Kennung: 466

Lenzburg, 24. Oktober 1895 (Donnerstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Eisenschitz, Otto

Inhalt

Lenzburg 24.10.95.


Lieber Herr Eisenschitz,

verzeihen Sie, daß ich Ihnen so lange nicht geschrieben. Ich war vierzehn TageWedekind hatte die Vortragsreise angekündigt [vgl. Wedekind an Otto Eisenschitz, 7.10.1895]; es dürfte sich bereits um den Vortrag von Henrik Ibsens „Gespenstern“ gehandelt haben, den er wenig später [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 29.10.1895] unter dem Pseudonym Cornelius Minehaha im Arbeiterbildungsverein Eintracht (Präsident: Ludwig Witt) in Zürich (Neumarkt 5) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für 1896, Teil III, S. 79] hielt, wie die Presse berichtete: „Henrik Ibsens ‚Gespenster‘ wurden auf der kleinen Bühne des Festsaales der Eintracht am Neumarkt von dem bekannten Rezitator Cornelius Minehaha in sehr bedeutsamer Weise interpretiert.“ [Tages Anzeiger für Stadt und Kanton Zürich, Nr. 259, 4.11.1895, 2. Beilage, S. (1)] mit einem Vortrage unterwegsWedekind hatte die Vortragsreise angekündigt [vgl. Wedekind an Otto Eisenschitz, 7.10.1895]; es dürfte sich bereits um den Vortrag von Henrik Ibsens „Gespenstern“ gehandelt haben, den er wenig später [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 29.10.1895] unter dem Pseudonym Cornelius Minehaha im Arbeiterbildungsverein Eintracht (Präsident: Ludwig Witt) in Zürich (Neumarkt 5) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für 1896, Teil III, S. 79] hielt, wie die Presse berichtete: „Henrik Ibsens ‚Gespenster‘ wurden auf der kleinen Bühne des Festsaales der Eintracht am Neumarkt von dem bekannten Rezitator Cornelius Minehaha in sehr bedeutsamer Weise interpretiert.“ [Tages Anzeiger für Stadt und Kanton Zürich, Nr. 259, 4.11.1895, 2. Beilage, S. (1)]. Jetzt danke ich Ihnen für alle Ihre BemühungenHinweis auf einen nicht überlieferten Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Otto Eisenschitz an Wedekind, 10.10.1895. Otto Eisenschitz dürfte Wedekind über seine vergeblichen Bemühungen berichtet haben, in Wien Wedekinds Schwank „Fritz Schwigerling“ beim Raimund-Theater [vgl. Wedekind an Otto Eisenschitz, 19.9.1895] und die Tragödie „Der Erdgeist“ beim Deutschen Volkstheater unterzubringen. Er erinnerte sich später an seinen Besuch beim Direktor des Deutschen Volkstheaters: So „übergab ich sein [...] Werk ‚Der Erdgeist‘ [...] der Direktion des Deutschen Volkstheaters (Direktor Emmerich v. Bukovics). Aber mein Versuch mißglückte gründlich. Als ich mir Bescheid holen kam, ob die Annahme erfolgen würde, sah mich der Direktor so eigentümlich an, wie wenn er erforschen wollte, ob ich mir mit ihm etwa einen schlechten Scherz hätte erlauben wollen. Dann sagte er – ich erinnere mich noch ganz genau seiner Worte: ‚Ja, haben Sie denn im Ernst gemeint, daß man so etwas aufführen könne?!‘ – ‚Gewiß,‘ war meine entschiedene Antwort. – ‚Dann weiß ich nicht, haben Sie uns für verrückt gehalten oder sollen wir Sie für verrückt halten!‘ – Ich aber lächelte bloß und meinte, der Name Wedekind werde den Herren wohl noch sehr geläufig werden...