Kennung: 5559

München, 26. August 1885 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Friedrich Wilhelm

Inhalt

München, 26 VIII 85


Lieber Papa,

tausend Dank für Deinen lieben großen Briefvgl. Friedrich Wilhelm Wedekind an Frank Wedekind, 16.8.1885. und auch für den von Mamanicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 16.8.1885. und von Hammivgl. Armin Wedekind an Frank Wedekind, 17.8.1885.. Sie waren mir rechte Erquickung und Labsal, als ich im Bett lag, nicht wußte wann ich aufstehen könnte und mit niemanden hatte um ein trautes Wort mit ihm zu wechseln. Aber jetzt bin ich zum Glück wieder auf und bis auf Weniges ist die ganze Krankheit vorüber.

Die Heilung des Rothlaufeszu Wedekinds Erkrankung siehe die vorangegangene Korrespondenz. ging leider nicht so schnell vorüber, als die DoctorenWie die weitere Korrespondenz belegt, wurde Wedekind außer von Professor Nussbaum auch von den Assistenzärzten Ludwig Pfeiffer und Julius Fessler behandelt. vorausgesagt und hatten und ich hoffte. Die Anschwellung und Entzündung waren schon vom ganzen Bein verschwunden als sie sich auf einer kleinen Stelle auf der Innenseite hartnäckig erhielten. Obschon ich den fortwährend einen dicken Umschlag von Watte darum trug, war dennoch ein Absceß nicht zu vermeiden und ich mußte vor allen Dingen warten bis er zum Öffnen reif war. Nachdem Professor Nußbaum ihn aufgeschnitten und eine TrainageSchreibversehen, statt: Drainage. hineingelegt hatte wurde er nun alle drei Tage von Neuem mit Borwasserzur Wundreinigung: „Die Borsäure ist ein vortreffliches mildes Antisepticum, welches in der Form der Borsalbe, des Borlints und des Borwassers zur Verwendung kommt. [...] Das Borwasser [...] ist milde desinficirend“ [Gustav Wolzendorff: Handuch der kleinen Chirurgie für praktische Ärzte. 2. Aufl. Wien. Leipzig 1889, S. 242]. ausgespritzt und mit Salicilwattemit Salicylsäure getränkte Watte als antiseptischer Verbandsstoff zur Schmerz- und Entzündungsbehandlung [vgl. Ernst Fischer: Handbuch der Verbandlehre. Stuttgart 1878, S. 150]. und JodoformgasenSchreibversehen: statt: Jodoformgaze; antiseptisches Verbandsmaterial. verbunden; die TrenageSchreibversehen, statt: Drainage. wurde jedes mal um ein Stückchen verkürzt und bei einer ganz geringen Eiterbildung heilte die Wunde ziemlich rasch. Jetzt ist nur noch ein Stückchen von | dem äußeren Schnitt übrig, aber als ich gestern zum ersten Mal aufstand me merkteSchreibversehen, statt: merkte. ich erst wie schwach mein linker Fuß indessen geworden war. Daß/s/ ist nun allerdings recht mißlich, denn es wird mich wol noch einige Tage an den Krankensaal fesseln, aber heute kann ich doch schon um vieles leichter auftreten. Schmerzlich war die ganze Sache nicht mit Ausnahme des Tages vor und einiger StundenSchreibversehen, statt: einige Stunden. nach der Operation, und auch sonst bin ich wegen des Krankenhauses nicht sonderlich zu bedauern. Die Zeit vergeht wunderbar S/s/chnell, die Pflege ist äußerst liebevoll und auch die Gesellschaft recht angenehm. Aber wenn ich dann daran denke, daß ich nun bald schon seit drei WochenWedekind war seit dem 5.8.1885 im Krankenhaus [vgl. Frank Wedekind an Friedrich Wilhelm Wedekind, 12.8.1885]. die freie Natur nicht gesehen habe und schon seit bald 14 Tagen zu bei Euch sein könnte, wenn sich die an und für sich geringfügige Krankheit nicht so lang hinaus gezogen hätte, so | könnte ich oft wirklich fast traurig werden, tröstete mich nicht der Gedanke daß ich Euch AlleAuf Schloss Lenzburg lebten außer Wedekinds Eltern noch seine jüngeren Geschwister Erika, Donald und Emilie. zusammen nun doch wol bald wiedersehen konnt werde.

Das wird nun freilich vor dem ersten IX. schwerlich der Fall sein, und so hab’ ich denn einen guten Theil meiner Ferien eingebüßt aber wenn ich nur wieder gehen kann; das ist mir jetzt die Hauptsache; und so wie die Sachen stehen, wird sich das auch bald finden. Im Übrigen bitte ich Euch, liebe Eltern, Euch nur meinetwegen nicht im Geringsten zu ängstigen. Ich verdien’ es auch gar nicht, denn ich bin ja sonst ganz gesund und nebenbei auch recht vergnügt und fidel, was ja auch zweifelsohne das r/R/ichtigste ist, und ganz gut angeht, da die übrigen Studenten, wie ich reconvalescirengenesen. und es ebenso machen.

Daß ich Euch so lange keine Nachricht von meinem Befinden gab, war | freilich nicht schön; aber im d/B/ette ließ n/s/ich auch nicht recht schreiben und gesterndem 25.8.1885. saß ich nur einige Stunden am Fenster und blickte in die nun schon welkenden Baumkronen hinein. Es war allerdings gerade die schönste Zeit, die ich versäumt habe.

Und nun lebt wohl! Noch einmal tausend Dank für die herzliche Theilnahme und viele innige Grüße an Alle zusammen und vor a/A/llen an Dich, lieber Papa. Mein nächster Brief wird dir den Tag meiner Ankunft melden. Indessen verbleib’ ich Dein treuer Sohn
Franklin.


Die 20 MarkFriedrich Wilhelm Wedekind hatte in seinem letzten Brief ein Postmandat über 20 Mark für den 17.8.1885 angekündigt [vgl. Friedrich Wilhelm Wedekind an Frank Wedekind, 16.8.1885]. habe ich erhalten. Meinen besten Dank dafür. Ich werde sie zu verwenden suchen, wofür du sie bestimmt.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Kariertes Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13,5 x 21 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Auf Seite 4 oben hat Wedekind mit dem Brieftext Bleistiftnotizen überschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    26. August 1885 (Mittwoch)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Erster Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
108-110
Briefnummer:
33
Kommentar:
Im Erstdruck ohne die Nachbemerkung ediert. Neuedition: Vinçon 2021, Bd. 1, S. 104-105 (Nr. 42).
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 190
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Friedrich Wilhelm Wedekind, 26.8.1885. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (23.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

18.10.2024 15:01