiel Wedekinds, stammt von Paul Schlenther [vgl. P.S.: Kleines Theater. Zum ersten Male: „Die Zensur.“ Theodizee in einem Akt. Hierauf: „Der Liebestrank.“ Schwank in drei Akten. Beides von Frank Wedekind. In: Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 509, 7.10.1910, Morgen-Ausgabe, S. (2)].Die Zensur“, der im Herbst im Kleinen Theater zur Aufführung gelangte, den lebhaftesten Ausdruck. Es war eine Auszeichnung, die Sie meinem Einakter „Die Zensur“ vor sämmtlichen diesen Winter in Berlin | zur Aufführung gelangten Dramen zuteil werden ließen, daß sie ihn in Ihrem geschätzten Blatt einer so eingehenden und ausführlichen Besprechung würdigten. Also nochmals herzlichen Dank.

Darf ich Sie ersuchen, die Versicherung allervorzüglichster Hochschätzung entgegenzunehmen von
Ihrem ergebenen
Frank Wedekind.


München 14.6.11.


Die Zeilen erwarten weder eine private noch eine öffentliche Beantwortung.

Frank Wedekind schrieb am 20. September 1911 in München folgenden Brief
an (Zeitung) Berliner Tageblatt

Sehr verehrliche Redaktion! Darf ich Sie höflichst ersuchen, Ihrem geschätzten Leserkreise drei Fragen vorzulegen. Vor mehreren Monaten wurde die Aufführung meiner Komödie „Oaha“ ohne Angabe eines Grundes rundweg verbotenDie Münchner Zensurbehörde hat eine Aufführung von „Oaha“ am 24.5.1911 erneut verboten [vgl. KSA 5/III, S. 286; KSA 8, S. 608, 620f.].. Herr Polizeipräsident von der Heydte gab mir darauf freundlichst GelegenheitWedekinds Gespräch mit dem Polizeipräsidenten Julius von der Heydte in Gegenwart von Georg Stollberg, dem Direktor des Münchner Schauspielhauses, fand am 2.6.1911 im Münchner Polizeipräsidium statt [vgl. KSA 5/III, S. 286; KSA 8, S. 608]. Wedekind notierte an diesem Tag: „Audienz mit Stollberg beim Polizeipräsidenten“ [Tb]., mich nach den Gründen zu erkundigen und entgegnete mir auf meine Frage in Gegenwart des Herrn Direktors Stollberg: „Sie haben die öffentliche Meinung gegen sich. – Solange das der Fall ist, gebe ich Ihr Stück nicht frei.“

Vor einigen Wochen nun reichte ich dem königlichen Hoftheater auf AnregungWedekind sah Fritz Basil und Albert Steinrück am 3.8.1911 in der Torggelstube – „T.St. Basil Steinrück“ [Tb] – in geselliger Runde, wo die beiden Münchner Hofschauspieler angeregt haben dürften, den „Kammersänger“ dem Münchner Hoftheater anzubieten – er wurde zu Lebzeiten Wedekinds dort nicht aufgeführt [vgl. KSA 5/III, S. 286]. der Herren Basil und Steinrück meinen „Kammersänger“ ein. Der königliche Hoftheaterintendant, Seine Exzellenz Freiherr v. Speidel, sagte mirWedekind suchte Albert von Speidel, Generalintendant des Königlichen Hof- und Nationaltheaters, Residenztheaters und Prinzregententheaters in München [vgl. Neuer Theater-Almanach 1912, S. 550], am 20.9.1911 auf und schrieb abends im Hoftheaterrestaurant den vorliegenden offenen Brief: „Besuch bei Speidel. [...] HTR. Zeitungsnotiz geschrieben.“ [Tb] Bei diesem Besuch dürfte die dann zitierte Äußerung gefallen sein [vgl. KSA 5/III, S. 286]. darauf, mit der ritterlichen Liebeswürdigkeit, die ich so sehr an Seiner Exzellenz schätze: „Lassen Sie mir Zeit. Es ist nicht so leicht. Sie wissen, Sie haben eine Partei gegen sich.“

Ich bin nun aufrichtig und tief davon überzeugt, daß für die königliche Hoftheaterintendanz bei der Annahme und Ablehnung von Stücken gar keine anderen Gesichtspunkte als die rein künstlerischen maßgebend sind, ebenso wie ich auch sicher bin, daß für die königliche Polizeidirektion bei ihren Maßnahmen absolut keine anderen Interessen als die der öffentlichen Wohlfahrt in Berücksichtigung kommen. Auf Grund dieser Ueberzeugung aber fühle ich mich berechtigt, an die breiteste Oeffentlichkeit drei Fragen zu richten:

1. Was hat die öffentliche Meinung gegen mich?

2. Welche Partei hat etwas gegen mich und wo ist diese Partei zu finden?

3. Kommt es in der Kunststadt München in künstlerischen Fragen wirklich nicht darauf an, was jemand kann, sondern darauf, was er gegen sich hat?

