Hochverehrter
Herr Wedekind
Für Ihren freundlichen Briefvgl. Wedekind an Erwin Loewenson, 2.5.1910., vor allem für die prinzipielle
Genehmigung unseres Planesder Ausrichtung eines Wedekind-Abends mit Lesungen und Vorträgen [vgl. Erwin Loewenson an Wedekind, 22.4.1910]., nehmen Sie unsern herzlichen Dank!
Die Verlegergreuel sind ja müssen
hierzulande mehr gemeiner als ja
gemeingefährlicher sein
als man weiß;,
nichts ist tiefer beklagenswert, als daß wenn selbst gebenedeitegesegnete, gepriesene. Lebensm/M/ittel
des Geistes der Verwaltung gleichsam viehischer Instincte unterstellt
sinddurch Unterpunktung aufgehobene Streichung.; hier in großem Stil Abhilfe
zu schaffen ist gehört eigentlich die zu der (sehr gewagten) Lebensaufgabe unseres ClubsDer Neue Club bestand von März 1909 bis Frühjahr 1914 als Vereinigung junger Berliner Intellektueller und Literaten, vorwiegend noch Studenten, und wollte laut seiner Satzung „seinen Mitgliedern einen regelmässigen Gedankenaustausch ermöglichen und ihnen Gelegenheit bieten, mit ihren Arbeiten an die Öffentlichkeit zu treten.“ [Sheppard 1980, S. 402]. Zu den Gründungsmitgliedern zählten Jakob van Hoddis, Franz Grüner, Kurt Hiller, Kurt Levy, Erwin Loewenson, Erich Unger, John Wolfsohn und Edgar Zacharias [vgl. Wülfing/Bruns/Parr 1998, S. 356], später stießen u. a. Georg Heym und Ernst Blass hinzu. Treffpunkt des Neuen Clubs war das Nollendorfkasino am Nollendorfplatz. An die Öffentlichkeit trat der Club ab Juli 1909 durch Diskussionsabende und Vorträge an unterschiedlichen Veranstaltungsorten [vgl. Wülfing/Bruns/Parr 1998, S. 350; 354]., nämlichNach verschiedenen Einzelkorrekturen hat Erwin Loewenson den Briefabschnitt von „nämlich“ bis „Begabte“ mit drei diagonalen Strichen komplett gestrichen. indem allmählich Institutionen zu
schaffen. herzustellen, kraft welcher Genies
jeder Gattung die Begabten großen Ausnahmen auf jedem B Gebiet die Sache der
großen Ausnahmen auf jedem Gebiet eine pflichtmäßige
Ehrensache (u.
Pflicht) aller
Begabten
und zwar (–
verzeihen Sie, daß ich davon Einiges zu Ihnen sage? –) scheint uns die einzige Möglichkeit erste Bedingung nämlich einer aristokratischen Regelung aristokratischer Angelegenheiten scheint in scheint ein
in einer Einigung scheint uns in einer der Einigung der einer Der
Zahl Ausnahmemenschen einer großen leidlichen Zahl Kultivierter zu liegen, an
deren Spitze freilich eine geringe Zahl großer Ausnahme-Menschen selbst stehen
müßte; von einer solchen [imposanten] Einigung darf man erwarten, daß es ihr gelingen wird, eine neu neue kleine
Begeisterung u. Eitelkeit aufzurühren auch bei den Materiell-Potenten aufzurühren, mit | deren Hilfe welcher man allmählich im Laufe der Jahre eine
Anzahl Reihe von aristokratischen Institutionen ins Leben rufen
könnte die insgesamt den Zweck haben, jeden die Großen von den Kleinen in jeder Beziehung unabhängig zu machen. [Man bräuchte beispielsweise: eine Theater Bühne, die nicht auf den Beifall eines
großen Publikums angewiesen ist; eine Zeitschrift, die compromißlos für die
heiligen Extravaganzen in Kunst, Wissenschaft, Philosophie usw. einsteht und einen eigenen Verlag;
und höchst parteiische Attacken gegen die p. p.hier im Sinne von: diversen, verschiedenen. Canaillen(frz.) Schurken, hier wohl abwertend für: Pack. ausführt [auchdie nach der folgenden Zeile in Kastenklammern notierte Passage, hat Erwin Loewenson durch einen Einweisungstrich an diese Stelle platziert. Politik treibt, mit Ausschluß der ‚realdemokratischen‘,
d. i. antigenialen]; di/ein/e ‚Neben-UniversisätSchreibversehen, statt: Universität.‘ mit Verzicht auf behördliche
staatliche Würden Titel; (mit im Anschluß ++te fortlaufende
Congressen/e/) eine andre Art ‚Parlament‘, in dem Fragen
des Kultur-Anstands, des Totschweigens, und der guten Gesinnung
der Politik phrasenlos u. blutig öffentlich
durch Unterpunktung aufgehobene Streichung.diskutiert werden r – (die „öffentlichen
Meinungen“ nimmt nehmen heutzutage nur noch gewiß von öffentlich Au Gesprochenem
Notiz, schon aus Neugierde); eine Art aristokratisches ‚Consulat‘ für die als Cen
Mittelpunkt für alle Interesse der Er Ausnahmen, als offizielles Organ bei Verhandlungen mit der
Regierung etc., als
pflichtmäßiger Rats- u. Hilfeerteiler vor
allem an junge oder
bedürftige an alle als bedeutende Talente Erkennbare (oder so
ähnlich)..usw.]
