Briefwechsel

von Fritz Engel und Frank Wedekind

Frank Wedekind schrieb am 14. Oktober 1901 in München folgenden Brief
an (Zeitung) Berliner Tageblatt , Fritz Engel

An die geehrte Redaction des Berliner Tageblattes.


Sehr geehrter HerrFritz Engel, Redakteur des „Berliner Tageblatt“ [vgl. Deutscher Litteratur-Kalender auf das Jahr 1902, Teil II, Sp. 319], war verantwortlich für das Feuilleton (Chefredakteur war Arthur Levysohn); er dürfte angesprochen sein, da Wedekind auf Fritz Engels Besprechung der Uraufführung des „Marquis von Keith“ anspielt (siehe unten).

darf ich Sie höflichst ersuchen, von folgendem Notiz nehmen zu wollen: Herr Dr. OberländerDr. phil. Hans Oberländer, Geschäftsführer der „Theatergesellschaft Schall und Rauch m.b.H.“ [Adreßbuch für Berlin 1902, Teil I, S. 1731] in Berlin (Unter den Linden 44), war zugleich Direktor der Bühne Schall und Rauch (Unter den Linden 44), ein Kabarett, das am 9.10.1901 eröffnet worden ist [vgl. Neuer Theater-Almanach 1902, S. 263]. Fritz Engel hat die Premierenvorstellung kritisch besprochen [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 515, 10.10.1901, Morgen-Ausgabe, S. (2)]. Gemeldet wurde: „Das Programm der […] Eröffnungsvorstellung von ‚Schall und Rauch‘ wurde […] gekürzt und gelangt mit Ausnahme einiger von der Censur nachträglich beanstandeter Stellen unverändert zur täglichen Wiederholung.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 517, 11.10.1901, Morgen-Ausgabe, S. (3)] von der Vereinigung „Schall und Rauch[“] beehrt mich mit der Anfragenicht überliefert: erschlossenes Korrespondenzstück: Hans Oberländer an Wedekind, 10.10.1901. ob ich bereit wäre, nächste Woche in seinen Vorstellungen mitzuwirken. So ehrenvoll mir dieser Antrag ist, glaube ich ihn dennoch ablehnen zu müssen, in der aufrichtigen Befürchtung daß man mich in meinen minderwertigen Productionen mindestens | ebenso verhöhnen wird, wie man meinen Marquis v. Keith“ verhöhntDie Uraufführung des „Marquis von Keith“ am 11.10.1901 (Freitag), im Rahmen des 2. Literarischen Abends im Residenztheater in Berlin unter der Regie von Martin Zickel, fiel bei der Kritik durch. Fritz Engel meinte, der Abend mit diesem Stück sei „kein Sieg“ gewesen, sondern „das Gegenteil“, nämlich „das, was man eine fröhliche Leiche nennt.“ [F.E.: Literatur im Residenztheater. „Marquis von Keith“ von Frank Wedekind. In: Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 519, 12.10.1901, Morgen-Ausgabe, S. (2)] hat |

Erlauben Sie mir bei dieser Gelegenheit noch auf einen eigenthümlichen Widerspruch hinzuweisen. Der eine Theil der Berliner Presse verurtheilt meinen „Marquis v. Keith[“] als das „allerdümmste“ kindlichste, Allereinfältigste“ was dem Berliner Publicum jemals vorgesetzt wurde. Der andere Theil spricht meinem Stück zwar nicht jeden den geistigen Gehalt ab, denunziert dafür aber meine Kunst alsEs folgt ein freies Zitat aus der Besprechung der Uraufführung des „Marquis von Keith“ von Julius Hart am 13.10.1910 in der Berliner Tageszeitung „Der Tag“ (Nr. 453): „Vielleicht giebt’s in der deutsche Literatur nichts, was so gemein ist, einen solchen Caliban-Charakter trägt, wie die Kunst Frank Wedekinds.“ [KSA 4, S. 519f.] „das Allergemeinste, das gegenwärtig in der deutschen Literatur existiert.“ |

Dieser eklatante Widerspruch in den Urtheilen hochstehender Autoritäten muß notwendiger Weise seinen vernünftigen Grund haben und drängt mir angesichts des obenerwähnten Antrages den leisen bescheidenen Zweifel auf: sollte man in Berlin vielleicht thatsächlich keine Würdigung für ‒ ‒ ‒ wirklichen HumorFritz Engel hatte Wedekind zwar an sich „einen wahrhaft revolutionären Humor“ zugeschrieben, was aber für den „Marquis von Keith“ nicht gelte: „Aber den Humor“ habe der Autor hier „verächtlich in den Winkel gestellt“ [F.E.: Literatur im Residenztheater. „Marquis von Keith“ von Frank Wedekind. In: Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 519, 12.10.1901, Morgen-Ausgabe, S. (2)]. besitzen?

Indem ich Sie ersuche, geehrter Herr, den Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochschätzung entgegenzunehmen
ergebenst.

Fritz Engel schrieb am 13. Juli 1910 in Berlin folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Fritz Engel vom 14.7.1910 aus München:]

Empfangen Sie meinen ergebensten Dank für Ihre Mittheilung. […] heute früh, bevor ich noch Ihren Brief erhalten hatte […]

Frank Wedekind schrieb am 14. Juli 1910 in München folgenden Brief
an Fritz Engel

Sehr geehrter Herr EngelFritz Engel in Berlin (Neue Ansbacher Straße 17), Literatur- und Theaterkritiker, war Redakteur des „Berliner Tageblatt“ [vgl. Berliner Adreßbuch 1910, Teil I, S. 553], verantwortlich für das Feuilleton und die Beilage „Der Zeitgeist“ [vgl. Kürschners Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1911, Sp. 374]. Wedekind hatte mit ihm eine heftige Auseinandersetzung gehabt (siehe Wedekinds Korrespondenz mit dem „Berliner Tageblatt“ 1909/10), die zu Jahresbeginn durch eine Aussprache beigelegt worden war, am 5.2.1910: „Ich fahre zum Berliner Tageblatt. Theodor Wolff empfängt mich sehr liebenswürdig. Unterredung mit Fritz Engel.“ [Tb]!

Empfangen Sie meinen ergebensten Dank für Ihre Mittheilungnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Fritz Engel an Wedekind, 13.7.1910. Fritz Strich war der heute verschollene Brief offenbar bekannt. Er fasste den Inhalt in einer Anmerkung zum vorliegenden Brief folgendermaßen zusammen: „Engel hatte sich brieflich beklagt, dass Wedekind in seiner Schrift ‚Schauspielkunst‘ eine Kritik Engels über Herbert Eulenberg unrichtig wiedergegeben habe, und gebeten, dies in einer zweiten Auflage richtig zu stellen.“ [GB 2, S. 368]. Selbstverständlich werde ich meinen Irrtum so bald und so klar, wie es möglich sein wird, richtig stellen. Zu meiner Entschuldigung mag gelten, daß mir Ihre BesprechungFritz Engel hatte die Premiere von Herbert Eulenbergs Lustspiel „Der natürliche Vater“ am 21.1.1910 in den Kammerspielen des Deutschen Theaters besprochen [vgl. F.E.: Kammerspiele. Zum ersten Male: „Der natürliche Vater“, ein bürgerliches Lustspiel in fünf Akten von Herbert Eulenberg. In: Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 38, 22.1.1910, Morgen-Ausgabe, S. (2)]. über Natürliche Vater damals entgangen war. Die betreffende WendungWedekind war im Abschnitt „Hinrichtungen“ seiner Broschüre „Schauspielkunst“ (1910) auf die Inszenierung von Herbert Eulenbergs Lustspiel „Der natürliche Vater“ (1909) zu sprechen gekommen. Er meinte, man habe das Stück „in Berlin aufs Rad geflochten“ und wem diese Einschätzung zu drastisch erscheine, der habe „sich bei der Kritik dafür zu bedanken. Die Kritik schrieb: Eulenberg, bis jetzt eine Hoffnung, ist eine ‚Verzweiflung‘ geworden.“ [KSA 5/II, S. 373] Fritz Engel hatte zum Auftakt seiner Besprechung geschrieben: „Das neue Stück von Eulenberg ist abgelehnt worden. Eulenberg […] war einmal eine Hoffnung. Es wird nun Stimmen geben, die sagen, daß er eine Verzweiflung sei“; auch wenn er einige Qualitäten gelten lasse, dann „gibt es immer nur einen mildernden Umstand. Noch keine Verzweiflung, aber heftige Enttäuschung.“ [F.E.: Kammerspiele. Zum ersten Male: „Der natürliche Vater“, ein bürgerliches Lustspiel in fünf Akten von Herbert Eulenberg. In: Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 38, 22.1.1910, Morgen-Ausgabe, S. (2)] kannte ich vom Hörensagen und war durchaus nicht sicher, daß sie Ihrer Besprechung entstammte.

