München 26.8.91.
Liebe Mama,
es thut mir leid, daß ich, anstatt dir deine Last zu
erleichtern, in der Lage bin, Dich mit etwas behelligen zu müssen. Donald
schreibt mirvgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 25.8.1891., du habest ihm für seinen Aufenthalt in Italien frs 350– versprochen, wovon
er bis jetzt frs. 200 – emf/p/fangen, so daß er noch frs 150– zu erwarten gehabt
hätte. Ich kann natürlich nicht beurtheilen, ob diese Daten richtig sind und
wenn ich mich auf seinen Brief hin an Dich wende, geschieht es natürlich nur in
der Voraussetzung, daß seine Angaben in allen Punkten stimmen. Ist dem d
nicht so, so bitte ich dich, meine Einmischung als nicht geschehen zu
betrachten. | Donald scheibt mir nun, als er dich um die restirendennoch ausstehenden. frs 150– gebeten – und
allerdings noch um frs 150– mehr –, habe er folgende offene CarteTastsächlich hatte Donald Wedekind den Inhalt des nicht überlieferten Schreibens seiner Mutter im Brief an seinen Bruder nur paraphrasiert und nicht wörtlich wiedergegeben. erhalten:
Lieber Donald
Da du mit deinem Gelde zu Ende bist, so mußt du eben sehen,
wie du wieder herkommst. Ich schicke dir keines mehr.
Deine treue Mutter
E. Wedekind.
Donald schickt mir eine Copie dieser Karte, von der ich dir
hier wieder eine Copie gebe. Ob sich das alles thatsächlich so verhält, kann
ich wie gesagt nicht beurtheilen. Aber verhält es sich so, dann hättest du
meiner Ansicht nach doch wol besser gethan, ihm das Versprochne zu gewähren,
respectivebeziehungsweise., wenn dir das nicht möglich war, ihn davon in anständiger Weise in
Kenntniß zu setzen. Mit der Karte giebst du Donald die Mittel in die Hand, dich
einer ordi|nären Handlungsweise zu zeihen und das sind die frs 150 –, zumal zwischen
der treuen Mutter und dem treuen Sohne, doch wol nicht werth. Ich spreche, wie
schon bemerkt, immer nur in der Voraussetzung, daß mich/r/ Donald
vollständig der Wahrheit gemäß gemäßSchreibversehen (Verdopplung), statt: gemäß. geschrieben hat.
Oder glaubst du vielleicht, daß durch die/Ve/rweigerung
der frs 150– der
unvermeidliche Zusammensturz wesentlich hinaus geschoben wird? – Ich glaub es
nicht. Übrigens trifft dich ja auch in dieser Hinsicht nicht die geringste
Verantwortung. Es ist mein völliger Ernst wenn ich so spreche und mag kommen
was will, so werd ich mit dieser Anschauung der Dinge immer auf deiner Seite stehen.
Wenn ich Anfang nächsten Monats nach Zürich komme werden wir darüber zu
sprechen Gelegenheit genug finden. Hammi hat mir nämlich auch das weitere
Senden von GeldArmin Wedekind verwaltete das Vermögen des Vaters nach dessen Tod und zahlte auf Wunsch Teile des Erbes an seine Geschwister aus, worüber es, wie die Korrespondenz belegt, regelmäßig zu Konflikten mit Frank Wedekind kam. Über Auszahlungen an den noch minderjährigen Donald entschied er gemeinsam mit der Mutter. verg/w/eigert. Ich | machte ihn daraufhin darauf
aufmerksam, daß das wol nicht gut ginge, solang ich noch nicht halb soviel
gebraucht hätte, wie sämmtliche übrigen majorennenvolljährigen. Mitglieder der Familie. Er
hat mich darauf zu einer AbrechnungEine frühere Abrechnung ist brieflich überliefert [vgl. Armin Wedekind an Frank Wedekind, 27.11.1889]. nach Zürich gebeten.
Also bitte schicke Donald die frs 150– respective lasse sie ihm durch Hammi
schicken. Mehr bliebe mir nämlich auch nicht übrig. Wenn ich sie baar hätte,
hätte ich dich mit der Sache überhaupt nicht behelligt. Da er sehr in
Verlegenheit zu sein behauptet sende ichdas Begleitschreiben zu der Geldsendung ist nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Donald Wedekind, 26.8.1891. imSchreibversehen, statt: ihm. frs. 50– das äußerste was ich bis zu meiner Abreise
werde entbehren können. Du magst ihm diese frs 50– ja eventuell von den frs 150 abziehen, wenn wenn
du ihn aus Princip straff zu halten gedenkst, aber ich frage dich, wo soll er
denn hin, wenn er meinetwegen die Reise noch zu Fuß zurücklegt, wenn seine
Ferien noch nicht beendet? Lenzburg wäre um des | lieben Friedens willen wol
der wenigst geeignete Platz für ihn und in Zürich oder Solothurn braucht er so
gut Geld zum Leben wie anders wo auch.
Ich wiederhole noch einmal, daß ich das alles nur in der
Voraussetzung schreibe daß Donalds Angaben richtig sind. Andernfalls bitte ich
tausendmal um Verzeihung. Wenn dem aber so ist, so läßt sich Donald
thatsächlich noch nicht so inconsequent behandeln, es müßten ihn denn auch
Andere für einen Lumpenkerl halten, Hammi natürlich ausgenommen, der jeden
dafür hält, der es geradeSchreibversehen (Auslassung), statt: es nicht gerade. so macht wie er. Übrigens würde ich Donald gegenüber
nicht auf die Carte zurückkommen. Das wäre meiner unmaßgeblichsten Ansicht nach
ihm gegenüber nicht am Platz, so wenig wie ich darauf reagiren werde. Du
magst ja Hammi anweisen, ihm das Geld in meinem Namen zu schicken; er würde |
das doch wahrscheinlich ohne deine Zustimmung nicht thun wollen.
Und nun leb wohl, liebe Mama. Grüße mein herzinnig geliebtes
Mati und sei selber aufs herzlichste gegrüßt von deinem
treuen Sohn
Franklin
Akademiestraße 21./0.