Die klingt gewiß in dieser solcher allgemeinen, extremen u. unausgeführten Form, (die nur das
Resultat nicht | den Weg u.
noch nicht einmal die Organisationsmethode angibt), gewiß sehr lächerlich, optimistisch und,
utopistisch und noch etwas; aber was wären das für Einwände –. Wir wissen auch,
daß es nichts schwerer ist, als ein halbes Dutzend Geniale zu einem
soziologischen Zweck zusammenzuführen, daß die deren Einsamkeitspose und dasdurch Unterpunktung aufgehobene Streichung. überlegenes Lächeln mancher eines
Gottbegnadeten kaum
überwindliche Feinde fast kaum
so unüberwindbarer
ist als wie das vernagelte Herz der eines Geldbegnadeten die
Vernageltheit mancher Geldbegnadeten; wir wissen noch manche viele anderen Schwierigkeiten, z. B. daß man selbst ein begabte
aufn empfängliches Publikum (soweit dieser Begriff nicht gegen
den Satz vom WiderspruchGrundsatz der Logik, nach der zwei sich widersprechende Aussagen nicht zugleich zutreffen können. verstößt) nur mit Hinterlist für sich gewinnen kann – und die aber trotzdem keine Compromisse mit ihm sein darf – schließen darf … usw.
Verzeihen Sie bitte, verehrter Meister, diesen | entsetzlichen
Umweg über den Grundgedanken des Neuen Clubs, aber ich wählte ihn, um Ihnen
anzudeuten, daß das Bißchen was wir jetzt vorhaben, so unwichtig es an
sich sein mag, doch eine kleine Notwendigkeit in einer weitgespannten Logik,
eine taktische Ouvertüre, ein hinterlistigesverkapptes frühes entferntes Mittel zum
Zweck darstellt.
Wir machen eröffneten
diesen Sommer hauptsächlich für Studenten
und die jüngere „Literaten“generation, ein sogen. „Neopathetisches Cabaret für Abenteurer des GeistesVeranstaltungsreihe des Neuen Clubs, die am 1.6.1910 eröffnet worden war [vgl. Sheppard 1980, S. 371].“, vorläufig monatlich einmal unter Ausschluß der
Öffentlichkeit, nur für Geladene, (doch kann jeder, der das Plakat in der
Universität bzw. einer Buchhandlung liest, Antrag auf Einladung stellen);
ich muß Ihnen dies aus Gründen, die Ihnen sofort Sie
sofort klar sein werden sehen
werden, so ausführlich darstellen mitteilen).
DasUm das Wort „Neopathetisch“ im
Zusammenhang mit dem Untertitel besagt, daß wir uns nicht damit begnügen, zö/o/tige
Liedlein singen zu lassen zu erläutern, brauche ich Ihnen
nach allem bisher Gesagten nur ungefähr durch
eine Reihe actuell aufgegriffener zusammengeraffter
Namen den Geschmack zu | umschreiben auf den wir das
Pu unser gem ein Publikum
eingestellt hätte einstellen wollen: außer Ihnen also: Altenberg,
Nietzsche, Max Brod, Hofmannsthal, George, Meyrinck, Rilke, Weininger, Kerr,
Heinr. Mann, Sigm.
Freud: wer nämlich diese in sich vereinen
kann, der müßte eigentlich, mit dem müßte sich
eigentlich etwas anfangen lassen.… Vor allem jedoch (Übrigens
lassen wir vor allem die jüngste Generation
mit Dichtungen, und Essais zu Wort, rauchenden Philosophemen und
Musik auftreten).
Nun die obligate Bitte, verehrter Herr Wedekind. Würde es
Ihrer Angelegenheit schaden, wenn wir schon jetzt Ende Juni,
– also vor u. außer dem geplanten Abend) – ca.
Oktober in diesem vor
solchem kleinen geladenen Kreis – (ca. wahrscheinlich
60 Personen) einige kleine Dichtungen von Ihnen vortragen lassen
würden, also vielleicht ein paar Gedichte
und eine Novelle; Frau DurieuxDie Schauspielerin Tilla Durieux las während des zweiten Neopathetischen Cabaret-Abends des Neuen Clubs am 6.7.1910 eine Szene aus Wedekinds Einakter „In allen Wassern gewaschen“ [vgl. Sheppard 1980, S. 395], der Mitte Juni 1910 erschienen war. [vgl. KSA 7/II, S. 878-880]. Die Veranstaltung fand im Papierhaus (Dessauer Straße 2) statt [vgl. Sheppard 1980, S. 449]. hat unsdurch Unterpunktung aufgehobene Streichung.
wiederum liebenswürdigerweise versprochendurch Unterpunktung aufgehobene Streichung.,
uns auch diesen Gefallen zu tun. |
Da die Motivation des Herrn Bruno CassiererSchreibversehen, statt: Cassirer. natürlich sehr
compliziert seindurch Unterpunktung aufgehobene Streichung. kann, so bitte ich
Sie, uns Ihre gütige Erlaubnis erstnur
dann zu erteilen, wenn Ihnen auch die geringste Möglichkeit einer Schädigung
ausgeschlossen erscheint.
Indem ich nur Ihrer geschätzten Antwort entgegensehe,
gest und Sie für die Länge des/iese/s
Briefes um Verzeihung bitte, erlaube ich mir, Ihnen den ehrfurchtsvollen Gruß u. Dank der Mitglieder meiner Vereinigung zu
über auszusprechen.
Mit hochachtungsvollem Gruß
Ihr sehr ergebener
Erwin –