Mit umsogrößerem Interesse habe ich Ihre Besprechung jetzt gelesenWedekind ist bei der Lektüre von Fritz Engels Besprechung auch auf seinen Namen gestoßen: „Eulenberg muß gesagt werden, daß es noch lange kein eigenes Gesicht gibt, wenn man sich aus den Masken des ganzen lebenden und toten Parnasses, aus den Romantikern und aus Wedekind und aus Shakespeare eine neue Maske zurechtschminkt.“ [F.E.: Kammerspiele. Zum ersten Male: „Der natürliche Vater“, ein bürgerliches Lustspiel in fünf Akten von Herbert Eulenberg. In: Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 38, 22.1.1910, Morgen-Ausgabe, S. (2)] | und sehe mit großer Freude, wie Sie ohne Rücksicht auf die Darstellung in erster Linie das Buch gewürdigt haben. Vielleicht fände sich doch einmal Gelegenheit, das Thema Eulenberg mündlich zu erörtern.

Für Ihre liebenswürdige Aufnahme der Verbotenen Tänzedie Glosse „Verbotene Tänze“ [KSA 5/II, S. 382f.], ein Protest gegen das Aufführungsverbot von „Totentanz“ [vgl. KSA 5/III, S. 668, 687-689], dessen Abfassung Wedekind am 8.7.1910 notiert hatte: „Verbotene Tänze geschrieben.“ [Tb] Die Glosse wurde durch Vermittlung Fritz Engels im „Berliner Tageblatt“ ohne Verfasserangabe veröffentlicht [vgl. Verbotene Tänze. In: Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 349, 13.7.1910, Morgen-Ausgabe, S. (2-3)]. sage ich Ihnen meinen aufrichtigen herzlichen Dank. In meiner Freude darüber übersandte ich Ihnen heute früh, bevor ich noch Ihren Brief erhalten hatte, meinen neusten Einakter und möchte Sie nur ersuchen, | darin nicht den Versuch irgendwelcher Beeinflussung zu erblicken. Ich glaube Beweise genug gegeben zu haben, daß ich auch den allerstärksten Tadel vertragen kann. Über den Verdacht, einander an der freien Äußerung seiner Meinung hindern zu wollen, kann uns aber wohl nur gegenseitige menschliche Achtung hinweghelfen.

In vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebenster
Frank Wedekind.


München 14.7.10.

Fritz Engel schrieb am 21. Oktober 1911 in Berlin folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Fritz Engel vom 22.10.1911 aus München:]

Empfangen Sie meinen besten Dank für die Ehre, die Sie mir mit Ihrer liebenswürdigen AufforderungFritz Engel bat Wedekind ‒ das geht aus Wedekinds Brief an Engel vom 22.10.1911 hervor ‒ um einen Beitrag für „Der Zeitgeist“, die von ihm betreute literarische Beilage, die jeweils der Montags-Ausgabe des „Berliner Tageblatt“ beilag. Er dürfte auf einem entsprechenden Briefbogen angefragt haben. Der gedruckte Briefkopf eines solchen Bogens enthielt diese Angaben: „Der Zeitgeist / Wissenschaftl.-literar. Wochenbeilage des ‚Berliner Tageblatt‘. Redakt.: Fritz Engel / Alle Zusendungen sind an den ‚ZEITGEIST‘ (Berliner Tageblatt Berlin SW.19) zu richten / Berlin,“. erweisen.

Frank Wedekind schrieb am 22. Oktober 1911 in München folgenden Brief
an Fritz Engel

Sehr geehrter Herr Engel!

Empfangen Sie meinen besten Dank für die Ehre, die Sie mir mit Ihrer liebenswürdigen Aufforderungnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Fritz Engel an Wedekind, 21.10.1911. Der Feuilletonredakteur bat Wedekind um einen Beitrag für die von ihm redaktionell betreute literarische Beilage „Der Zeitgeist“ (siehe unten), die jeweils der Montags-Ausgabe des „Berliner Tageblatt“ beilag, vermutlich in einem Brief mit dem gedruckten Briefkopf „Der Zeitgeist / Wissenschaftl.-literar. Wochenbeilage des ‚Berliner Tageblatt‘. Redakt.: Fritz Engel / Alle Zusendungen sind an den ‚ZEITGEIST‘ (Berliner Tageblatt Berlin SW.19) zu richten / Berlin,“ (so in einem Vergleichsbrief des Redakteurs an einen anderen Adressaten). erweisen. Nächsten Sonntag, den 29.den 29.11.1911, an dem Wedekind notierte: „Vortrag in Klintwortsaal“ [Tb], ein Vortragsabend Wedekinds, der um 20 Uhr im Klindworth-Scharwenka-Saal in Berlin unter dem Veranstaltungstitel „‚GEDANKEN‘ Ethische und ästhetische Probleme“ stattfand [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 40, Nr. 546, 26.10.1911, Morgen-Ausgabe, 4. Beiblatt, S. (3)]. Wedekind hielt dort seine Rede „Heinrich von Kleist“ [vgl. KSA 5/III, S. 434-436], las aber noch andere Texte, darunter den Prolog zu „König Nicolo“ und den 3. Akt aus dem neuen Stück „Franziska“ [vgl. KSA 7/II, S. 1159-1161]. werde ich nun bei einem Vortrag im Klinthwort Saal einige Worte über KleistDer 100. Todestag des Dichters Heinrich von Kleist am 21.11.1911 fand starke Beachtung. Wedekinds Kleist-Rede entstand am 21.10.1911 [vgl. KSA 5/III, S. 427]: „Heinrich v. Kleist Aufsatz geschrieben.“ [Tb] Er überarbeitete sie am 20.11.1911 und hielt sie am selben Tag bei der Kleist-Feier im Münchner Schauspielhaus: „Schreibe an Kleistvortrag. [...] Kleistvortrag im Schauspielhaus.“ [Tb] Sie erschien unter dem Titel „Heinrich v. Kleist“ [KSA 5/II, S. 420-424] zuerst am 22.11.1911 in den „Münchner Neuesten Nachrichten“ [vgl. KSA 5/III, S. 429]. sprechen und würde mich sehr freuen, wenn ich Ihnen das Manuscript für den Zeitgeistfür die so betitelte Beilage zum „Berliner Tageblatt“; seit dem 19.11.1906 mit der Nr. 47 stand unter dem Titel „Der Zeitgeist. Beiblatt zum ‚Berliner Tageblatt‘“ die Angabe: „Verantwortlicher Redakteur: Fritz Engel in Berlin.“ Davor hat Paul Block die angesehene literarische Wochenbeilage der großen Berliner Tageszeitung betreut, die jeweils der Montags-Ausgabe beilag. Im „Zeitgeist“ vom 20.11.1911 war zwar ein „Gedenkblatt zum 100. Todestag Heinrichs von Kleist“ mit Beiträgen zahlreicher anderer Autoren publiziert, aber kein Beitrag Wedekinds [vgl. KSA 5/III, S. 428]. überlassen dürfte. Ich würde es | Ihnen dann noch am gleichen Abend sofort nach dem Vortrag zusenden. Sollte Ihnen dieser Modus nicht richtig scheinen und Sie lieber etwas AbgesondertesNicht im „Zeitgeist“, aber in einer literarischen Weihnachtsbeilage des „Berliner Tageblatt“ erschien am 24.12.1911 ein Beitrag Wedekinds zur Umfrage „Unsere Schriftsteller bei der Arbeit“ [vgl. Wedekind an Paul Block, 25.11.1911]. für den „Zeitgeist“ wünschen, dann darf ich in den nächsten Tagen wol noch eine kurze Nachricht von Ihnen erwarten.

Mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochschätzung und bestem Gruß
Ihr ergebener
Frank Wedekind.


München 22.10.11.

Fritz Engel schrieb am 7. Oktober 1912 in Berlin folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Fritz Engel vom 8.10.1912 aus München:]


Ihre ehrenvolle Aufforderung ist mir eine große Freude.

Frank Wedekind schrieb am 8. Oktober 1912 in München folgenden Brief
an Fritz Engel

München, 8.X.1912.


Sehr verehrter Herr Engel!

Ihre ehrenvolle Aufforderungnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Fritz Engel an Wedekind, 7.10.1912. Fritz Engel hat Wedekind um einen Beitrag zum 50. Geburtstag von Gerhart Hauptmann am 15.11.1912 gebeten, der wohl am 11.11.1912 in „Der Zeitgeist“ (Beilage zum „Berliner Tageblatt“) erscheinen sollte, einer diesem Anlass gewidmeten Ausgabe unter dem Titel „Dem 50jährigen Gerhart Hauptmann“, die redaktionell eingeleitet war: „Gerhart Hauptmann wird in diesen Tagen fünfzig Jahre alt. Zu einem Aufsatz, den wir vor Wochen von ihm erbaten, fanden sich allmählich noch andere Stimmen; solche, die wir baten, sich hören zu lassen; andere, die von selber tönten. Dieser kleine Chor der Gratulanten tritt hier vor den Dichter hin. Ein ganzes Volk steht hinter ihnen. Die Redaktion des ‚Zeitgeist‘.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 576, 11.11.1912, Montags-Ausgabe, Beiblatt „Der Zeitgeist“, Nr. 46, S. (1-3), hier S. (1)] ist mir eine große Freude. Mein Gruß an HauptmannWedekind verfasste diesen Text über Gerhart Hauptmann zwischen dem 8. und 18.10.1912 (wann genau, ist nicht belegt); er ist jeweils undatiert als Entwurf [vgl. KSA 5/III, S. 398f.] und Reinschrift [vgl. KSA 5/II, S. 468] überliefert. (ich denke etwa 20 Zeilen) wird rechtzeitig in Ihren HändenWedekind hat seinen Geburtstagsgruß für Gerhart Hauptmann rechtzeitig verschickt [vgl. Wedekind an Fritz Engel, 18.10.1912]. sein.

Mit Dank und besten Grüßen Ihr hochachtungsvoll ergebener
Frank Wedekind.

Frank Wedekind schrieb am 18. Oktober 1912 in München folgenden Brief
an Fritz Engel

München, 18.X.1912.


Sehr verehrter Herr Engel!

In der Anlage erhalten Sie den versprochenen Beitragein Beitrag Wedekinds zum 50. Geburtstag Gerhart Hauptmanns für die Beilage „Der Zeitgeist“ des „Berliner Tageblatt“ [vgl. Wedekind an Fritz Engel, 8.10.1912].. Wenn Sie ihn zum Abdruck bringenWedekinds Beitrag wurde nicht veröffentlicht; die Sonderbeilage „Dem 50jährigen Gerhart Hauptmann“ im „Berliner Tageblatt“ [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 576, 11.11.1912, Montags-Ausgabe, Beiblatt „Der Zeitgeist“, Nr. 46, S. (1-3)] erschien ohne seinen Beitrag., müßte ich natürlich die Bedingung stellen, daß es unverändert und ungekürzt geschieht. Dagegen werde ich es Ihnen nicht einen Augenblick verdenken, wenn Sie ihn ausschalten. Es ist genau so wie ich darin schreibe: Ihre Aufforderung ist mir höchst sympathisch, während mir das Verhalten Hauptmanns unsympathischGerhart Hauptmann hat sich zum 50. Geburtstag von Arthur Schnitzler (am 15.5.1912) und Max Dreyer (am 25.9.1912) nicht geäußert, worauf Wedekind im beigelegten Geburtstagsgruß für Gerhart Hauptmann dezidiert aufmerksam macht (siehe unten). ist. Es thut mir außerordentlich leid, daß sich der Widerspruch gerade in diesem Falle geltend macht. Alle bisherigen Aufforderungen habe ich mit der größten Herzlichkeit beantwortet und werde das auch mit den noch folgenden thun. Deshalb erlaube ich mir die Bitte, mich bei anderen, an unsere Kollegen gerichteten Gratulationen nicht durch Uebergehen strafen zu wollen.

Mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochschätzung Ihr ergebener
Frank Wedekind.


[Beilage:]


Wenn man ein halbes Dutzend Beglückwünschungen zum fünfzigsten Geburtstag durchliest, dann bleibt freilich an dem Beglückwünschten manchmal nicht mehr viel gutes übrig. Deshalb ist es vielleicht auch am menschlichsten, wie es Gerhart Hauptmann sowohl Arthur Schnitzler wie Max Dreyer gegenüber gehalten hat. (,,Der Merker“, 1. Mai-Heft 1912das Arthur Schnitzlers 50. Geburtstag gewidmete Themenheft [vgl. Der Merker. Österreichische Zeitschrift für Musik und Theater, Jg. 3, Nr. 9, 1. Mai-Heft 1912, S. 331-350]. Ein Beitrag Gerhart Hauptmanns ist darin nicht enthalten. Wedekinds Beitrag [vgl. KSA 5/II, S. 455] erschien erst im nächsten Heft der Wiener Zeitschrift, von der Redaktion mit der Fußnote versehen: „Diese Zeilen Frank Wedekinds sind uns leider erst nach dem Abschluß unseres Schnitzlerheftes zugekommen. Ihre nachträgliche Veröffentlichung bedarf wohl keiner Rechtfertigung.“ [Frank Wedekind: Arthur Schnitzler zu seinem fünfzigsten Geburtstag. In: Der Merker, Jg. 3, Nr. 10, 2. Mai-Heft 1912, S. 379], „Wunschbüchleindas in Berlin (Buchdruckerei Otto & Emil Klatt) erschienene „Wunschbüchlein zur Eröffnung des Komödienhauses am 19. September 1912“ (1912), herausgegeben vom kaufmännischen Leiter des Komödienhauses [vgl. S. 103]; das war Arthur Günsburg [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 296]. Das „Wunschbüchlein“ war einerseits ein Bändchen zu einer Theatereröffnung (das Komödienhaus am Schiffbauerdamm 25 in Berlin wurde unter der Direktion von Rudolf Lothar am 19.9.1912 mit zwei Lustspielen eröffnet, mit Ludwig Fuldas „Feuerversicherung“ und Max Dreyers „Der lächelnde Knabe“ [vgl. S. 10]), andererseits eine Festschrift zur Würdigung des 50. Geburtstags der beiden Autoren, deren Lustspiele dort Premiere hatten. Darauf ist ausdrücklich verwiesen: „Dr. Max Dreyer feiert seinen fünfzigsten Geburtstag am 25. September 1912“ sowie „Dr. Ludwig Fulda feiert seinen fünfzigsten Geburtstag am 15. Juli 1912“ [S. 6]. Ein Beitrag Gerhart Hauptmanns ist in dem Band nicht enthalten. Wedekind ist mit einem Geburtstagsgruß für Max Dreyer vertreten. Dieser bisher unbekannte Text Wedekinds sei hier mitgeteilt: „Dem verehrten Meister Max Dreyer wünsche ich zum Fünfzigsten, er möge mit dem Feuer, der Schärfe und Lustigkeit, die sein Lebenswerk beseelen, eine vernichtende Satire gegen die Heuchelei und innere Verlogenheit der deutschen Theaterzensur schreiben, die als vergnügte Zuschauerin mitansieht, wie mit der Sittlichkeit Schindluder getrieben wird, und die Sittlichkeit für gefährdet erklärt, sobald ernste Probleme von ihr unbequemen Gesichtspunkten aus mit sittlichem Ernst erörtert werden. / Frank Wedekind.“ [S. 98]“, 19. September 1912.) Er befleißigt sich einer KürzeGerhart Hauptmann hat anlässlich der 50. Geburtstage von Arthur Schnitzler und Max Dreyer schlicht und einfach geschwiegen., in der er von keinem Dichter der Welt überboten werden kann, und bezeugt dadurch deutlich, daß er persönlich kein Freund von Glückwünschen ist. Durch schlichtes Schweigen wird sicherlich die Gefahr vermieden, daß dem Glückwunsch unversehens eine kleine Kritik mit unterfließt, die sich ja aber schließlich mit Freundschaft sehr wohl verträgt. Wenn ich mir nun Hauptmanns Beispiel nicht einfach zum Vorbild nehme, wenn ich vor der Bedeutung des Ereignisses nicht gleichfalls sprachlos werde, so geschieht es nur, weil ich die majestätische Theilnahmslosigkeit, die seit zwanzig Jahren um den Hazard-TischSpieltisch (von dem riskanten Glücksspiel Hasard abgeleitet, einem Würfelspiel). der Premiere waltet, immer auf’s tiefste bedauerte, und weil ich in den Aufforderungen unserer Kameraden, sich wenigstens einmal im Leben, sei es auch nur zum fünfzigsten Geburtstag, ein herzliches Wort zu sagen, den schönsten Versuch erblickte, die erhabene, weihevolle Stagnation, die unser geistiges Leben beherrscht, etwas aufzurütteln.