“ [Otto Eisenschitz: Briefe von Frank Wedekind. Aus seinen Anfängen. In: Neues Wiener Journal, Jg. 26, Nr. 8749, 12.3.1918, S. 3]. Mit dem Resultat muß man sich abfinden. Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Ich habe Ihnen von vornherein gesagt daß ich | wenig Vertrauen dareinhege, daß irgend ein Directortatsächlich Direktoren von zwei Wiener Theatern (siehe oben): Adam Müller-Guttenbrunn, Direktor des Raimund-Theaters [vgl. Neuer Theater-Almanach 1896, S. 533], und Emmerich von Bukovics, Direktor des Deutschen Volkstheaters [vgl. Neuer Theater-Almanach 1896, S. 532]. sich so ohne weiteres an eins der Stücke wagen würde. Beim SchwiegeringSchreibversehen, statt: Schwigerling (oder: Schwiegerling). – Wedekinds noch ungedruckter Schwank „Der Liebestrank“ (1899) hatte den Arbeitstitel „Fritz Schwigerling“ oder wurde als „Schwiegerling“ bezeichnet; er wurde 1912 in den „Gesammelten Werken“ unter dem Titel „Fritz Schwigerling (Der Liebestrank)“ gedruckt [vgl. KSA 2, S. 997, 1003-1005]. schien es mir immer noch wahrscheinlicher. Glauben Sie nicht daß ich dabei irgendwie den Vortheil unterschätze den mir Ihre liebenswürdige Empfehlung bringen konnte und ja thatsächlich auch gebracht hat indem die Direction das Stück sonst jedenfalls nicht so prompt ent/r/ledigt haben würde. | Gegenwärtig arbeite ich für eine neue Zeitschriftdie von Albert Langen herausgegebene illustrierte Wochenschrift „Simplicissimus“ im Albert Langen Verlag in München, deren erstes Heft am 4.4.1896 mit Wedekinds auch auf dem Titelblatt präsenter Erzählung „Die Fürstin Russalka“ (1896) erschien [vgl. Simplicissmus, Jg. 1, Nr. 1, 4.4.1896, S. 1-3]. Die Vorbereitung der Zeitschriftengründung war wenige Wochen später öffentlich ersichtlich, wie Werbemaßnahmen dokumentieren. So war angezeigt: „Der Verlag für Literatur und Kunst von Albert Langen in Paris, Leipzig, München setzt einen Preis von 600 Mark aus für das beste Plakat, das dazu dienen soll, die in diesem Verlage vom 1. April nächsten Jahres an erscheinende (humoristisch-satirische) künstlerisch illustrierte Wochenschrift, den ‚Simplicissimus‘, anzukündigen. Näheres ersieht man aus dem von der Firma (München, Kaulbachstr. 51a) in dieser Angelegenheit versandten Circular.“ [Literarisches Centralblatt, Nr. 50, 14.12.1895, Sp. 1812] Kurz darauf hieß es: „Der Verlag für Litteratur und Kunst von Albert Langen in München setzte einen Preis von 600 M aus für das beste Plakat, das dazu dienen soll, die in diesem Verlage vom nächsten Jahre an erscheinende illustrierte Wochenschrift ‚Simplicissimus‘ anzukündigen. Das Plakat, in der Größe von 100x75 cm, soll keine Skizze, sondern ein in höchstens vier Farben fertig ausgeführter Entwurf sein und den Titel ‚Simplicissimus‘, sowie den Preis ‚10 Pfennig‘ in auffälligster Weise tragen. Letzter Einlieferungstermin ist der 1. Februar 1896.“ [Preisausschreiben für ein Plakat. In: Nachrichten aus dem Buchhandel, Nr. 297, 23.12.1895, S. 2363], die das/ie/ Albert Langen in München gründet und hoffe darin für meine Sachen Propaganda zu machen. Ich freue mich nur daß Ihnen mein Erdgeist gefallen hat. Das ist immerhin ein Sonnenstrahl.

