München Prinzregentenstraße 50.
2. Mai 1910Wedekind vermerkte am 2.5.1910: „Brief an Harden Jonas Landsberger“ [Tb]..
Hochverehrter Herr Harden!
Soeben war ich bei Müller. Er ist auf acht Tage verreistWedekind notierte am 2.5.1910: „Besuch bei Müller der auf 8 Tage verreist ist.“ [Tb].
Ich werde ihm also schreibenWedekind hat dem Brief den Entwurf eines Anschreibens von Georg Müller an Bruno Cassirer beigelegt [vgl. Wedekind an Georg Müller, 2.5.1910]., habe aber keine Ahnung, ob er noch wirklich
Interesse für die Sache hegt.
Jetzt bin ich im Begriff, an meine Schwesternicht überlieferter Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Erika Wedekind, 2.5.1910. in Dresden zu
schreiben. Wollen Sie mir erlauben, Sie mit folgenden Daten zu belästigen.
Laut seinen Briefennicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Bruno Cassirer an Wedekind, 20.2.1909 und 19.11.1909. vom 20.2.9 und 19.11.9. hat Cassirer an
Albert Langen für 16,659 Exemplare, die einen Laden|preis von 35,000 Mark
representierenSchreibversehen, statt: repräsentieren., die Verlagsrechte, den Bühnenvertrieb und die Druckplatten von
FrülingsSchreibversehen, statt: Frühlings. Erwachen und Erdgeist inbegriffen 23,500 Mark bezahlt.
Laut seiner eigenen Aufstellungnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Bruno Cassirer an Wedekind, 23.3.1910. vom 23.3.10 hat er jetzt 18,665
Exemplare meiner sämmtlichen Bücher zu verkaufen, die genau gerechnet einen Ladenpreis
von 42,418 Mark representieren.
Den Preis, den Cassirer an Langen bezahlt hat als Maßstab
genommen und nach dem Verhältnis der verschiedenen Ladenpreise berechnet,
hätten diese 18,665 Exemplare inclusive aller Rechte e. ct. e. ct.
einen | Werth von 28,481 Mark.
Nach den Zeugnissen Cassirers und Langens war der Preis, den
Cassirer bezahlte außerordentlich hoch. Theurer zu kaufen kann ich also mit
gutem Gewissen niemandem zuraten. Cassirer hätte bei dieser Summe die
Genugthuung, nicht mehr der Hereingelegte zu sein und die Bücher, die er früher
von mir besaß, ebenso günstig zu verkaufen, wie Langen an ihn verkauft hat.
Ich habe meine Schwester gefragtim Brief an Erika Wedekind (siehe oben)., ob sie mir die paartausend
Mark, die ich noch besitze, auf 28,481 Mark ergänzen | würde, wenn Cassirer
meine Bücher und Rechte dafür hergiebt. Für mich ist der Schritt insofern
gewagt, als ich dann vorderhand von der Hand in den Mund leben würde. Das käme
mir aber gegenüber der wiedergewonnenen Bewegungsfreiheit gar nicht in
Betracht. Die Antwort meiner Schwester warte ich nicht erst ab, da für sie
aller Voraussicht nach die Bereitwilligkeit Cassirers ausschlaggebend wäre. Ich
würde die Bücher dann fürs erste einem hiesigen Verleger in Kommission geben.
Nun sehe ich aber die Gefahr vor | mir, daß Cassirer, sobald
er von dem Angebot hört, umso halsstarriger auf seinen Forderungen besteht oder
eventuelSchreibversehen, statt: eventuell. noch in die Höhe geht. Wie diese Gefahr zu umgehen ist, darüber bin
ich mir völlig unklar. Wenn es zum Prozeß kommt und sich Gelegenheit dazu
giebt, dann würde ich Cassirer dieses Angebot auch vor Gericht machen.
Meine augenblickliche Lage hat insofern etwas
unerträgliches, als ich mich vor jedem, auch dem geringsten Erfolg fürchten
muß, da die Forderungen | Cassirers dadurch erhöht werden.
Erlauben Sie mir, verehrter Herr Harden, diese Angelegenheit
in Ihre Hände zu legen mit dem Vertrauen, wie man es nur zu seinem besten
Freund hat.
Mit herzlichem Gruß
Ihr ergebener
Frank Wedekind.