München 30.
April 1910.
Hochverehrter Herr Harden!
Empfangen Sie meinen aufrichtigen herzlichen Dank für die
Schritte, die Sie für mich gethan haben und für Ihren ausführlichen Briefvgl. Maximilian Harden an Wedekind, 28.4.1910.. Allerdings
kann ich von den Einwürfen Cassirers, die Sie mir zu übermitteln die Güte
haben, keinen anerkennen. Auch mein Zuwiderhandeln gegen die Zusage erfolgte erst
nachdem ich mehrere Tausend M. Verlust zu verzeichnen hatte und mich Cassirer
in seinen BriefenBruno Cassirers Briefe an Wedekind in dieser Sache sind verschollen. Wedekind hat aus ihnen bereits zitiert [vgl. Wedekind an Maximilian Harden, 25.4.1910]. Der hier zitierte Brief ist nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Bruno Cassirer an Wedekind, 20.2.1909. mit Phrasen abspeiste wie: „Während Langen für Ihre Bücher | sehr
wenig gethan hatte“ (der
ärgste Hohn auf den wirklichen Sachverhalt.) Nachdem ich also nicht mehr sagen
konnte: „Ich habe keine Veranlassung, es nicht zu thun.“
Meine Entgegnungen auf die Einwürfe Cassirers habe ich mir
erlaubt, auf beiliegenden Blätterndie Briefbeilage, 5 paginierte Seiten (die der Seite 1 der Beilage zugeordnete Ergänzung auf der nicht paginierten Seite 6 der Beilage dürfte Wedekind erst am 1.5.1910 vorgenommen haben). so kurz als möglich zu fassen.
Ihrer freundlicheSchreibversehen, statt: freundlichen. Anregung, an Professor Liebermann zu
schreibennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Max Liebermann, 1.5.1910., werde ich folgen und alle Überlegung aufwenden, um den richtigen Ton
zu treffen. |
1 Mai 10.
Mit Ihrem zweiten Briefvgl. Maximilian Harden an Wedekind, 30.4.1910., den ich eben erhalte, für den ich
herzlich danke, gehe ich morgenWedekind notierte am 2.5.1910: „Besuch bei Müller der auf 8 Tage verreist ist.“ [Tb] zu Georg Müller, um ihn zu bitten, ein neues
Angebot zu machen. Selbstverständlich ist es unmöglich, verehrter Herr Harden,
daß Sie sich in den Schacher der Kaufleute mengen. Aber durch Ihr
Dazwischentreten haben Sie mir ja bis jetzt schon mehr genützt als alle Kämpfe, die ich seit
Oktober 1909 mit Cassirer geführt.
In Verehrung der Ihrige
Frank Wedekind.
[Beilage:]
Herr Cassirer stellt in seiner ErwiderungBruno Cassirers Brief an Maximilian Harden vom 24.4.1910 [Bundesarchiv Koblenz, Nachlass Maximilian Harden, Nr. 24], den Harden in seinen beiden letzten Briefen an Wedekind referiert hat [vgl. Maximilian Harden an Wedekind, 28.4.1910 und 30.4.1910]. an Herrn
Maximilian Harden augenscheinlich überall die Wirkungen als Ursachen hin.
Von einem „unausrottbaren Mißtrauen“ hat Herr Cassirer vor
dem 28 Mai 1909 keine Spur von einem Anzeichen erhalten. Erst als bei einem
vierzehntägigen GastspielWedekind brach am 16.5.1909 auf zu einem Gastspiel (siehe unten) nach Zürich und trat die Rückreise am 28.5.1909 an [vgl. Tb]. in Zürich mit drei PremierenBei Wedekinds Gastspiel am Pfauentheater in Zürich vom 19. bis 27.5.1909 wurde „So ist das Leben“ (Premiere: 19.5.1909), „Erdgeist“ (Premiere: 21.5.1909) und „Frühlings Erwachen“ (Premiere: 27.5.1909) gespielt. und starker
Reklamewirkung in keinem Schaufenster ein Buch von mir zu sehen war, kombinierte
ich diese Thatsache mit der anderen, daß die Einnahmen aus dem Buchverkauf im
Vorjahre bis Ende Mai M. 4800 betragen hatten gegen M. 600 im laufenden Jahr.
Und erst als ich auf die Frage nach den Gründen einen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Bruno Cassirer an Wedekind, 20.2.1909. erhielt mit der
Klage, daß Herr Cassirer meine Bücher viel zu theuer bezahlt habe, |
entstand daraus mein „unerschütterliches Mißtrauen.“
Meiner Zusage, ihm meine neuen Bücher zu geben, bestehend in
den Worten: „Ich habe keine Ursache es nicht zu thun.“ handelte ich erst
am 1. September zuwider, als der Ertrag des Buchverkaufs im laufenden Jahr von
M. 600 einem solchen im Vorjahre von M. 5400 gegenüberstand.
Die Behauptung, ich hätte die Herausgabe einer
Gesammtausgabe verweigert, ist glatt aus der Luft gegriffen. Herr Cassirer kann
nicht einen Schimmer von Beweis dafür aufbringen.