Frank Wedekind.

Fritz Engel schrieb am 11. Februar 1914 in Berlin folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Fritz Engel vom 12.2.1914 aus München:]


[…] nach Ihren geehrten Zeilen […]

Frank Wedekind schrieb am 12. Februar 1914 in München folgenden Brief
an Fritz Engel

München 12. Februar 1914


Sehr verehrter Herr Fritz EngelFritz Engel in Berlin (Neue Ansbacher Straße 17) ist nach wie vor als Redakteur des „Berliner Tageblatt“ ausgewiesen [vgl. Berliner Adreßbuch 1914, Teil I, S. 624].!

Nehmen Sie erst den aufrichtigsten Dank für das große freigebige Interesse und für das unverkennliche WohlwollenFritz Engel hatte wenige Tage zuvor die Uraufführung von „Simson“ am 24.1.1914 im Lessingtheater anerkennend besprochen [vgl. Fritz Engel: Frank Wedekinds „Simson“. Uraufführung im Lessingtheater. Regie: Frank Wedekind. In: Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 44, 25.1.1914, Morgen-Ausgabe, S. (2-3)]., das Sie meinem Simson zu widmen die Güte hatten. Darf ich Ihnen beichten, daß ich das Stück mehr als einen Fund, denn als eine Arbeit betrachte. Das wissen Sie aber so gut wie ich. Um so höher habe ich mir das große Wohlwollen anzurechnen, mit dem Sie es willkommen hießen. |

Was die „KleiststiftungVorsitzender der Kleiststiftung in Berlin war Fritz Engel, der am 13.11.1911 im „Berliner Tageblatt“ zu ihrer Gründung aufgerufen hatte [vgl. Der Kleist-Preis 1912-1932. Eine Dokumentation. Hg. von Helmut Sembdner. Berlin 1968, S. 11-14].“ betrifft, so wäre es mir eine große Freude mich an dem Abend beteiligenWedekind notierte am 15.3.1914 in Berlin: „Vortrag im Hotel Esplanade.“ [Tb] Die gut besuchte Veranstaltung am 15.3.1914 fand an einem Nachmittag statt, um 17 Uhr im Hotel Esplanade, angezeigt als „Vortrag zum Besten der Kleist-Stiftung von Dr. Ludwig Lewin über FRANK WEDEKIND“, mit Frank Wedekind, Gertrud Eysoldt und Friedrich Kayßler als weitere Mitwirkende, „Karten zu 5 Mark und 10 Mark einschließlich Tee“ [Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 109, 1.3.1914, Morgen-Ausgabe, 12. Beiblatt, S. (2)]. Wedekind hielt seine Kleist-Rede, dann sprach Ludwig Lewin, anschließend rezitierten Gertrud Eysoldt und Friedrich Kayßler aus „Franziska“ (das 7. Bild), „Simson“ (den Monolog des Geblendeten in der Szene I/6) und „Schloß Wetterstein“ (den Dialog zwischen Rüdiger und Leonore in der Szene I/2). „Die Künstler saßen nebeneinander an zwei Tischen, die Bücher in der Hand, und waren sich bewußt, dramatische Szenen vorzulesen. Sie versuchten daher nicht einen rezitatorischen Stil einzuhalten, sondern lasen mit allen Künsten des Bühnenmenschen, mit Mienen, Gesten und Blicken“ [ger.: Ein Wedekind-Vortrag für die Kleist-Stiftung. In: Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 136, 16.3.1914, Montags-Ausgabe, S. (2-3)]. Erhalten ist ein Foto (eine Bildpostkarte) von dieser Veranstaltung, auf dem Ludwig Lewin, Frank Wedekind, Gertrud Eysoldt und Friedrich Kayßler abgebildet sind [Akademie der Künste zu Berlin, Ludwig-Lewin-Archiv, Nr. 178]. zu können. Das nächstliegende wäre wohl, das zu bringen, was ich zum hundertsten Todestag Kleists hier in München sprachWedekind hat „Heinrich v. Kleist“ [KSA 5/II, S. 420-424] zum 100. Todestag des Dichters am 20.11.1911 bei der Kleist-Feier im Münchner Schauspielhaus vorgetragen [vgl. KSA 5/III, S. 427]. Das bemerkte in seiner Besprechung der Veranstaltung im Hotel Esplanade auch der Kritiker des „Berliner Tageblatt“, der darauf hinwies, dass Wedekind seine Rede „schon einmal in München bei der Kleistfeier gehalten hatte.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 136, 16.3.1914, Montags-Ausgabe, S. (3)]. Ein bestimmtes Datum scheint nach Ihren geehrten Zeilennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Fritz Engel an Wedekind, 11.2.1914. Fritz Engel, der Vorsitzende der Kleiststiftung, hatte bei Wedekind angefragt, ob er sich an einer Veranstaltung in Berlin zugunsten der Kleiststiftung beteiligen wolle; es ist davon auszugehen, dass der verschollene Brief auf dem entsprechenden Briefbogen mit den Aufdrucken „KLEISTSTIFTUNG“ und „BERLIN“ geschrieben war (durch Briefe des Redakteurs an andere Adressaten überliefert). noch nicht festgelegt. Vom 26 FebruarWedekind gab vom 28.3.1914 bis 2.3.1914 ein Gastspiel in „Der Marquis von Keith“ am Neuen Schauspielhaus in Königsberg, wo er dem Tagebuch zufolge am 26.2.1914 eintraf („Ankunft in Königsberg“) und am 3.3.1914 wieder abreiste („Abfahrt von Königsberg“). bis 8 MärzWedekinds Gastspiel am Schauspielhaus in Bremen in „Erdgeist“ (Vorstellung am 7.3.1914) sowie in „Der Kammersänger“ und „Der Stein der Weisen“ (Vorstellung am 8.3.1914) schloss direkt an das Gastspiel in Königsberg an. „Ankunft in Bremen“ [Tb] war am 4.3.1914, Abreise zurück nach München am 9.3.1914: „Abfahrt von Bremen, ab Hannover Schlafwagen.“ [Tb] bin ich in Königsberg und Bremen verpflichtet. Wenn sich der Vortragsabend mit diesen Daten kombinieren ließe, so wäre es mir ein Vergnügen daran theil zu nehmen. |

