20/3.1908
Sehr geehrter Herr Wedekind
Sie gaben unserer gestrigen DiskussionWedekinds Tagebuch enthält am 19.3.1908 keinen Eintrag. Es dürfte sich aber um eine Diskussion über seine Verträge mit Max Reinhardt, Direktor des Deutschen Theaters zu Berlin, gehandelt haben, einen Konflikt, dessen Chronologie Wedekind dann im sogenannten „Reinhardt-Tagebuch“ [KSA 5/II, S. 278] zusammengestellt und am 17.10.1908 an Maximilian Harden, Emmy Loewenfeld, Fritz Andreae, Hermann Rosenberg, Robert von Mendelssohn, Walther Rathenau und Paul Cassirer verschickt hat. gegen Schluss hin
eine Wendung, die es mirEfraim Frisch, neben Felix Hollaender und Arthur Kahane Dramaturg am Deutschen Theater zu Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 258]. nicht mehr ermöglichte, entsprechend zu reagieren, da
ich in Gegenwart der anwesenden Herren mit dem letzten mir verbleibenden
Argumentum ad hominem(lat.); ein Scheinargument, bei dem die Haltung des Streitgegners durch Angriff auf dessen persönliche Umstände oder Eigenschaften angefochten wird. zurückhalten musste. Ich hätte diplomatisch sein und den
Ton ablehnen können, der, völlig die Sache verlassend, in einen persönlichen
Angriff gegen mich überging. Ich hätte, mich eine Stufe tiefer stellend, mir
die Unverschämtheit verbitten können, Ihre nicht geforderten Urteile über meine
persönliche Angelegenheit anhören zu sollen. Ich sehe doch nicht ein, weshalb
ich gegen meine innerste Natur mich zu irgend etwas zwingen sollte, weil es
jemandem beliebt, | mich auf diesen Boden zu locken. Wie tief unwahr Ihre
eigene Haltung ist, müssen Sie so gut wie ich wissen, der Ihre Beziehungen zum
TheaterWedekinds Beziehungen zum Deutschen Theater zu Berlin (Direktion: Max Reinhardt) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 258]. und zu Reinhardt im Besonderen sehr genau kennt und nicht einmal Ihre
Elogen und superlativischen Ergiessungen mit angehört hat. Aber sei dem, wie es
wolle; es ist nicht meine Sache, hier auf eine Materie wieder einzugehen, für
deren sachliche Behandlung Ihnen nach meinem gestrigen Eindruck jede Fähigkeit
abhanden gekommen zu sein scheint. Ich möchte hier nur noch persönlich Ihnen
gegenüber zum Ausdruck bringen, dass ich in meinem Verhältnis zum Theater und
zu Reinhardt niemals etwas Schimpfliches oder Erniedrigendes empfunden habe,
und mich Anspielungen nach dieser Richtung hin nicht berühren können.
Hochachtungsvoll