Frank Wedekind.

Frank Wedekind und Otto Borngräber schrieben am 1. Dezember 1911 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an (Zeitung) Berliner Tageblatt

[Hinweis in: Berliner Tageblatt, Jg. 40, Nr. 614, 2.12.1911, Abend-Ausgabe, S. (3):]


Protest gegen die Zensur!Der gemeinsam von Wedekind und Otto Borngräber unterzeichnete Aufruf „Protest gegen die Zensur!“ [KSA 5/II, S. 424-425] im „Berliner Tageblatt“ fand in der Presse große Beachtung [vgl. KSA 5/III, S. 683-685] und wurde in zahlreichen Zeitungen nachgedruckt – etwa in den „Münchner Neuesten Nachrichten“, die den Aufruf mit den Worten einleiteten: „Frank Wedekind und Otto Borngräber lassen durch eine Berliner Korrespondenz folgenden Protest den Zeitungen zugehen“ [Ein Protest gegen die Zensur. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 567, 5.12.1911, Vorabendblatt, S. 2], oder in den „Dresdner Neuesten Nachrichten“, die sich direkt auf die Quelle bezogen, auf das „B.T.“ [Ein Aufruf Frank Wedekinds und Otto Borngräbers gegen die Zensur. In: Dresdner Neuesten Nachrichten, Nr. 330, 3.12.1911, 2. Ausgabe, S. 2]. Er richtete sich gegen das Verbot der öffentlichen Aufführung von Wedekinds „Totentanz“ [vgl. KSA 6, S. 667-670] und gegen das Verbot von Otto Borngräbers Stück „Die ersten Menschen. Erotisches Mysterium in zwei Aufzügen“ (1908), das schließlich am 30.6.1912 von der Münchner Zensur freigeben wurde [vgl. KSA 5/III, S. 684] und Wedekind am 2.7.1912 die zweite Vorstellung am Münchner Schauspielhaus (Premiere war am 1.7.1912) besuchte: „Die ersten Menschen von Borngräber“ [Tb]. Von Frank Wedekind und Otto Borngräber erhalten wir den folgenden Aufruf:

Wir protestieren anläßlich der behördlichen Unterdrückung der „Ersten Menschen“ an sämtlichen Bühnen Bayerns und von „Totentanz“ („Tod und Teufel“) an verschiedenen Bühnen Deutschlands gegen die Unterbindung unseres Wirkungskreises, unserer geistig-künstlerischen Individualität, unserer inneren und äußeren Entwickelung. Wir protestieren gegen die polizeiliche Bevormundung des gebildeten Publikums, unseres Volkes, das allein das Recht hat, seine Dichter zu beurteilen oder zu verurteilen.

Wir haben kein Duumvirat geschlossen, um mit vereinten Kräften die Volksseele planmäßig zu vergiften; denn wir kämpfen ja als zwei fast entgegengesetzte Individualitäten für ganz verschiedenartige kulturelle, religiöse, künstlerische Ziele. Aber wir sind eins in der Verteidigung unserer Freiheit, der Freiheit der Dichter und Denker und der geistigen Freiheit unseres Volkes. Wir kämpfen nicht nur für uns beide, sondern für alle, die mit uns und nach uns leiden. Wir fordern die Denkenden und die Mitfühlenden aller Stände hiermit auf, sich uns anzuschließen zum Protest gegen die Uebergriffe der Zensur.

Otto BorngräberDr. phil. Otto Borngräber, Schriftsteller in Dresden (Tolkewitzer Straße 17) [vgl. Adreßbuch für Dresden 1912, Teil I, S. 84], könnte sich am 1.12.1911 (das mutmaßliche Schreibdatum des nicht überlieferten Begleitschreibens) bereits in München aufgehalten haben, wo er am 13.12.1911 sein Stück „Die ersten Menschen“ (siehe oben) las; die Presse meldete: „Otto Borngräber liest, wie bereits angekündigt, Mittwoch, 13. Dezember im Bayerischen Hof sein Drama ‚Die ersten Menschen‘, ein erotisches Mysterium, vor. Die Vorlesung soll den literarischen Kreisen Münchens Gelegenheit geben, über die innere Berechtigung des polizeilichen Aufführungsverbotes für Bayern selbst ein Urteil zu fällen.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 576, 9.12.1911, Morgenblatt, S. 2]. Frank Wedekind.