Darf ich Sie, verehrter Herr Engel, um die Freundlichkeit ersuchen, Herrn Dr. Lewin meinen verbindlichsten Dank für die Auszeichnung auszusprechen, die er mir damit erweist, daß er mich zum Gegenstand seines VortragesDr. phil. Ludwig Lewin, Literaturwissenschaftler und Dramaturg in Berlin (Kaiser-Wilhelm-Straße 49) [vgl. Kürschners Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1914, Sp. 1037], Dozent an der Lessing-Hochschule in Berlin (eine freie Bildungseinrichtung) und ab Sommer 1914 deren Direktor, sprach auf der Veranstaltung am 15.3.1914 im Hotel Esplanade (siehe oben) über Wedekind, wie schon früh angekündigt war (ebenso wie Wedekinds Zusage): „Zum Besten der Kleist-Stiftung wird Dr. Ludwig Lewin am Sonntag, 15. März, im Hotel Esplanade zu Berlin einen Vortrag über Frank Wedekind halten. Der Dichter hat die Einladung, persönlich zu erscheinen, angenommen.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 98, 23.2.1914, Abend-Ausgabe, S. (3)] wählt. Mit Vergnügen erinnere ich mich, Herrn Doctor Lewin vor einem Jahr etwaWedekind hat die Begegnung nicht notiert. Er hat Ludwig Lewin vermutlich entweder in Dresden kennengelernt, wo er sich vom 5. bis 9.2.1913 zu einem Gastspiel aufhielt, oder in Prag, wo er vom 10. bis 20.2.1913 einen Gastspielaufenthalt hatte [vgl. Tb]; davor und danach war er in München. Er sah ihn dann einen Tag vor der Veranstaltung im Hotel Esplanade (siehe oben) wieder, zugleich den Vorsitzenden der Kleiststiftung, wie er am 14.3.1914 notierte: „Abfahrt nach Berlin. [...] Fritz Engel Dr. Lewin.“ [Tb] kennen gelernt zu haben. Sollte Herr Doctor Lewin selber etwas von mir vortragen wollen, so würde sich dazu wohl am besten die neue, im Buchhandel noch nicht erschienenSchreibversehen, statt: erschienene. | Umarbeitung in JambenWedekind hatte „Franziska. Ein modernes Mysterium in fünf Akten“ (1912) in Versform umgearbeitet zu der „Bühnenausgabe in gebundener Rede“, die als 6. Auflage 1914 im Georg Müller Verlag herauskam [vgl. KSA 7/II, S. 998], zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht ausgeliefert war. meiner „Franziska“ empfehlen , die ich auf Wunsch gern zusendeHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Fritz Engel, 24.2.1914. Wedekind hat – wohl kurz vor seiner Gastspielreise vom 25.2.1914 bis 9.3.1914 [vgl. Tb]; er notierte am 24.2.1914 „Schreibe eine Menge Briefe“ [Tb] – die noch unveröffentlichte Versfassung von „Franziska“ nach Berlin geschickt, da ein Auszug im „Berliner Tageblatt“ erschien [vgl. Frank Wedekind: Franziska. In: Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 123, 9.3.1914, Montags-Ausgabe, Beilage „Der Zeitgeist“, Nr. 10, S. (1-3)]..

Darf ich Sie bitten, verehrter Herr Fritz Engel, den Ausdruck größer Hochschätzung entgegennehmen zu wollen von Ihrem
sehr ergebenen
Frank Wedekind.

Frank Wedekind schrieb am 24. Februar 1914 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Fritz Engel , Fritz Engel

[Hinweis in Wedekinds Brief an Fritz Engel vom 12.2.1914 aus München:]


[...] Umarbeitung [...] meiner „Franziska“ [...], die ich auf Wunsch gern zusende.

Frank Wedekind schrieb am 17. März 1914 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an (Verein) Kleiststiftung , Fritz Engel

[1. Hinweis in Wedekinds Brief an Fritz Engel vom 17.3.1914 aus München:]


Eben erhalte ich [….] M. 100,‒ […]

Mit gleicher Post beehre ich mich, die Summe der Kleiststiftung zu übersenden.


[2. Hinweis in Wedekinds Kontobuch vom 17.3.1914 in München (Mü, L 3512):]


An Fritz Engel für Kleiststiftung. 100 [...]

Frank Wedekind schrieb am 17. März 1914 in München folgenden Brief
an Fritz Engel

München, 17.III.1914.


Sehr verehrter Herr Fritz Engel!

Eben erhalte ich vom Verlag Rudolf MosseWedekind notierte das Honorar von 100 Mark für den Abdruck des 9. Bildes von „Franziska“ im Beiblatt „Der Zeitgeist“ zum „Berliner Tageblatt“ (siehe unten) am 16.3.1914 unter den Einnahmen im Kontobuch: „Vom BT für Franziska Abdruck“ [Mü, L 3512]; im Verlag Rudolf Mosse erschien das „Berliner Tageblatt“ [vgl. Berliner Adreßbuch 1914, Teil I, S. 2134] und somit auch sein Beiblatt „Der Zeitgeist“, das mit dem Vermerk versehen ist: „Druck und Verlag: Rudolf Mosse, Berlin“ (so jeweils rechts unter dem Titel). M. 100,‒ als Honorar zugesandrecte (Schreibversehen oder Überlieferungsfehler): zugesandt. – Hinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur Geldsendung; erschlossenes Korrespondenzstück: Rudolf Mosse (Verlag) an Wedekind, 15.3.1914., ein Verdienst, der in nichts anderem begründet ist, als in Ihrer gastlichen Liebenswürdigkeit, mit der Sie das Schlußbild von FranziskaVorabdruck des 9. Bildes aus „Franziska“ [vgl. KSA 7/II, S. 997] in „Der Zeitgeist“, der von Fritz Engel betreuten literarischen Wochenbeilage des „Berliner Tageblatt“ [vgl. Frank Wedekind: Franziska. In: Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 123, 9.3.1914, Montags-Ausgabe, Beilage „Der Zeitgeist“, Nr. 10, S. (1-3)]. Die redaktionelle Vorbemerkung lautet: „Frank Wedekind hat sein in Prosa bereits bekannt gewordenes modernes Mysterium ‚Franziska‘ in Versform umgegossen. Wir geben hier das Schlußbild der neuen Fassung, die ebenfalls im Verlag Georg Müller, München, erscheinen wird.“ Wedekind hatte Fritz Engel wenige Wochen zuvor angeboten, ihm die noch nicht erschienene „Bühnenausgabe in gebundener Rede“ zu schicken [vgl. Wedekind an Fritz Engel, 12.2.1914]. im ,,Zeitgeist“ aufnahmen. Darf ich Sie höflichst ersuchen, mir die Ehre zutheil werden zu lassen, dieses nicht durch mich verdiente Honorar der KleiststiftungWedekind war zugunsten der Kleiststiftung zwei Tage zuvor, am 15.3.1914 im Hotel Esplanade in Berlin, an einer gut besuchten Veranstaltung beteiligt gewesen, die ihm und seinem Werk gewidmet war [vgl. Wedekind an Fritz Engel, 12.2.1914]. Die durch Spenden finanzierte Kleiststiftung, deren Vorsitzender Fritz Engel war, verlieh den Kleist-Preis, ein Förderpreis für jüngere Autoren. überweisen zu dürfen, damit es Anderen zugut kommt, die es schwerer verdienen.

Mit der herzlichsten Bitte, diese Ehre mir nicht zu verweigern, in vorzüglichster Hochschätzung Ihr ergebener
Frank Wedekind.


Mit gleicher Post beehre ich mich, die Summe der Kleiststiftung zu übersendenHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur Geldsendung; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Fritz Engel, Kleiststiftung, 17.3.1914. Wedekind überwies das Honorar von 100 Mark für den Abdruck des 9. Bildes von „Franziska“ im Beiblatt „Der Zeitgeist“ zum „Berliner Tageblatt“ (siehe oben) dem Vorsitzenden der Kleiststiftung, wie er am 17.3.1914 unter den Ausgaben im Kontobuch notierte: „An Fritz Engel für Kleiststiftung.“ [Mü, L 3512].

