Lieber Herr Kraus,
inliegend die beiden Änderungenim Gedichtmanuskript „Confession“, das Wedekind zwei Tage zuvor für die Veröffentlichung in der „Fackel“ [vgl. Frank Wedekind: Confession. In: Die Fackel, Jg. 6, Nr. 172, 31.12.1904, S. 21-22] nach Wien geschickt [vgl. Wedekind an Karl Kraus, 24.12.1904] und anschließend in einem nicht überlieferten Telegramm Korrekturen mitgeteilt hatte [vgl. Wedekind an Karl Kraus, 25.12.1904], die er in der Anlage des vorliegenden Briefs teilweise revidierte (siehe unten). Karl Kraus hat die Änderungen in einer Anmerkung zum Erstdruck des Briefes kommentiert (siehe die Hinweise zum Erstdruck). Das Gedicht hat Wedekind mehrfach umgearbeitet [vgl. KSA 1/II, S. 1760-1769; das Karl Kraus eingereichte Gedichtmanuskript war hier noch verschollen]; er teilt im vorliegenden Brief mit Anlage seinen letzten Korrekturwunsch mit. durch die das Gedicht meiner
Ansicht nach nicht leidet. Auf die ganze Strophedie fünfte Strophe des Gedichts „Confession“ [KSA 1/I, S. 531], Neufassung in der Beilage mitgeteilt.: „Oder sollte Schamgefühl..“
würde ich nicht gerne verzichten.
Was die WidmungWedekind hatte für sein Gedicht „Confession“ eine Widmung für Gertrud Eysoldt vorgesehen, die zugestimmt hatte, war sich aber unsicher [vgl. Wedekind an Karl Kraus, 24.12.1904]. betrifft, so hatte ich natürlich ähnliche
BedenkenHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben, auf das der vorliegende Brief eingeht; erschlossenes Korrespondenzstück: Karl Kraus an Wedekind, 25.12.1904., und werde Ihnen wahrscheinlich zu großem Dank verpflichtet sein, wenn
| Sie sie weglassen. Der einzige Umstand, daß es sich um eine Dame handelt
machtim Erstdruck: handelt, macht. die Sache eben schon so gut wie unmöglich. Eine andere Widmung
anzubringen halteim Erstdruck: anzubringen, halte. ich dann aberim Erstdruck: aber dann. nicht für thunlichim Erstdruck: tunlich.. „LuluGertrud Eysoldt in der Rolle der Lulu in der Berliner „Erdgeist“-Premiere am 17.12.1902 (und in zahlreichen weiteren Vorstellungen) war als Interpretin maßgeblich für den „Aufführungserfolg“ [KSA 3/II, S. 1203] der Tragödie.“ könnte als eine ganz
überflüssige Reklame gedeutet werden.
In größter Eile mit den herzlichsten Grüßen und den
aufrichtigsten Wünschen für das kommende Jahr und alle Zukunft
Ihr
Frank Wedekind. |
[Beilage:]
Wer war für ein FreudenfestKarl Kraus ist dem Korrekturwunsch nicht gefolgt und hat im dritten Vers der zweiten Strophe im Erstdruck des Gedichts „Confession“ die Formulierung „den Freudenmarkt“ (so von ihm zuvor im Gedichtmanuskript korrigiert) gesetzt, sich bei den Interpunktionszeichen aber am eingereichten Gedichtmanuskript orientiert: „Wer war für den Freudenmarkt geboren / So wie ich dafür geboren war?“ [Die Fackel, Jg. 6, Nr. 172, 31.12.1904, S. 21] Im Gedichtmanuskript steht kein Komma und ein Fragezeichen (statt Komma und Punkt) sowie die ursprüngliche Formulierung Wedekinds „das Freudenhaus“ [Beilage zu: Wedekind an Karl Kraus, 24.12.1904], die er der Erinnerung von Karl Kraus zufolge in einem nicht überlieferten Telegramm durch „den Liebesmarkt“ [Wedekind an Karl Kraus, 25.12.1904] zu ersetzen vorschlug. Karl Kraus hat sich auch daran erinnert, in der ersten Gedichthandschrift habe die Stelle „das Freudenhaus“ [Kraus 1920, S. 109] gelautet. geboren,
So wie ich dafür geboren war.
_____________
Oder sollte Schamgefühl mich hindern,
Wenn sich erste JugendlustKarl Kraus hat die Korrektur im zweiten Vers der fünften Strophe im Erstdruck des Gedichts „Confession“ ausgeführt; er erinnerte sich, in der ersten Gedichthandschrift habe die Stelle „Jugendkraft“ [Kraus 1920, S. 109] gelautet (dieser Teil des Gedichtmanuskripts ist nicht zugänglich). verliert,
Jeden noch so seltnen Schmerz zu lindern,
Den verwegne Phantasie gebiert.
_____________