Kennung: 888

Hamburg, 18. Januar 1899 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Heine, Beate

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

BH


Hamburg,
Eichenallée 11.
II.


Mein lieber Freund – ich wollte gern gleich auf Ihren lieben Briefvgl. Wedekind an Beate Heine, 7.1.1899. antworten, aber jede Muße hat mir in letzter Zeit gefehlt, deshalb schreibe ich erst heut. Vielen Dank für Ihre Zeilen. So haben Sie also doch keinen Weihnachtsgruß am 24stenDas Weihnachtspaket für Wedekind mit Beate Heines Begleitbrief [vgl. Beate Heine an Wedekind, 20.12.1898] war verspätet über Zürich nach Paris zu ihm gelangt, wie er ihr schrieb [vgl. Wedekind an Beate Heine, 7.1.1899]. gehabt ‒ ich glaube fast, das thut mir weher, als Ihnen! Aber – das gilt nicht, liebster Freund, die Mappe wird gebraucht, u. zwar immer, denn dazu ist sie erdacht. Ich habe mich sehr über die plumpe innerliche Calliquot-AusstattungCallicot ist ein feiner Stoff, aus dem Kleidung hergestellt wurde (vor allem Hemden oder Unterwäsche ‒ oder als Futter verwendet), in den aber auch Notiz- oder Geschäftsbücher eingebunden wurden. Insofern bezieht sich die Bemerkung auf die Schreibmappe, die Beate Heine Wedekind zu Weihnachten geschenkt hat. geärgert – aber es war nicht mehr zu ändern, u. die Praktik hindert es weiter nicht, das ist mein Trost. Was reden Sie denn aber nur „Sie seienEs folgt ein Briefzitat [vgl. Wedekind an Beate Heine, 7.1.1899]. ein lästigerim Briefzitat (siehe oben); im nur gedruckt zugänglichen Brief [vgl. Wedekind an Beate Heine, 7.1.1899]: lässiger. u. platonischer Freund“ – glauben Sie, wer Sie lieb hat, der möchte Sie nicht anders haben, als Sie gerade sind, und, wenn der Fluß des Goldes mal zu Ihnen den Weg findet, da | will ich mir mit Freude von Ihnen etwas schenken lassen – Sie geben mir genug, das ich Ihnen nicht erwiedern kann, deß sein Sie sicher! Also – Sie sitzen an Casanovas Platz café de la régence! Das Historische ist gar zu schön in Paris – das giebt Allem solch großartigen Hintergrund, denke ich. Mit Ihren Beziehungen zu Langen haben Sie recht, sie sind nicht schön – ich wollte, Sie hätten sie nicht nöthig – aber schließlich hat die Sache doch ihre Berechtigung – da Sie doch wirklich durch L. plötzlich brotlos wurden! Mit dem Erdgeist ist’s wirklich, als sollten Sie ihn nicht loswerden. Nun, gegen eine Aufführung stemmen würde ich mich schließlich auch nicht. Sie haben aber recht, daß Sie Ihre angefangene Arbeit nicht, den Geschäften zu Liebe, liegen lassen. Nur fürchte ich, wenn Sie mit solcher Hast u. tant soit peu(frz.) ein bisschen. Unlust dran arbeiten, dann wird es vielleicht nicht so, wie Sie | u. wir hoffen – versuchen Sie bitte, es gern zu thun, sich darin, als vornehmste Aufgabe, zu vertiefen – u. es nicht gar als Fessel zu empfinden – zu nächster Saison können Sie dann mit aller Ruhe die BalletsWedekinds Tanzpantomimen, darunter „Die Kaiserin von Neufundland“ (1897) – in seinen Briefen an sie explizit erwähnt [vgl. Wedekind an Beate Heine, 15.12.1898] sowie allgemein als eines der Ballette [vgl. Wedekind an Beate Heine, 7.1.1899]. unterbringen u. entrirenbeginnen, anbahnen, einfädeln, in die Wege leiten.! – Kannten Sie Meier-Gräfe schon? Ich bin begierig, ob die alte Herweghmit den schönen DétailsBeate Heine zitiert hier wohl eine frühere mündliche Äußerung Wedekinds über Emma Herwegh; das Zitat stammt jedenfalls nicht aus Wedekinds nur gedruckt zugänglichen letzten Brief [vgl. Wedekind an Beate Heine, 7.1.1899].