Frank Wedekind schrieb am 15. Juli 1915 in München folgenden Brief
an (Verein) Schutzverband Deutscher Schriftsteller , (Verein) Schutzverband Deutscher Schriftsteller , (Verein) Schutzverband Deutscher Schriftsteller , (Verein) Schutzverband Deutscher Schriftsteller , (Verein) Schutzverband Deutscher Schriftsteller , (Verein) Schutzverband Deutscher Schriftsteller , (Verein) Schutzverband Deutscher Schriftsteller , Fritz Engel , Hermann Kienzl , Hans Land , Gabriele Reuter

München, 15. Juli 1915.


Sehr verehrte gnädige FrauGabriele Reuter, Mitverfasserin der aktuellen Anfrage des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller an Wedekind (siehe unten).!
Sehr verehrte HerrenFritz Engel, Hans Land und Hermann Kienzl, Mitverfasser der aktuellen Anfrage Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller an Wedekind (siehe unten).!

Empfangen Sie aufrichtigen Dank für die Ehre und Auszeichnung, die Sieder Schutzverband Deutscher Schriftsteller (SDS), als Interessenvertretung der Schriftstellerinnen und Schriftsteller deutscher Sprache am 11.1.1910 in Berlin gegründet und am 22.3.1910 in das Vereinsregister eingetragen [vgl. KSA 5/III, S. 492]. Wedekinds Name findet sich ebenso wie die Namen von Fritz Engel, Hans Land, Hermann Kienzl, Gabriele Reuter sowie Georg Reicke und Rudolf Presber im gedruckten „Mitgliederverzeichnis“ des „Schutzverband Deutscher Schriftsteller“ – „Geschäftsstelle: Berlin-Wilmersdorf, Kaiserallee 173a“ [Universitätsbibliothek Leipzig, Nachlass Karl Bücher, NL 183/4/Scho-Schw 73-88 : Kasten S; Blatt 79-85; online: https://katalog.ub.uni-leipzig.de/Record/163-DE611HS1654180/Holdings (zuletzt abgerufen 18.10.2024)]. Wedekind war seit 1911 Mitglied des SDS [vgl. KSA 5/III, S. 492], ebenso Mitglied der am 11.7.1913 in das Vereinsregister eingetragenen Münchner Ortgruppe des SDS, in deren vorbereitender Kommission er aktiv gewesen war [vgl. Fischer 1980, Sp. 146]. mir durch Ihre Aufforderungnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Schutzverband Deutscher Schriftsteller, Fritz Engel, Hans Land, Hermann Kienzl, Gabriele Reuter an Wedekind, 10.7.1915. Die Aufforderung betraf Wedekinds Mitarbeit an der im Anschreiben noch unbetitelten „Kriegsmappe des SDS“ (siehe unten), wie aus einem Vergleichsbrief des SDS (unterzeichnet von Fritz Engel, Hans Land, Hermann Kienzl, Gabriele Reuter) mit Geschäftsstelle in Berlin-Wilmersdorf (Kaiserallee 173a) an den Leipziger Nationalökonomen Karl Bücher vom 10.7.1915 (mit Anlagen) hervorgeht (gedruckter Briefkopf: „Schutzverband Deutscher Schriftsteller E.V.“), in dem es heißt: „Die Notlage der freien Berufe steigt mit der Dauer des Krieges von Tag zu Tag – am schwersten von allen sind ohne Zweifel die freien Schriftsteller betroffen. [...] Seit Beginn des Krieges hat der Schutzverband Deutscher Schriftsteller, dessen Mitglieder-Verzeichnis wir beilegen, sich der notleidenden Kollegen mit größtem Eifer angenommen. [...] Da aber zur Zeit unsere Mittel völlig erschöpft sind, so beabsichtigen wir, eine Mappe mit Autogrammen von Dichtern, Gelehrten, Schriftstellern, Musikern und bildenden Künstlern zum besten unserer Hilfskasse herauszugeben. Diese Mappe soll Prosa oder Verse und Zeichnungen in guter Faksimile-Wiedergabe enthalten. Die Beiträge brauchen nicht unbedingt auf die Kriegszeit Bezug zu nehmen. Wir hoffen, daß auch Sie unsere gute Sache gern unterstützen werden und bitten Sie daher, uns geeignetes Material zur Verfügung zu stellen. Die Mappe haben wir uns 22 cm breit und 27 cm hoch gedacht; da jeder Beitrag auf einer besonderen Seite zum Abdruck kommen soll, so müßte Ihre Niederschrift oder Zeichnung gütigst auf diese Abmessungen eingestellt sein. Eine Aufstellung der Damen und Herren, die uns Beiträge bereits zur Verfügung stellten, liegt gleichfalls bei. Wir wollen die Herstellung der Mappe sofort in Angriff nehmen; wir wären Ihnen daher für eine möglichst baldige Erledigung unserer Bitte besonders dankbar. Mit vorzüglicher Hochachtung DER SCHUTZVERBAND DEUTSCHER SCHRIFTSTELLER“ [Universitätsbibliothek Leipzig, Nachlass Karl Bücher, NL 183/4/Scho-Schw 73-88 : Kasten S; Blatt 73-88; online: https://katalog.ub.uni-leipzig.de/Record/163-DE611HS1654180/Holdings (zuletzt abgerufen 18.10.2024)]). zuteil werden lassen. In der EinlageDie Briefbeilage ist im Original nicht überliefert, allerdings als Faksimile der Handschrift im Erstdruck, in der „Kriegsmappe des SDS“ (siehe unten). beehre ich mich Ihnen ein AutogrammWedekinds unbetitelte Stellungnahme zum Ersten Weltkrieg [vgl. KSA 5/II, S. 534; vgl. KSA 5/III, S. 490-492], die in der Anfrage ausdrücklich für „eine Mappe mit Autographen“ (siehe oben) angefordert war, als Faksimile der Handschrift dann in der „Kriegsmappe des SDS“ (siehe unten) gedruckt, die in der Anlage zur Anfrage ausdrücklich als „Autogrammwerk des S.D.S.“ [Universitätsbibliothek Leipzig, Nachlass Karl Bücher, NL 183/4/Scho-Schw 73-88 : Kasten S; Blatt 77; online: https://katalog.ub.uni-leipzig.de/Record/163-DE611HS1654180/Holdings (zuletzt abgerufen 18.10.2024)] bezeichnet ist. zu übersenden. Ein von Herrn Geheimrat ReickeDr. jur. Georg Reicke, Mitverfasser einer früheren Anfrage des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller an Wedekind (siehe unten). und Herrn Dr PresberDr. phil. Rudolf Presber, Mitverfasser einer früheren Anfrage des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller an Wedekind (siehe unten). gezeichneter Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Schutzverband Deutscher Schriftsteller, Rudolf Presber, Georg Reicke an Wedekind, 31.3.1915. Es dürfte sich bei dem verschollenen Brief um eine wohl im Frühjahr 1915 versandte erste Anfrage nach einem Beitrag für die „Kriegsmappe des SDS“ (siehe unten) gehandelt haben; es reichte „der Entstehungszeitraum der Beiträge zur ‚Kriegsmappe‘ etwa vom März bis August 1915 [...], die meisten stammten, soweit Datierungen das erkennen lassen, aus den Monaten Juni und Juli.“ [Fischer 1980, Sp. 164] läßt sich in meinen Papieren nicht finden. Ich | würde den Brief sonst auch kaum unbeantwortet gelassen haben. Indem ich Ihrem schönen UnternehmenDie „Kriegsmappe des SDS“ (1916) enthält 109 Beiträge (sowie ein Vorwort des Grafikers August Haiduk) in wohlfeiler Ausstattung (von Peter Behrens), darunter der Beitrag Wedekinds (auf Blatt 23); eine limitierte Auflage von 100 Exemplaren auf Bütten gedruckt konnte zum Subskriptionspreis von 100 Mark über die Geschäftsstelle des SDS bezogen werden, zugleich erschien im Berliner Verlag Deutscher Kurier eine günstigere Buchausgabe (4 Mark), insgesamt ein ökonomisch durchaus ertragreiches Publikationsunternehmen [vgl. Fischer 1980, Sp. 162-168]. Die „Anfang 1916“ [Fischer 1980, Sp. 162] erschienene „aufwendige Publikation“ [KSA 5/III, S. 490], angekündigt Ende 1915 [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 82, Nr. 296, 21.12.1915, S. 8016], war nur teilweise „ein kriegspropagandistisches Unternehmen“ [Fischer 1980, Sp. 164], es gab auch „eine Reihe von kritischeren Beobachtern unter den Mitarbeitern“, darunter Wedekind, dessen „Decouvrierung des deutschen Machtstrebens [...] eine durchaus hochverräterische Betrachtungsweise“ [Fischer 1980, Sp. 165] war. Der Erinnerung Joachim Friedenthals zufolge [vgl. GW 9, S. 467] drohte „wegen Wedekinds Beitrag“ [KSA 5/III, S. 492] ein Zensurverbot, eine „Beschlagnahme der ‚Kriegsmappe‘ konnte offenbar gerade noch abgewendet werden.“ [Fischer 1980, Sp. 165] Der Band enthält neben dem Beitrag Wedekinds Textbeiträge unter anderen von Peter Altenberg, Ferdinand Avenarius, Julius Bab, Franz Blei, Oscar Blumenthal, Lily Braun, Hermann Cohen, Richard Dehmel, Fritz Engel, Herbert Eulenberg, Otto Flake, Ludwig Fulda, Max Halbe, Ernst Haeckel, Maximilian Harden, Carl Hauptmann, Gerhart Hauptmann, Anselma Heine, Karl Henckell, Hermann Hesse, Arno Holz, Ricarda Huch, Gustav Kadelburg, Hans von Kahlenberg, Friedrich Kayßler, Alfred Kerr, Hermann Kienzel, Klabund, Hans Land, Ernst Lissauer, Thomas Mann, Erich Mühsam, Rudolf Presber, Georg Reicke, Gabriele Reuter, Peter Rosegger, Ernst Rosmer, Richard Schaukal, Paul Scheerbart, René Schickele, Johannes Schlaf, Wilhelm Schmidtbonn, Arthur Schnitzler, Irene Triesch und Paul Zech sowie ganzseitige Bildbeigaben unter anderen von Ernst Barlach, Max Beckmann, Käthe Kollwitz und Max Liebermann. von ganzem Herzen bestes Gelingen wünsche und mit der Bitte, den Ausdruck ausgezeichneter Hochschätzung entgegennehmen zu wollen