Frank Wedekind schrieb am 9. Januar 1912 in München
an (Zeitung) Berliner Tageblatt

[Hinweis und Zitat in: Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 20, 12.1.1912, Morgen-Ausgabe, S. (2):]


Frank Wedekind schreibt uns zu der MitteilungSie lautet: „Ein Telegramm unseres Wiener Korrespondenten meldet uns, daß die dortige Zensur Wedekinds Dichtung ‚Tod und Teufel‘ verboten hat. Es handelt sich im Stück darum, daß die Präsidentin der Liga zur Bekämpfung des Mädchenhandels den Verführungskünsten eines Mädchenhändlers unterliegt.“ [Wedekinds „Tod und Teufel“ in Wien verboten. In: Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 15, 9.1.1912, Abend-Ausgabe, S. (2)] Wedekind stellte diese ihm verfehlt erscheinende Kurzinterpretation seines Stücks in seinem nicht überlieferten Brief an das „Berliner Tageblatt“ richtig – auch, um das Aufführungsverbot als ungerechtfertigt kenntlich zu machen. unseres Wiener Korrespondenten über das VerbotDie Wiener Zensurbehörde untersagte am 9.1.1912 eine „Tod und Teufel“- Aufführung „durch das Josefstädter Lustspieltheater.“ [KSA 6, S. 668] seines Stückes „Tod und Teufel“ in Wien:

In meinem in Wien verbotenen Einakter „Tod und Teufel“ handelt es sich nicht darum, daß die Präsidentin der Liga zur Bekämpfung des Mädchenhandels den Verführungskünsten eines Mädchenhändlers erliegt, sondern im Gegenteil darum, daß sich ein Mädchenhändler auf offener Szene erschießt, weil er die Scheußlichkeit seines Treibens eingesehen hat. Deshalb ist das Verbot doch wohl ungerechtfertigt.

Frank Wedekind schrieb am 11. März 1912 in München folgenden Brief
an (Zeitung) Berliner Tageblatt , Theodor Wolff

Ew. HochwohlgeborenChefredakteur des „Berliner Tageblatt“ war Theodor Wolff, verantwortlich für das Feuilleton war seinerzeit Paul Block, den Wedekind anderer Korrespondenz zufolge aber nicht so angesprochen haben dürfte.,

darf ich Ew. Hochwohlgeboren ergebenst ersuchen, beigelegte Zeilendas Manuskript des Essays „Torquemada“ [KSA 5/II, S. 449f.], verfasst am 10.3.1912: „Schreibe Abends Torquemada“ [Tb]. in Ihrem geschätzten Blatte unverkürzt zum Abdruck zu bringenWedekinds Essay „Torquemada“ wurde mit folgender Vorbemerkung gedruckt: „Frank Wedekind sendet uns diesen Aufsatz, in dem er noch einmal erbittert (und wohl auch verbittert!) gegen die Feindin Zensur protestiert. Wir teilen im Einzelnen nicht alle Ansichten des Dichters, halten auch manches, was er sagt, für allzu scharf formuliert. Dennoch bringen wir Wedekinds Protest; denn es erscheint uns als Pflicht, den Kampf dieses Mannes zu unterstützen, dessen Künstlerkraft auch seine Feinde nicht leugnen können. Die Redaktion.“ [Frank Wedekind: Torquemada. Zur Psychologie der Zensur. In: Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 141, 17.3.1912, Morgen-Ausgabe, 1. Beiblatt, S. (1-2), hier S. (1)].

Ew. Hochwohlgeboren
ergebenster
Frank Wedekind

Frank Wedekind schrieb am 8. Juni 1912 in Berlin folgenden Brief
an (Zeitung) Berliner Tageblatt

B Tgbl.