“ noch dieselben Reize für Sie haben wird, wie damals – ich begreife, daß Sie jetzt ge keine Geselligkeit suchen – aber vielleicht wäre etwas davon nicht unzuträglich – so als kleine Ausspannung für Ihre in der Arbeit geknechteten Nerven? Und ich brenne vor Neugier, wie u. wo Sie Grétor zu Gesicht kriegen – die Daten über ihn sind wieder so ächt, daß mein Mann und ich laut gelacht haben beim Lesen. Wenn aus unserer Paris-Reise etwas werden sollte, so würde mir Grétor als Pariser Figur doch unentbehrlich scheinen, | so sehr haben Ihre Erzählungen ihn mir mit Paris verknüpft. – – Wir haben die Weihnachtstage ganz still en deux(frz.) zu zweit. verlebt, aber das war auch sehr schön. Denken Sie, Carl hatte noch am 24sten bis ½ 4 Uhr Probe – dann erst begannen seine 22stündigen Ferien. Am heiligen Abend haben wir Ihrer viel gedacht. Ich hatte vorher tüchtig raxen(schweiz.) rackern, sich abrackern, schinden. müssen, um mit Allem fertig zu werden, da ich Alles, für unser beider Familien, selbst besorgen musste, Carl hatte täglich Riesenproben zu GollingerDas Lustspiel „Mathias Gollinger“ (1898) von Oscar Blumenthal und Max Bernstein hatte am 25.12.1898 am Carl Schultze-Theater (Direktion: José Ferenczy) mit Carl Heine als artistischem Leiter und Oberregisseur [vgl. Neuer Theater-Almanach 1899, S. 367] Premiere ‒ ein Gastspiel von Felix Schweighofer, der die Titelrolle spielte [vgl. Neue Hamburger Zeitung, Jg. 3, Nr. 602, 24.12.1898, Abend-Ausgabe, 1. Beilage, S. (4)]., der dann am I Feiertage mit glänzendem Erfolge in Scene ging. Leider war das Geschäft hinterher garnicht diesem Erfolge entsprechend – warum, wissen die Götter – amüsirt haben sich die Leute herrlich – gelacht in einem fort! Wissen Sie, übrigens – ohne Schweighofer, der seine ganze liebenswürdige Persönlichkeit in die Rolle hineintrug – muß das | Stück durchfallen – es ist zu jammervoll schlecht. In Schweighofer lernten wir einen durchaus feinen, reizend liebenswürdigen Menschen u. Künstler kennen – als letzterer ist er zwar Virtuos, macht zuviel, u. viel Mätzchen, aber er kann soviel, daß das schon allein eine Freude ist. Er ist furchtbar komisch, u. im nächsten Augenblick rührt er einen zu Thränen – u. seine Technik, sprachlich u. körperlich ist erstaunlich. Dabei ein Fleiß, eine Gewissenhaftigkeit! Wir hatten ihn einmal hierals Gast in der Hamburger Wohnung von Beate und Carl Heine (Eichenallee 11, 2. Stock)., u. einmal bei Pfordteim berühmten Feinschmecker-Restaurant des Spitzenkochs Franz Pfordte in Hamburg (Plan 10) [vgl. Hamburger Adreß-Buch für 1899, Teil III, S. 457], der französische Küche kultivierte, kombiniert mit norddeutschen Regionalgerichten. zu Gast, u. waren auch einmal bei ihm eingeladen – er fand uns augenscheinlich sehr nach seinem Herzen. Den Tag nach seinem letzten Auftreten gaben wir Hedda GablerPremiere von Henrik Ibsens Schauspiel „Hedda Gabler“ am Carl Schultze-Theater in Hamburg unter der Regie von Carl Heine war am 11.1.1899, wie die Presse meldete: „Neu einstudirt und von Dr. Carl Heine inscenirt wird heute ‚Hedda Gabler‘ gegeben.