Kennung: 94

Mailand, 9. Dezember 1900 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Donald (Doda)

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Mein lieber Frank!

Ich habe gestern an Mieze geschriebenDer Brief Donald Wedekinds an Erika Wedekind vom 8.12.1900 ist nicht überliefert. und sie gebeten mir für das Jahr 1901 eine Rente von 250 M. monatlich auszusetzen. Ich habe in dem Brief darauf hingewiesen, daß ich mich, wenn Du in der Lage wärst das Geld aufzubringen, an dich gewandt hätte, daß ich ihr für das Geld Schuldner bin, was nicht ganz gehaltlos ist, da ich in demselben Briefe da|rauf hinweise, daß die Unterstützung dazu dienen soll mir ein Jahr Arbeitszeit zu gewähren, damit ich mich aus meiner Misère herausbringe. Ich fügte des Weiteren bei, daß auch du vielleicht geneigt wärst, für die Wiedererstattung einzustehen. Das Alles nur, damit, so man sich vielleicht an dich wendet, du weißt, worum es sich handelt und was mein nicht wankend zu machender Wille ist. Ich habe von Mieze dann auch in dem Sinne d/A/bschied genommen, daß ich ihr er|klärte eine Nichtbeachtung, eine nur teilweise Erfüllung oder vollständige Zurückweisung meines Wunsches würden meinen Tod in der Nacht von 1900 auf 1901 zur Folge haben, daß ich die Regelung der Sache gerne bis Weihnachten sähe um wenigstens meine letzten Festtage mit dem Bewußtsein der Entschiedenheit meines Looses zu verleben. Ich bemerkte ferner, wie ich auch dir gegenüber gerne betone, daß, wenn ich zum Äußersten komme, ich solches ausfüh|ren werde ohne Groll gegen sie, ich wiederhole dasselbe in Bezug auf das Verhältniß von dir zu mir, niemand trägt Schuld daran, niemand, niemand, niemand ...

Ich war mit zu wenig Kräften ausgestattet um eine freie Laufbahn betreten zu können, wie du sie für mich ausgesucht, anderseits habe ich vieles genossen, was ich, wäre ich auf dem meinen Anlagen entsprechenden Wege geblieben, nicht hätte tun können und weshalb ich auch jetzt leicht sterbe

Zerbrich dir nicht | den Kopf darüber, was du für mich tun kannst. Das Einzige, mich in München in deiner Nähe zu unterhalten, kann ich nicht annehmen, das ist mein Stolz, vielleicht auch nur meine Eitelkeit. Unterstütze meine Bitte bei Mieze in jeder Hinsicht, das ist Alles, lieber Frank, Alles, was ich verlange.

Und nimm nochmals die Versicherung entgegen, daß ich niemals einen ernstlich bitteren Gedanken gegen dich gehegt, niemals hegen wer|de und daß ich heute noch, da ich vor der letzten Scene meiner leeren Lebensfarce stehe, dir dankbar bin für eine gewisse Weitsicht, durch die ich doch vielleicht etwas mehr als das gewöhnliche Menschenvieh zu genießen vermochte. Damit und mit treuem, brüderlichem Kuß dein
Donald


Mailand, Via Medici 15
den 9. Dez. 1900

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 6 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11,5 x 18 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Frank Wedekind notierte auf Seite 1 oben mit Bleistift das Datum „9.12.00“ und mit rotem Buntstift eine Raute („#“).

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Mailand
    9. Dezember 1900 (Sonntag)
    Sicher

  • Absendeort

    Mailand
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 304
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Donald (Doda) Wedekind an Frank Wedekind, 9.12.1900. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

20.12.2023 16:21