Für die zwei Auflagen „Feuerwerk“ wünschte Herr Cassirer
einen neuen Beitrag, während ich keine Zeit hatte, etwas neues zu schreiben,
und das Buch bei Langen immer ohne Erweiterung neugedruckt | worden war. Erst am 13. Dezember 1909 machte er den Vorschlag, das Buch in
alter Form zu drucken. An der Aufstellung des Ertrages vom 18 Oktober 1908 bis
18. Oktober 1909 ändert diese Sache also nichts.
Daß mir das Berliner Gastspiel 7000 Mark eingebracht hätte,
ist eine Annahme des Herrn Cassirer. Das Angebot lautete auf 4500 Mark. Ich
ließ mich nicht darauf ein, weil Herr Cassirer sich mir als völlig unpraktischer
Vermittler gezeigt hatte und ich eine günstigere Gelegenheit abwarten wollte.
Da das Gastspiel erst nach Oktober 1909 gefallen wäre, hat es mit dem von mir
angeführten Ergebnis des Buchverkaufes nichts zu thun. |
Was den geforderten Preis von 43,000 Mark betrifft, so hatte Herr Cassirer
selber, ohne daß ihm irgendetwas bestritten wurde, meine künftigen Arbeiten zu erwarten,
konnte Neuauflagen und eine Gesammtausgabe veranstalten, hatte den
Bühnenvertrieb in Händen, kurzum alles, was jetzt das Kaufobjekt ausmacht, und
beklagte sich mir gegenüber, daß er das alles mit 23,000 Mark viel zu theuer
bezahlt habe, und daß er von Albert Langen „hineingelegt“ worden sei.
Unter anderem hatte Herr Cassirer | von Albert Langen einen seit einem Jahr von mir gekündigten Vertrag übernommen,
dessen beiden Hauptparagraphen ich in beiliegender AbschriftDiese Abschrift liegt dem Brief nicht bei. angestrichen habe.
Jetzt bietet Herr Cassirer diesen Vertrag Herrn Georg Müller für 8000 Mark (in
den 43000 M inbegriffen) an und schreibt dazu:
„Dieser Besitz ist ein sehr wertvolles Objekt ... Ich möchte
Sie auf folgendes aufmerksam machen: die Bühnenrechte der oben genannten Werke
besitze ich als einen unkündbaren Besitz.“
Dabei liegt vom Verlag Albert Langen die schriftliche
Bestätigung meiner Kündigung vor. Als sich Georg Müller eine Abschrift des
Kontraktes erbatDieser Brief von Georg Müller an Bruno Cassirer ist nicht ermittelt., erhielt er sie nichtDieser Antwortbrief von Bruno Cassirer an Georg Müller ist nicht ermittelt., unter der Begründung:
„Dieser Vertrag ist nur im Zusammenhang mit anderen
Verträgen klar verständlich.“nachträgliche Ergänzung mit Bleistift (nicht ganz eindeutig, ob von Wedekinds Hand). |
zu pag 1.
Der Wortlaut des Cassirerschen Briefes an mich heißt: „und
er (Langen) hat neulich einem Bekannten gegenüber seine Freude darüber
ausgedrückt, daß er mich mit dem Verkauf der Bücher hineingelegt habe.“ der
Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Bruno Cassirer an Wedekind, 20.2.1909. ist vom 20. Februar 09.
Daß Albert Langen das wirklich gethan hat, wurde mir von den
Angestellten des Langenschen Verlags Korfiz Holm und Bernhart Reese bestätigtWedekind hat mit Korfiz Holm, der den Albert Langen Verlag nach dem Tod Albert Langens treuhänderisch leitete, und Bernhard Rehse, ebenfalls in der Verlagsleitung tätig, gesprochen. Wedekind hat am 18.11.1909 (der Tag, an dem er seinen Kündigungsbrief an Bruno Cassirer schrieb) festgehalten: „Besuch bei Korfiz Holm.“ [Tb] Er notierte am 19.11.1909: „Brief vom Verlag Langen“ [Tb] ‒ dieser dürfte eine entsprechende Bestätigung enthalten haben. Wedekind notierte außerdem am 25.1.1910: „Rehse kommt zu mir. Lange Unterredung“ [Tb], am 27.4.1910: „Besuch von Reese.“ [Tb].