“ [Carl Schultze-Theater. In: Hamburger Nachrichten, Nr. 9, 11.1.1899, Morgen-Ausgabe, 1. Beilage, S. (2)].. Das war für uns eine Probe auf’s Exempel. Die Vorstellung war nämlich wirklich wundervoll, in Vielem bedeutend besser als die damalige„Hedda Gabler“ stand im Vorjahr auch auf dem Programm von Carl Heines Ibsen-Theater, bei dem Wedekind angestellt und mit ihm auf Tournee gewesen war. So wurde „Hedda Gabler“ bei dem Gastspiel des Ibsen-Theaters in Hamburg am 11.4.1898 oder in Wien am 8.6.1898 aufgeführt. – u. wenn diese Vorstellung nicht anerkannt wurde – dann lohnte es eben nicht, sich hier Mühe zu geben. | Nun aber – es wurde anerkannt; was das Wichtigste war vor Allem: in den Hamburger NachrichtenIn der Besprechung der „Hedda Gabler“-Inszenierung am Carl Schultze-Theater in den „Hamburger Nachrichten“ (gezeichnet: g-z.) heißt es: „Dr. Heine ‒ als früherer Leiter der Leipziger Ibsen-Bühne auch bei uns so renommirt wie bekannt ‒ hatte eine vollendete Darstellung des Werkes herausgebracht. [...] Es war geradezu eine Mustervorstellung.“ [Hamburger Nachrichten, Nr. 10, 12.1.1899, Abend-Ausgabe, S. (2)]; – „vollendet“ u. „tadellos“ – dies waren die Ausdrücke, in denen sich das Referat bewegte. Sie können denken, wie wir uns drüber freuten; auch das Publikum war sehr entzückt, kurz, es war wirklich mal was, das einen etwas hob. Die SchauspielerBei Carl Heines Inszenierung von Ibsens Schauspiel „Hedda Gabler“ am Carl Schultze-Theater in Hamburg spielten Emmy Förster die Titelrolle, Max Henze den Jörgen Tesman und Meta Bünger die Tante Jule, weitere Darsteller waren Therese Schrodt, Louis Nerz und Max Pütz. waren auch natürlich mit erfreut, sie hatten ehrlich geschuftet u. es war mir eine Freude, mal wieder in den Proben zu sein, u. Fühlung mit Allem zu haben. Jetzt gastirt LautenburgDas Ensemblegastspiel des Berliner Residenztheaters (Direktion: Sigmund Lautenburg) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1899, S. 257] am Carl Schultze-Theater in Hamburg fand an vier Abenden mit jeweils zwei Stücken vom 14.1.1899 (Samstag) bis 17.1.1899 (Dienstag) statt. Gespielt wurde der Schwank „Mamsell Tourbillon“ von Curt Kraatz und Heinrich Stobitzer, davor das einaktige historische Lustspiel „Der Küchenjunge“ von Adolphe Aderer und Armand Ephraim (deutsch von Franz Wagenhofen). Für das Gastspiel wurde das Bühnenbild, die „dekorative [...] reiche Ausstattung des berliner Residenz-Theaters nach Hamburg dirigirt [...], so daß wir beide Neuheiten genau nach der berliner Aufführung zu sehen bekommen.“ [Altonaer Nachrichten, Nr. 12, 14.1.1899, Morgen-Ausgabe, S. (3)] Das Gastspiel war ein Erfolg des Carl Schultze-Theaters. „Der tolle Schwank ‚Mamsell Tourbillon‘ [...] brachte der Direktion am Sonntag ein total ausverkauftes Haus und bei den Wiederholungen am Montag und Dienstag volle Häuser. ‒ Allgemeine Bewunderung erregt auch die Empire-Ausstattung der Scenerie von ‚Der Küchenjunge‘, sowie die Darstellung des vornehm interessanten Einakters.“ [Neue Hamburger Zeitung, Jg. 4, Nr. 31, 19.1.1899, Morgen-Ausgabe, S. (2)] mit Küchenjunge u. Mamsell Tourbillon u. Carl, der heut auf 2 Tage nach Berlin gefahren ist zur Sudermann-Première„Die drei Reiherfedern. Ein dramatisches Gedicht“ (1898) von Hermann Sudermann hatte am 21.1.1899 Premiere am Deutschen Theater (Direktion: Otto Brahm) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1899, S. 251] in Berlin (Beginn der Vorstellung: 19 Uhr) [vgl. Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 33, 20.1.1899, Morgen-Ausgabe, S. (9)]. Die Vorstellung des märchenhaften Versdramas in 5 Akten war ausverkauft., studirt inzwischen die 4 Hartlebenschen EinakterCarl Heine bereitete die Inszenierung von Otto Erich Hartlebens Einakter-Zyklus „Die Befreiten“ (1899) am Carl Schultze-Theater in Hamburg vor (Premiere: 29.1.1899), aus den Stücken „Der Fremde“, „Die sittliche Forderung“, „Abschied vom Regiment“ und „Die Lore“ bestehend. Eine Besprechung (gezeichnet: P.M.) meinte zur Premiere: „Der gestrige Nachmittag, an dem mit der Einaktersammlung ‚Die Befreiten‘ Otto Erich Hartlebens begonnen wurde, hätte ein größeres Publikum verdient, als er fand.