Berlin, 29/10 97.
Mein lieber, lieber Schatz!
Ich will doch nicht hoffen, dass Du so schnell an
Dir verzweifelnHinweis auf einen nicht überlieferten Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Gustav Rickelt, 27.10.1897. Julia Rickelts Gatte hat den Empfang dieses Briefs, den er seiner Frau vorgelesen hat, bestätigt [vgl. Gustav Rickelt an Wedekind, 28.10.1897]. wirst, verliere nur den Muth nicht auch wenn dieses Stückdie Komödie „Die junge Welt“ (1897), die Wedekind nach Berlin geschickt hat [vgl. Gustav Rickelt an Wedekind, 28.10.1897]. Wedekind hatte sich bisher erfolglos um eine Aufführung seines Stücks bemüht, zuletzt am Dresdner Hoftheater [vgl. Wedekind an Nikolaus von Seebach, 24.10.1897], das es ablehnte. kein
Glück hat. Dass es dort nicht gefallen hat, das beweisst ja noch nicht viel. Du
kannst Dir gar nicht vorstellen, wie gern ich bei Dir wäre, ich habe ja wohl
kein Recht, mich in Deine Angelegenheiten
so zu drängen, aber ich kann ja nicht dafür, dass ich Tag und Nacht nur an Dich
denke. | Mache dir sonst keine Gedanken darüber, es ist mein Schicksal, was ich
sehr gern trage und gern gebe ich mein ganzes Glück um Dir damit zu dienen. Es
ist gewiss sehr arrogant von mir, da ich Dir doch nicht helfen kann, Dir
dennoch etwas sein zu wollen. und wenn ich nur wüsste, dass Jemand da ist der für Dich was thun wollte
ich würde mich bescheiden
zurückziehen. Lieb, Frank, es ist mir heute so schwer, das alles zu schreiben
was ich eigentlich wollte, die Nacht schlief ich nicht und schon um 7 Uhr kam
W.D.nicht identifiziert (eine männliche Person). von seiner Reise | zurück und zu uns. Es ist jetzt ein Uhr Mittag, er ist
mit G. in die Stadt gegangen, ich habe mich herrausSchreibversehen, statt: heraus. schwindeln müssen um nicht
mitgehen zu brauchen. Du erwartest ja keinen Brief von mir, aber ich muss Dir
schreiben und sei es nur, um Dir mitzutheilen, dass es noch Jemand giebt, der
Dich über Alles liebt, dass Du immer noch ein Heim hast, wo Du Jederzeit
hochwillkommen bist. Du wirst wohl aus a/A/lledem nicht recht g/k/lug und
wirst mich wohl auslachen, ich weiss aber nicht warum, ich muss das thun. Nun
lebe wohl, ich | muss enden. Lucia kommt gleich aus der SchuhleSchreibversehen, statt: Schule. und dann muss
ich in die Stadt, die Beiden erwarten mich, ach Gott, wie ist mir das Alles so
gleichgültig. Wenn ich so zu Dir kommen könnte! Wenn Du mir schreibst, so
schreibe zuerst an G. ohne I.p/P/uncktSchreibversehen, statt: Punkt. Julia Rickelt hatte Wedekind diese Verschlüsselung vorgeschlagen; er möge ihrem Mann schreiben und dabei in seinem Namen den i-Punkt weglassen (das i in Wedekind) ‒ als Signal für sie, dass ein Brief von ihm für sie postlagernd vorliege [vgl. Julia Rickelt an Wedekind, 9.10.1897].. Tausend Küsse, meine Gedanken sind
immer bei Dir.