CLUBDie 1891 gegründete Deutsche Schriftsteller-Genossenschaft in Berlin (siehe unten), eine soziale, rechtliche und ökonomische Interessenvertretung der Mitglieder dieser Schriftstellervereinigung, auf deren Briefpapier der vorliegende Brief geschrieben ist, betrieb einen „Klub“ [Deutscher Litteratur-Kalender auf das Jahr 1897, Teil I, Sp. 13], der am 26.9.1894 eröffnet wurde, wie aus Otto Erich Hartlebens Brief vom 27.9.1894 an die Gattin von Fritz Rumpf hervorgeht: „gestern bei der Eröffnung unseres neuen Clubs der Schriftsteller-Genossenschaft“ [Heitmüller 1912, S. 214].. DER DEUTSCHEN
SCHRIFTSTELLER-GENOSSENSCHAFTDie Deutsche Schriftsteller-Genossenschaft G.m.b.H. in Berlin (Kronenstraße 61) war für „Manuscripten-Vertrieb an Zeitungen“ [Adreßbuch für Berlin 1897, Teil VI, S. 167] eingetragen.
BERLIN W. 8, KRONEN-STRASSE 61.
Sehr geehrter Herr Doctor,
Herr Liebermann, den ich darum ersuchte mein Stück in seiner
WohnungDer Maler Max Liebermann bewohnte eine geräumige Wohnung in Berlin (Pariser Platz 7) [vgl. Adreßbuch für Berlin 1897, Teil I, S. 755]; er war Eigentümer des Hauses [vgl. Adreßbuch für Berlin 1897, Teil III, S. 428]. vorlesenMax Liebermann schilderte Wedekinds „Erdgeist“-Lesung am 16.12.1896 in seiner Wohnung (siehe oben) rückblickend (demnach waren außer ihm selbst Otto Brahm, Otto Erich Hartleben, Paul Schlenther, Ludwig Fulda, Wilhelm Bölsche, Fritz Mauthner, Heinrich und Julius Hart sowie Walter Leistikow anwesend): „Der Vorstand der freien Bühne [...] wurde eingeladen: Brahm, Otto Erich Hartleben, Schlenther, Fulda, Bölsche, Mauthner, die Gebrüder Hart, Leistikow, der [...] sich lebhaft für Literatur interessierte [...]. Dagegen wurde meiner Frau geraten, während der Vorlesung ... spazieren zu gehen. Lag es am Vorleser oder am Stücke, jedenfalls machte der ‚Der Erdgeist‘ gerade die entgegengesetzte Wirkung, die sich Wedekind versprochen hatte: die tragischen Stellen hatten einen starken Heiterkeitserfolg, und namentlich Otto Erich berstete vor Lachen. Darin waren alle einig, meine Wenigkeit eingerechnet, daß eine Aufführung unmöglich sei, ein kolossaler Theaterskandal wäre sonst unvermeidlich.“ [Max Liebermann: Wie ich Wedekind kennen lernte. In: Friedenthal 1914, S. 213] Wedekind wollte mit seiner „Erdgeist“ Lesung die Vorstandsmitglieder des Berliner Theatervereins Freie Bühne zu einer Aufführung des Stückes bewegen [vgl. KSA 3/II, S. 1202, 1214], außerdem die Dramatische Gesellschaft in Berlin (1. Vorsitzender: Ludwig Fulda) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1897, S. 281]; die Freie Bühne hatte „Erdgeist“ bereits im Frühjahr 1895 abgelehnt [vgl. Wedekind an Otto Brahm, 3.5.1895] und konnte sich zu einer Aufführung nicht entschließen, mit der Dramatischen Gesellschaft verhandelte Wedekind zu dieser Zeit über eine Aufführung [vgl. Wedekind an Otto Erich Hartleben, 14.11.1896], die ebenfalls nicht stattfand. „Der Erdgeist“ wurde erst am 25.2.1898 durch das Ibsen-Theater im Kristallpalast in Leipzig uraufgeführt. zu dürfen, ging mit großer Liebenswürdigkeit auf mein Ansuchen
ein. Erlauben Sie mir die Anfrage ob es Ihnen paßt nächsten Mittwoch den 16den 16.12.1896, an dem die „Erdgeist“ Lesung stattfand (siehe oben).,
Mittags zwölf Uhr in seine Wohnung zu kommen. Morgenam 12.12.1896 (Samstag), an dem es Wedekind nicht möglich war, Ludwig Fulda wie angekündigt aufzusuchen [vgl. Wedekind an Ludwig Fulda, 14.12.1896]. Nachmittag zwischen 5 und
6 Uhr17 und 18 Uhr. werde ich mir die Ehre nehmen | persönlich bei IhnenDr. phil. Ludwig Fulda, Schriftsteller, wohnte in Charlottenburg (Uhlandstraße 1, 3. Stock) [vgl. Adreßbuch für Berlin 1897, Teil I, S. 322]. Er „lernte Wedekind am 7.12.1896 kennen“ [Gajek/von Ungern-Sternberg 1988, S. 698]. vorzusprechen.
Sollten Sie nicht zu Hause sein, so darf ich Sie wohl darum
bitten mir einige Worte zu hinterlassen für den Fall, daß Sie Mittwoch
verhindert sein sollten mein Stück zu hören.
Ich bitte Sie von meiner größten Hochschätzung überzeugt
sein zu wollen.
Ergebenst
Ihr
Frank Wedekind.
Lindenhotel, Kleine Kirchstraße
(Unter den Linden)
11.12.96.