HOTEL TEGETTHOFFWedekind war seit dem 21.1.1911 in Wien: „Ankunft in Wien. Wir wohnen Hotel Tegetthoff.“ [Tb] Er hat früher schon in diesem Hotel logiert (so bereits 1907, 1908, 1909)., I. JOHANNESGASSE 23, WIEN
TELEGRAMM-ADRESSE: TEGETTHOFFHOTEL, WIEN. INTERNATIONALER
HOTEL-TELEGRAPHEN-CODE.
Sehr geehrter Herr Gutmann!
Beiliegend der Kontraktnicht überliefert. Hinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zu einem Gastspielvertrag; erschlossenes Korrespondenzstück: Willy Nordau an Wedekind, 24.1.1911. Willy Nordau, Direktor des Residenztheaters in Kassel [vgl. Neuer Theater-Almanach 1911, S. 361], hatte Interesse an einem weiteren Gastspiel Wedekinds [vgl. Wedekind an Emil Gutmann, 2.1.1911], das nicht zustande kam. von Cassel. Ihr Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Emil Gutmann an Wedekind, 25.1.1911. kam mir
sehr überraschend. Ich hatte hier noch keine Zeile geschrieben und glaube auch
nicht daß ich in diesen Tagen noch dazu komme. Die Premiere verlief über
Erwarten gutWedekind, der vom 23. bis 29.1.1911 ein Gastspiel an der Kleinen Bühne in Wien hatte, wo sein Versdrama „Der Stein der Weisen“ (1909) uraufgeführt wurde (insgesamt 7 Vorstellungen), notierte am 23.1.1911: „Um 3 Uhr Generalprobe [...] Um 8 Uhr Vorstellung. [...] Uraufführung von Stein der Weisen. Starker Beifall“ [Tb]. Die Pressekritik zeichnete sich zwar durch „Ungleichgewichtigkeit“ [KSA 6, S. 1005] aus, die Generalprobe und Uraufführung waren gleichwohl ein Erfolg [vgl. KSA 6, S. 1014-1016]: „Der ‚Stein der Weisen‘ wurde gestern nachmittag zuerst einem geladenen Publikum vorgeführt, das der interessanten und originellen Dichtung mit großem Interesse folgte.“ [E.B.: Frank Wedekind in der Kleinen Bühne. In: Neues Wiener Journal, Jg. 19, Nr. 6199, 24.1.1911, S. 8] „Wedekind als Darsteller des Alchimisten [...] ist ein sehr guter Sprecher, und er verstand es, den geistigen Gehalt seiner Rolle herauszuschälen. Das Publikum dankte ihm durch freundlichen Beifall, der auch Frau Tilly Wedekind, die sich in der Verwandlungsrolle als gewandte Schauspielerin erwies, [...] in gleichem Maße galt.“ [Frank Wedekind in der „Kleinen Bühne“. In: Neues Wiener Tageblatt, Jg. 45, Nr. 24, 24.1.1911, S. 13] „Wedekind spielt selbst mit seiner starren Eindringlichkeit den Alchimisten, seine Frau Tilly die Metamorphose von Lehrling, Balletteuse und Narr mit intelligenter Deklamation. Man applaudierte ihnen sehr lebhaft.“ [c.h.: Kleine Bühne. In: Die Zeit, Jg. 10, Nr. 2994, 24.1.1911, Morgenblatt, S. 3] „Das Publikum war von dem Gebotenen mehr bestürzt als begeistert. Aber das war es vermutlich, was Wedekind hatte erreichen wolle.“ [Kleine Bühne. In: Wiener Abendpost. Beilage zur Wiener Zeitung, Nr. 19, 24.1.1911, S. 7] „Die Dichtung übte stärkere Wirkung, als man gedacht, ihre grandiose Führung zwang auch Gegner in den Bann. Die Fülle der in diesem Buch souverän gebändigten Elemente nahm bald gefangen.“ [p.f.: Wedekind in Wien. In: Wiener Allgemeine Zeitung, Nr. 9845, 25.1.1911, S. 3] „‚Der Stein der Weisen‘, die neueste Dichtung Frank Wedekinds, [...] hat zu Recht Aufsehen erregt. Dieses Werk Wedekinds ist von solcher dramatischer Kraft, so erfüllt von bizarren Gedanken und doch wieder dichterischen Feinheiten, daß das Interesse, das ihm entgegengebracht wird, über die literarischen Kreise weit hinausgeht, wie der starke Besuch beweist, den die Kleine Bühne gegenwärtig zu verzeichnen hat.