Sehr geehrter Herr Großmann!
Empfangen Sie meinen herzlichen Dank für die liebenswürdige
Aufforderungnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Großmann an Wedekind, 25.8.1911. Großmann hatte Wedekind offenbar um einen Beitrag sowie die Erlaubnis zum Nachdruck mehrerer Texte für die Monatsschrift „Der Strom“ gebeten, die er von April 1911 bis Frühjahr 1913 für die Mitglieder der von ihm geleiteten Wiener Freien Volksbühne herausgab. Die Zeitschrift sollte das auf die ästhetische Erziehung von Arbeitern gerichtete Bühnenprogramm der Volksbühne durch Autorenporträts und Abdruck ausgewählter Texte ergänzen [vgl. Wallas 1995, S. 67-69]. Im Septemberheft des ersten Jahrgangs erschienen von Wedekind als Nachdrucke aus dem Band „Die Fürstin Russalka“ (1897) die Erzählung „Die Liebe auf den ersten Blick“ sowie die Gedichte „An mein Weib“, „Christine“, „Altes Lied“, „Erdgeist“ und „Menschlichkeit“ [Der Strom. Ogan der Freien Wiener Volksbühne 1 (1911/1912), Nr. 6, S. 184-187 und 188-190]. In einer einleitenden Fußnote [ebd., S. 184], die offenbar Vorbehalten aus dem Leserkreis vorbeugen sollte, rechtfertigte die Redaktion den Abdruck der Texte: „Diese kleine Erzählung, die Frank Wedekind gut repräsentiert, weil er sich darin auch als der brillante Advokat seiner Einfälle losredet, ist ebenso wie die ‚Gedichte‘ dem Band ‚Die Fürstin Russalka‘ entnommen [...] Wedekind gehört nicht zu den bequemen Autoren und nicht jedem Leser würden wir es empfehlen nach Wedekinds Werken zu greifen. Auch seinen ungenierten Zynismus wird ein schwacher Magen nicht leicht verdauen, Heinrich Heine, an den der Zyniker Wedekind oft anklingt, ist idyllisch neben ihm .... Zu den Aufgaben des ‚Strom‘ gehört es, die Aufnahmsfähigkeit des Lesers zu erweitern! Dazu werden diese mit Absicht ausgewählten Beiträge verhelfen.“ und für die große Auszeichnung die Sie mir zugedacht haben. Ist es
Ihnen nun recht wenn ich ++/f/ür den „Strom“ einen AufsatzDer Aufsatz ist nicht erschienen. Das von Wedekind offenbar schon begonnene Manuskript ist nicht überliefert.
schreibe „Meine Freunde“. Das ergäbe eine Art von Autobiographie. Natürlich
ohne Kritik, Polemik oder etwas derart | sondern nur Erfreuliches. Ich habe
schon drei Seiten geschrieben und wenn dieser Dank für Ihre liebenswüridge
Ankündigung etwas kurz ausfällt, so hoffe ich daß der Artikel dafür um so
länger wird. Im wesentlichen kämen nur Leute vor die im öffentlichen Leben
stehen, so daß das Interesse für den Aufsatz auch allgemein sein dürfte. Wenn
Ihnen, geehrter Herr Großmann | das für den „Strom“ passen sollte, so erwarte
ich keine weitere Nachricht.
Das Bild sende ich heute Abend.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr ergebener
Frank Wedekind.
26.8.11