Ihr ergebener
Frank Wedekind.


[Entwurf der Beilage:]


Ruhmvoller als die Version landläufige Ansicht volkstümliche Überlieferung daß Deutschland von seinen Feinden eingekreist und überfallen wurde die erste Kriegsmacht der Welt von ihren Feinden eingekreist und überfallen wurde, erscheint die Auslegung Deutung Auffassung daß das Deutsche Volk die bedeutent/d/e Mehrheit des Volkes seit Jahren einen Krieg ersehnte hat in durch den sich seine Kraft und sein hoher Lebensgenuß in politische Macht umwandeln läßt werden, die von anderen Mächten nicht länger mehr übersehen und übergangen werden kann.


[Druck der Beilage (Faksimile):]


Ruhmvoller als die volkstümliche Überlieferung, daß die erste Kriegsmacht der Welt von ihren Feinden umkreist und überfallen wurde, steht die Auffassung da, daß die bedeutende Mehrheit des Volkes seit seiner Erstarkung einen Krieg ersehnte, durch den gesteigerte Kraft und gesteigerter Lebensgenuß sich in politische Macht umwandeln, die von anderen Mächten nicht länger mehr verächtlich übersehen oder gar übergangen werden kann.

Frank Wedekind.

Fritz Engel schrieb am 29. September 1915 in Berlin folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Fritz Engel vom 1.10.1915 aus München:]


Empfangen Sie besten Dank für Ihre freundliche Zuschrift, die ich gestern Abend, aus der Schweiz zurückgekommen, vorfand.

Frank Wedekind schrieb am 1. Oktober 1915 in München folgenden Brief
an Fritz Engel

München, 13.X.1915irrtümlich datiert, statt: 1.10.1915; dem Briefinhalt zufolge schrieb Wedekind den Brief am 1.10.1915 in München, am Tag nach seiner Rückkehr aus der Schweiz (siehe unten)..


Sehr verehrter Herr Fritz Engel!

Empfangen Sie besten Dank für Ihre freundliche Zuschriftnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Fritz Engel an Wedekind, 29.9.1915. Fritz Engel hat einen wohl ähnlich lautenden Brief am 7.10.1915 an Gerhart Hauptmann geschrieben (eine zweite Anfrage mit demselben Anliegen), in dem es heißt: „Die Kleiststiftung wird noch in diesem Jahre ein Jahrbuch erscheinen lassen, das ein Spiegelbild des geistigen Lebens in der Kriegszeit darstellen will und zugleich Ausblicke auf die Zukunft und die kommende Entwicklung der deutschen Kultur geben soll. / Ihren Aufgaben entsprechend will die Kleiststiftung […] auch in diesem Buche die neuen Talente zu Wort kommen lassen. Sie sollen aber geführt werden von Männern der Wissenschaft, der Kunst und des öffentlichen Lebens, die seit langem als die geistigen Führer in Deutschland gelten.“ Er formulierte dann die Bitte, „dieses Jahrbuch, das zu einem Kulturdokument der Kriegszeit werden soll, durch einen Beitrag zu unterstützen, indem Sie zu einer wichtigen Frage des deutschen Geisteslebens Stellung nehmen. Das nur einmal erscheinende Jahrbuch der Kleiststiftung soll kein Kriegsbuch werden, wohl aber soll es im erhöhten Sinne den Geist der Zeit widerspiegeln und die Erweiterung der deutschen literarischen Interessen in Politik, Philosophie und sozialem Leben zu erkennen geben.“ [Staatsbibliothek Berlin, GH Br NL A: Engel, Fritz 1, 12-13] Der gedruckte Briefkopf nennt die „KLEISTSTIFTUNG“ und den Ort „BERLIN“, der maschinenschriftliche Brief ist am Schluss nach dem Verfassernachweis „Der Vorstand der Kleist-Stiftung“ von Fritz Engel eigenhändig unterschrieben., die ich gestern Abendam 30.9.1915, an dem Wedekind aus der Schweiz zurückkehrte: „Prachtvolle Rückfahrt von Lenzburg [...] nach München [...]. Abends [...] Hoftheaterrestaurant“ [Tb]., aus der Schweiz zurückgekommen, vorfand. Es wird mir eine große Freude sein, für das Buch der KleiststiftungDer geplante Band (siehe oben) ist nicht erschienen. Informationen über das Buchprojekt gibt Fritz Engels Brief an Gerhart Hauptmann vom 7.10.1915: „Die Redaktion dieses nur einmal erscheinenden Jahrbuches, dessen gesamter Reinertrag der Kleist-Stiftung zufällt, wurde Herrn Dr. Hans Landsberg übertragen. Das Buch erscheint im Verlage Erich Reiss, Berlin W Wichmannstr. 10, an den wir Ihre Zuschrift freundlichst zu richten bitten.“ [Staatsbibliothek Berlin, GH Br NL A: Engel, Fritz 1, 12-13]. Die Adresse des Erich Reiß Verlags war neuerdings zugleich die Geschäftsadresse der Kleiststiftung: „Kleist-Stiftung, Berlin W 62, Wichmannstraße 10 (Verlag Erich Reiß)“ [vgl. Die Hauptversammlung der Kleist-Stiftung. In: Berliner Tageblatt, Jg. 44, Nr. 208, 24.4.1915, Abend-Ausgabe, S. (3)]. einen Beitrag zu liefern, nur muß ich mich einiger Vorsicht befleißen, da die Polizei gleich zu Beginn des Krieges meine Produktion überall als ,,unerwünscht“ bezeichnet hat und mir bisher die Aufgabe, in eine andere Haut zu schlüpfen, noch nicht recht gelungen ist. Trotzdem hoffe ich bestimmt, für das Kleistbuch etwas verwendbares schicken zu können.