“ [Frank Wedekind in der Kleinen Bühne. In: Arbeiter-Zeitung, Jg. 23, Nr. 26, 26.1.1911, Morgenblatt, S. 7], aber gestern Abendder 24.1.1911. Der Hinweis erlaubt die Datierung des vorliegenden Briefs auf den Folgetag. war der Besuch sehr schwachWedekind notierte zur zweiten Vorstellung seines Versdramas „Der Stein der Weisen“ an der Kleinen Bühne in Wien am 24.1.1911: „2. Vorstellung. Das Haus ist leer“ [Tb]. Sein Stück wurde gleichwohl nach der vierten Vorstellung verlängert, wie er am 26.1.1911 festhielt: „Wie verlängern das Gastspiel um zwei Tage.“ [Tb]. Am 3.IIEmil Gutmann organisierte eine bereits angekündigte Veranstaltung [vgl. Wedekind an Emil Gutmann, 3.1.1911], die am 3.2.1911 mit Frank und Tilly Wedekind sowie Alexander Roda Roda im Hotel Vier Jahreszeiten stattfinden sollte, beworben als „Bunter Abend (‚Scherz, Ernst, Satire und Ironie‘)“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 24, 16.1.1911, Generalanzeiger, S. 2], und auch stattfand. Wedekind notierte am 3.2.1911: „Abend mit Roda Roda in 4 Jahreszeiten.“ [Tb] Die Presse hatte morgens gemeldet: „Heute finden statt: Im Jahreszeitensaal pünktlich 8 Uhr abends der bunte Vortragsabend Frank und Tilly Wedekind und Roda Roda.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 56, 3.2.1911, Morgenblatt, S. 3] Das „Konzert-Bureau Emil Gutmann“ hatte am Vorabend nochmals angezeigt: „Morgen Freitag, 8 Uhr BUNTER ABEND Frank und Tilly WEDEKIND RODA RODA Rezitationen eigener heiterer und ernster Dichtungen, Schwänke und Schnurren, Lieder zur Laute etc.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 55, 3.2.1911, Vorabendblatt, S. 3] könnte
ich vielleicht zwei Akte aus Oaha vorlesenWedekinds Vorschlag reagiert auf ein Zensurverbot, die angekündigte Veranstaltung am 3.2.1911 (siehe oben) betreffend; „die Polizeidirektion“ München hatte „mehrere Vortragsstücke für die öffentliche Vorlesung verboten.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 42, 26.1.1911, Morgenblatt, S. 2] Die Presse berichtete über die Programmänderung: „‚Scherz, Ernst, Satire und Ironie‘. Das Programm des bunten Vortragsabends am Freitag, 3. Febr., im Jahreszeitensaale wurde infolge des Polizeiverbotes nunmehr wie folgt festgestellt: Frank Wedekind wird zwei Akte seiner noch unaufgeführten Witzblatt-Satire ‚Oaha‘ vorlesen, Roda Roda eine Humoreske ‚Die Hausfrau, die Wirtschaft und die Sekretärin‘, sowie eine reiche Auswahl neuer Schwänke und Schnurren; Tilly Wedekind wird nach einer kurzen Einleitung (‚Aufklärungen‘) Frank Wedekinds von diesem auf der Laute begleitet, folgende Lieder singen: Der Taler, Die Wetterfahne, Franziskas Abendlied, Des Glückes Laune, Der blinde Knabe, Das arme Mädchen, Ilse, Brigitte B., Mein Lieschen.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 47, 29.1.1911, S. 3]. Das ist das einzige, was ich in
München noch nicht vorgelesen habe. Sonst wüßte ich keinen Ausweg als meine
Mitwirkung wegfallen zu lassen.
Mit besten Grüßen
Ihr
ergebener Frank Wedekind.