“ [Neue Hamburger Zeitung, Jg. 4, Nr. 50, 30.1.1899, Abend-Ausgabe, S. (1)]. Im Uebrigen dachten wir schon, hier an’s Thalia-Theater engagirt zu werden – in Straßburg ist nämlich Dr. KrüklFrank Xaver Krükl, am 14.9.1892 an das Stadttheater in Straßburg berufen und seitdem dort Direktor [vgl. Neuer Theater-Almanach 1899, S. 504], starb am 12.1.1899 in Straßburg. Sein Nachfolger wurde Joseph Engel. plötzlich gestorben, u. | man hat Dr. GellingHans Gelling war Regisseur, artistischer Leiter und stellvertretender Direktor am Thalia-Theater in Hamburg [vgl. Neuer Theater-Almanach 1899, S. 366]. vom Thalia-Theater berufen – aber es scheint, er bleibt hier. Carl will jetzt sehen, in Berlin anzuknüpfen. Wir enden doch schließlich dort, ob im LessingtheaterDirektor des Lessingtheaters in Berlin war Otto Neumann-Hofer [vgl. Neuer Theater-Almanach 1899, S. 254]. oder anderswo, wird sich zeigen. Ach, übrigens haben ich letzthin Blumenthal kennen gelerntDas war den Pressemeldungen zufolge entweder am 31.12.1898 (Samstag) oder wahrscheinlicher am 1.1.1899 (Sonntag). „Herr Oscar Blumenthal wird am Sonnabend und Sonntag den ‚Gollinger‘-Vorstellungen beiwohnen.“ [Neue Hamburger Zeitung, Jg. 3, Nr. 603, 28.12.1898, Morgen-Ausgabe, S. (3)] „Am Neujahrstage werden die Autoren Dr. Oscar Blumenthal und Max Bernstein der Aufführung von ‚Mathias Gollinger‘ mit Felix Schweighofer als Gast beiwohnen.“ [Hamburger Nachrichten, Nr. 306, 31.12.1898, Morgen-Ausgabe, S. (4)] Bei dem Essen im Anschluss an die Vorstellung im Carl Schultze-Theater war Max Bernstein wohl nicht dabei; ob Felix Schweighofer dabei war, ist unklar. („mit die listige Schächeraugen“, wie Schweighofer sagt) – wir fuhren nach der Gollinger-Aufführung zusammen Abendbrot essen, ein Agentnicht identifiziert (ein Theateragent). war noch dabei und ich kann Ihnen sagen, in meinem Leben hab ich noch nicht so viel u. so schnell u. so eklig u. gewandt von Geschäft u. Geld u. Geld u. Geschäft reden hören! Mir ist förmlich übel geworden, u. als Blumenthal, der doch vielleicht auch sowas empfand, zu mir sagte: Gnädige Frau, Sie finden das wohl schrecklich, diese Geschäfts/e/gespräche? da sagte ich aus voller Seele: ja, fürchterlich! Uebrigens war er sehr hold | zu uns u. schrieb nachher an Carl einen sehr schmeichelhaften Brief zum VeröffentlichenDer Brief Oscar Blumenthals an Carl Heine wurde veröffentlicht: „Hamburg. 8. Januar 1899. Herrn Dr. Carl Heine, Hamburg. Werther Herr Doctor! Aufgrund Ihrer freundlichen Einladung bin ich nach Hamburg gekommen, um einer Vorstellung von ‚Mathias Gollinger‘ im Carl Schultze-Theater beizuwohnen und kann nicht scheiden, ohne Ihnen meine Freude über die angenehmen Eindrücke auszusprechen, die ich empfangen habe. Um die geniale Schöpfung von Felix Schweighofer, der die Titelrolle mit seinem ganzen sprudelnden Temperament und seiner lebensvollen Komik beseelt, haben Sie ein Ensemble gruppirt, das liebevoll und hingebend alle Intentionen der Verfasser in Anschauung und Leben zu übersetzen versucht hat, und wenn wir gemeinsam einen so schönen und vollen Erfolg errungen haben, so darf auch Ihre feinfühlige Regiekunst einen reichlichen Antheil an diesem glücklichen Ergebniß beanspruchen. Mit aufrichtiger Ergebenheit (gez.) Oscar Blumenthal.