Hochverehrter
Herr Wedekind!
Sie haben seinerzeitvgl. Wedekind an Erwin Loewenson, 2.5.1910. unseren Plan, einen ‚Wedekind-Abend‘
(Vortrag u. Vorlesung) zu veranstalten Ihr freundlichstes Interesse
entgegengebracht. Nachdem nun die Verlags-Krise AngelegenheitenWedekinds konfliktreicher Wechsel vom Bruno Cassirer Verlag zum Georg Müller Verlag [vgl. KSA 5/III, S. 126-141; Vinçon 2014, S. 227-230], der im Juni 1910 vollzogen war. Aufgrund dieses Verlagswechsels hatte Wedekind im Frühjahr um einen Aufschub für den geplanten Wedekind-Abend des Neuen Clubs gebeten [vgl. Wedekind an Erwin Loewenson, 2.5.1910]., hoffentlich zu Ihrer vollen Zufriedenheit, auf erledigt istdurch Unterpunktung aufgehobene Streichung. sind, gilt es ein dürfen wir wohl daran gehen, einen möglichst
günstigen Zeitpunkt für diese Veranstaltung, die uns besonders am Herzen
liegt, einen Zeitpunkt und zwar einen möglichst günstigen zu suchen. Die
besteDer Satz (bis „Berlin sind.“) wurde von Erwin Loewenson nach Einzelkorrekturen durch mehrere senkrechte Striche schließlich komplett gestrichen. verlockendste Situation hierfür wäre doch w/s/icherlich die Zeit, in der Sie zwecks Aufführung der
„Zensur“ persönlich in Berlin sind. Durch Ihren alsbaldigen
Aufenthalt in BerlinWedekind hielt sich vom 30.9.1910 – „Fahrt nach Berlin.“ [Tb] – bis zum Abend des 20.10.1910 – „Dann Fahrt nach München.“ [Tb] – zusammen mit seiner Frau Tilly in Berlin auf. Anlass waren die Proben und das Gastspiel von „Zensur“ und „Der Liebestrank“ am Kleinen Theater (Direktion: Viktor Barnowsky), das am 6.10.1910 Premiere hatte. Vereinbart hatte Wedekind die Auftritte Ende August: „Gastspielvertrag von Barnowsky.“ [Tb 27.8.1910] Erwin Loewenson wird davon aus der Presse erfahren haben, die einen Monat später berichtete: „Frank Wedekind wird nach längerer Zeit im Kleinen Theater wieder als Dichter und Schauspieler zu Worte kommen. Er wird in der nächsten Premiere des Kleinen Theaters in seiner einaktigen Theodizee ‚Die Zensur‘ gemeinsam mit seiner Gattin auftreten. Vorher geht sein dreiaktiger Schwank ‚Der Liebestrank‘ erstmalig in Szene.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 492, 28.9.1910, Morgen-Ausgabe, S. (3)], verehrter Herr Wedekind, ist wäre nunist die
verlockendste Situation nun von
selber gegeben. |
Um jedoch diesen erfreulichen Lauf der Dinge
Doch Hier wäre es geradezu
unverzeihlich von uns, wenn wir nicht
wenigstens den Versuch machten würden
aus dieser seltenen Constellation der Dinge nicht alle Möglichkeiten zu
componieren, die der – von
Ihnen gutgeheißenen u. einer Definition nicht bedürfenden – Absicht unserer Veranstaltung
förderlich wären. Und so machen wir Ihnen denn den ebenso frechen wie gutmütigen gemütlichen
Vorschlag, der Sachlage den Abend dadurch auf ein glänzendes unwiderstehlich- illustresNiveau zu heben, daß Sie, verehrter Herr Wedekind,
persönlich einen Teil der Vorlesung übernehmen. Da Sie glücklicherweise nicht
das Vorurteil ‚Verhaltenheits‘-H/V/orurteil | haben, ein Dichter
dürfe aus seiner Dunkelkammer nicht herauskommen, so schließen wir daraus
auch, daß es Ihren soziologischen Intentionen auch nicht wiederstreben
wird, im Rahmen einer Vereinigung an die Öffentlichkeit zu treten, die der obligatorischen Altersschwäche noch fern steht
und deren künstlerisches Renommé noch nicht verkitscht ist bis
zum Kitsch gesteigert ist.
(Daß wir den materiellen Überschuß einen finanziellen Gewinn nicht selbst im
Auge haben zu behalten gedenken, brauchte eigentlich nicht erwähnt zu
werden; doch liegt auch kein Grund vor, es zu verschweigen.)
Öffentlich Öffentlichkeit
Erfolg Gewinn |
Es kann d/k/ein Einwand für Sie sein, persönliche zu lesen daß am Abend vorher von Ihnen gesprochen wird über Sie ein VortragErwin Loewenson hatte einen Vortrag mit dem Titel „Über Wedekinds Theodicee ‚Die Zensur‘“ ausgearbeitet, den er schließlich auf einem internen Abend des Neuen Clubs am 16.11.1910 referierte [vgl. Sheppard 1980, S. 411-423], da der geplante Wedekind-Abend nicht zustande kam.
gehalten wird, da der
Vortrag keine phrasenhafte Anbetung stattfinden wird sondern
hauptsächlich die Eigentümlichkeit Ihrer Stellung zum Leben, die Notwendigkeit
Ihres tragischen Sehens und deren Bedeutung für unsere Zeit betrachtet gezeigt u.
wird werden
soll. (also mehr ein philosophisches als ein „literarisches“
Thema).
Jedenfalls erlaube nehme ich mir die Freiheit, Ihnen
die ergebene Einladung der/s/ Mit Neuen Clubs, auf die aktio auszusprechen) an jenem Abend aktiv teilzunehmen;/./ zu
auszusprechen.
Bitte schreiben Sie auf
jeden Fall, möglichst
bald, wann u.
(u. wo) wie lange Sie in
Berlin zu sein vorhaben gedenken; da die technischen Vorbereitungen naturgemäß 8-14 Tage für sich in Anspruch nehmen.
Wir hatten bisher hauptsächlich an die Vorlesung der Zensur Theodizee gedacht, (schon wegen des Themas
im Zusammenhang mit dem Vortrag); nun geht das nicht; haben Sie nicht etwas
Unbekanntes, oder gar etwas Ungedrucktes n?
Mit der nochmaligen Bitte um möglichst umgehende Antwort erlaube ich mir, Ihnen da unsern verehrungsvollen Gruß unser Ve auszusprechen.
Ihr sehr ergebener El.
[auf der Rückseite von Blatt 2:]
Wir
sehenDie ersten zwei Zeilen (von „Wir sehen“ bis „liegt“) sind nach Detailkorrekturen durch zwei diagonale Striche komplett gestrichen. nicht ein, werden wir Ihnen
Daß
wir uns auch a/e/in finanzieller Erl/f/olg
erfreulich wäre, liegt dem
brauchen wir nicht zu verschwiegen; aber ebensowenig daß dieser
Vorteil vom Überschuß
x)Das Einweisungszeichen hat im übrigen Briefentwurf keine Entsprechung. Seien Sie überzeugt, daß wir
die Ehre, Die durch Unterpunktung zunächst aufgehobene Streichung wird durch eine zweite Streichung mit diagonalen Strichen (von: „die“ bis „Zustimmung“) wieder wirksam. Ihrer uns
durch eine Zustimmung die uns
widerfährt, wenn Sie zustimmen, nicht unterschätzen werden.