ANHDas aus drei ineinander verschlungenen Großbuchstaben gebildete Monogramm steht für die aus den USA stammende Schriftstellerin und Konzertpianistin Annie Neumann-Hofer (geb. Bock), die am 15.10.1891 in Berlin den Schriftsteller, Journalisten und Theaterkritiker Otto Neumann-Hofer geheiratet hat, mit dem sie in Charlottenburg wohnte (siehe unten). Otto Neumann-Hofer war im Begriff, als Direktor das Berliner Lessingtheater zu übernehmen; die Presse meldete, „Otto Neumann-Hofer“ werde Oskar Blumenthals „Nachfolger in der Leitung des Lessing-Theaters“, der „Vertrag“ sei am 6.2.1897 „perfekt geworden“ [Berliner Tageblatt, Jg. 26, Nr. 68, 7.2.1897, 1. Beiblatt, S. (2)], unterzeichnet wurde er wohl am 4.2.1897: „Otto Neumann-Hofer und Oskar Blumenthal werden heute endgiltig den Vertrag vollziehen, wonach der Erstgenannte am 1. November dieses Jahres die Leitung des Lessing-Theaters übernimmt. [...] Neumann-Hofer [...] wird gerade am heutigen Donnerstag – dem Tage der Vertragsunterzeichnung – vierzig Jahre alt. [...] Seine Gattin ist unter ihrem Mädchennamen Annie Bock schriftstellerisch bekannt.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 26, Nr. 62, 4.2.1897, Morgen-Ausgabe, S. (2-3)]
Carmerstr. 10Adresse des Ehepaars Annie und Otto Neumann-Hofer in Charlottenburg (Carmerstraße 10) [vgl. Berliner Adreßbuch 1897, Teil I, S. 907].
31/1 1897
My dear.
I am sorry
to say that the circumstances under which you are hereWedekind war seit Anfang Dezember 1896 in Berlin, um Kontakte zu knüpfen oder wiederaufzunehmen und trat mit Lesungen auf, zuletzt am 4.1.1897, wie die Presse meldete: „Autoren-Abend nennt die Freie Literarische Gesellschaft ihre nächste Veranstaltung im Festsaal des Kaiserhofes am Montag, den 4. Januar, Abends 8 Uhr. Dem Titel entsprechend ist dieser Vortragsabend dazu bestimmt, zwei jüngeren Schriftstellern Gelegenheit zu geben, engere Fühlung mit dem Berliner Publikum zu gewinnen. Zunächst wird Ernst Hardt und dann Frank Wedekind je drei kleinere neue Arbeiten vorlesen.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 26, Nr. 3, 3.1.1897, S. (3)], make it impossible for
me to see youWedekind dürfte mit Annie Neumann-Hofer schon länger bekannt gewesen sein – entweder seit seinem letzten Aufenthalt in Berlin Anfang 1895 oder seit seinem ersten Aufenthalt in Berlin Mitte 1889, vielleicht aber auch schon seit ihrem einjährigen Aufenthalt in der Schweiz 1888/89 [vgl. Brümmer 1913, Bd. 5, S. 123].! It is a pity that you never will esteem | yourself highly
enough to go to the trouble of at least saving appearances!
You see, I
am frankly outspoken – but you know that I cannot be otherwise.
Chacun
selon sa nature!(frz.) Jeder nach seiner Natur! I tho suppose that
this is also the reason why you are going on | at this rate!
I can find
plenty, plenty of excuses for you – –
but go with you on this road I cannot, not in reality – and not even in thought.
I can say
honestly that I am very very sorry!
Yours
Annie.
[Übersetzung:]
Mein Lieber,
Ich bedaure dir sagen zu müssen, dass die Umstände, unter
welchen du hier bist, es für mich unmöglich machen, dich zu sehen! Es ist schade,
dass du dich niemals so hochschätzen wirst, dass du die Schwierigkeit auf dich
nimmst, wenigstens den Anschein zu wahren!
Du siehst, ich bin geradeheraus – aber du weißt, dass ich
nicht anders sein kann.
Chacun selon sa
nature! Ich nehme an, dass dies auch der Grund ist, warum du so weitermachst!
Ich kann viele, viele Ausreden für dich finden – – aber ich kann nicht mit dir diesen Weg
gehen, nicht in Wirklichkeit – und auch nicht in Gedanken.
Ich kann ehrlich sagen, dass es mir sehr, sehr leid tut!
Deine
Annie