Königreich Bayern
Postkarte
Herrn
Maximilian Harden
Berlin-Grunewald
Wernerstrasse 10Maximilian Harden wohnte in der Wernerstraße 16 (später 16/18).. |
Sehr verehrter Herr Harden!Maximilian Harden hat die vorliegende Postkarte später in seiner Auswahl an Korrespondenzstücken Wedekinds Fritz Strich für die „Gesammelten Briefe“ (1924) zur Verfügung gestellt, Fritz Strich aber erklärte ihm am 15.9.1923, sie entziehe „sich wohl noch der Veröffentlichung, die einer späteren Zeit vorbehalten bleiben muß.“ [Bundesarchiv Koblenz, Nachlass Maximilian Harden, Nr. 103]
Eben lese ich die SchmierereienAnspielung auf die zuletzt erschienene Polemik von Karl Kraus gegen Maximilian Harden, die zuerst in der Münchner Zeitschrift „März“ veröffentlicht war [vgl. Karl Kraus: Schoenebeckmesser. In: März, Jg. 4, Heft 14, 15.7.1910, S. 81-88], dann gleich darauf in der „Fackel“ mit dem Hinweis auf den Erstdruck: „Zuerst in der Halbmonatsschrift ‚März‘ erschienen.“ [Karl Kraus: Schoenebeckmesser. In: Die Fackel, Jg. 12, Nr. 305/306, 20.7.1910, S. 1-10, hier S. 1] Das war ein scharfer Angriff auf einen von Maximilian Harden in seiner Wochenschrift „Die Zukunft“ publizierten Artikel [vgl. Schoenebecks. In: Die Zukunft, Jg. 18, Nr. 39, 25.6.1910, S. 407-422], der die sexualpsychologischem Hintergründe eines Mordfalls zum Thema hat und Maximilian Harden eine Anklage wegen Verbreitung ‚unzüchtiger Schriften‘ einbrachte. Karl Kraus geht darauf ein, kommt auch auf Wedekind zu sprechen und spielt zum Auftakt darauf an, dass er Maximilian Harden sonst wegen seines Sprachstils angegriffen hatte: „Wenn die Erinnerung an Herrn Maximilian Harden [...] verrinnen sollte, wenn es selbst meiner philologischen Mühe nicht gelingen mochte, seine Prosa unsterblich zu machen, so wird sich doch einst ein deutscher Sittenforscher dazu entschließen müssen, das Profil dieses zwischen Staats- und Bettgeheimnissen angestrengten Chiffreurs nachzuzeichnen. [...] Seitdem Herr Maximilian Harden einmal Wedekinds ‚Frühlingserwachen‘ das ‚Männern der Knaben und Böckeln der Mädchen‘ genannt hat, wissen wir, daß er eine deutliche Sprache liebt. [...] Er, der tüchtigste Markthelfer der Moral, hat es erleben müssen, daß ihm der preußische Staatsanwalt den Artikel über den Fall Schoenebeck konfisziert hat.“ [Die Fackel, Jg. 12, Nr. 305/306, 20.7.1910, S. 1, 4, 10] von K. K. und hoffe zu allen heiligen, Sie werden auch
diesmal nicht antwortenMaximilian Harden hat auf die Angriffe von Karl Kraus gegen ihn nie öffentlich geantwortet.. Für jeden halbwegs vernünftigen Menschen fällt ja
alles was er
schreibt
direkt auf ihn selbst zurück. Und sein einziges Ziel ist ja eine Ihre Erwiderung
Außerdem:
Jeder Wallfischältere Schreibweise, statt: Walfisch. hat seine LausMaximilian Harden nahm den Reim „Laus“ auf „Kraus“ [KSA 1/I, S. 582] aus Wedekinds Versen [vgl. KSA 1/II, S. 1735f.] in seinem Brief an Hermann Bahr vom 1.6.1911 auf, in dem er von der „Krauslaus“ [Bundesarchiv Koblenz, Nachlass Maximilian Harden, Nr. 148] sprach.,
Gleich wie Harden seinen Karl Kraus,
So muß ich die meinige haben.
Interessanter scheint mir die heilige Allianzin der Metternich-Ära das am 26.9.1815 geschlossene Bündnis zwischen Russland, Österreich und Preußen; hier im übertragenen Sinn Ausdruck für einen Unterdrückungsmaßnahmen sichernden Zusammenschluss. Der „Simplicissimus“ machte durch Anzeigen und das Angebot von Probeheften Werbung für „März. Halbmonatsschrift für deutsche Kultur / Begründet von Albert Langen / Herausgeber: Ludwig Thoma und Hermann Hesse [...] Albert Langen, Verlag“ [Simplicissimus, Jg. 15, Nr. 17, 25.7.1910, S. 290], im „März“-Heft vom 15.7.1910 (siehe oben) war der im Albert Langen Verlag erschienene Aphorismen-Band „Sprüche und Widersprüche“ von Karl Kraus beworben [vgl. Pfäfflin/Dambacher 1999, S. 163]. In der „Fackel“ brachte Karl Kraus unter „Selbstanzeigen“ Hinweise auf seine in beiden Münchner Zeitschriften und im Albert Langen Verlag veröffentlichten Texte: „Der ‚März‘ [...] brachte die folgende Kritik: [...] Karl Kraus, den der Philister durch die ‚Fackel‘ und den ‚Simplicissimus‘ kennen und hassen gelernt hat, gab im Verlag Langen eine Sammlung seiner Aphorismen mit dem Titel ‚Sprüche und Widersprüche‘ heraus.“ [Die Fackel, Jg. 11, Nr. 298/299, 21.3.1910, S. 44] Fackel März
Simplizissimus. Bei diesem Anblick wird mir Albert Langen immer mehr zu einer
übermenschlichen Idealfigurironische Anspielung auf das gespannte Verhältnis Wedekinds zu seinem ehemaligen Verleger, den am 30.4.1909 gestorbenen Albert Langen, Begründer und Herausgeber der im Albert Langen Verlag erscheinenden Münchner Zeitschriften „Simplicissimus“ und „März“, der Wedekind zufolge die Allianz mit Karl Kraus, dem Herausgeber der „Fackel“, gegen Maximilian Harden wohl nicht zugelassen hätte..
Mit herzlichen Grüßen
Ihr
FrWedekind.
25.7.10.