Kennung: 4682

Kassel, 12. Dezember 1910 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Berliner Tageblatt, (Zeitung)

Inhalt

Sehr verehrliche RedaktionChefredakteur des „Berliner Tageblatt“ war Theodor Wolff, verantwortlich für das Feuilleton war Hans Fischer (Kurt Aram).

In Ihrer Betrachtungdie Besprechung Paul Schlenthers (Theaterkritiker des „Berliner Tageblatt“) von Max Reinhardts „Othello“- Inszenierung am Deutschen Theater in Berlin (siehe unten) [vgl. Paul Schlenther: „Othello“ im Deutschen Theater. In: Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 629, 12.12.1910, Montags-Ausgabe, S. (1-2)], aus der Wedekind zitiert (siehe unten). der Othello Vorstellungdie Premiere der Inszenierung von William Shakespeares Tragödie „Othello“ unter der Regie von Max Reinhardt am 10.12.1910 am Deutschen Theater (Direktion: Max Reinhardt) in Berlin (Bühnenbild und Kostüme: Ernst Stern). Es folgten 33 Vorstellungen, die letzte am 6.6.1911. im Deutschen Theater lese ich den Vorschlag, einmal das Forum Mark AntonsZitat aus Paul Schlenthers Besprechung der Berliner „Othello“-Premiere (siehe oben), in der es heißt: „Man sollte mit der Betonung des Lokalkolorits bei Shakespeare enthaltsam sein […]: erst jüngst erwog ich mit einem hervorragenden Archäologen, der das Unhistorische an Shakespeares ‚Julius Cäsar‘ berührte, die Möglichkeit, daß ein so wagelustiger Mann, wie der Direktor des Deutschen Theaters, einmal das Forum Mark Antons nach London lege und die falschen Römer der Republik zu echten Engländern der Shakespearezeit mache: der Archäologe war beinahe dafür.“ [Paul Schlenther: „Othello“ im Deutschen Theater. In: Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 629, 12.12.1910, Montags-Ausgabe, S. (1)] nach London zu verlegen und die falschen Römer der Republik zu echten Engländern der Schäkspearzeit zu machen.

Voraussetzung dazu wäre wohl | daß die echten Engländer der Schäkspearzeit in den Renaissancekostümen auftreten müßten wie sie uns Rubens überliefert hat.

Für das Theater hätte das den Vortheil, daß man die beiden Aufführungen auf einandertreffen lassen könnte. Heute Römisches | Kostüm auf dem Forum Mark Antons Morgen Renaissance Kostüm vor der St. Paulskirche in London Sollte diese Combination ihre Wirkung eingebüßt haben, dann böte sich sofort die andere dar: heute Renaissancekostüm auf dem Forum Mark Antons und morgen | römisches Kostüm vor der St. Paulskirche in London. Ich glaube daß sich bei dieser Einrichtung solcher Abwechselung die Darsteller der HauptrollenDie Hauptrollen in der Berliner „Othello“-Premiere (siehe oben) spielten Albert Bassermann (Othello), Else Heims (Desdemona), Paul Wegener (Jago), Jakob Tiedtke (Cassio), Paul Biensfeldt (Roderigo). nicht mehr der rigorosen BeurtheilungPaul Schlenther zufolge gab Albert Bassermann bei der Berliner „Othello“-Premiere (siehe oben) in der Titelrolle „statt des Mauren einen etwas pudelhaften Neger: da er ihn mit dem kurz wiehernden Negergurgellaut viel lachen ließ, […] so blieb mein Grundeindruck lange der: Black bleckt die Zähne. Da weder der große Kriegsmann, noch der leidenschaftlich Liebende recht zum Ausdruck kommen wollte, so war mein Endeindruck: der arme Nigger tut mir leid!“ Verfehlt habe er die „Menschengröße des Othello, dessen Natur ihm fehlt.“ Else Heims als Desdemona sei „ein nettes Desdemönchen“ und über Paul Wegeners Darstellung des Jago heißt es: „es fehlt ihm ein unentbehrliches Stück dieser Natur: der Humor“, über Jakob Tiedtke (namentlich nicht genannt) als Cassio: „Ganz schwach […] war der Darsteller der herrlichen Rolle des jungen Leutnants Cassio“, schließlich über Jakob Tiedtke als Roderigo: „Der blöde, weibische Rodrigo des Herrn Biensfeld […] hat mich nicht gestört, weil er komisch war; aber an dieses starre, tote Gesicht würde Jago kaum so viel Worte verschwendet haben, die der Tropf gar nicht zu hören scheint.“ [Paul Schlenther: „Othello“ im Deutschen Theater. In: Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 629, 12.12.1910, Montags-Ausgabe, S. (1-2)] aussetzen werden mit der Sie diese gänzlich schuldlos, im Grund genommen durchaus gutwilligen Künstler in Ihrer Besprechung (zur Verantwortung ziehen) ans Messer liefern

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Bleistift.
Schriftträger:
Papier. 10 x 7 cm.
Schreibraum:
Im Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Die einseitig beschrieben Blätter des Briefentwurfs sind am linken Rand perforiert und stammen aus einem Notizblock.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 12.12.1910 ist als Ankerdatum gesetzt – das früheste mögliche Schreibdatum, abgeleitet von dem Erscheinungsdatum des Artikels im „Berliner Tageblatt“, auf den der Briefentwurf sich bezieht (siehe Erläuterungen). Schreibort war demzufolge Kassel, wo Wedekind sich zu einem Gastspiel aufhielt und im Zentral-Hotel (Hohenzollern-Straße 23) logierte, in dem das „Berliner Tageblatt“ sicherlich auslag und der Briefentwurf vermutlich konzipiert wurde – dem Tagebuch zufolge kann das spät am 12.12.1910 gewesen sein („im Centralhotel. Schlaflose Nacht“).

  • Schreibort

    Kassel
    12. Dezember 1910 (Montag)
    Ermittelt (unsicher)

  • Absendeort

    Kassel
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Erstdruck

Werke. Kritische Studienausgabe. Band 5/II. Vermischte Schriften. Schulaufsätze, Essays, Aphorismen, Kritiken, Repliken, Notizen

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon unter Mitarbeit von Friederike Becker, Miroslav Brei und Martin Hahn
Verlag:
Darmstadt: Häusser.media Verlag
Jahrgang:
2013
Seitenangabe:
515
Kommentar:
Im Erstdruck ist der als offener Brief interpretierte Briefentwurf mit dem Titel „Othello-Vorstellung“ versehen und auf den 18.5.1914 datiert [vgl. KSA 5/III, S. 627].
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Aargauer Kantonsbibliothek

Aargauerplatz
5001 Aarau
Schweiz

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Wedekind-Archiv
Signatur des Dokuments:
Wedekind-Archiv B, Nr. 171 (Kuvert „Glossarium“)
Standort:
Aargauer Kantonsbibliothek (Aarau)

Danksagung

Wir danken der Aargauer Kantonsbibliothek für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an (Zeitung) Berliner Tageblatt, 12.12.1910. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (23.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

10.07.2024 20:53