“ [Altonaer Nachrichten, Nr. 3, 4.1.1899, Morgen-Ausgabe, S. (3)]. – Gesellschaftlich leben wir ablosutSchreibversehen (oder Verballhornung), statt: absolut. still. Im Moment hat Carl ja die Abende frei und da haben wir uns vorgenommen, Theater u. Variété mal anzusehn. – Was ich stets vergessen habe zu schreiben – daß wir entzückt waren, sowohl vom Wegerich-Gedichtnach dem Wegerich benannt, einem wild wachsenden Heilkraut. Beate Heine bezieht sich auf das unter dem Pseudonym Hase (= Korfiz Holm) am 19.11.1898 im „Simplicissimus“ veröffentlichte Gedicht (überschrieben mit dem alten Spruch „Das Wegekraut sollst lassen stahn, / Hüte dich, Jung, sind Nesseln dran!“), das in Anspielung auf die Majestätsbeleidigungsaffäre von einem vom Staatsanwalt verfolgten Narren handelt, der jenes Kraut sät; die Schlussstrophe lautet: „Ist keiner, der es hege, / Denn schmucklos ist sein Kleid, / Doch wächst es an dem Wege, / dem Weg zur neuen Zeit. / Der Wind geht kalt und schneidend, / Der Blümlein Glanz verblich, / Verfolgt, gehetzt und leidend, / So blüht der Wegerich.“ [Simplicissimus, Jg. 3, Nr. 34, S. 266]. als vom simplicianischen Erlkönigdas am 3.12.1898 unter dem Pseudonym Iste (= Ludwig Thoma) veröffentliche Gedicht „Der simplicianische Erlkönig“, das von Wedekinds und Albert Langens Flucht in die Schweiz infolge der Majestätsbeleidigungsaffäre handelt und dabei Goethes „Erlkönig“ (1782) adaptiert, wie die erste Strophe durch das Zitat zum Auftakt explizit markiert („Wer reist so spät durch Nacht und Wind? / Herr Langen und Herr Wedekind. / So nachts zu reiten ist kein Genuß, Und das kommt vom Hieronymus.“ [Simplicissimus, Jg. 3, Nr. 36, S. 1898] Im Gedicht ist von Grog und Rum (siehe unten) die Rede, in der zweiten Strophe („Herrn Wedekind fröstelt’s im Dichterrock: / ‚O spende, Verleger, mir einen Grog!‘“) und in der achten Strophe („‚Ich kann jetzt nicht dichten; der Durst bringt mich um: / O Langen, nur einen Grog von Rum!‘ / ‚O daß doch die Dichter so durstig sind! / Ich hole den Grog dir, mein Wedekind!‘“) – letzterer rief uns Sie ganz zurück – wenn mein Mann über Zahnschmerzen oder Verstimmtheit klagte, in jedem Fall pflegten Sie dann zu sagen: Herr Doctorr trrinken Sie einen Grrog u. RrumGrog und Rum (mit dem Wedekind imitierenden rollenden R geschrieben) – Bezug zum „Simplicissimus“-Gedicht „Der simplicianische Erlkönig“ (siehe oben).!! – Und nun will ich für heut schließen – obwohl mir ist, als hätte ich Ihnen noch viel mitzutheilen. Schicken Sie uns mal etwas von Ihrem Drama oder erst wenn’s fertig ist? – Carl grüßt Sie von Herzen mit mir und ich bleibe immer
Ihre sehr getreue
Beate Heine.


d. 18.1.99.


Ich habe zu Weihnachten einen himmlischen weißen Morgenrock bekommen, ich würde ihn Ihnen gern vorführen, da er (mir wirklich gut steht.) u. Ihnen gefallen würde!


[Seite 1 oben, um 180 Grad gedreht:]

Wie steht’s jetzt eigentlich mit Ihrem Schnurrbart? Ist er schon wieder zu alter Schöne gediehen??

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 8 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13 x 17,5 cm. Mit gedrucktem Monogramm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Das auf jedem Doppelblatt aufgedruckte Monogramm (Seite 1 und 5) ist nur auf Seite 1 wiedergegeben. Oben auf Seite 1 hat Wedekind unter der Adresse das Datum „20.I.99.“ notiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der Empfang des Briefs am 20.1.1899 ist durch Wedekinds Datumsnotiz belegt.

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 65
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Beate Heine an Frank Wedekind, 18.1.1899. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

02.10.2024 14:19