Ich hätte garnicht geglaubt daß Sie so lange in Wien bleiben würden, da mir Donald von einer TournéeFrank Wedekind hatte bereits erwähnt, sein Bruder Donald Wedekind habe ihm von dieser geplanten Tournee berichtet [vgl. Wedekind an Otto Eisenschitz, 7.10.1895]. nach Paris und London erzählte, die Sie vorhätten. Ich siedle Ende dieser Woche nach Zürich über, Briefe werden mir aber nachgeschickt. | Bis Ende des Winters hoffe ich bis München vorgedrungen zu sein.

Und nun leben Sie wohl, lieber Herr Eisenschitz. Nochmal vielen Dank für alles. Das ManuscriptEs dürfte sich um ein Manuskript „Fritz Schwigerling“ gehandelt haben (siehe oben). darf ich Sie vielleicht bitten an folgende Adresse schicken zu wollen
Herrn
E. Tomarkinder mit Wedekind befreundete Elias Tomarkin, der in Zürich bei der Zimmerwirtin Elob. Feldmann (Dufourstraße 138) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für 1896, Teil I, S. 121] in Untermiete wohnte.
Dufourstrasse 138
Zürich.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr
Frank Wedekind.


[Druck:]


Lenzburg, 24. Oktober 1895.

Lieber Herr Eisenschitz! Verzeihen Sie, daß ich Ihnen so lange nicht geschrieben. Ich war vierzehn Tage mit einem Vortrag unterwegs. Jetzt danke ich Ihnen für alle Ihre Bemühungen. Mit dem Resultat muß man sich abfinden. Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Ich habe Ihnen von vornherein gesagt, daß ich wenig Vertrauen dareinsetze, daß irgendein Direktor sich so ohne weiteres an eines der Stücke wagen würde. Glauben Sie nicht, daß ich dabei irgendwie den Vortheil unterschätzte, den mir Ihre liebenswürdige Empfehlung bringen konnte und ja tatsächlich auch gebracht hat, indem die Direction das Stück sonst jedenfalls nicht so prompt erledigt haben würde. Gegenwärtig arbeite ich für eine neue Zeitschrift, die Albert Langen in München gegründet, und hoffe, darin für meine Sachen Propaganda zu machen. Ich freue mich nur, daß Ihnen mein „Erdgeist“ gefallen hat. Das ist immerhin ein Sonnenstrahl.

Ich siedle Ende dieser Woche nach Zürich über, Briefe werden mir aber nachgeschickt. Bis Ende des Winters hoffe ich bis München vorgedrungen zu sein.

Und nun leben Sie wohl, lieber Herr Eisenschitz. Nochmal vielen Dank für alles. Mit herzlichen Grüßen Ihr Frank Wedekind

Ständige Adresse: Leipzig, Langestraße 3.

p. ad. Herrn Dr. Heine.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11,5 x 17,5 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Neben der Handschrift ist der Erstdruck wiedergegeben, da der Brief vom Empfänger selbst veröffentlicht wurde.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Lenzburg
    24. Oktober 1895 (Donnerstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Wien
    Datum unbekannt

Erstdruck

Neues Wiener Journal

Titel des Aufsatzes:
Briefe von Frank Wedekind. Aus seinen Anfängen
Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Otto Eisenschitz
Ort der Herausgabe:
Wien
Jahrgang:
1918
Seitenangabe:
3-4
Kommentar:
Detaillierter Nachweis: Otto Eisenschitz: Briefe von Frank Wedekind. Aus seinen Anfängen. In: Neues Wiener Journal, Jg. 26, Nr. 8749, 12.3.1918, S. 3-4. Die im Erstdruck abschließend angegebene Adresse gehört zu einem anderen Brief [vgl. Wedekind an Otto Eisenschitz, 24.3.1898] und ist dem vorliegenden Brief irrtümlich zugeordnet. Im Erstdruck ist an einer Stelle durch Sternchen – „gegründet*)“ – auf eine Anmerkung verwiesen: „*) Der ‚Simplicissimus‘.“
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Privatbesitz

Danksagung

Wir danken für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Otto Eisenschitz, 24.10.1895. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (02.02.2025).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

01.12.2024 09:39