Sehr verehrter Herr DoctorDr. jur. Richard Fellinger in Wilmersdorf (Georg Wilhelm-Straße 17) [vgl. Berliner Adreßbuch 1909, Teil I, S. 572], als Schriftsteller ausgewiesen mit Postadresse Berlin-Halensee [vgl. Kürschners Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1909, Teil II, Sp. 398].!
Empfangen Sie meinen herzlichen Glückwunsch zu dem schönen
großen ErfolgWedekind bezieht sich auf die Uraufführung von Richard Fellingers Schauspiel „Die Pfarrerin“ (1908 in der Reihe „Bibliothek moderner Dramen“ bei Vita Deutsches Verlagshaus in Berlin-Charlottenburg erschienen), vom Verlag beworben mit dem Hinweis: „Das Drama erzielte bekanntlich bei seiner Uraufführung im Darmstädter Hoftheater einen glänzenden Erfolg.“ [Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 75, Nr. 261, 9.11.1908, S. 12749] Sie fand am 21.10.1908 am Großherzoglichen Hoftheater in Darmstadt unter der Regie von Georg Heinrich Hacker statt: „Großherzogliches Hoftheater. [...] Mittwoch 21. Oct. 1908. [...] Zum 1. Male: Die Pfarrerin. Schauspiel in 3 Akten von Richard Fellinger. (Szenische Leitung: Regisseur Hacker.)“ [Darmstädter Zeitung, Jg. 132, Nr. 274, 20.10.1908, S. 1836] Wedekind dürfte durch die Presse davon erfahren haben: „Unser Darmstädter Korrespondent meldet: Im Hoftheater machte die Uraufführung von Richard Fellingers Schauspiel ‚Die Pfarrerin‘ tiefen Eindruck. Das Stück behandelt den inneren Konflikt zwischen den ernsten Berufspflichten eines Dorfpfarrers und seiner jungen, modern erzogenen Frau, wobei die plötzlich erstarkte Mutterpflicht und Gattenliebe den Sieg davontragen. Die Hauptpersonen sind wirksam charakterisiert. Die vortreffliche Darstellung hatte einen schönen Erfolg. Der Verfasser wurde mehrmals hervorgerufen.“ [Richard Fellingers „Pfarrerin“. In: Berliner Tageblatt, Jg. 37, Nr. 542, 23.10.1908, Abend-Ausgabe, S. (2)] der „Pfarrerin“ in Darmstadt. Ich habe mich aufrichtig darüber
gefreut, nachdem ich das Drama mit großem Genuß gelesen hatte. Ich erinnre michan die Uraufführung von Richard Fellingers Drama „Ein Feiertag“ (1905) am 30.11.1905 um 19.30 Uhr im Kleinen Theater in Berlin: „Kleines Theater. Zum erstenmal: Ein Feiertag. Tragikomödie von Richard Fellinger. Anfang 7½ Uhr“ [Vorwärts, Jg. 22, Nr. 280, 30.11.1905, Beilage, S. (2)], die Wedekind besuchte: „Premiere von Feiertag.“ [Tb] Die von ihm hervorgehobene Hauptrolle (siehe unten) spielte Willy Thaller, wie die Presse mitteilte: „In der dreiaktigen Tragikomödie ‚Ein Feiertag‘ von Richard Fellinger, deren Uraufführung im Kleinen Theater am Donnerstag stattfindet, wird die Hauptrolle von Willy Thaller dargestellt. Die Regie führt Dr. Hans Oberländer.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 34, Nr. 606, 28.11.1905, Abend-Ausgabe, S. (3)]
auch sehr wohl noch der ergreifend schönen Gestalt | des DramatikersFranz Xaver Dollereder, die Hauptfigur in Richard Fellingers Drama „Ein Feiertag“ (1905 bei Schuster & Löffler in Berlin erschienen), eine tragikomische Figur, ein Bürovorsteher, dem zu seinem 25jährigen Firmenjubiläum (der titelgebende Feiertag) die Absurdität bewusst wird, dass er seit Jahren nachts heroische Dramen schreibt, sein eigentlicher Lebensinhalt. Wedekind sah die Uraufführung (siehe oben). in Feierstund/tag/.
Die Pfarrerin b/h/at ja ohne Zweifel viel stärkere Qualitäten für die
Bühne so daß sie jedenfalls noch viel Freude mit dem Drama erleben werden. Ich
habe eben die Weitläufigkeiten EinesSchreibversehen, statt: eines. UmzugsWedekind hat die neue Wohnung in München in der Prinzregentenstraße 50 (3. Stock) bezogen und eingerichtet, was sich über mehrere Wochen hinzog, wie er im Tagebuch festhielt; entsprechende Einträge finden sich am 1.10.1910 („Besichtigung der Wohnung Bad“), 2.10.1910 („Ausladen“), 3.10.1910 („Wir stellen in sämtlichen Zimmern die Möbeln auf“), 5.10.1910 („Tilly ab 8 Uhr in der Wohnung [...] Das Eßzimmer ist gesäubert Bibliothek aufgestellt“), 6.10.1910 („Tilly ab 8 Uhr in der Wohnung Bestelle zwei Schränke. [...] Mein Zimmer ist gesäubert“), 7.10.1910 („Die Teppiche werden gebracht. Tillys Zimmer ist gesäubert“), 8.10.1910 („Mein Schlafzimmer ist gesäubert. Nach Tisch brauche ich zwei Stunden um einen Korb mit Gardinen auf dem Zollamt in Empfang zu nehmen. [...] Letztes Abendessen in der Pension“), 9.10.1910 („Packe meine Koffer und fahre in die Wohnung“), 14.10.1910 („Tapezierer hängt die Vorhänge und Bilder auf“), 21.10.1910 („Der Verschlag wird gebaut“), 22.10.1910 („Der Verschlag wird gebaut. Tilly näht Gardinen“) und 23.10.1910 („Der Verschlag wird gestrichen. [...]Tilly näht Gardinen“). hinter mir, sonst hätten Sie früher
von mir gehört. Ich rechne aber mit Bestimmtheit darauf | daß wir uns in Berlin
oder vielleicht auch hier in München wiedersehn werden. Wenn Sie nach München
kommen sollten, wird es mich sehr freuen, wenn Sie mich dann benachrichtigen,
damit wir uns deann hoffentlich etwas näher kennenlernen. Derweil
verbleibe ich mit besten Grüßen
Ihr ergebener
Frank Wedekind.
München,
Prinzregentenstraße 50.
26.10.8.