Wer mich öffentlichSo gut wie gleichlautend bildet der erste Satz dieses Briefentwurfs auch den Auftakt eines anderen Briefentwurfs [vgl. Wedekind an Theodor Wolff, 8.6.1912], der überhaupt inhaltliche Überstimmungen mit dem vorliegenden Briefentwurf aufweist und unmittelbar anschließend entworfen worden sein dürfte. einen Kerl nennt, sei es auch einen guten KerlZitat; Fritz Engel, Theaterkritiker des „Berliner Tageblatt“ [vgl. Kürschners Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1912, Teil II, Sp. 376], hatte – im Rückgriff auf sein 1908 gefälltes Urteil über „Musik“ [vgl. F.E.: Wedekinds „Musik“. In: Berliner Tageblatt, Jg. 37, Nr. 558, 1.11.1908, Sonntags-Ausgabe, S. (2)], über das Wedekind sich seinerzeit maßlos geärgert hat (siehe seine Korrespondenz mit dem „Berliner Tageblatt“ Ende 1908 bis Anfang 1909) – in seiner Kritik an der aktuellen Inszenierung des Stücks seine damalige Einschätzung bestätigt und abschließend erklärt, Wedekind hätte nicht die Rolle des Josef Reißner spielen sollen, sondern eine andere: „Er müßte den Lindekuh geben, den schlechten und doch so guten Kerl, einen Überwedekind, in vielen Zügen ein Selbstporträt und darum die wertvollste Gestalt des Stückes.“ [F.E.: Wedekinds „Musik“. Gastspiel im Deutschen Theater. In: Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 287, 8.6.1912, Morgen-Ausgabe, S. (2)] „Musik“ hatte im Rahmen des Wedekind-Zyklus am Deutschen Theater in Berlin vom 1. bis 16.6.1912 am 7.6.1912 Premiere – „Musikgeneralprobe [...] Musikvorstellung“ [Tb] – und am 8.6.1912 eine zweite und letzte Vorstellung: „Musikvorstellung 2.“ [Tb], den nenne ich öffentlich einen unverschämten Lümmel. Ich halte das für mein gutes Recht. Sollte das aber mein Recht nicht sein, dann würde ich es nicht nur für der Mühe werth sondern im allegminSchreibversehen, statt: allgemein. menschlichen Interesse und für wichtig genug halten, öffentlich um dieses Recht zu kämpfen. Der Richter der mir dieses Recht streitig machen/t/ wollte müßte jedenfalls darauf gefaßt sein, daß ich ihn in öffentlicher Sitzung mit „Sie guter Kerl“ anrede. Wenn diese Anrede gegen die Würde des Gerichtes verstößt, so ist das noch kein Grund dafür, daß sie nicht auch gegen die Würdes/e/ des Privatmenschen | verstößt. Es hat zu allen Zeiten Privatmenschen gegeben, deren Würde mindestenSchreibversehen, statt: mindestens. ebenso hoch einzuschätzen war, wie die Würde irgend eines Richterkollegiums.

Das Berliner Tageblatt kann ich aus grammatikalischen Gründen nicht gut einen „unverschämten Lümmel“ nennen. Das tut mir aufrichtig leid.

Frank Wedekind schrieb am 8. Juni 1912 in Berlin folgenden Brief
an Theodor Wolff , (Zeitung) Berliner Tageblatt

An
Herrn Theodor Wolff, Chef-Redakteur des
Berliner Tageblatt.


Wer mich öffentlichSo gut wie gleichlautend bildet der erste Satz dieses Briefentwurfs auch den Auftakt eines anderen Briefentwurfs [vgl. Wedekind an Berliner Tageblatt, 8.6.1912], der überhaupt inhaltliche Überstimmungen mit dem vorliegenden Briefentwurf aufweist und unmittelbar zuvor entworfen worden sein dürfte. einen „Kerl“ nennt, sei es auch einen „guten KerlZitat; Fritz Engel, Theaterkritiker des „Berliner Tageblatt“ [vgl. Kürschners Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1912, Teil II, Sp. 376], hatte – im Rückgriff auf sein 1908 gefälltes Urteil über „Musik“ [vgl. F.E.: Wedekinds „Musik“. In: Berliner Tageblatt, Jg. 37, Nr. 558, 1.11.1908, Sonntags-Ausgabe, S. (2)], über das Wedekind sich seinerzeit maßlos geärgert hat (siehe seine Korrespondenz mit dem „Berliner Tageblatt“ Ende 1908 bis Anfang 1909) – in seiner Kritik an der aktuellen Inszenierung des Stücks seine damalige Einschätzung bestätigt und abschließend erklärt, Wedekind hätte nicht die Rolle des Josef Reißner spielen sollen, sondern eine andere: „Er müßte den Lindekuh geben, den schlechten und doch so guten Kerl, einen Überwedekind, in vielen Zügen ein Selbstporträt und darum die wertvollste Gestalt des Stückes.“ [F.E.: Wedekinds „Musik“. Gastspiel im Deutschen Theater. In: Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 287, 8.6.1912, Morgen-Ausgabe, S. (2)] „Musik“ hatte im Rahmen des Wedekind-Zyklus am Deutschen Theater in Berlin vom 1. bis 16.6.1912 am 7.6.1912 Premiere – „Musikgeneralprobe [...] Musikvorstellung“ [Tb] – und am 8.6.1912 eine zweite und letzte Vorstellung: „Musikvorstellung 2.“ [Tb]“, gleichviel, den nenne ich einen unverschämten Lümmel
Und so nenne ich Sie.

Ich habe in meinem Leben noch keinem Menschen auf die Schulter geklopft und sehe nicht ein warum ich mich öffentlich, schwarz auf weiß gedruckt auf die Schulter klopfen lassen soll. Aus diesem Grunde nenne ich Sie einen
unverschämten Lümmel.
und sehe Ihrer Klage entgegen.