Mit verbindlichen Grüßen Ihr ergebener
Frank Wedekind.

Frank Wedekind schrieb am 25. Oktober 1916 in München folgenden Brief
an Fritz Engel

München, 25.X.1916.


Sehr verehrter Herr Fritz Engel!

Wollen Sie mir erlauben, Ihnen aufrichtigen herzlichen Dank für die ungemein treffsicheren ZeilenFritz Engel hat einen Kommentar (ohne Verfassersigle) zum Münchner Verbot des „Simson“ (siehe unten) veröffentlicht, in dem es heißt: „Von der bayerischen Zensur ist Frank Wedekinds ‚Simson‘ […] für München unterdrückt worden, und das Verbot erinnert sehr stark an die historisch gewordene Äußerung jenes Berliner Polizeipräsidenten, dem ‚die ganze Richtung nicht paßte‘. Auch bei Wedekinds starker Dichtung ist von dem Münchener Zensurgewaltigen ‚der ganze Geist des Stückes‘ beanstandet worden. […] Die Angelegenheit spielt auch ein wenig nach Berlin herüber, denn der Ministerialreferent […] machte einige Bemerkungen, die auch uns angehen. Wenn er nach dem Bericht der ‚München-Augsburger Abendzeitung‘ gesagt hat, ‚das bayerische Volk sei künstlerisch nicht so reif, wie das von Berlin und Wien‘, so verlangt es nicht nur die Bescheidenheit, sondern die Wahrheit, auszusprechen, daß niemand in Berlin sich eine solche geistige Überlegenheit über die Süddeutschen und insbesondere über die Münchener zuerkennt. Wenn man im Ministerium ferner gesagt hat, ‚das Publikum der Berliner Kammerspiele sei kein normales, sie würden künstlerisch nur von Theaterkritikern besucht‘ – so wäre einmal dazu zu bemerken, daß dieser Satz nicht die letzte Klarheit hat, die man von einer Regierungsäußerung verlangen darf, daß weiterhin die Besucher der Berliner Kammerspiele sich von einem Geheimrat nicht werden dahin abschätzen lassen, ob sie normal oder nichtnormal sind, drittens, daß Wedekinds ‚Simson‘ überhaupt nur einige wenige Male in den Kammerspielen gespielt wurde, dagegen in einer langen Reihe von Abenden im Lessing-Theater, dessen Publikum nun noch auf eine Note im Betragen aus dem Munde der Münchener Zensurpolizei wartet. Im übrigen scheint man in München den künstlerischen Wert des ‚Simson‘ gar nicht in Frage gestellt zu haben. Es sind wieder einmal ‚sittliche Bedenken‘ maßgebend gewesen“ [„Die ganze Richtung.“ In: Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 546, 24.10.1916, Abend-Ausgabe, S. (3)]. auszusprechen, die Sie über das SimsonverbotWedekind hielt am 10.10.1916 fest: „Simson verboten.“ [Tb] Joachim Friedenthal informierte seine Zeitung über das von der Münchner Polizeidirektion erlassene Verbot [vgl. KSA 7/II, S. 1332, 1403-1406]: „Unser Münchener Korrespondent telegraphiert: Das Drama ‚Simson‘ von Frank Wedekind, das hier im Schauspielhaus aufgeführt werden sollte, ist verboten worden, obgleich es in Berlin und Wien und anderen Orts unbeanstandet gespielt werden konnte. Das Verbot wurde, wie ich erfahre, trotz der Fürsprache des früheren Generalintendanten v. Possart, des Mitgliedes des Zensurbelrats beim Ministerium des Innern, und trotz des Ministers eigener Aufmerksamkeit für das Werk erlassen.“ [Frank Wedekinds „Simson“ verboten. In: Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 521, 11.11.1916, Morgen-Ausgabe, S. (3)] schreiben. Seitdem das Stück existirt, verdanke ich Ihrem gütigen Wohlwollen dafür soviel, daß mich die kühle Ablehnung des Publicums nicht mehr beirren kann. In Ihrer Zusammenfassung des Münchner Feuilletonsder Artikel „Eine bayerische Theatergeschichte oder Zwei Ministeraudienzen Frank Wedekinds“ am 21.10.1916 in der „München-Augsburger Abendzeitung“ [vgl. KSA 7/II, S. 1406], aus dem Fritz Engel zitiert hat (siehe oben). vereinigen Sie die wesentlichen Punkte zu solcher Wirksamkeit, daß mir beim Lesen das Herz im Leibe lachte. Hoffentlich gelingt es mir, mich dankbar zu erweisen, indem ich Ihre künstlerische Billigung wieder einmal zu gewinnen vermag.

In ausgezeichneter Hochschätzung Ihr ergebener
Frank Wedekind.

Fritz Engel schrieb am 6. November 1916 in Berlin folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Brief an Fritz Engel vom 7.11.1916 aus München:]


Durch Ihr Urtheil über die Scene haben Sie mir eine sehr große Freude gemacht […]

Frank Wedekind schrieb am 7. November 1916 in München folgenden Brief
an Fritz Engel

München, 7.XI.1916.


Sehr verehrter Herr Fritz Engel!

Durch Ihr Urtheilnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Fritz Engel an Wedekind, 6.11.1916. Der Feuilletonredakteur des „Berliner Tageblatt“ hat eine Szene aus Wedekinds neuem Versdrama „Herakles“ zum Vorabdruck angenommen (siehe unten). über die Scene„Nessos“ [KSA 8, S. 262-267], die Szene II/6 aus dem Versdrama „Herakles. Dramatisches Gedicht in drei Akten“ (1917), die zuerst geschriebene Szene des Stücks [vgl. KSA 8, S. 870], die Wedekind am 30.10.1916 beendet hatte: „Nessos fertig geschrieben.“ [Tb] „Eine Abschrift schickte Wedekind an den Redakteur und Kritiker des ‚Berliner Tageblatts‘, Fritz Engel, der den Text wohlwollend aufnahm und zum Abdruck empfahl.“ [KSA 8, S. 870] haben Sie mir eine sehr große Freude gemacht, umsomehr, da ich die Scene noch niemandem zu lesen gegeben habe und doppelt auf Ihr Urtheil gespannt sein mußte. Mit dem Honorar von M. 200,‒ und der Veröffentlichung um WeihnachtenWedekinds Szene „Nessos“ aus „Herakles“ (siehe oben) erschien im Vorabdruck zusammen mit Texten von Heinrich Mann, Hermann Sudermann, Lovis Corinth, Max Bernstein, Heinrich Lilienfein, Hugo Salus, Johannes Vilhelm Jensen, Hans Brennert und Will Vesper in einer Weihnachtsbeilage des „Berliner Tageblatts“ unter der Gesamtüberschrift „Zum dritten Male Weihnacht im Kriege! Verse, Erinnerungen und Geschichten“; dem Text Wedekinds ist folgende redaktionelle Einleitung vorangestellt: „In dieser hier zum ersten Male gedruckten Dichtung gestaltet Frank Wedekind ein Stück der Heraklessage. Herakles tötet den Kentauren Nessos, der sich an Dejaneira vergreift, als er sie über den Fluß Euenos tragen soll. Sterbend gibt der Kentaur der Dejaneira einen Liebeszauber: sein Blut, gemischt mit dem Gift vom Pfeil des Herakles. In Wahrheit ist dieser Zauber ein Rachewerk. Als Dejaneira, eifersüchtig auf Jole, Herakles mit einem vom Blute des Nessos getränkten Gewande bekleidet, brennt das Gift dem Unglücklichen das Fleisch vom Leibe. Diese Sage hat in den ‚Trachinerinnen‘ Sophokles behandelt. Wedekinds Szene klingt in dem Hohn des Nessos aus, der für sein Todesgeschenk den mitleidigen Dank Dejaneiras hört.“ [Frank Wedekind: Nessos. In: Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 658, 24.12.1916, Morgen-Ausgabe, 4. Beiblatt, S. (2-3), hier S. (2)] bin ich einverstanden.

Mit ausgezeichneter Hochschätzung und ergebenstem Gruß Ihr
Frank Wedekind.